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Düsseldorf – aufgesetzt statt nachhaltig

Düsseldorf Kampagnen-Website

Ein halbes Jahr nach Vorstellung des viel diskutierten und kritisierten neuen Markenauftritts der Stadt Düsseldorf folgte vor einigen Tagen nun eine Anpassung des Webauftritts der Landeshauptstadt. Spätestens jetzt wird deutlich, dass das gesamte Konzept vor allem eines ist: aufgesetzt und wenig nachhaltig. Zudem führt einem das „Smiling :D“, wie das rote Kampagnenlogo genannt wird, auf fast schon erschreckende Weise vor Augen, dass die Konsultation namhafter und mit vielen Preisen dekorierten Agenturen keinesfalls ein Garant dafür ist, alles richtig zu machen.

Um es gleich vorweg zu schicken: Weder kritisiere ich die von MetaDesign für die Stadt Düsseldorf entwickelte Markenkernanalyse (PDF), noch richtet sich meine Kritik an die für den Ende letzten Jahres vorgestellten „Dachmarkenauftritt“ verantwortliche Agentur BBDO (Düsseldorf). Die Markenkernanalyse ist fundiert, auch wenn sie meines Erachtens nicht ausreichend differenzierende Merkmale benennen kann, was allerdings im Kontext „Stadt“ eher ein grundsätzliches Problem darstellt. Attribute wie „tolerant“, „liebenswert“, „kreativ“, „erfolgreich“ und „facettenreich“ lassen sich nahezu jeder Kommune zuordnen, kleinen wie großen.

Auch wenn angesichts des Markenauftritts bezweifelt werden darf, dass die von BBDO entwickelte Kampagne tatsächlich ausreichend auf den Ergebnissen der Markenkernanalyse aufbaut, halte ich die Idee, das Emoticon „:D“ in den Mittelpunkt der Arbeit zu setzen für interessant, die Kreation sowohl konzeptionell, handwerklich wie auch formalästhetisch für gelungen. Natürlich macht die generische Form des Smiling :D den Markenauftritt angreifbar. Die Probleme sind allerdings ganz anderer Natur. Dazu gleich mehr.

Als gebürtiger Rheinländer darf ich zudem betonen: Ich habe rein gar nichts gegen diese Stadt, im Gegenteil. Düsseldorf ist mir durchaus sympathisch. Die in diesem Artikel formulierte Kritik richtet sich einzig und allein an diejenigen, die das Maßnahmenpaket rund um den neuen Markenauftritt verabschiedet haben und es verantworten (müssen).

Wie eingangs erwähnt, wurde dieser Tage das Stadtportal Duesseldorf.de modifiziert. Statt das städtische Onlineangebot von Grund auf zu erneuern und es an den veränderten Medienkonsum der Menschen anzupassen – der jetzige Webauftritt stammt zum Großteil aus dem Jahr 2001 –, wurde dem bestehenden Angebot lediglich eine Vorschaltseite übergestülpt, die zugleich erster Einstiegspunkt in das Portal ist, und darüber hinaus die Werbebotschaften der Kampagne bereithält.

Das ist in etwa so, als würde man auf einem sanierungsbedürftigen Wohnhaus ein Penthouse im Loft-Design errichten. Stellt sich die Frage: wem nützt solch ein Dach, wenn überall im Gebäude der Putz von der Decke bröckelt? Dementsprechend aufgesetzt wirkt das nun präsentierte digitale Konstrukt. Nach wie vor lässt das biedere Stadtportal viele Wünsche offen (siehe Vergleich Stadtportale). Nutzer des Portals haben es nun mit drei Absendern zu tun, darunter auch das neue Smiling :D (siehe nachfolgender Screenshot). Darüber hinaus gehende Änderungen hat das Smiling :D dem Stadtportal nicht eingebracht.

