Der FC St. Pauli wird gerne als „der etwas andere Verein“ beschrieben – und als solcher positioniert sich der Verein auch selbst. Nun hat sich der Verein eine neue Hausschrift zugelegt, mit der die Andersartigkeit des Clubs auch im Visuellen unterstrichen werden soll.
„Der FC St. Pauli ist mehr als ein normaler Profifußballverein und Sinnbild des authentischen Sports“ – so steht es in den Leitlinien des Hamburger Clubs. Für ein authentisches Markenerlebnis wird zukünftig auch eine neue Schrift sorgen, die in der letzten Woche vorgestellt wurde. Die eigens für den Club entworfene „FC Sans Pauli“ wird die Futura als Hausschrift ablösen.
Zu der in Zusammenarbeit mit dem Schriftdesigner Christoph Koeberlin und der Agentur Karl Anders entwickelten Schriftfamilie gehört mit der „FC Sans Pauli Bold“ auch ein linkskursiver Schnitt. Eine unkonventionelle typographische Spielart, zugleich ein bewusstes politisches Statement, wie dem im Blog des Clubs veröffentlichten Beitrag zu entnehmen ist.
Auszug der Pressemeldung
Mit der Einführung einer neuen Hausschrift hat der FC St. Pauli die Identität des Vereins noch stärker in der visuellen Kommunikation verankert. FC Sans Pauli steht für die politische Ausrichtung und konsequente Haltung des FCSP. […] Futura ist im deutschen Fußball so verbreitet wie kaum eine andere Schriftart. Die Schriftart stand nicht (ausschließlich) für den FC St. Pauli und gehörte auch nicht dem Verein. Stattdessen flossen regelmäßig Lizenzgebühren an Private Equity. […] FC Sans Pauli ist vielseitig einsetzbar. Die Schrift wurde mit dem Ziel entwickelt, in verschiedensten Kontexten zu funktionieren – von Büro bis Straße, von Excel bis zum Breitensportverein. […] Im Zentrum steht FC Sans Pauli Bold, die als linkskursive Schrift die Haltung des Vereins in jede Kommunikation einfließen lässt. Sie ist stark, prägnant und unverkennbar.
Der Trend als Fußballclub hin zum eigenen Corporate Font ist ungebrochen, wie seit einigen Jahren Redesigns/Rebrandings bei Bundesliga-Clubs wie Fortuna Düsseldorf, FSV Mainz, Eintracht Frankfurt, Hertha BSC, FC Augsburg, oder bei Premier-League-Clubs wie zuletzt Aston Villa dokumentieren. Eine speziell für den Verein angefertigte Schrift verhilft diesem im Visuellen zu mehr Persönlichkeit.
Der FC St. Pauli nutzt mit der „Sans Pauli Cooperative“ schon seit einiger Zeit eine speziell für den Club entworfene Type, etwa im Webauftritt zur FCSP-Genossenschaft unter fcspeg.com. Der der nun vorgestellten „FC Sans Pauli“ ist noch einmal umfangreicher.
Im Webauftritt des Vereins unter fcstpauli.com ist derzeit noch die Futura als Webfont eingebunden. In verschiedenen Social Posts, in denen der erste Heimsieg in der aktuellen Saison bejubelt wurden, kommt hingegen schon die „FC Sans Pauli“ zum Einsatz.
Mediengalerie
Weiterführende Links
Wird Euch bei der minimal geneigten Linkskursiven auch schwindelig?
Dann lieber die aufrechten Versionen, die wiederum sehr zum Verein passen, wie ich finde.
Wie vom FC St. Pauli gewohnt – angenehm anders!
Die FC Sans Pauli (finde den Namen übrigens ganz witzig) ist unkonventionell und doch direkt sympathisch. Das „Anarchie-At“ sticht sehr heraus. Noch fehlen mir konkrete Anwendungsbeispiele, aber auf den ersten Blick würde ich sagen: Passt perfekt zum Verein!
Immer wieder erstaunlich, wieviel der Verein richtig macht. Hut ab.
Ich finde die Schrift wirklich rundum gelungen, uns das nicht nur, weil ich Fan und Mitglied des FC Sankt Pauli bin und auch viele seiner gesellschaftlichen und politischen Werte vertrete. Sie ist etwas ganz Neues (das ich zumindest so noch nie vorher gesehen habe), im besten Sinne des Wortes anders und authentisch “FC St. Pauli”.
Besonders bemerkenswert finde ich, wie es Christoph Koeberlin gelungen ist, eine dermaßen eigenständige und besondere Schriftart zu entwickeln, trotz der an ihn gestellten hohen Anforderungen an Barrierefreiheit und Lesbarkeit durch den Verein.
