Seit Anfang des Jahres hat Kroatien den Vorsitz im EU-Rat inne. Das Logo, das in diesem Zusammenhang bei Veranstaltungen und in den Medien eingesetzt wird, zitiert das Wappen des Landes mit seinem rot-weißen Schachbrettmuster. Interessant ist insbesondere der Entstehungsprozess im Rahmen eines studentischen Wettbewerbs, an dem sich die deutsche Regierung gerne ein Beispiel nehmen darf.
Es ist seit vielen Jahren Usus, dass im Zuge einer EU-Ratspräsidentschaft ein visuelles Erscheinungsbild entwickelt wird, mit dem die zahlreichen Veranstaltungen und Medien „eingekleidet“ werden. Dieses visuelle Profil sorgt für einen eindeutigen Absender und verleiht der jeweiligen Ratspräsidentschaft ein individuelles Gesicht. In der Regel zeichnen für die Gestaltung von Logo und Corporate Design Agenturen verantwortlich, nicht so in diesem Fall.
In einem landesweiten Wettbewerb rief die kroatische Regierung Designstudenten dazu auf, entsprechende Logoentwürfe einzureichen. Organisiert wurde der mit rund 31.800 Euro dotierte Wettbewerb vom nationalen Designverband (HDD). Die Bewertung der insgesamt 26 Entwürfe übernahm eine mit zahlreichen Designprofis besetzte Jury.
Der Siegerentwurf, eine im Schachbrettmuster angeordnete Wortmarke, daher auch der Name „typografisches Schachbrett“), wurde von der Designstudentin Iva Primorac (Architectural Faculty of the University of Zagreb) unter der Betreuung von Prof. Stipe BrÄić und der Assistentin Marija Juza entworfen. Primorac erhielt für ihren Entwurf umgerechnet 4.400 Euro. Der zweite Platz wurde mit 3.000 Euro und der dritte Platz mit 1.500 Euro Preisgeld bedacht. Alle weiteren Arbeiten wurden mit einer Aufwandsentschädigung in Höhe von 1.000 Euro bedacht.
Kommentar
Ein lobenswertes Vorgehen seitens der kroatischen Regierung und ein, auch in Bezug auf das bereitgestellte Budget, bemerkenswerter Wettbewerb. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Noch wichtiger erscheint mir die initiale Entscheidung, auf Designhochschulen zuzugehen, um Studierende zu einem fairen Gestaltungswettbewerb einzuladen. Auf diese Weise ist ein Logo mit Symbolkraft entstanden. Das Ansinnen, gezielt die junge Generation in Gestaltungsprozesse* einzubinden, das die kroatische Regierung hier bewusst verfolgt, ist vor dem Hintergrund zunehmender Politisierung der Jugend, Stichwort FridaysForFuture, unbedingt unterstützenswert.
Auch hierzulande wäre es wünschenswert, wenn die Regierung auf Designverbände zuginge, um vergleichbare Wettbewerbe ins Leben zu rufen. Diesbezüglich kann sich Deutschland von Kroatien eine dicke Scheibe abschneiden.
* hiermit ist sowohl der kreative Schaffensprozess wie auch die Gestaltung gesellschaftlicher Strukturen (Politik) gemeint
Mediengalerie
Weiterführende Links
Schöne, simple Idee (typo-)grafisch umgesetzt – gefällt mir sehr. Auch das Vorgehen ist absolut löblich. Aber warum diese handwerklichen Unfeinheiten zwischen E2 und 2H nicht ausmerzen? Gerade bei einem Logo, welches vielfach in enormer Größe auftaucht, sticht sowas doch – zumindest mir als Gestalter – sehr negativ ins Auge. Ich finde, die Ecken hätten sich hier entweder genau treffen oder eindeutiger voneinander abgesetzt sein müssen. Auch, wenn es nur ein Detail ist: gerade darin liegt doch oft die Symbolkraft eines Logos. Ich denke mir dann nur, hoffentlich schrappen die politischen Prozesse hier nicht genau so haarscharf aneinander vorbei wie das H an der 2.
Einerseits begrüße ich deinen Vorschlag sehr, Achim. Ich finde auch, dass die Jugend deutlich mehr einbezogen werden sollte. Es würde den heeren Sonntagsreden der EU-Politiker und sonstiger -Politiker (“Jugend!” “Bildung!” “Liebe Jugend, mehr Begeisterung für Europa!”) ein Quantum mehr Ehrlichkeit und weniger Verlogenheit verleihen.
Dazu müsste direkt am Logo mindestens ein “Designed by Young Creatives of …” [Land bitte einsetzen.] o. ä. stehen. Unbedingt.
Sonst nimmt diese schöne bestätigende Geste keiner der Jung- und Altbürger so recht wahr außerhalb der doch eher kleinen Kreativzunft.
Andererseits wäre es schiere Symbolpolitik würden vermutlich die “Friday for Future”-Jugendlichen sagen.
Ist nur eine Vermutung. Vielleicht meldet sich aber einer hier dazu.
Denn was kann ein von hoffnungsvollen jungen Leuten gezeichnetes Logo ausrichten, wenn die Wälder brennen, Bolsonaros, Trumps und weitere Ignoranten oben und unten die Welt kaputtmachen. (Die Wälder brennen nicht nur overseas übrigens, bei uns in Europa auch, wartet auf den Sommer ’20 …)
Es muss schneller gehen, es mussen kräftigere Taten her. Nicht nur Gesten, damit junge Leute sich angesprochen fühlen. Gesten, das kennen sie schon lange. Gähn. Das ist ja das: Außer netten Gesten nix gewesen.
Ich hoffe, man kriegt es noch hin, die Jugend mit ihrer berechtigten Angst vor der Zukunft richtig ernstzunehmen, nicht nur aus politischem Kalkül. Und zwar ALLE jungen Leute, nicht nur die kreativen darunter.
Was ich gut von der Jugend finde ist, dass die Jugend nicht mehr darauf wartet, ernst genommen zu werden, sondern einfach bereits handelt. Sie haben meine volle Unterstützung; im Lebensstil, der deutlichst einfacher geworden ist https://www.fussabdruck.de/
– ich verbrauche jetzt nur 1 1/2 Planeten – und beim Kauf-, Petitions-, Spenden- und Wahlverhalten.
haha … schachbrettmuster und kroatien. seit jahrzehnten penetrant an jeder ecke zu sehen. an jedem laden. an jedem lokal. an jedem shirt. auf jedem plakat. …….und jetzt auch noch im logo für die eu-ratspräsidentschaft. uiiii, welch idee :)
Nicht so hämisch, den Ton verstehe ich nicht.
Zum Zweiten: Das Wappen ist nun mal so, daher ist es auch dort an jedem Eck.
https://de.wikipedia.org/wiki/Kroatien#/media/Datei:Flag_of_Croatia.svg
Den Transfer auf Buchstaben zu machen, ist dennoch erstmal eine kreative Leistung, punktum.
das wappen ist nun mal so. genau, ungefähr so, wie ein basketball-logo für ne basketballmanschaft :)
Gutes Design zeichnet sich mMn. nicht immer zwingend durch die maximal unerwartbarste Lösung aus. Ein gelungenes Spiel aus Typografie und Farbe ist mir persönlich allemal lieber als irgendeine an den Haaren herbeigezogene Bildmarke.