Stadtportal Düsseldorf

Dass Düsseldorf nunmehr über insgesamt fünf Erkennungszeichen verfügt, ist weder Fachleuten und schon gar nicht Bürgern zu vermitteln, die sich seit dem Launch der neuen Kampagne umso mehr fragen: Wofür steht eigentlich Düsseldorf? Düsseldorf ist trotz großer Anstrengung, so muss man heute resümieren, nicht in der Lage, diese Frage auf verständliche Weise zu beantworten.

Lassen wir doch einmal jeglichen Werbesprech und PR-Text der vergangenen Monate beiseite und schauen uns an, was bis zum heutigen Zeitpunkt die Bemühungen um eine neue Identität der Stadt Düsseldorf gebracht haben. Welchen Eindruck vermittelt Düsseldorf vor dem Hintergrund der jüngsten Veränderungen?

  • Düsseldorf legt mehr Wert auf den Schein als auf das Sein
  • Düsseldorf sind potentielle Investoren offenbar wichtiger als Bürger
  • Düsseldorf setzt lieber auf kurzfristige Effekte, denn auf nachhaltige und substanzielle Verbesserungen
  • In Düsseldorf glaubt man, eine Werbekampagne könne man als integrierte, in sich schlüssige Dachmarkenstrategie verkaufen
  • Düsseldorf legt mehr Wert auf Werbung als auf ein authentisches und einheitliches Erscheinungsbild
  • Düsseldorf verwirrt mit zu vielen (visuellen) Identitäten

Diesen Eindruck vermittelt Düsseldorf im Zuge aktueller Marketing-Maßnahmen. Werbung hat das Gegenteil von dem erreicht, was zu Beginn des Projektes als Ziel ausgelobt worden ist. Düsseldorf verschreckt mehr, als dass die Stadt an Sympathiepunkte und Attraktivität zulegte. Die Düsseldorf-Kampagne suggeriert lediglich Veränderung, und genau das muss man den städtischen Verantwortlichen zum Vorwurf machen, weil nämlich substanziell, das zeigt der Umgang mit dem Stadtportal, seit langer Zeit Stillstand herrscht. Und wie wir alle wissen, ist im schnelllebigen Medium Internet Stillstand gleichbedeutend mit Rückschritt.

Städte wie Mannheim, Wiesbaden und, um auch einmal ein internationales Beispiel zu nennen, Stockholm machen vor, wie Internet heutzutage auf kommunaler Ebene geht.

Nicht das Werbung generell schlecht wäre, in diesem Fall war die Entscheidung, vorrangig auf Werbemaßnahmen zu setzen, allerdings eine grundsätzlich falsche, wie ich meine. Bevor jetzt all diejenigen feixend jubeln, die Investitionen in den neuen Markenauftritt von Anfang an als überflüssig kritisiert haben, sei gesagt, dass eine tatsächlich auf Nachhaltigkeit setzende Lösung finanziell nicht unbedingt vorteilhafter sein muss. Kosten, insbesondere, wenn diese von Steuern getragen werden, sind sicherlich ein wichtiger Faktor, sollen an dieser Stelle jedoch nachrangig beurteilt werden, zumal Angaben über die Gesamtkosten aller bis dato umgesetzten Maßnahmen fehlen.

Ich bin davon überzeugt, dass alle Ziele mit einem gehaltvollen Corporate Design, für das etwa Otl Aicher aus tiefster Überzeugung stand, hätten erreicht werden können. Den Leuchtenhersteller ERCO hatte Aicher seinerzeit in die Pflicht genommen, erst wenn sich das Unternehmen substanziell veränderte, würde er für sie ein neues Erscheinungsbild entwerfen. Als Designer derlei Bedingungen setzen zu können, wirkt in einer Zeit, in der Auftraggeber vielfach nicht nur den Zeitrahmen und das Honorar diktieren, sondern auch bei der Kreation ein Wörtchen mitreden wollen geradezu phantastisch. Während Design in den vergangenen Jahren zunehmend an Bedeutung gewann, dürfen kreative Leistungen zugleich immer weniger kosten. So stellt sich die Realität heute dar.

