In Freiburg wurde dieser Tage eine neue Marke präsentiert, mit der fortan gezielt die touristischen Angebote der Stadt im Breisgau gebündelt und beworben werden sollen. Bereits 2019 wurde der zugrundeliegende Markenprozess initiiert. Nach zwei Jahren Planung, Strategietreffen, Konsultation und Kreation erfolgt nun in der abschließenden Phase die Implementierung des Markendesigns.
Entstanden ist der neue touristische Markenauftritt Freiburgs, wie es seitens des städtischen Marketingunternehmens FWTM heißt, im Rahmen eines partizipativen, zielgruppenorientierten Markenprozesses, in den verschiedene Akteure aus Politik, Wissenschaft, Verwaltung, Tourismus und der Bürgerschaft eingebunden wurden bzw. von diesen begleitet wurde. Grundlage des in drei Phasen verlaufenden touristischen Markenprozesses (Leitbildentwicklung, Konsultation, Umsetzung) sei das Ziel, das touristische Wachstum und die Stadtverträglichkeit in Einklang miteinander zu bringen. Auf diese Weise solle die touristische Marke nicht nur für Gäste ein authentisches Reiseerlebnis schaffen, sondern gleichzeitig die Lebensqualität für die Bürger der Stadt bringen.
„Wie viele andere Städte auch steht Freiburg im Wettbewerb um Fachkräfte, Unternehmen und Gäste. Der Tourismus ist dabei ein wichtiger Wirtschaftsfaktor“, so FWTM-Geschäftsführerin Hanna Böhme. „Um ein nachhaltiges und stadtverträgliches Wachstum sicherstellen zu können, ist es erforderlich, die Stärken der Destination zu identifizieren, diese zu nutzen und sich so von anderen Reisezielen abzuheben. Aus diesem Grund haben wir einen Prozess gestartet, der eine touristische Marke hervorgebracht hat, die die Einzigartigkeit unserer Stadt ausdrückt.“
Bei der Erarbeitung des Tourismuskonzeptes habe man großen Wert darauf gelegt, wie René Derjung, Referent Unternehmenskommunikation FWTM, gegenüber dem dt erklärt, „eine neue touristische Marke zu schaffen, die über das hinausgeht, was Freiburg schon immer war: Attribute wie Stadt des Weines, des Waldes und der Gotik. Das sind Marken, mit denen Freiburg heute nicht mehr reüssiert und die unsere anvisierten Zielgruppen nicht mehr wirklich ansprechen.“ Entscheidend sei zudem, was der Kunde oder der Gast am Ende in Freiburg erlebe. Und dies können nur durch die Beteiligung aller Akteure vor Ort geschehen.
Das Logo der neu geschaffenen Tourismusmarke, von den Machern als „touristisches Zielbild“ bezeichnet, besteht aus mehreren Kreiselementen in unterschiedlicher Strichstärke. Dabei schließen die Kreiselemente, welche Dynamik vermitteln sollen, in ihrem Kern den Namen der Stadt als zweizeiligen Schriftzug ein. Das variabel in rot, schwarz oder weiß auf rotem Grund Markenzeichen darstellbare Markenzeichen fungiere wie eine Art Qualitätssiegel und vereine Adjektive wie dynamisch, lebendig, neugierig, einfach, entspannt, natürlich, authentisch und kontrastreich.
Begleitet wurde der Markenprozess durch die Agentur BrandTrust (Nürnberg). Die Kosten für den Markenprozess belaufen sich laut FWTM auf insgesamt 200.000 Euro. Das Design der neuen touristischen Marke stammt von der Agentur Designconcepts (Freiburg, Furtwangen). Unter der URL freiburgtourismus-partnerportal.de/touristische-marke wird der Prozess umfassend dokumentiert. Im Zuge der Einführung der neuen Marken wurde die Website visit.freiburg.de relauncht.
Kommentar
Die Schwarzwaldhauptstadt hat bekanntlich neben bestem Wetter viele interessante Sehenswürdigkeiten zu bieten. Nur mit einem eigenständigen Tourismusmarkenauftritt konnte Freiburg bislang nicht aufwarten. Viele Jahre lang wurde als Absender ein Behelfskonstrukt bestehend aus dem Unternehmenslogo der FWTM und einem in eckigen Klammern gesetzten Stadtnamen verwendet. Das war und ist in Bezug auf die Markenkommunikation nicht sonderlich überzeugend, denn aus Sicht des Rezipienten wird nicht klar, welche Marke nun eingentlich mit einem kommuniziert. Die Stadt? Ein Unternehmen? Und die fehlende Eindeutigkeit in Bezug auf den Absender wirkt sich auch negativ auf die Gestaltung der Medien aus (Abbildung). Insofern ist der Schritt als solcher, einen klaren, eindeutigen Absender zu implementieren, nachvollziehbar und auch aus meiner Sicht absolut richtig.