Apropos Lesbarkeit und Inklusion: Die Integration des Gendersterns finde ich auch überaus gelungen. Sah das “*innen” in der Futura gesetzten Texten immer wie ein Fremdkörper aus, so sorgt die neue “*i”-Ligatur in der FC Sans Pauli dafür, dass sich der Genderstern harmonisch in das Gesamtbild einfügt. Zum Gendern mögen alle stehen, wie sie wollen, aber wenn es gemacht wird: Dann bitte so.
Auch auf “Tape” bin ich gespannt und hoffe, dass sie – trotz ihres starken Charakters – nur in wenigen ausgewählten Fällen eingesetzt wird, um etwas Besonderes zu bleiben und genau diesen Charakter eben nicht verliert.
Zuletzt möchte ich das Augenmerk noch auf die kleinen Eastereggs legen, die über die ganze Schrift hinweg zu finden sind und die sie aus meiner Sicht authentisch “FC St. Pauli” sein lassen: Das Anarchie-A im @-Zeichen, das Ampersand, das aussieht wie ein Anker, und die Ligatur “oz” als Hommage an einen Hamburger Graffiti-Künstler, dessen Tags man überall auf St. Pauli und in der ganzen Stadt sehen kann. Genau diese kleinen Gimmicks lassen die FC Sans Pauli so authentisch wirken.
PS: Danke Achim fürs Aufgreifen nach meiner Mail, ich bin gespannt, was der Rest der dt-Leserschaft zu dieser doch sehr besonderen Hausschrift zu sagen hat 🙂
Sehe ich genauso. Wirklich ein schöner Font, professionell und spielerisch zugleich. Der “Ankersand” ist echt super, genauso mag ich die Idee der Gendersternchenligatur. Da könnte man fast St.-Pauli-Fan werden. ;-)
Der FC St. Pauli inszeniert sich als „der etwas andere Fußballverein“, rebellisch, gegen den Strom und kritisch gegenüber den Mechanismen kapitalistischer Vermarktung. Doch mit der Einführung einer eigenen Hausschrift, die markenstrategisch perfekt auf die Identität des Clubs abgestimmt ist, spielt der Verein genau die Instrumente hervorragend, die er oft den „bösen Konzernen“ vorwirft: Markenbildung, Emotionalisierung und Corporate Design als Verkaufsargument. Ist das nun cleveres Branding im Einklang mit den eigenen Werten – oder einfach der nächste Schritt ins gleiche Spiel, das St. Pauli eigentlich anders spielen wollte? Ein Verein, der sich als Gegenentwurf sieht, sollte vielleicht aufpassen, sich nicht in den gleichen Strukturen zu verlieren, die deren Fans sonst gern kritisieren.
Dabei sollte man sich nichts vormachen: Diese Regeln gelten für jedes Fußballunternehmen von der ersten bis zur dritten, vierten Liga, wenn auch auf unterschiedlichem Niveau. Dennoch ist es belustigend, wie manche Fans die Bigotterie an den Tag legen, den eigenen Verein für seine Authentizität zu feiern, während genau diese Authentizität längst strategisch verpackt und vermarktet wird. Vielleicht gehört genau das zum Spiel, ob man es nun zugeben will oder nicht.
Es kommt halt nicht nur darauf an, WAS man macht, sondern auch WIE und WARUM man etwas macht. Sicherlich haben auch andere Vereine Hausschriften, ein Corporate Design und ein starkes Marketing. Nehmen wir als Beispiel das absolute Gegenstück zum FC St. Pauli, RasenBall (alleine der Name) Leipzig. Oberflächlich zwei Vereine mit perfektem Marketing. Guckt man sich aber an, was dahinter steckt, erkennt man die Unterschiede. Ja, beide Vereine (wobei der Begriff “Verein” für RB nicht passt.) wollen/müssen Geld verdienen. Damit haben sich die Gemeinsamkeiten aber auch schon erledigt. Währen ein Verein sein Marketing auf die Kohle ausrichtet, hat der andere Verein zusätzlich noch eine soziale Kompetenz. Man würde sich wünschen, dass alle anderen Vereine sich nur annähernd so stark z.B. gegen Faschismus und Rechts positionieren würden. Und wenn sie damit Geld, verdienen, sei es ihnen gegönnt.
…ich verstehe deinen Ansatz.
