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Gender Design – zwischen Wahlfreiheit und Manipulation

Gender Design
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Ich gehöre nicht zu denen, die Gender-Marketing ablehnen, schon gar nicht kategorisch. Offen gestanden ist mir die von Genderideologinnen/Genderideologen beförderte Debatte zum Teil unverständlich bis befremdlich. Denn eine Gestaltung, die das eigene Geschlecht und damit die eigene Identität bestätigt, ist für sehr viele Menschen, ob jung ob alt, ob männlich ob weiblich, ob hell- oder dunkelhäutig von großer Bedeutung, nicht nur da sie ein zentrales Auswahlkriterium darstellt. Persönliche Gedanken und Einschätzungen zum Thema Gender im Design.

Ich bin Pragmatiker. Ein Nassrasierer darf meines Erachtens gerne schwarz, grafisch und eckig ausschauen, so er denn für Männer gedacht ist oder eine fließende, runde Formgebung haben und farbig sein, wenn Frauen angesprochen werden sollen. Je nach persönlicher Präferenz. Auch vor dem Hintergrund des Themas Transsexualität, das derzeit in der Politik rege debattiert wird, besteht meines Erachtens kein Grund dafür, alle Produkte, Angebote und Dienstleistungen mit geschlechtsneutraler Gestaltung auszustatten. Denn, und das ist auch gut so: wir sind nicht alle gleich.

In den letzten Jahren gab es im Bereich Gender Design / Gender-Marketing viel Bewegung. Auch dank hitziger Diskussionen im Umfeld von Social Media erfuhr diese Teildisziplin von Design zunehmend Aufmerksamkeit in der breiten Öffentlichkeit. Ein hochgradig polarisierendes Thema, das strikt zwischen Befürwortende und Ablehnende unterteilt, was die Empfänglichkeit für die jeweiligen Argumente natürlich erschwert. Wenn zudem die Diskussion über Gender Design hierzulande zumeist von kinderlosen Frauen und Männern bestimmt wird, genau das ist nämlich mein Eindruck, dann ist das Bild doch recht unvollständig. Deshalb möchte ich an dieser Stelle einige Aspekte ansprechen, denen in diesem Zusammenhang aus meiner Sicht bislang zu wenig Beachtung geschenkt wurde.

Im Kommunikationsdesign werden seit Jahrzehnten Gestaltungsprinzipien angewandt, die sich an farb- und wahrnehmungspsychologischen Erkenntnissen orientieren. Wenn eine Marke beispielsweise Sportlichkeit und Angriffslust widerspiegeln soll, kommen Diagonalen, Linien und starke Kontraste zum Einsatz (BVB.de). Eine Marke, die Zuverlässigkeit und Sicherheit ausstrahlen soll, verfügt sehr oft über ein Erscheinungsbild, in dem, der Farbpsychologie folgend, Blau eine zentrale Rolle spielt (Allianz). Eine Bäckerei wird in aller Regel mit warmen, erdigen Farbtönen wie braun, gelb und orange beworben, da diese treffend die hergestellten Waren beschreiben. Farben und Formen, und damit auch rosa und florale Muster, dienen der Orientierung. Und sie dienen gleichzeitig dazu, die Wahrnehmung der Menschen in bestimmte Richtungen zu lenken.

Ich kaufe, was ich bin … oder was ich sein möchte

Wer pauschal klischeehafte Gestaltung im Kontext Geschlechterdifferenzierung kritisiert, übersieht dabei womöglich, dass eine gänzlich klischeefreie Gestaltung im Marketing utopisch ist. Früher, als Verpackungen noch weitestgehend schmucklos waren (Beispiel) und es weniger um Corporate Design und um die emotionale Ansprache an den Kunden als vielmehr um die Darstellung der reinen Information ging, gab es noch klischeearme Gestaltung. Heutzutage ist Marketing fast immer ein Abklatsch der Wirklichkeit, eine Überhöhung, eine Inszenierung, ausgerichtet vor allem darauf, die Wahrnehmung der Menschen in eine vom Absender/Unternehmen gewünschten Richtung zu lenken. Lenkung ist eine Manipulationstechnik, und diese findet über alle Marketing-Bereiche hinweg statt.

So finden wir Bierkästen in Holzoptik, Milchtüten und Käseverpackungen, die Bergwiesenidylle verbreiten, grüngetünchte Erscheinungsbilder von Unternehmen, die Nachhaltigkeit und Ökologiebewusstsein suggerieren sollen – überall werden zum Zwecke der Image-Bildung bestimmte visuelle Codes verwendet, die die Realität nachahmen oder diese vorgaukeln. Nicht selten wird dabei nicht nur die Grenze zum guten Geschmack überschritten, sondern auch die zwischen erlaubter Übertreibung und Lüge, siehe „Greenwashing – zeitgemäß schönfärben“. Auf Konsumentenseite ist es wichtig, diesen Schein der Dinge als solchen zu erkennen und nicht ungeprüft als vollendete Tatsache hinzunehmen.

