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Ein neuer Stern für die russische Armee

Ein Stern, nicht mehr einfarbig rot, sondern in den Nationalfarben Russlands gehalten, soll zukünftig zum Erkennungszeichen der russischen Streitkräfte werden. Dass der neue Stern gar nicht der Farbabfolge der russischen Trikolore entspricht, scheint im russischen Verteidigungsministerium niemanden zu stören. Auch der Umstand, dass der dreifarbige Stern auf frappierende Weise einem Logo ähnelt, das vielleicht wie nur wenige, Sinnbild für den Kapitalismus und die westliche Konsumgesellschaft ist, konnte die Verantwortlichen nicht davon abhalten, ihr neues Markenzeichen von einer Kampfflieger-Formation begleitet in Szene zu setzen.

Der rote Stern, von je her Erkennungszeichen der russischen Streitkräfte und fest in der Symbolik Russlands verwurzelt, soll nun einem Zeichen Platz machen, das, so die offizielle Erklärung seitens des Verteidigungsministeriums, Ausdruck von Fortschritt sowie „das Streben nach neuen Zielen“ verkörpere. Dementsprechend feierlich wurde am vergangenen Wochenende das neue Symbol auf der Militärbasis Alabino, etwa 30 Kilometer südwestlich von Moskau gelegen, im Rahmen einer Militärshow der Öffentlichkeit vorgestellt.

Die russische Armee scheint nun offenbar Marketing für sich als Kommunikationsinstrument entdeckt zu haben. Dies alleine sollte nicht verwundern. Denn auch Armeen bedürfen eines professionellen Erscheinungsbildes (Corporate Design), verfügen über entsprechende Brand-Manuals, wie etwa die US Army und auch die Bundeswehr (» zum CD-Manual) und müssen für sich, nicht nur im Bereich der Personalbeschaffung, werben.

Die visuelle Nähe allerdings zwischen dem neuen Stern und dem ehemaligen Logo der „Mall of America“, dem in der Nähe von Minneapolis gelegenen meistbesuchten Einkaufszentrum der Welt, ist so offensichtlich, dass man zunächst glaubt, es handele sich um einen Scherz oder eine Falschmeldung, die derzeit in den russischen Medien Verbreitung findet (Link zum Video wurde entfernt) und dort ob der Ähnlichkeit der beiden Sternsymbole für reichlich Gesprächsstoff sorgt. So nah waren sich Russland und die USA wohl noch nie, werden sich einige beim Anblick der beiden Logos denken. Verteidigungsminister Sergej Schoigu ist es allerdings sehr ernst mit der neuen Marke, die er im Rahmen der Präsentation bereits auf der Brust trug.

Mall of America | Russian Army Logo
Mall of America | Russian Army Logo

Nun war und ist der rote Stern, den man unter anderem in den Nationalflaggen der Sowjetunion, Nordkoreas und Panamas findet, alles andere als ein originäres Zeichen. Seit geraumer Zeit wird das ehemals vorrangig im sozialistischen/kommunistischen Kontext verwendete Symbol sogar von Marken wie Heineken und Firmen wie Macy’s genutzt. In baltischen Ländern wie etwa Estland und Litauen ist die Verwendung des roten Sterns mittlerweile unter Strafe (russland.ru) gestellt, so groß ist die Verachtung, die dem roten, fünfzackigen Stern, der hier Synonym für die Besatzung zu Sowjetzeiten ist, entgegenschlägt.

Seit gut einem Jahr nutzt die „Mall of America“ ein anderes Logo (Link), was freilich nichts an der Ähnlichkeit der beiden oben gezeigten Sterne ändert. Das Thema bleibt delikat, um es einmal vorsichtig auszudrücken. Das neue Erkennungszeichen der russischen Armee hat mehr mit Captain America gemein als mit der russischen Trikolore. Der neu geschaffene Stern transportiert par excellence amerikanischen Patriotismus und sieht aus, als wäre er einer US-Wahlkampagne entstiegen. Ausgerechnet dieses Zeichen soll nun die russischen Streitkräfte repräsentieren.