Düsseldorf erhofft sich, indem es eine Werbekampagne auflegt, dass sich das von außen wahrgenommene Bild der Stadt ändert. Aicher hingegen setzte auf einen ganzheitlichen Ansatz, der die Veränderung der gesamten Unternehmenskultur von innen heraus zum Ziel hatte. Er war davon überzeugt: erst wenn die äußerliche Veränderung von einem inneren Wandel getragen wird, ist sie überzeugend, ist sie authentisch und kann die Außenwahrnehmung positiv beeinflussen. Wenn man so will, stehen Otl Aicher und Düsseldorf für zwei Philosophien, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten.

Düsseldorf steht in diesem Punkt exemplarisch für einen in unserer Gesellschaft weit verbreiteten Irrglaube: echter Wandel ließe sich mit einer Maske, bestehend aus Farben und einem neuen Logo, herbeiführen. Mit Design hat das freilich nichts zu tun, eher mit Kosmetik. Im günstigsten Fall kann ein professionelles Erscheinungsbild Impulse setzen und eine positive Entwicklung unterstützen, auslösen oder gar tragen kann es sie ohne ein echtes Fundament nicht. Aicher war diese Art nachträglicher „Etikettierung“ ein Graus, weshalb er sie kategorisch ablehnte.

Ein gutes Produkt wird auch ohne Werbung seinen Käufer finden, ein schlechtes Produkt hingegen lässt sich nicht einmal mit der genialsten Werbestrategie an den Mann und an die Frau bringen, zumindest nicht dauerhaft. Im Grunde hätte man den Verantwortlichen im Zuge der Projektausschreibung sagen müssen: Liebe Leute, genauso gut könnte man das Geld gleich aus dem Fenster werfen. Besser als jede Werbekampagne rund um ein neues Logo sind Investitionen in den Ausbau der digitalen Präsenz (Webauftritt, eGovernment, Social Media, etc.) sowie Maßnahmen zur Implementierung einer Corporate Identity. DAS braucht Düsseldorf, kein aufgesetztes Logo!

Bereits die dem neuen Markenauftritt vorausgegangene Kampagne dein.düsseldorf.de muss man als aufgesetzt bezeichnen. Hier konnten Bürger Bilder hochladen, um ihren Ansichten und Vorstellungen von der Stadt Ausdruck zu verleihen: eine, und das muss man den Kreativen schon lassen, äußerst raffinierte Idee, die da ersonnen wurde – der Anschein der Partizipation blieb auf diese Weise gewahrt und ließ den Verantwortlichen dennoch völlige Freiheit. Der Bürger wurde in den Prozess scheinbar eingebunden, ohne ihm gegenüber jegliche Zugeständnisse machen zu müssen. Chapeau für diesen konzeptionellen Streich! Im Nachhinein lässt sich diese inszenierte Aktion wunderbar als Prozess, an dem wirklich „alle beteiligt gewesen sind“, PR-technisch verkaufen (siehe Interview OB Dirk Elbers).

Eine Stadt, die mit „progressiv“ und „aufregend“ Punkten möchte, und hier nehme ich wieder Bezug auf die oben genannte Markenkernanalyse, und gleichzeitig ein 12 Jahre altes Stadtportal ihr eigen nennt, ist unglaubwürdig. Das nimmt einem heutzutage kein Mensch mehr ab. Ich wage zu bezweifeln, dass sich im 21. Jahrhundert Unternehmen mit derlei Maßnahmen zur Umsiedlung überreden lassen. Hier hätte man, meiner Meinung nach, stärker in echte Veränderung investieren müssen und weniger in suggerierte. Mehr echter Inhalt, weniger Möchtegern-Image. Mehr eGovernment, weniger Erklärvideos. Mehr Responsive Design, weniger „Sigikid-Löwe“. Mehr Corporate Design und Corporate Identity, weniger Standortkampagne. Düsseldorf geht den falschen Weg. So falsch und aufgesetzt, wie es derzeit tut, ist die Stadt eigentlich gar nicht. Nur kommunizieren kann man es in Düsseldorf nicht.

