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Eine MERCK-würdige Gestaltung – Pharmakonzern Merck erhält neuen Markenauftritt

Merck, das älteste Chemie- und Pharmaunternehmen der Welt, legt sich einen neuen Markenauftritt zu. Das Unternehmen habe sich in den letzten zehn Jahren vom klassischen Pharma- und Chemieanbieter in ein globales Technologieunternehmen entwickelt, so heißt es. Inspiriert von der „bunten und formenreichen Welt unter einem Mikroskop“ präsentiert sich das DAX-Unternehmen nunmehr mit einem von Grund auf veränderten Erscheinungsbild.

In der offiziellen Pressemeldungen heißt es zum neuenMarkenauftritt von Merck: „Merck hat sich in den vergangenen zehn Jahren fundamental verändert. Wir haben uns vom klassischen Pharma- und Chemieanbieter in ein globales Technologieunternehmen entwickelt. Mit unserer einzigartigen Kombination aus hoch spezialisierten Biopharma-, Life-Science- und Material-Geschäften sind wir heute in der Lage, Lösungen für globale Megatrends wie Gesundheit oder den digitalen Wandel anzubieten. Unsere runderneuerte Marke soll diese neue Ausrichtung gegenüber unseren Kunden, Partnern und Bewerbern dokumentieren. Wir wollen einheitlich und weithin sichtbar als Merck zu erkennen sein und so unseren bewährten Markennamen stärken. Dazu haben wir bewusst alte Zöpfe abgeschnitten und setzen künftig auf einen jungen und aufmerksamkeitsstarken Auftritt“, so Karl-Ludwig Kley, Vorsitzender der Geschäftsleitung und CEO.

Passend zum kürzlich rezensierten Buch „Emotion gestalten“ heißt es seitens des Unternehmens weiter: „Eine umfassende externe und interne Analyse hatte gezeigt, dass wir unseren Marktauftritt deutlich emotionalisieren mussten, um im Markt und von Bewerbern als lebendiges Technologieunternehmen wahrgenommen zu werden“, so Walter Huber, Leiter der Konzernkommunikation.

Tatsächlich wirkt das neue Design ungleich dynamischer als das bisherige, 2001 eingeführte, von der Agentur Landor entwickelte, durchweg konservative Erscheinungsbild. Welch ein Kontrast! Aufmerksamkeit sollte dem neuen Markenauftritt gewiss sein. Derart bunt und formverspielt hat man bis dato noch kein DAX-Unternehmen gesehen. Verwechslungsgefahr mit anderen Pharmamarken scheint nunmehr ausgeschlossen. Ziel erreicht, könnte man sagen. Mein Eindruck ist allerdings ein ganz anderer, nämlich, dass man ein gutes Stück übers Ziel hinausgeschossen ist.

In der Tat hat man in Bezug auf die Gestaltung nahezu alle „alten Zöpfe“ abgeschnitten. Mutig wird das jedoch nur nennen, für den Markenwerte wie Vertrauen, Kontinuität und Zuverlässigkeit keine Rolle spielen. Offen gesagt halte ich die Entwicklung in dieser Form für einen folgenschweren Fehltritt. Ein insgesamt ziemlich MERCK-würdiger Schritt. Hier die Gründe:

1. Die Gestaltung wirkt wie übergestülpt – gut zu sehen am Webauftritt (Screenshot bisheriger Webauftritt). An einem technologisch veralteten Konstrukt festzuhalten, um an der Oberfläche ein wenig Kosmetik zu betreiben, wirkt nicht fortschrittlich, sondern gestrig. Was es braucht, ist nicht der Austausch von Bildchen, sondern eine von Grund auf neukonzipierte Website, Stichwort Responsivität, besser noch, es braucht die Neuaurichtung der gesamten digitalen Präsenz. Bei Merck ist man offenbar der Ansicht, der Austausch von Grafiken würde reichen, um als innovative, zeitgemäße Marke wahrgenommen zu werden. Das neue Merck-Logo repräsentiert nicht, es kaschiert lediglich.

2. Es fehlt der Bezug zur Geschichte. Eine Marke, die ihren Ursprung im Jahre 1668 hat, verfügt allein aufgrund dieser Historie über einen unglaublich hohen Wert. Das neue Erscheinungsbild knüpft daran in keiner Weise an. Problematisch ist dies schon allein deshalb, weil in der textlichen und sprachlichen Kommunikation nun nachgeholt werden muss, was in der visuellen Kommunikation fehlt. Kunden und Investoren könnten sich fragen, ob sie es tatsächlich noch mit dem gleichen Unternehmen zu tun haben. Das neue Erscheinungsbild, um es mal ganz hart zu formulieren, zerstört das bis dato aufgebaute Vertrauen und die bestehende unterstellte Markenreputation, einfach weil jegliche visuellen Bezugspunkte zur Geschichte der Marke fehlen.

3. Der Bogen wurde gestalterisch überspannt. Das bisherige Logo mag kleinteilig sein – der neue Schriftzug ist es allerdings nicht minder. Die Wortmarke ist trotz lediglich fünf Lettern sehr komplex. Das Zusammenspiel aus Kurven, Bögen und Geraden erzeugt zwar jede Menge Dynamik – ein einprägsames Zeichen ist dabei allerdings nicht entstanden. Das Farbkonzept, die auf sechseckigen Waben basierende Struktur, eine eigenwillige Typographie – es sind einfach zu viel Dinge, die miteinander konkurrieren. Jede Form schreit: schau mich an! Mit Design hat dies nichts zu tun. Design ist in der Lage, die Aufmerksamkeit zielgerichtet auf das Wesentliche zu lenken, in diesem Fall auf die Information bzw. die Botschaft. Weniger wäre in diesem Fall sicherlich mehr gewesen. In dieser Form passt das neue Design Styling eher zu einem Mobilfunkanbieter, der auch Musik-Flatrate-Tarife im Angebot hat, als zu einem traditionsreichen Pharma- bzw. Technologieunternehmen dieser Größe und mit dieser Tradition.