Jede Rezeption einer Werbeanzeige geht mit dem Versuch der Manipulation einher. Marketer, wer will es ihnen verdenken, sprechen vorzugsweise von der Verführung. Es ist nicht die Industrie, die uns Produkte aufzwingt, nein wir Konsumenten sind es, die sich nur allzu gerne von allerlei Werbeversprechen verführen lassen. Dabei wählen wir Objekte nach Eigenschaften, die wir für uns selbst in Anspruch nehmen. Wer sich beispielsweise für einen Rasierer entscheidet, der optisch Ähnlichkeiten mit einem Formel-1-Rennfahrzeug hat, versichert sich mit dem Kauf, dass er/sie ein ähnlich dynamischer Typ ist. Die Logik dahinter lautet: Ich kaufe, was ich bin. Oder was ich sein möchte. Design spielt dabei eine entscheidende Rolle, sei es im Automobildesign, im Kommunikationsdesign, im Verpackungs- und Produktdesign, im Industriedesign oder im Modedesign. Genau das ist der Grund, weshalb Produkte und Services, die auf das jeweilige Geschlecht ausgerichtet sind, wirtschaftlich so erfolgreich sind.

Bedürfnisorientiert statt pinkisiert

Wo viel Geld verdient wird, bleibt der Verstand gerne schon einmal auf der Strecke. Die „Pinkisierung“ von Spielwaren, Bekleidung, Lebensmitteln und elektronischen Geräten wurde von der Industrie in den vergangenen Jahrzehnten immer weiter forciert. Dies hat zum Teil groteske Produkte wie etwa Bratwürste für Männer und Bratwürste für Frauen zum Vorschein gebracht. Auch deshalb ist es richtig und wichtig, darauf hinzuweisen, dass Gender-Marketing stereotype Rollenbilder befördert. Allerdings ist noch längst nicht alles, was wir im Gender-Marketing sehen, per se schlecht oder gar sexistisch.

Wie das Marktforschungsinstitut Iconkids & Youth in einer Untersuchung festgestellt hat, fühlen sich seit Einführung der Produktreihe „LEGO Friends“ auch Mädchen von dem Kreativspielzeug angesprochen. Produkte von LEGO gelten als traditionelles „Jungsspielzeug“. Neben erwartbaren Küche-und-Haushalt-Sets werden seit ein paar Jahren auch Spielsachen in Themenwelten wie Outdoor-, Werkstatt und Autowaschanlagen angeboten. Wenn Mädchen sich dann doch lieber mit dem Reiterhof beschäftigen, liegt dies ganz bestimmt nicht allein an der Industrie.

Bosch Ixo – Mann / Frau, Quelle: Bosch
Bosch Ixo – Mann / Frau, Quelle: Bosch

Die Hersteller sind sich der Sensibilität des Themas Gendering mittlerweile bewusst. Bei der Firma Bosch hat man erkannt, dass weibliche Nutzer andere Bedürfnisse haben als männliche, erstere legen etwa mehr Wert auf Ästhetik. Statt spezielle Frauenprodukte zu entwerfen, die schon deshalb von vielen Frauen abgelehnt werden, hat Bosch vor 15 Jahren den auf Gelegenheitsheimwerker ausgerichteten Akkuschrauber „Ixo“ auf den Markt gebracht. Der im bekannten Bosch-Branding gestaltete handliche Elektroschrauber wird zu 50 % von Frauen gekauft und ist nach Unternehmensangaben das meistverkaufte Elektrowerkzeug der Welt. Beim Fitness-Angebot Gymondo wurde kürzlich der Markenauftritt visuell auf die vorrangig weibliche Kundschaft ausgerichtet (dt berichtete), ohne dass dabei auf plumpe Stilmittel aus der „Rosa-Plüsch-Box“ zurückgegriffen worden wäre. Und es gibt weitere gute Beispiele für Gender-Marketing.

Während viele Jahre oftmals stumpfsinnig nach dem Leitsatz „Shrink it and pink it“ verfahren wurde, womit die Verkleinerung/Verschlankung und Rosaeinfärbung von Verpackungen gemeint ist, setzen heutzutage immer mehr Unternehmen auf weniger abgedroschene Gestaltung, um Frauen anzusprechen und auf die Bedürfnisse der vorrangig weiblichen Zielgruppe einzugehen. Innerhalb der Wissenschaft ist strittig, was zuerst da ist: Das unterschiedliche Bedürfnis der Geschlechter oder die gesellschaftliche Zuweisung unterschiedlicher Objekte, Interessen und Rollen. Klar sei aber, so Prof. Dr. Ulrich Kern, von der FH Südwestfalen, dass eine frühzeitige Festlegung auf Rollen und Normen für jedes Geschlecht auch zu den angenommenen „natürlichen“ Vorlieben führe: Mädchen spielen gern mit Puppen, Jungs mögen alles, was Räder hat.

Trotz alledem müssen Frauen für ein und das selbe Produkte oftmals mehr zahlen als Männer, eine Form der Diskriminierung, für die es im Marketing die Bezeichnung „Gender-Pricing“ gibt. Begründet wird dieser Preisaufschlag von Seiten der Hersteller damit, dass Frauen dazu bereit seien, in vielen Bereichen (Pflegeprodukte, Kleidung, u.a. mehr Geld auszugeben. Verbraucherzentralen bemühen sich darum, auf diese Form der „Pink-Tax“ aufmerksam zu machen. Ich bin optimistisch, dass sich diese Ungleichbehandlung mit fortschreitender Sensibilisierung auf Seiten Marken-und Produktverantwortlichen auflösen wird.

