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Gotteslob – Die Gestaltung des Gebet- und Gesangbuches der katholischen Kirche in Deutschland

Gotteslob

Es ist ein Buch, das seine Superlative geschickt hinter einem schlichten Äußeren verbirgt. Als am 1. Dezember 2013, dem ersten Adventssonntag, die neue Fassung des Gebet- und Gesangbuches der katholischen Kirche für Deutschland, Österreich und für die Diözese Bozen-Brixen vorgestellt wurde und in den Medien durchaus auf breites Echo stieß, war dies der Höhepunkt eines knapp 10-jährigen Entstehungsprozesses.

Mehr als 100 Personen waren mit der Konzeption und der Entwicklung dieses Buches beschäftigt, die Mitarbeiter der verantwortlichen Druckerei wohlgemerkt nicht einmal eingerechnet. 1.300 Buchseiten, die gestaltet werden wollen, durchaus auf der Höhe der Zeit und ästhetisch ansprechend, wie man seitens der Verantwortlichen betont hatte. Die spannende Frage, die Impuls für diesen Artikel ist, lautet: Wie muss eine Gestaltung aussehen, die man auch noch in 40 Jahren gerne in Händen hält?

In Zeiten, in denen sich Unternehmen in Abständen weniger Jahre, ja manchmal sogar weniger Monate ein neues Erscheinungsbild zulegen, mutet ein solches Projekt geradezu anachronistisch an. Die neue Ausgabe wie auch die Gestaltung müssen mindestens 40 Jahre halten, so die Vorgabe, mit der Matthias Bumiller von Finken & Bumiller konfrontiert wurde. Das war vor etwa 10 Jahren, als er und sein Kollege Burkhard Finken die Einladung zu einem Wettbewerb angenommen hatten und einen Entwurf für die Neugestaltung von Gotteslob eingereicht hatten. Unter dem Namen Finken & Bumiller betreiben beide seit 1993 ein Designbüro in Stuttgart. Dass letztendlich ihr Büro den Zuschlag bekam, lag wohl auch daran, so verriet mir Bumiller im Gespräch, dass Sie es mit den Vorgaben nicht ganz so genau nahmen, denn anstelle einer einfarbigen Lösung, wie in den Briefing-Unterlagen vorgeschrieben, sah ihr Entwurf die Verwendung von zwei Farben vor Schwarz und Rot.

Schon die Präsentation verlangte von den Gestaltern viel ab. 100 Entwurfsseiten sollten der Jury, die ein möglichst breites Spektrum der Gesellschaft abbildete und der unter anderem der Maler Gerhard Richter angehörte, präsentiert werden. So müssten etwa Lieder auf maximal einer Doppelseite untergebracht werden. Diese und viele weitere Vorgaben galt es zu berücksichtigen und umzusetzen. Mit ihrem zweifarbigen Vorschlag konnten sich Finken & Bumiller schließlich gegen vier andere Büros durchsetzen. Wie sich später herausstellen sollte war die Präsentation im Vergleich zu den noch bevorstanden Arbeiten nichts weiter als eine Fingerübung.

Der Stammteil des neuen Gotteslob umfasst rund 960 Seiten, zusätzlich gibt es sogenannte diözesane Eigenteile, die zwischen 240 und 340 Seiten umfassen. Das Buch, das seit Anfang des Jahres in einer Auflage von 3.6 Millionen gedruckt wird, ersetzt die Vorgängerausgabe von 1975. Die FAZ sieht in der neuen Fassung des Buches einen großen Wurf, freilich nicht allein der guten Gestaltung wegen, aber doch wohl auch. Zeitloses Design, eine Phrase, die in der Werbung und in der PR-Sprache über die Maßen und mehr denn je strapaziert wird hier scheint sie einmal treffend angewandt.

Gotteslob

Hauptverantwortlicher für die Gestaltung und den Satz des Buches ist Matthias Bumiller, der in den vergangenen Jahren nicht selten seinen Schreibtisch vor lauter Korrekturblätter nicht mehr gesehen hat und hinter selbigem Blätterberg zuweilen verschwand. 2006 begann Bumiller mit dem Entwurf der ersten Fassung, die im Dezember 2007 in Form einer 200 Seiten umfassenden Probeausgabe ausgewählten Gemeinden zur Verfügung gestellt wurde, um diese zu testen. Insgesamt nahmen 188 Gemeinden an dem Test teil. Die Rückmeldungen bezüglich der Aufmachung und der Gestaltung waren überwiegend positiv.