4. An Hässlichkeit kaum zu überbieten. Ästhetik wird gemein hin überschätzt, davon bin ich überzeugt, aber dieses Merck-Logo ist derart verbeult, unförmig und hässlich, dass sich einem die Nackenhaare aufstellen. Integriert in den technologisch veralteten Rahmen des Webauftritts erzeugt das Logo fast schon eine Art Trash-Look. Gute Ansätze wie das variable Farbkonzept oder die Cover-Gestaltung werden von der überbordenden Formensprache und der viel zu stylisch geratenen Typographie überlagert. Den Anspruch eines „führenden Wissenschafts- und Technologieunternehmens“ vermittelt das neue Logo jedenfalls nicht.

Verantwortlich für die Kreation zeichnet FutureBrand.

Merck Logo

Merck Branding

Mediengalerie

Weiterführende Links

Update 21. März 2018: Mittlerweile wurde das Design auf unzähligen Medien und Objekte angewandt. Hier einige Bilder vom Fuhrpark und aus dem Bereich Signalisation. Die VIM Group unterstützt Merck in den Bereichen Brand Implementation und Brand Management.

Dieser Beitrag hat 135 Kommentare

  1. Solange ich den Quatsch nicht bezahlen oder damit arbeiten muss ist mir das alles reichlich egal :-)

    Ich rede diesem Unternehmen nicht in die Entwicklung ihrer Produkte rein und dafür halten sich deren Mitarbeiter auch nicht für Designkritiker – Deal?

    Wer in seinem Alltag einen größeren Bedarf an Farbvielfalt verspürt kann auch gerne zuerst das eigene Wohnzimmer streichen. Jeden Tag auf’s neue.

  2. Glücklicherweise leben wir in einem Land, in dem jeder seine Meinung haben und äußern darf.
    Und das die neue Marke polarisiert, hatte ich bereits erwähnt.
    Belassen wir es dabei und warten ab, wie lange sich das Design hält.
    Ich prophezeie eine sehr lange Haltbarkeit.

    @Jonas: Der war gut… :-)

  3. Optik hin oder her. Ich würde sagen: Ziel erreicht – über Merck wird gesprochen! Glückwunsch an die Verantwortlichen.

    Aber schaun wir mal, wie lange das anhält und wie Merck in einem Jahr aussieht.

  4. …hmm…räusper… kurzer Zwischenstand nach acht Monaten zum MERCKwürdigen Markenauftritt…
    Hierzu ein kurzer Artikel aus dem Horizont Brand Ticker:

    Im vergangenen Jahr verpasste sich der Darmstädter Pharmakonzern Merck einen neuen Markenauftritt. Das sorgte für kontroverse Diskussionen, führte aber in diesem Jahr zum “German Brand Award”. Viel entscheidender ist jedoch eine andere Entwicklung: Die Marke scheint beim Wandel zum “Wissenschafts- und Technologiekonzern” auf die richtigen und glaubwürdigen Themen zu setzen. Nach einigen Jahren Flaute im innovationsgetriebenen Pharma-Geschäft meldet Merck einen “echten Durchbruch” in der Hautkrebs-Therapie. “Eine Botschaft, die von allen verstanden wird”, sagt Rauch. Die Folge: “Fortschrittlich”, “innovativ” und “neuartig” zählen zu den Top-3 Assoziationen der Marke. Der Markenwert selbst klettert im Juni um 10,1 Prozent auf knapp 1,1 Milliarden Euro.

  5. Wir sind eine von zahlreichen Agenturen, die für Merck arbeiten. Ein etwas größeres und mehrere kleine Projekte wurden schon bei uns in Auftrag gegeben, wir sind als Designstudio aber ein vergleichsweise unbedeutender Dienstleister. Auch wir waren seinerzeit vom neuen Erscheinungsbild sehr überrascht und unsicher, ob das so funktionieren wird. Vor allem, weil das Corporate Design den Gestaltern im Umgang sehr freie Hand lässt – mit solchen Freiheiten kann nicht jeder etwas anfangen. Nach mehreren Monaten müssen wir sagen: Es funktioniert und macht großen Spaß! Man mag die Headlineschrift wurstig finden und die Farben grell, aber vom neuen Auftritt geht eine ungeheure positive Kraft aus. Die strahlt in alle Bereiche, intern wie extern. Das alte Logo und die alten Hausfarben sahen dagegen schon nach kürzester Zeit wahnsinnig alt aus. Was ich auch interessant fand: Wie die Merck-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter diese gestalterische Welt angenommen haben. Das muss gut kommuniziert worden sein. Und auch für die Agenturen gab es sehr aufschlussreiche Briefings, so dass auch uns die Umstellung leicht fiel. Fernab von geschmäcklerischen Diskussionen und schnellen, da anonymen Shitstorms im Netz: Ich bin froh, diese Wende miterlebt zu haben und habe dabei sehr viel gelernt. Unter anderem auch, dass sich Mut lohnen kann, man Regeln brechen darf und es auch als großer Konzern nicht allen recht machen muss.

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