Wir brauchen als Individuum den Unterschied

Wer mit den eigenen Kindern schon einmal shoppen war, kennt die Situation. Bestimmte Designs werden kaum wahrgenommen, andere Styles und Muster hingegen erzeugen starkes Interesse. Selbst wenn man Kindern keine Farbpreferenz vorgibt, neigen Jungs und Mädchen dazu, so jedenfalls das Ergebnis einer Studie, die sich auch mit meiner persönlichen Erfahrung deckt, sich ihrem Umfeld anzupassen und Farben auszuwählen, mit denen sie in der jeweils für sie wichtigen sozialen Gruppe Anerkennung und Selbstbestätigung erfahren, eine für das Menschwerden unerlässliche Notwendigkeit. „Unser Gegenüber zeigt uns, dass wir existieren“, so Neurophilosophin Kristina Musholt, die seit Jahren erforscht, wie der Mensch seine Identität stiftet. „Wir lernen, dass wir ein Ich sind, etwas, das sich von den anderen unterscheidet und bewusst abgrenzt. Die Begegnung verschafft uns Identität, immer mehr im Laufe des Lebens. Nur über den Vergleich mit meinen Gegenübern kann ich mir eine Identität verschaffen”, sagt Musholt. Auch deshalb sind Unterscheidungsmerkmale essenziell. Jungs mögen blau nicht lieber, weil es dafür einen biologischen Grund gäbe. Mit blauen, schwarzen, grauen Pullovern und Hosen verringert sich bei ihnen die Chance, der Bekleidung wegen ausgegrenzt zu werden. Ebenso verhält es sich bei Mädchen mit rosa Kleidung. Die Farbwahl dient also auch dem Selbstschutz.

Eine gewisse biologische Veranlagung für die Vorliebe für bestimmtes Spielzeug scheint es allerdings zu geben, wie die US-Psychologin Catherine Leveroni von der Chicago Medical School in einer Studie nachgewiesen hat. „Männliche Babys fühlen sich eher zu mechanischen Bewegungen hingezogen, Mädchen hingegen sind von Gesichtern fasziniert“, so Leveroni. Verantwortlich dafür könnten sogenannte Androgene sein. Im Alter von circa zweieinhalb Jahren beginnt ein Kind, sich den Normen entsprechend zu verhalten. Dies sei der Zeitpunkt, an dem der Einfluss der Eltern und Erwachsenen zunähme und die Prägung in stereotypische Rollen beginne.

Junge Mädchen im Größenvergleich. Foto: newafrica / Shutterstock
Junge Mädchen im Größenvergleich. Foto von newafrica / Shutterstock

Wenn im Tchibo-Shop Bekleidung mal wieder streng nach Jungs (blau, petrol, schwarz) und Mädchen (rosa, aprikose, mint) getrennt wird, ja mei, dann schaue ich mich als Konsument, so mir diese Auswahl zu limitiert und eindimensional erscheint, eben woanders um. Es ist nicht so, dass es gar keine Alternativen gäbe. Es sagt zudem etwas über ein Unternehmen bzw. über eine Marke aus, wenn in derart tradierten Kategorien und Schemata gedacht wird. Das wiederum erleichtert mir als Konsument die Entscheidung für oder gegen eine Marke. Auch deshalb ist es gut, dass es blaue und rosa Welten gibt, und solche, in denen

Eine Gestaltung, die potenziell erst mal alle gleichermaßen anspricht, gibt es nicht!

Ob die stumpfe und gestalterisch einfallslos Einteilung in eine rosa und eine blaue Welt dazu führt, dass „Mädchen schon früh weniger Anerkennung erfahren“, wie etwa Uta Brandes, Professorin für Gender-Design in einem Interview in der FAZ behauptet, dazu mag ich mir auch aus Mangel an soziologischem Fachwissen kein abschließendes Urteil erlauben. Eine Vaterschaft oder Mutterschaft macht einen freilich nicht zur Instanz in Sachen Psychologie, Pädagogik oder Soziologie. Allerdings sind jahrzehntealte Studien mit US-amerikanischen Kindern, wie sie etwa vom gemeinnützigen Verein klische*esc e.V. als Beleg für die Schädlichkeit von Gender-Marketing ins Feld geführt werden, nicht wirklich ein Ersatz für Schulfeste, Klassenausflüge, Kindergeburtstagsfeiern, Übernachtungsparties, Flohmarktbesuche und Shopping-Touren in Kaufhäusern und Supermärkten. Es sind eben jene in meinem Alltag erlebten Erfahrungen – ich selbst bin Vater von zwei Söhnen (13 und 10), die im Wechselmodell betreut werden -, die mich wohl zu einer deutlich pragmatischeren und gelasseneren Einstellung in Sachen Gender Design geführt haben. Eine Gestaltung, die potenziell erst mal alle gleichermaßen anspricht, gibt es nicht! Geschlechtsneutrale Gestaltung hingegen schon. Aber wozu soll es gut sein, diese zur Norm zu erklären? Wenn Design, und das ist für mich als Gestalter die zentrale Bedingung, auf die Bedürfnisse des Menschen ausgerichtet ist, dann muss die Formgebung jeweils passende/adäquate und kreative Lösungen bieten.