Benötigt eine zeitlose Gestaltung eine Serifenschrift? Vielleicht ist das so. Zweifelsfrei kommt man dort, wo höchster Lesekomfort trotz geringer Schriftgrößen gefordert ist, nicht an Serifenschriften vorbei. Die gute Lesbarkeit der Texte, insbesondere auch in den zum Teil wenig beleuchteten Kirchengebäuden, war eine der Hauptanforderungen, die es bei der Gestaltung zu beachten galt. Die im Vergleich zur Vorgängerausgabe vergrößerte Schrift trägt dem demographischen Wandel unserer Gesellschaft Rechnung. Insofern sollten und mussten die Texte, so die Vorgabe, auch und besonders von älteren Menschen problemlos gelesen werden können.

Ein sauberes, gut leserliches und ansprechendes Schriftbild zeichnet das Gebet- und Gesangbuch aus. Gesetzt wurde der gesamte Inhalt in der DTL Documenta. Während der Entwurfsphase kamen zunächst noch die Foundry Wilson sowie die Haarlemmer in die engere Auswahl. Gegen letztere sprach, so Bumiller, die nach seiner Ansicht zu feinen Serifen und die zu hohen Oberlängen und so entschied sich der Gestalter für die Documenta. Entworfen hat die Schrift der niederländische Schriftenentwerfer Frank E. Blokland. Sein erster Entwurf der Documenta stammt aus dem Jahr 1986, einer Zeit also, in der Desktop-Publishing langsam Einzug hielt. Realisiert wurde die erste Version der Schrift noch mittels Marker und Papier. Wenige Jahre später sollte DTP den klassischen Schriftsatz nahezu vollständig ablösen. So ist die Documenta ein frühes Kind der digitalen Ära.

Mit der Entwicklung der Documenta verfolgte Blokland das Ziel, gleichzeitig eine eigenständige, wiedererkennbare und zeitlose Schrift zu entwerfen, die insbesondere auch in geringen Schriftgrößen und unabhängig von der Druckauflösung funktioniert. Im Gotteslob kommen die Schriftschnitte regular, italic und Caps zum Einsatz. Die Zweifarbigkeit, ein aufgerastertes Schwarz sowie ausbalancierte Abstände (Zwischen den Zeilen, vor und nach Überschriften, zwischen den Versen, den Liedern, etc.) ergänzen das typographische Gestaltungskonzept. Vergleichsweise wenige Gestaltungsmittel, aus denen Bumiller schöpfen konnte. Aber genau die wenigen Gestaltungsmitteln sind es, die dieses Mammutwerk zusammenhalten.

Gotteslob DTL Documenta Beispiele

Dass das Buch als solches zusammengehalten wird, dafür trägt die Druckerei C.H. Beck Verantwortung. Seit dem Januar stehen die Druckmaschinen im schwäbischen Nördlingen nicht still. Wenn die letzten der 3.6 Millionen Exemplare im Sommer 2014 gedruckt sein werden, dann werden rund 8 Tonnen roter Farbe über die Farbwalzen auf das nur 40 Gramm dünne, nunmehr naturweiße statt creme-farbene Papier transportiert worden sein. Der Rot-Ton wurde eigens von einem Farbenhersteller angesetzt und hört auf die Bezeichnung „Gotteslob-Rot“. Für die Startauflage werden ca. 3.000 Tonnen Papier benötigt. Besonders anspruchsvoll sei, so das Unternehmen, dass auf dem sehr dünnen, zweiseitig bedrucktem Material nicht nur Textteile in Rot gedruckt werden, sondern auch vollfarbige Seiten. Hier gälte es immer beim Druck den richtigen Mittelweg zwischen zu viel und zu wenig Farbe zu finden.

Geplant war, das Buch auf einem 45 Gramm leichten Papier namens Thinopaque zu drucken. Da man das ursprüngliche Format nicht maßgeblich verändern wollte letztendlich ist die Basisausgabe rund 10% größer als die 1975er Fassung , die Korrekturschleifen jedoch ebenso zahlreich gewesen sind wie die Text- und Liederwünsche aus den Diözesen, entschied man sich schließlich für eine 40er Grammatur. Ein Kompromiss freilich. Wie bei der Vielzahl an Verantwortlichen so vieles ein Kompromiss ist, wie man sich leicht vorstellen kann.

Dass bei solch einem Werk kein maximaler Lesekomfort erreicht werden kann, sollte Jedem klar sein. Kein Mensch möchte ein 2 Kilogramm schweres Buch beim Singen in Händen halten. Lesekomfort und Schriftbild stehen, nicht weniger gewichtig, Praktikabilität und Nutzerfreundlichkeit gegenüber. Dass man dem Buch diese und viele andere Kompromisse nicht ansieht, ist der Gestaltung zu verdanken, die aus höchst schwierigen Vorgaben das Maximale herausholt. Eben weil ein solches Buch nicht das typische Designvorzeigeprojekt darstellt, ist es meiner Ansicht nach umso mehr ein lohnendes Studienobjekt, gerade für Gestalter.