Als Qualitätssiegel, wie intendiert, dürfte das aus zahlreichen Segmenten bestehende offene Zeichen kaum wahrgenommen werden, denn hierfür fehlt ihm schlicht die für ein Gütesiegel typische Form, und diese ist in der Regel geschlossen, siehe Bio-Label, FairTrade-Logo u.v.a.. Geschlossen deshalb, da dies die passende visuelle Entsprechnung für „bewahren“ und „sichern“ ist. Gut bewahren, Qualität sichern. Ein Tourismusmarkenzeichen muss meines Erachtens allerdings gar nicht als Qualitätssiegel angesehen werden können. Es sollte, im Kontext des gesamten Brandings, Attraktivität vermitteln. Im Hinblick auf die neu gestalteten Medien scheint mir, das dieses Ziel erreicht worden ist.
Was bleibt, ist jedoch die (alte) Frage: Benötigt eine Stadt eine separate Tourismusmarke? Braucht eine Gemeinde mehrere unterschiedliche Identitäten, um so, möglicherweise zielgerichteter, mit Bürgern, Geschäftspartnern, Investoren und Touristen kommunizieren zu können? Ist es sinnvoll, mehrere divergierende visuelle Identitäten zu führen, die jeweils gepflegt und weiterentwickelt werden wollen? Ist es nicht klüger, kostengünstiger und nachhaltiger lediglich EIN visuelles Erscheinungsbild zu nutzen, um auf diese Weise ein klares und eindeutiges Profil nach innen wie nach außen zu vermitteln? Eine einheitliche Sprache. Wohin fehlgeleitetes Marketing führen kann, zeigt sich beispielsweise in Köln, Düsseldorf und auch in anderen Orten, wo eine Vielzahl städtischer Markenzeichen Verwirrung stiften.
In Bochum, Helsinki, Eindhoven, um nur einige Beispiele zu nennen, hat man sich, nachdem man jahrzehntelang ebenfalls mit mehreren visuellen Identitäten hantierte, für eine Ein-Marken-Strategie entschieden. EINE Dachmarke, die einerseits der Stadtverwaltung als Absender und als hoheitliches Zeichen dient und anderseits im Rahmen von Angeboten im Bereich Wirtschafts- und Tourismusförderung als Markenzeichen Verwendung findet. Das so etwas geht und dass auch auf diesem Wege unterschiedliche Gruppen zielgerichtet angesprochen werden können, zeigen viele andere Städte wie etwa auch Antwerpen, Vilnius, Bratislava oder Garmisch-Partenkirchen. Ein solches Dachmarkenkonzept hätte, wie ich meine, auch Freiburg gut zu Gesicht gestanden.
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Weiterführende Links
Um das Gute zuerst zu nennen: mit den Kreissegmenten sehe ich einen hohen Wiedererkennungswert und das Logo ist insgesamt vielfältig einsetzbar.
Nicht so gut empfinde ich den Eindruck, den es bei mir hinterlässt. Ich vermute, dass Bürger und Gäste sich mit diesem Logo wohl kaum identifizieren können. Denn Freiburg steht primär nicht für technologischen Vorsprung und zeitloses Design – das sind m.E. die suggerierten Botschaften dieser Bildmarke (Kreissegmente rund um die Wortmarke). Allenfalls die lokalen Unternehmer der technischen Branchen werden das neue Brand gerne akzeptieren.
Wenn es aber doch dieser harte Bruch sein soll – raus aus aus der Öko- und Winzer-Schublade, rein in die agile Zukunft – dann hätte man zumindest einen farblichen Brückenschlag zwischen beiden Welten wählen können. Weniger laut und technisch, mehr Naturverundenheit und Menschlichkeit. Ein Grünton wäre mein Vorschlag gewesen, als Kompromiss zwischen dem bisherigen und neuen Spirit.
Und die Wortmarke ist leider verunglückt, was man sofort fühlen kann. Erklären lässt sich das an der Nicht-Bündigkeit der einzelnen Buchstaben: F und B sind links nicht bündig). Besser hätte man FREI und BURG linksbündig gesetzt – so hätte man die Buchstaben beider Zeilen bündig setzen können, was ein harmonischeres Bild ergäbe.
Meinen Senf habe ich mal eben umgesetzt:
Ich wundere mich, auf welcher Grundlage und mit welcher Motivation so eine Marke – die die Bürger und Gäste einer Stadt vertreten soll – entwickelt und durchgewunken werden kann. Wurde vor der Markenentwicklung eine neutrale und empathische Zielgruppenanalyse vorgenommen? Oder spielten hier wirtschaftliche Interessen eine Rolle?
Für mich sieht es einfach nur generisch aus. Das könnte für jede andere Stadt und alles mögliche sonstige verwendet werden. Schade.
Extrem austauschbar. Hier könnte jedes Produkt, jede Stadt damit gemeint sein. schade.
Was die Wortmarke betrifft: hier muss ich Matteo 100% recht geben. Seine Adaption ist um Welten besser.
Das neue Markenzeichen ist mMn. durchaus “dynamisch, lebendig, neugierig und kontrastreich”. Aber keinesfalls “entspannt, natürlich, authentisch”, so wie es das Konzept verkaufen will. Unterm Strich bleibt das Gefühl, dass nicht das Optimum rausgeholt worden ist.