Als wäre das Thema nicht schon verwirrend genug, kommt hinzu, dass der dreifarbige Stern seit wenigen Tagen als Senderlogo von Zvezdaru fungiert, einem russischen Staatssender. Anders als der Stern selbst ist eine solche Konstellation wohl einzigartig. Einzigartig und skurril. Nicht die Tatsache, dass sich die Administrativen der russischen Regierung um einen professionellen Auftritt ihrer Armee bemühen, erscheint irrational, das keinesfalls, das Ergebnis sorgt allerdings dann doch, insbesondere auch in Kommentaren russischer Medien, für große Verwunderung. Das Verteidigungsministerium muss sich nun mit Plagiatsvorwürfen auseinandersetzen.

Verantwortlich für die Gestaltung des neuen Sterns zeichnet ein, wie es heißt, „internes Designbüro des Verteidigungsministeriums“. Eine Fußnote, die sicherlich nicht alles erklärt, und doch kennzeichnet sie die derzeitige Lage, in der Russland, in der sich die russische Armee befindet. Wenn die Geschichte uns eines gelehrt hat, so ist es die Erfahrung, dass Isolation und Abschottung auf Dauer nicht funktioniert, nicht in der Politik und ebenso wenig im Marketing.

Mediengalerie

Weiterführende Links

  • Offizielle Pressemeldung: На подмосковном полигоне Алабино состоялась презентация знака «Армия России» (https://function.mil.ru/news_page/country/more.htm?id=11960644@egNews)
[Update 22:38 Uhr: Gestern stellte die us-amerikanische Großstadt Arlington ihr neues Logo vor (siehe Kommentar), das in diesem Zusammenhang natürlich nicht fehlen darf.]

Dieser Beitrag hat 19 Kommentare

  1. Da bleibt einem – ehrlich gesagt – die Spucke weg…
    Und es ist auch keine Frage des Designs, hier könnte man allenfalls über die Abfolge der Farben rätseln, sondern eher ein – gewolltes oder ungewolltes – politisches Statement.
    Hier stellt sich, wie so häufig, die Frage der Verantwortung der Designer. Von z.B. einem Armeechef kann man dies sicher nicht erwarten, aber der zuständige Designer ist ja nicht Erfüllungsgehilfe (oder sollte es zumindest nicht sein), sondern übernimmt Verantwortung neben seiner Entwicklertätigkeit als Berater und Implementierungsstratege. So etwas hätte nie das Licht der Öffentlichkeit erblicken dürfen … unglaublich.

  2. Ich weiß nicht, wie es den anderen geht, aber wenn man mich vor fünf Minuten nach

    einem Logo […], das vielleicht wie nur wenige, Sinnbild für den Kapitalismus und die westliche Konsumgesellschaft ist,

    gefragt hätte, so hätte ich mich von Coca-Cola über MTV, Amazon und Walmart, den halben P&G- und Unilever-Markenzoo durch diverse Logos hindurchgraben, aber auf diese wäre ich nicht gekommen, schlicht allein deswegen, weil ich es nicht kannte.

    Bei dem Mall-of-America-Logo handelt sich also um ein ehemaliges (!) Logo eines (!) Einkaufszentrum (keine Kette, ein Einkaufszentrum), dass die Elemente Streifen, Stern, und Blau-weiß-rote Trikolore aufgreift. Die USA und Russland nutze beide diese häufigste Trikore der Welt, ebenso wie den Stern als patriotisches Symbol. Wenn ich bei Google nach blau-weiß-roten gestreiften Sternen suche, so finde ich diverse besser und schlechter gelungene Beispiele. Und gegen das russische Logo wirkt auch das der amerikanische wie eine billige Kopie, auch wenn es tatsächlich das im Vergleich ältere ist. Denn das russische verbindet eine vordergründig einfache Geometrie mit erheblicher Symbolik – so ähnlich wie das hier kürzlich zum 50. besprochene der Deutschen Bank. Im Inneren des Sterns taucht ein Nordpfeil auf, was man als Symbol für Kartographie und, wenn man so will, für Eroberer interpretieren kann, und die beiden seitlichen roten Spitzen strahlen etwas warnendes, und je nach Sichtweise bedrohliches oder schützendes aus.