Gotteslob Dreifaltigkeitsmotiv© Monika Bartholomé

Bestandteil des Gesangbuchs sind 19 Zeichnungen, die von der Kölner Künstlerin Monika Bartholomé stammen. „Gedankenstriche“, wie es Prof. Dr. Thomas Sternberg, Direktor der Katholisch-Sozialen Akademie in Münster nennt. Die Illustrationen sind stark vereinfachte Bilder, die mit wenigen Strichen viel Raum für eigene Ideen, eigene Interpretationen lassen. Es liegt in der Natur der Sache, dass nicht jede Interpretation intendiert ist; eine drängt sich geradezu auf: Ob die Generation der „digital natives“ in dem auf den Büchern abgebildeten Logo (Abb. oben) tatsächlich das Dreifaltigkeitsmotiv erkennt oder es doch eher mit einem Produkt aus dem Hause Adobe assoziiert? Es dürfte das geringste Problem darstellen, dass die (katholische) Kirche mit jungen Menschen hat. Beziehungsweise sind es bekanntermaßen die jungen Menschen, die zunehmend mit der Kirche ein Problem haben. Die Situation ist bekannt, weshalb hierzu nicht mehr geschrieben werden muss. Zurück zur Gestaltung und zur Arbeit von Bartholomé.

„Durch die Aufnahme von knapp 20 Zeichnungen, die gezielt Text- und Notensatz des Stammteils unterbrechen, werden die Sinne auf eine andere Weise angesprochen, als durch das Hören, Lesen und Singen von Inhalten gegeben ist. Eine eigenständige Kunstform, die vielleicht nicht Jedem sofort zugänglich ist. Zonen der Ruhe und des Meditierens, die in unserer bildorientierten Gesellschaft zur Auseinandersetzung mit den Inhalten anregen.“, so Bischof Dr. Friedhelm Hofmann im Rahmen der Präsentation des Gesangbuchs.

GotteslobQuelle: Deutsche Bischofskonferenz

Das neue Gotteslob soll sowohl Begleiter für das private Glaubensleben sein als auch Hilfestellung und Anregungen für Feiern in Gemeinschaft geben.

Weitere Angaben zum Gotteslob:

  • 145 ö-Lieder fin­den sich dar­un­ter (davon 90 auch im EG-Stammteil)
  • 56 NGL-Lie­der
  • ca. 20 Taizé-Gesänge
  • 144 Lie­der wur­den aus dem alten GL übernommen
  • 136 sind ganz neu in den Stamm­teil hineingekommen
  • 2900 Lie­der wur­den im Vor­feld gesichtet

Noch der Hinweis: Auf der Website des Deutschen Liturgischen Instituts wird eine Vorabfassung als PDF vorgehalten. Im Gegensatz zur gedruckten Ausgabe kommen hier innerhalb von Listen Icons zum Einsatz, mit denen die im PDF aufgeführten Seiten gekennzeichnet sind und die in der späteren Fassung nicht zu sehen sind.

Hintergrund zum Druck

Mediengalerie

Weiterführende Links:

* Die meisten in diesem Artikel verwendeten Abbildungen zeigen die Ausgabe für die Diözese Rottenburg-Stuttgart (blaues Cover)

 

 

Dieser Beitrag hat 49 Kommentare

  1. @Achim Schaffrinna
    Zu Deinem Hinweis auf die „paar Rechtschreibreformen“, deren „Veränderungen es zu berücksichtigen gilt“. Im Vorwort zur aktuell geltenden Regelung heißt es ausdrücklich:
    „Das folgende amtliche Regelwerk […] regelt die Rechtschreibung innerhalb derjenigen Institutionen (Schule, Verwaltung), für die der Staat Regelungskompetenz hinsichtlich der Rechtschreibung hat.“ Alle anderen (Menschen, Häuser, Institutionen …), also insbesondere auch die (Erz-)Bischöfe Deutschlands und Österreichs und der Bischof von Bozen-Brixen – als die Herausgeber des neuen Gotteslobs – können schreiben (lassen), wie sie wollen. Wenn sich diese also innerhalb ihres „Hauses“ (oder auch nur innerhalb ihres neuen „Hausprodukts“ namens Gotteslob) auf eine „Hausorthographie“ einigen (mit gewollten Eigenarten oder Abweichungen von den „amtlichen“ Regeln), dann kann ihnen das niemand verdenken, erst recht nicht verbieten. Sie sollten es dann aber ihren „Kunden“ gegenüber auch darstellen und erklären. Und sie sollten dann auch konsequent bleiben. Der Eigenteil des (unseres) Bistums Münster hält sich z. B. mit der Überschrift „ÖSTERLICHE BUSSZEIT“ an die amtliche Regelung (während er diese in zahlreichen anderen Fällen umgeht).