Geschlechtsspezifische Gestaltungsmerkmale prinzipiell zu verteufeln, um stattdessen, quasi in Form einer Umerziehungsmaßnahme, geschlechtsneutrale Gestaltung zu propagieren, bringt wenig. Moralisch auferlegte Erziehungsmaßnahmen erzeugen Widerstand und sind daher eher kontraproduktiv. Das haben das auf die Ulmer Hochschule zurückreichende Konzept der „Guten Form“ wie auch das geradezu zwanghafte Normierungsbestreben vieler Bauhäusler gezeigt. Die Menschen lassen sich nun einmal ungern gängeln, welche Form sie für „gut“ und schön zu erachten haben.

Die unterschiedliche Technik- bzw. Technologieaffinität von Mädchen und Jungen bzw. Männern und Frauen, ihre Vorlieben, ihr Kommunikationsverhalten wurden in diversen Studien erforscht. Selbst für die Wissenschaft ist es schwierig zu begründen, ob es sich hierbei um eine „natürliche“ Neigung oder bloß um eine Zuschreibung handelt, letztere ist das Ergebnis der Sozialisation.

Kopf einschalten, Dinge hinterfragen, Trittpfade meiden

Mir scheint Aufklärung und Bewusstmachung in Sachen Gender Design und Gender-Marketing ein sinnvoller Weg. Und Differenzierung! Deshalb gehören diese Themen auch zwingend in jeder Grundschule in den Kunst-, besser noch, in den Sachunterricht. Ob man Jungs und Mädchen nun einen Gefallen erweist, wenn man sie, wie in einigen geschlechtsneutralen Vorschulen in Schweden praktiziert, mit dem neuerfundenen Personalpronomen „hen“ anredet, was sowohl „er“ als auch „sie“ bedeutet, wird heftig diskutiert und kritisiert, auch in Schweden. Das eigene Geschlecht per Sprachdiktion zu tilgen, halte ich jedenfalls für den falschen Weg. Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts lassen sich nicht dadurch beseitigen, indem wir die Unterschiede zwischen den Geschlechtern kaschieren. Geschlechtsneutrale Puppen sind zudem ebenso ein Manipulations- und Steuerungsinstrument wie geschlechtsspezifische Puppen. Abgesehen davon sind die schwedischen „Hen“-Puppen aus ästhetischer Sicht, zweifelsfrei ein wichtiges Kriterium für Design, eine Zumutung, womit kunstpädagogische Grundintentionen wie die Ermöglichung bildnerisch-ästhetischer und visueller Kompetenzen in Frage gestellt werden.

Wenn Geschlechterstereotypen reproduziert werden, sei es in der Werbung, im Marketing oder auch sonst im Alltag, dann sollten wir dieser Bilder und Botschaften hinterfragen und mit unseren eigenen Wertevorstellungen abgleichen. Allzu oft werden im Gender-Marketing überholte Rollenbilder abgebildet, die der Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern schaden. Konformistische Einheitsprodukte sind meiner Meinung nach jedoch der falsche Ansatz, weil sie die Wahlfreiheit stark begrenzen. Auch Kreativpreise wie dem im letzten Jahr gestifteten Gerety Award, bei dem ausschließlich Frauen in der Jury sitzen, braucht es keine. Dadurch wird der Graben zwischen den Geschlechtern nur tiefer. Erstrebenswerter scheint mir, Unterschiede, sei es in Bezug auf das Geschlecht, das Alter, die Herkunft, den Charakter oder individuelle Stärken und Schwächen, wie wir sie in einer vielschichtigen, diversen Gesellschaft finden, zu erkennen und sie wertschätzen zu lernen. Das ist leichter gesagt denn getan. Kluges und kreatives Design kann hierbei einen Beitrag leisten. Es wäre schon viel erreicht, wenn Markenverantwortliche und Gestalter an Hochschulen auch die dafür erforderliche Sensibilität vermittelt bekämen. Allen voran braucht es Offenheit im Denken, bei jedem von uns.

Dieser Beitrag hat 68 Kommentare

  1. Allgemein habe ich schon ein Problem mit dem “auf ein Geschlecht” Münzen von Design und Kommunikation.
    “Frauen” und “Männer” machen zwar jetzt rein biologisch etwa die Hälfte der Bevölkerung aus, aber es gibt doch innerhalb dieser “Gruppen” (Kann man es bei solch vielfältigen Gruppen überhaupt als Gruppe bezeichnen) so viele Unterschiede.
    Ich bin ein weißer, heterosexueller Mann und hatte zeitlebens immer ein Problem mit anderen Männern. Ich mag gerne feingeistiges, mag typisches männliches Protzverhalten nicht und kaufe mir lieber einen weißen, geschwungenen Rasierapparat als einen schwarzen, eckigen.
    Auch bei Autos fahr ich lieber einen kleinen, niedlichen Wagen als einen fetten SUV. Und so weiter, und so fort. Mich sprechen oft “weibliche” Designs mehr an.
    Ich kenne viele Männer, die so sind – man findet sich dann irgendwo zusammen, denn so richtig Typisch ist dieses Verhalten nicht, und wird auch entsprechend von der Gesellschaft so angesehen – auch ich durfte in der Pubertät meine Erfahrungen sammeln und habe oft gehört “Deine Freundin ist doch eine Schauspielerin und du bist schwul”. Das an sich ist ja schon witzig weil “schwul” keine Beleidigung sein sollte aber als solche benutzt wird.
    Es wäre interessant zu wissen, wie viele biologische Männer und Frauen überhaupt nichts mit dem Stereotyp ihres Geschlechtes anfangen können.