    Ich habe mit Militärs im allgemeinen und dem russischen im besonderen meine Probleme, aber unter designtechnischen Aspekten ist das hier perfekt. Zu glauben, eine der größten Armeen der Welt würde ihr Logo in Amerika im Supermarkt kaufen und kopieren, halte ich für einen ziemlich atlantik-zentrischen Fehlschluss.

    Und nein, ich bin kein Putin-Lohnschreiber oder Campact-Verstrahlter.

  3. Die vielzitierte Verantwortung der Designer ist doch ein Märchen. Tabakwerbung, politische Propaganda, Greenwashing, usw wird ja von uns gemacht. Sonst gäbe es die entsprechende Kommunikation ja nicht. Die ganze Kommunikationsbranche glänzt nicht mit moralischen oder ethischen Standards. Für Geld machen wir doch alles.

    Was aber wichtiger ist:
    Jetzt mit dem anklagenden Finger auf die Leute zu zeigen, die für die Russen arbeiten, aber beispielsweise, einen Award für jene zu fordern, die das Obama-Campaign-Logo oder »Deutschland Land der Ideen« erdacht haben macht keinen Sinn. Es ist eine Perspektivfrage. Die Gestalter hinter dem Logo stehen auch bestimmt hinter dem Russischen Staat und dem was er tut.

    Gute Gestaltung und gute Ethik haben leider, sachlich betrachtet, nicht viel miteinander zu tun.

  4. Dann brauch ich ja nicht mehr so viel schreiben: Kann mich Sinngemäß dem Kommentar von „freiwild“ 11:25 Uhr nur anschließen.

    Denn wir reden immerhin von einem Stern … mehr Wiedererkennung und individuelle Assoziation geht doch sowieso schon mal nicht.

    Ganz nüchtern betrachtet haben die aus dem Thema Stern so ziemlich das Maximum rausgeholt. Ich finde das Ergebnis richtig gut. Und in absehbarer Zeit wird es eh so sein, das niemand mehr denkt: „Mensch, die Russen haben doch einen Stern der wie soundso aussieht“ – sondern eher „Wieso haben die ein Logo, das aussieht wie das von der russischen Armee“.

    Das man altehrwürdige Symbolik neu besetzen kann haben ja schon andere Armeen bewiesen :-)

  5. Zumindest der gewünschte Bruch mit der Vergangenheit ist deutlich. Eine intuitive Assoziation mit Russland fehlt (daher), aber wie viele Zeichen wird man wohl auch dieses lernen.

  6. Ich hätte doch glatt geglaubt Sergej Schoigu trägt auf dem Bild einen Hoodie von Alpha-Industries…

    Aber der fünfzackige Stern ist doch einfach nicht wirlich originell. Die USA haben den überall mit drin, die EU hat nur Sterne im Logo, jedes gefühlte zweite Land hat mindestens ‘nen Stern in der Flagge, Fernsehshows haben Sterne im Jingle, Punkbands verwenden Sterne, Mädels haben Sterne auf Nacken und Handrücken tätowiert, Barbie hat Sterne auf der Verpackung… Sterne hier, Sterne da. Da kann man sich auch was Besseres einfallen lassen, vorallem wenn man eben nicht an die vergangene Symbolik gefesselt sein will… Vielleicht ja mal ein Kreuz…

    Ansonsten, wenn’s unbedingt beim Stern bleiben muss, ist es gut gemacht. Vorallem die horizontale Zweiteilung des Sterns bringt eine neue Linienführung mit ein, macht ihn recht aufregend und noch eine Spur “zackiger”. Die Farbwahl ist jedoch wirklich unglücklich gewählt – man denkt dabei an alles, nur nicht an Russland. Und ich wage zu bezweifeln, dass sich das im Laufe der Zeit ändern wird.
    Passender wären vielleicht Militär-“typischere” Farben gewesen. Ein Schwarz-Oliv-Mix oder so. Das beißt sich dann auch farblich nicht so als Plakette auf Panzern :-)

  7. “Vorallem die horizontale Zweiteilung des Sterns bringt eine neue Linienführung mit ein, macht ihn recht aufregend und noch eine Spur “zackiger“.”

    Oder einfach: ein glatter Durchschuss.^^
    Ist ja für die Armee. Wie sinnig.

Kommentare sind geschlossen.

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