    Zu Deinem (nachträglichen) Hinweis auf das „GEGRÜSSET SEIST DU, MARIA“:
    Das ist ja interessant, in meinem Gotteslob-Exemplar steht auf der Seite 36 unter Nummer 5:
    DAS „GEGRÜßET SEIST DU, MARIA“. Weiß/WEISS jemand, wie man herausbekommen kann, welcher Druck der neuere ist?

  2. Wenn man unbedingt auf Versalien bestehen muss (was mir persönlich immer in den Augen schmerzt), ja dann benötigt man sicher ein “Versal-Eszett” und sollte sich bei einem solchen Werk tatsächlich eins maßschneidern lassen. Jedoch sollte es dann auch tatsächlich eine Ligatur aus den Buchstaben S und Z sein, wie es ja ursprünglich beim kleinen ß auch war. Eine Ligatur aus zwei Versal-S sieht immer irgendwie kaputt aus, so als ob jemand merkwürdige Laufweitenspielchen gespielt hätte. Und der typographisch gänzlich unbewanderte Otto-Normal-Leser sieht im Grunde ebenfalls bloß zwei irgendwie zusammengeklebte S (oder bei einer neuen Form irgendwas, was zunächst erstmal verwirrt).

    Summa summarum würde ich vollständig auf Versalsatz verzichten.

  3. Summa summarum würde ich vollständig auf Versalsatz verzichten.

    so ist es, die überschriften hätten in der documenta sans sich besser abgehoben und dem ganzen gut getan.

  4. Ein Versal-ß darf meiner Meinung dem kleinen ß nicht zu ähnlich sein.
    Sonst lesen wir bei Buße im Versalsatz statt BUSSE nur BUBE – und das wäre kein Fortschritt.

  5. Ich stimme Carmen zu – schöne Beispiele.
    Eine Ecke statt Bogen oben macht viel aus – die runden Varianten finde ich schwächer.
    Allerdings finde ich eine Unterlänge für eine Versalie unpassend (Meißner…).
    Interessant ist daß ein Artikel über das Versal-ß Englisch verfasst ist. ;-)

  6. Interessant ist daß ein Artikel über das Versal-ß Englisch verfasst ist. ;-)

    der richtet sich auch an schriftdesigenr in der ganzen welt ;)

  7. Passt auch zum Thema: Hier wird gerade über eine Form des Versal-ß für die Ubuntu-Hausschrift diskutiert:
    https://www.typografie.info/3/topic/31003-gro%C3%9Fes-eszett-bei-der-ubuntu-schrift/
    Hierbei bin ich der Vertreter der Ecke-Fraktion. (CAT-Fonts)

    Eine SS-Ligatur aus ineinander geschobenen S dagegen führt letztlich zu einem Paragrafenreitern, das ja genau genommen ohnehin schon ein e SS-Ligatur ist “signum separandi” oder “section sign”. Dann könnte man § ja gleich zum Buchstaben erheben und BU§E und GEGRܧET schreiben.
    Vorteil: man bräuchte erst gar keine neue Tastaturbelegung :-)

    Da ist ein Zeichen, das hinreichend an das ß erinnert, um auch vom ungeübten als solches erkannt zu werden, aber deutlich genug vom B entfernt ist wohl die beste Wahl für diese “Neoglyphe”

  8. @peter wiegel
    konzeptionell klingt das gut. visuell bricht es mit allen anderen versalien. ich bin ein großer Freund der Zehlendorfer Form des versal-ß, mit dieser könnte ich mir die Verwendung zukünftig gut vorstellen.

  9. Nachgehakt (@Achim Schaffrinna):
    Stammen die beiden hier zu sehenden Beispiele “MARIENGRUß” (GL S. 730) und “GEGRÜSSET SEIST DU, MARIA” (GL S. 36) beide aus ein und demselben Exemplar? Dann wär’s nämlich weniger ein Problem der Typo- oder Orthographie, sondern zunächst einmal der konsequenten Handhabung (mangelnde Absprache bzw. Kontrolle?).
    Ist eigentlich der Gesichtspunkt der Erstellung und Einbringung eines “Versal-ß” im Zusammenhang mit dem Gotteslob schon irgendwann früher (während der ca. zehnjährigen Planungs- und Erstellungszeit des Buches) in typographischen Diskussionen thematisiert worden?

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