    1. Es wäre interessant zu wissen, wie viele biologische Männer und Frauen überhaupt nichts mit dem Stereotyp ihres Geschlechtes anfangen können.

      Einige.

      Diese zunehmende Mainstreamisierung von Klischee-Männlich versus zuckrigrosa-Klischee Weiblich in Werbung oder Produktdesign oder Packaging zementiert. Es zweiteilt auch die Konsumenten ab Kindesalter unnötig. Unnötig aufs Geschlecht, unnötig auch die Über-Betonung aufs Sexuelle.

      Es kann ja sein, dass es den Verkauf anheizt.
      Werbung und Design als Spiegel der Gesellschaft greifen zwar angeblich nur auf, in Wahrheit verstärken sie Entwicklungen auch, wie unter einem Parabolspiegel.

      Als Designer hat man Verantwortung, nicht jeden Schiet mitzumachen und kritisch zu bleiben. Das ist schön gesagt und Vorlage für eine hehre Sonntagsrede, doch was macht der angestellte Designer. Der muss tun, was sein Chef will, der wiederum glaubt tun zu müssen, was der Werbekunde will: den Verkauf ankurbeln. Zweifler sind da nicht gerne gesehen.

      Und sonst so: Persönlich mag ich dieses Festlegen auf du bist ein Mann, dir wird schwarz und eckig und macho gefallen, gar nicht. Alles Mario Barth oder was.

      Was ist mit den vielen Männern, die von Kindheit an Fussball noch nie leiden konnten oder in Sport immer schlecht waren, miserable Autofahrer sind, mit dem schwarzen K.I.T.T. von Knightrider nichts anfangen konnten (dafür meine Schwester, die liebt bis heute Technik und abgefahrene Gimmicks). Die Männer, die Bücher lesen statt mit dem Quad herumfahren zu wollen. Die werden nirgends “abgeholt” (wie man so schön sagt).

      Persönlich sehne ich mich in die noch nicht übermäßig in der Werbung sexualisierte Zeit zurück. als wir Buben und Mädls unserer kleinen “Strolche”-Straßengang noch mit Dreck, Steinen und Zweigen spielten.

      Und wenn es regnete zuhause mit den LEGO zu bauen, die noch nicht so viele Fertigbausätze hatten, sondern mehr Raum ließen für eigene Ideen. Meine Schwester baute damit und mit Boardmitteln (Räder aus einem ausgeschlachteten Spielzeugauto plus Garn) eine Seilbahn zwischen Türklinke und Fensterkreuz, da gab es noch keine Lego-Seilbahn.

      Gebt doch den Kindern wieder mehr Phantasie.
      Statt stupid vorgefertigter Design-“Erlebnis”-Räume. Ist doch Mist so was. Wo bleibt die Kreativität. Wo bleibt das spielerische.

      1. Klasse! Genauso ist es Moritz!
        “Die Männer, die Bücher lesen statt mit dem Quad herumfahren zu wollen. Die werden nirgends „abgeholt“ (wie man so schön sagt)” also ich hole Sie dafür sehr gerne ab :)
        Diese überbetonte Sexualisierung ist mir erst letztens wieder aufgefallen. ab 17.30 Uhr kommt schon Durex Werbung oder Sexspielzeug Werbung auf vielen Kanälen. Da hat man schon fast keinen Bock mehr auf Sex. Ein perfekter Körper ohne Geist nützt nichts.
        “Statt stupid vorgefertigter Design-„Erlebnis“-Räume. Ist doch Mist so was. Wo bleibt die Kreativität. Wo bleibt das spielerische.” Ganz genau !!! Vielleicht brauchen sowas eher die Eltern zum angeben als die Kinder. Und was sich generell wirklich gut verkauft würde ich mal dreist in Frage stellen. Nur weil Manager xyz irgendwo irgendeine Studie gelesen hat muss es so sein… ja, ja. Is klar.

      2. Schon. Befürchte, es können sich nur die wirklich unabhängigen Designer leisten, den Schiet abzulehnen.

        Gründe: Wir befinden uns in einem Käufermarkt. Der Auftraggeber geht sofort woanders hin, wenn wir nicht spuren. Man kann es mit Beratung versuchen, schon.

        [Wenn ich bedenke, wen ich schon alles dezent beraten habe, um Schlimmstes abzuwenden. Es gilt leider auch: Keine Beratung ohne Beratungsauftrag. Berät man, ohne dass es bestellt ist, kann man sich eine Watschn oder einen Abgang einfangen. Strom und Heizung wollen bezahlt sein.]

  2. @ Eric
    Vielen Dank für Deine Antwort, nach der ich nun glaube besser verstehen zu können, aus welcher Perspektive Du auf die Sache schaust.