Aber behauptest du damit indirekt nicht auch, dass RB sich NICHT engagiert? Was fasch ist. Welches Engagement ist “richtiger”? Diese Argumentation finde ich falsch…
Ich habe RasenBall als Beispiel gewählt, weil das Projekt der österreichischen Getränkemarke für quasi alles steht, was im Fußball falsch läuft. Und dabei will ich nicht mal auf die fragwürdige Person Mateschitz eingehen.
Natürlich hätte ich auch andere Vereine nehmen können. Aber RB ist eben der extremste Gegenpol zu St.Pauli. Und taugt darum für mich als Beispiel dafür, dass zwei das Gleiche aber eben nicht das Selbe tun.
(Frage 100 Leute, welcher Fußballverein sich antifaschistisch engagiert und keiner würde RasenBall Leipzig sagen.)
…mag sein, aber in anderen Bereichen zeigt RB durchaus soziales Engagement. Ist das schlechter einzuschätzen? Vielleicht, weil es – und da bin ich durchaus bei dir – oft wie kalkuliertes Greenwashing wirkt. Aber das ist ein Muster, das man bei fast allen Fußballunternehmen erkennt, bei denen Tradition häufig nur ein Teil der Corporate Identity ist, der gepflegt wird.
Bitte verstehe mich nicht falsch: Ich habe Sympathien für St. Pauli und schätze ihr Engagement sehr – sie betreiben es ehrlich, ernsthaft und länger als alle anderen. Das verdient Respekt. Aber gleichzeitig finde ich nichts Verwerfliches an RB. Nicht, wenn man das gesamte System, in dem sich die „Vereine“ bewegen, ingesamt betrachtet. Mag sein, dass St. Pauli und RB zwei gegensätzliche Pole darstellen, aber letztlich spielen sie beide das selbe Spiel nach den kapitalistischen Regeln, die von der DFL, UEFA und FIFA, den Rechteinhabern vorgegeben werden. Alle. Auch St. Pauli. Sie tun es sicher nicht gern, aber sie passen sich eben doch an. Auf einen größeren gemeinsamen Nenner kommen wir hier wohl nicht Christian, aber ich ich freue mich über dieses sachlichen Diskurs.
Liebe Grüße von einem Aue-Fan
@Ruben
Ich verstehe Deinen Gedanken. Aber hatte der Verein nicht auch schon vorher eine Hausschrift (Futura), nur dass diese jetzt exklusiv, identischer und besser lesbar ist?
….richtig Roger, nur mit der eigenen Schrift heben sie sich nicht nur ab, wie sie gern schreiben, sondern zünden die nächste Stufe…
@Ruben Du machst da einen spannenden Punkt auf, in dessen Spannungsverhältnis der FC St. Pauli sich als Verein und auch als Marke immer bewegen wird. Einerseits erhalten die politischen und gesellschaftlichen Anliegen des Vereins die größte Sichtbarkeit im kapitalistischen Profifußballgeschäft. Andererseits muss man, um nach oben zu kommen und für seine Anliegen zu werben, sich den kapitalistischen Zwängen des Systems Profifußball ein Stück weit unterwerfen und im System mitspielen. Dort einen Mittelweg zu finden ist schwer. Dennoch denke ich, dass es aktuell ganz gut funktioniert.
Profifußball kostet eine Menge Geld. Um dieses Geld zu erwirtschaften, muss man sich vermarkten. Und zu einer guten Vermarktung gehört halt auch eine eigene Hausschrift. Die Frage, die an dieser Stelle dann relevant wird, ist, wie man sich vermarktet und da wird es interessant: Es gibt keine Werbung für Glückspiel, keine Werbung von nicht nachhaltig agierenden Unternehmen und von den Werbepartnern wird oft erwartet, dass sie sich auch an anderen Stellen gesellschaftspolitisch links positionieren. Genau so, wie die Hausschrift eben auch versucht, die Haltung des Vereins und seiner Mitglieder zu transportieren.
Ja, der FC St. Pauli bewegt sich – wie jeder andere Proficlub weltweit – in einem nicht nachhaltigen, kapitalistischen System. Damit ist auch er nicht perfekt und wird es auch nie sein. Im Unterschied zu den meisten anderen wird aber beim FCSP immerhin versucht, sich zu hinterfragen und Dinge anders bzw. besser zu machen. Bigott ist das nicht, sondern ehrlich.
Wunderbar! Ich lieb’s.
Links geneigt = hochnotpeinlich herbeikonstuiert. Gewollt und zum fremdschaemen.
Dergestalt Einschätzung zumindest ansatzweise inhaltlich unterfüttert könnte es erleichtern sie ernst zu nehmen.
Wenn man selbst eher rechts geneigt ist, mag einem das vielleicht so erscheinen.