    Sich an gesellschaftlichen Debatten zu beteiligen empfinde ich derzeit als unglaublich frustrierend. Man hat es nicht nur mit den radikalen, polemischen, unsachlichen Schreihälsen zu tun, die ohnehin nichts Konstruktives beizutragen haben. Auch die Bereiche, aus denen man interessante und konstruktive Beiträge erwarten würde, werden nicht selten von den radikalsten Vertretern dieser Bereiche dominiert. Nach meinem Eindruck gilt das z.B. für den Feminismus – und offenbar auch, wie Deine Erfahrungen zeigen, für die Gender Studies. Vielleicht hatte ich Glück, nicht unmittelbar mit diesem Wissenschaftszweig in Berührung zu kommen, sondern vermittelt durch andere Disziplinen, wodurch sozusagen der konstruktive Teil dieser Theorien im Vordergrund stand.

    Ob die Erkenntnis, dass unsere geschlechtliche Identität auch von kulturellen Prägungen und gesellschaftlichen Zuschreibungen abhängt, tatsächlich eine Binse ist, wage ich zu bezweifeln. Es gibt noch so viele Menschen, die einen plumpen Biologismus vertreten, dass ein bisschen Aufklärung in dieser Sache nicht schaden kann. Ob das Fach “Gender Studies” dabei hilfreich ist, ist wieder eine andere Frage.

    Um noch einmal auf das konkrete Thema Produktgestaltung einzugehen: Ich erinnere mich an eine Diskussion in einem Typografie-Forum über die Frage, ob es typisch “weibliche” und “männliche” Schriftarten und -formen gebe. Da ich die meisten Forumskolleg/inn/en aus bisherigen Beiträgen als kluge und sachliche Diskutanten in Erinnerung hatte, war ich überrascht, dass viele von ihnen (sowohl Männer als auch Frauen) die Frage bejahten, und zwar nicht nur im Sinne von Klischees, die nun mal in der Gesellschaft existieren und die ein Gestalter aufgreift, um eine bestimmte Wirkung zu erzielen, sondern auch im Sinne einer affirmativen normativen Zuschreibung, etwa: Ja, die runden, geschwungenen Schriften sind eher weiblich, weil ja auch Frauen eher “rundliche” und “fließende” Formen haben. Ich war perplex.
    Je länger die Diskussion dauerte, umso polemischer und schärfer wurde sie. Irgendwann hatte ich aber ein persönliches Aha-Erlebnis: Die Polemik der Diskussion ließ sich ganz einfach vermeiden, indem man wie zuvor (mit den gleichen Kategorien und Vokabeln) über die Schriftarten und -formen diskutierte, aber schlicht die Zuschreibung “weiblich” / “männlich” wegließ. Denn es gibt ja in der Tat Schriften, die geschwungen, rundlich, feingliedrig, elegant oder was auch immer sind; es fügt der Diskussion nur eben nichts hinzu, diese Eigenschaften mit dem Attribut “weiblich” zu versehen – im Gegenteil, es bringt zahlreiche Probleme, die man besser vermeidet.

    In diesem Sinne ist vielleicht das Problem am Gender-Design nicht so sehr das DESIGN (also die konkrete Gestaltung), sondern die GENDER-Zuschreibung. Es ist in Ordnung, wenn es, vereinfacht gesagt, eine blaue und eine rosa Produktwelt gibt. Wenn sich jemand aufgrund bestimmter Gender-Klischees von der einen oder anderen Produktwelt angezogen fühlt, dann ist das eben so. Ein Problem wird es erst, wenn ein fetter Stempel mit eigener Gendermarkierung aufs Produkt kommt: “(nur) für Frauen” / “(nur) für Männer” (oder wahlweise: Spielzeug für Mädchen / Spielzeug für Jungen etc.). Dann nehme ich eine Zuschreibung vor, die alles irgendwie unnötig kompliziert macht und zurecht das Unbehagen einiger Kritiker auf sich zieht. Denn es ist eine Sache, bestimmte (stereotype) Vorstellungen davon zu haben, was typisch männlich oder weiblich ist; es ist eine andere Sache, Stereotype und Gender-Klischees ohne Not zusätzlich zu verschärfen.

  3. Last not least:

    Eine neue differenziertere Art von Männlichkeit hat Gillette in seinem Spot versucht. Lesenswerter Artikel in der WELT:
    https://www.welt.de/kultur/article187264124/Gillette-Spot-Toxische-Unmaennlichkeit.html

    Der Spot kam in den Sozialen Medien leider nicht besonders an, in denen es wohl einen harten Kampf mit und um das männliche Role-Model gibt.

    Die Verfestigung hartgesottener Role-Models löst sich nicht so schnell auf.

    Der Krieg der Geschlechter – das Zeitalter der Polarisierung

    Das Netz ist dem Augenschein nach zum Rückzugsgebiet und Kampfraum der “alten” Männlichkeit geworden. Wie man das bewertet, ist jedem selbst überlassen. Bedenklich, seit bekannt ist, dass die Journalisten-Facebook-Gruppe “Ligue du LOL”das Netz als Aktionsraum für Cybermobbing gegen Frauen entdeckt hat. (Quelle “le Monde”).

    Wer sagt denen endlich, dass wir sie trotzdem lieb haben, sie sich entspannen können und sie aufhören können damit. Auch Schreihals-Feministinnen.

    1. Sehr interessant – bedeutet es somit manche Männer fühlen sich bedroht wenn man ihnen eine traditionell gelebte Männlichkeit vermeintlich wegnimmt? Das tut man doch gar nicht. Positive weichere Eigenschaften ergänzen das Bild einfach. Es erinnert mich etwas an den Audi Spot mit dem Vater und Mädchen beim Superbowl. Im Vergleich dazu den Rocker Spot von Mercedes. Dann hätten wir wieder lediglich zwei Schubladen. Das ist doch traurig.

  4. Huch, mein Anspruch spannende Artikel mitsamt den Kommentaren erfordert hier heute zu viel Zeit, aber Glückwunsch zu den vielen Kommentaren und dem regen Austausch.

    Zweifelsfrei ein interessantes, wichtiges und weitreichendes Thema das hier angeschnitten wird, denn auch ich sehe diverse Geschlechterrollen, die einem im Alltag begegnen, mit gemischten Gefühlen. Das “typisch weiblich” oder “typisch männlich” hält sich auch 2019 leider ebenso hartnäckig wie die Denke, dass “heterosexuell” als “das normale” gilt …

  5. Bosch hat für die IXO-Reihe kürzlich eine Design-Edition herausgebracht und dafür eine Kampagne lanciert.
    Interessant ist, welche Designs respektive Farben bei diesem Wettbewerb bislang in der Gunst der User vorne liegen.

    Bosch IXO Design-Edition Bosch IXO Design-Edition

  6. Zuallererst einmal vielen Dank für diesen Beitrag, lieber Achim. Dieses Thema ist tatsächlich äußert spannend und gesellschaftlich relevant, wenn nicht sogar brisant. Deshalb allein bin ich Dir dankbar, dass Du es auf Deiner Plattform diskutierst. Ich bin Dir auch dankbar, dass Du Deinen Beitrag einleitend als Meinung deklarierst. Meinung ist schließlich nicht Wissen und auch für jeden etwas anderes. Genauso möchte ich hier nun meinen Beitrag als Meinung deklarieren, damit keine Missverständnisse aufkommen. Meine Meinung ist nicht in Zement gegossen und kann gerne mit guten Argumenten umgestimmt werden. Ich gehe davon, dass wir uns hier einig sind. Du ahnst es bereits jetzt kommt es: Es gibt eine fundamentale Fehlannahme in Deinem Beitrag.

    Zitat: “Klar sei aber, so Prof. Dr. Ulrich Kern, von der FH Südwestfalen, dass eine frühzeitige Festlegung auf Rollen und Normen für jedes Geschlecht auch zu den angenommenen „natürlichen“ Vorlieben führe: Mädchen spielen gern mit Puppen, Jungs mögen alles, was Räder hat.”

    Das ist eine veraltete Annahme, welche sich selbst unter renomierten Psychologen hartnäckig hält. Die TV-Sendung Quarks und Co hat dazu einen Beitrag ausgestrahlt. Dabei wurde ein Test mit Probanden verschiedener Geschlechter und Altersgruppen durchgeführt. Im Versuchsaufbau wurden den Probanden weibliche Babies als männliche vorgestellt und umgekehrt. Die Probanden hatten die Aufgabe mit den Kindern zu spielen bzw. Spielzeuge zu geben – darunter Autos und Puppen. Nahezu alle Probanden gaben an, dass Ihre falschen Mädchen Puppen bevorzugten bzw. die falschen Jungen Autos. Der Test zeigt, dass Kinder nicht “evolutionär” festgelegt sind, welche Art Spielzeug sie bevorzugen. Er zeigt außerdem, dass die Erwachsenen die Rollen den Kindern zuschreiben. (Youtube-Suche: “Drängen wir Kinder in Geschlechterrollen? Ein Experiment | Quarks”)

    Was heißt das nun? Hier nun meine Meinung: Ja, die von Dir beschriebenen Argumente sind ein IST-Zustand. Gendermarketing funktioniert. Warum es funktioniert, ist aber nicht festgeschrieben. Und hier haben wir, als Gestalter, eine gewisse Verantwortung. Wir können aufklären. Der IST-Zustand bzw. die Rollenbilder sind leider immer noch viel zu oft Anlass zu Diskriminierung und Ungerechtigkeit – zwischen Frauen, zwischen Männern und natürlich zwischen Frauen und Männern. Wollen wir das? Wollen wir auf Grund falscher Annahmen Rollenbilder zementieren. Oder wollen wir eine bunte durchgewürfelte Welt, wo für jeden was dabei ist? Ich bin für letzteres. Und nein, ich streite keinem “echten Mann” die rechteckigen schwarzen Nassrasierer ab, solange er niemanden deshalb diskriminiert. Aber wenn ich Deinen Artikel richtig verstanden habe, ist es das was Du sagen willst. Immer schön den Ball flach halten. Richtig?

    1. Vielen Dank Peter, für Deinen Beitrag!

      Um mit Deiner abschließenden Frage zu beginnen: Ich werbe vor allem dafür, mit offenen Augen und Ohren und unvoreingenommen durchs Leben zu gehen. Gerade für Kreativschaffende ist dies unerlässlich.

      Was das Zitat von Prof. Dr. Ulrich Kern betrifft, denke ich, dass hier ein Missverständnis besteht. Tatsächlich deckt sich Kerns Aussage mit dem Ergebnis des von Dir genannten Quarks-Experimentes. Ich gebe zu, dass die Formulierung im Beitrag an dieser Stelle missverständlich ist. Wichtig ist in dieser Passage das Wort „angenommenen“. Kern sagt nicht, dass Mädchen, evolutionär bedingt, lieber mit Puppen spielen, sondern dass wir aufgrund unserer Sozialisation dazu neigen, Kindern Rollen zuzuschreiben. Das Quarks-Experiment belegt dies: wir glauben, dass Jungen lieber mit Autos spielen.

      Dass der Test zeige, Kinder seien nicht evolutionär festgelegt, sehe ich nicht bestätigt. Es ist offenkundig, dass der Fokus bei diesem Experiment auf den erwachsenen Probanden liegt. Es soll gezeigt werden, wie sehr wir in tradierten Geschlechterrollen denken. Daher auch die rhetorische Fragestellung im Video-Titel, welcher das Ergebnis vorwegnimmt. Wollte man das natürliche, unvoreingenommene Verhalten der Kinder untersuchen und hierüber eine Aussage treffen, müsste der Aufbau ein anderer sein.

      Ich hoffe ich konnte das Missverständnis auflösen.

      1. Gut, ich merke, man kann Dich nicht umstimmen. Ich versuche es trotzdem – auf die Gefahr hin als Troll zu gelten. Bitte entschuldige das. Mir ist es einfach wichtig. Jede Vorstellung einer “Zuschreibung” von Verhalten, wie sie z.B. durch genetische Programmierung erfolgt, muss meiner Meinung nach immer wieder hinterfragt werden. Der Satz, wie er von Herrn Prof. Dr. Ulrich Kern vormuliert wird, ist nichts anderes als eine spezielle Art der selbsterfüllenden Prophezeiung. Das was man erwartet, wird sehr wahrscheinlich eintreten. Das Problem an diesem Satz ist, dass er das Thema nur in eine Richtung monokausal beleuchtet. Er impliziert, das Mädchen schon immer gern mit Puppen und Jungs schon immer gern mit Autos gespielt haben. Der Satz ist eine gekonnte Umschiffung des Prozesses/Sozialisation mit der Unterstreichung des IST-Zustandes/Abgeschlossene Sozialisation. Der Satz stimmt auch inhaltlich nicht. Nur weil wir einer Gruppe von Menschen zuschreiben, dass sie ein bestimmtes Verhalten vorweisen, heißt nicht, dass alle Teilnehmer der Gruppe sich so verhalten. Das gilt auch für Menschen anderer Ethnien, Religionen, sexuellen Orientierung oder Menschen mit Behinderungen.

        Dieser Satz ist meiner Meinung nach eine Zementierung bestehender Verhältnisse. Er ist Zeugnis des Grabens zwischen den Menschen, welcher jegliche Kommunikation erschwert. Wenn wir glauben, dass Mädchen automatisch gern mit Puppen spielen, werden wir auch glauben, dass Mädchen in Ingenieursberufen nichts zu suchen haben. Wenn wir glauben, dass Jungs automatisch gern mit Autos spielen, werden wir auch glauben, dass Jungs in sozialen Berufen nichts zu suchen haben. Beides ist meiner Meinung nach ein großes Problem, da es Anlass für Unrecht und Diskriminierungen ist – “wissenschaftlich” belegt.

        Wissenschaft lebt durch Widerspruch. Dadurch kommen wir weiter. Dadurch wird die Welt offener und bunter. Du bist ein offener Mensch, genau wie ich. Darum lese ich diesen Blog sehr gern. Auch wenn Du mir vielleicht nicht glaubst (Stichwort “Confirmation Bias”), nehme ich Dir das nicht übel. Danke jedenfalls, dass Du das Thema angesprochen hast und auch für Deine Antwort.

    2. Lieber Peter, ich denke, wir reden aneinander vorbei, was ich bedaure. Ich hatte in meiner Antwort versucht, aufzuzeigen, dass Kerns Aussage sich mit der Botschaft des Quarks-Experimentes deckt. Diese lautet: wir Menschen sind im Denken zu sehr in stereotype Rollenbilder verhaftet, weshalb unsere Vorstellungen hinterfragt gehören. Genau das ist es doch, so verstehe ich jedenfalls Deine Beiträge, was Dir wichtig zu sein scheint?

      Die Vorstellung, alle Mädchen würden gerne mit Puppen spielen, ist ebenso fehlerbehaftet wie die voreilige Annahme, ich ließe mich nicht umstimmen ;-)

      1. Die Vorstellung, alle Mädchen würden gerne mit Puppen spielen, ist ebenso fehlerbehaftet wie die voreilige Annahme, ich ließe mich nicht umstimmen ;-)

        LOL… touché. Der war gut. Danke Dir. :)

  7. 80 % aller Käufe werden angeblich von Frauen getätigt, also muß man zu 80 % weiblich gestalten?
    Allein aus der Fragestellung läßt sich erahnen, das die Vorauswahl der Zielgruppe nicht ganz so wichtig seien kann.
    Das wichtigste ist ein Konzept, eine Gestaltung, ein Wording das einfach gut und eigen ist und das verkauft. Die Zielgruppe hat man ehe vor Augen während man gestaltet und diese ist selten so mänlich/weiblich/gender wie bei Nassrasierern. Man nehme nur einmal Reis, Kopierpapier oder Feuerlöscher.

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