Die neue Vorschaltseite

Düsseldorf Kampagnen-Website

Eine neue Dachmarke für Düsseldorf – Gespräch mit OB Dirk Elbers

Dieser Beitrag hat 36 Kommentare

  1. “Düsseldorf steht in diesem Punkt exemplarisch für einen in unserer Gesellschaft weit verbreiteten Irrglaube: echter Wandel ließe sich mit einer Maske, bestehend aus Farben und einem neuen Logo, herbeiführen.”

    Stimmt, Achim.
    Böse Werberzungen in Schnöseldorf – und anderswo – reden dann vom “painting lipstick on a pig”.

    Es gibt die weit verbreitete Idee, dass erst mal ein visueller Impuls (oder mein Reizwort: Anreiz) geschaffen werden müsse – der Wandel von selbst nachziehe. (Tut er nach meiner Erfahrung nicht, wird jedoch gerne von Kreativen/Designern geäußert.)

  2. @Luc Ist eine Marke nicht immer so bekannt wie man sie macht? Schau dir simple Formen wie Lucky Strike (Kreise), Marlboro (dieser Kasten mit ausgeschnittenem Dreieck), der Nike Swoosh, … ja selbst der Adler unserer Bundesregierung. Natürlich spielt Dynamik, Form etc. eine gewisse Rolle. Aber wenn genug Zeit und Geld investiert wird, ist Düsseldorf die Stadt mit dem :D und erhält Einzug in viele fröhliche digitale Dialoge.

    Ein Berliner, der be berlin ist … oder so … sei berlin. Keine Ahnung. ;) … oder :D

    M

  3. Ein wirklicher guter Artikel, dem ich mich nur anschließen kann. Düsseldorf braucht wirklich vieles, aber ein neues Logo scheint mir da wenig zu helfen.
    Vielleicht liegt es an dem ewigen Konkurrenzkampf mit Köln, dass Düsseldorf andauernd denkt, sich neu erfinden zu müssen.
    Mittlerweile lebe ich seit drei Jahren hier und kann täglich miterleben, wie ein Event nach dem anderen aus dem Ärmel geschüttet wird, um das Image “” vergeblich “” aufzubessern.
    Vielleicht sollte mal ein Gang runter geschaltet werden und mit echten Inhalten überzeugt werden (die aktuelle Rheinbahn Kampagne ist das ein gutes Beispiel!) oder, um es mit Otl Aichers Worten zu sagen: «… ein wirklich gutes Produkt zeigt sich so, wie es ist.»

  4. ein wirklich sehr schöner Artikel. Auch ich kann mich da nur meinen Vorrednern anschließen. Es ist einfach schade, dass das Ergebnis ist.
    Lieben Gruss
    Christian

  5. […] Düs­sel­dorf – auf­ge­setzt statt nach­hal­tig – Pas­send zum Ein­stand der „Links vom Rhein gibt es eine ziem­lich derbe Kri­tik am neuen Logo der Stadt Düs­sel­dorf. Sie steigt recht tief in den Desi­gndis­kurs ein, ist aber auch für Außen­ste­hende sicher­lich interessant. […]

  6. „In Düsseldorf kann man weltoffen und heimatverbunden, kreativ und genussvoll, anpackend und entspannt – einfach reicher – leben.“

    … ist keine kurzfristige Kampagnenidee, kein Claim oder Slogan, sondern eine nachhaltige Leitidee für das Stadtprofil! Sie ist die Essenz des spezifischen Lebensgefühls in Düsseldorf und bildet eine langfristige Grundlage und das Briefing für die Entwicklung und Gestaltung aller weiterführenden Marketing- und Kommunikationsmaßnahmen – unabhängig von den Bereichen.

    Das ist die von MetaDesign entwickelte Leitidee. Ich stell mal “einfach reicher” heraus. Das ist wie ich finde sehr passend für Düsseldorf. Es ist auf jeden Fall ein besonderes Alleinstellungsmerkmal der Stadt. Ich persönlich habe nämlich immer eine Art Kulturshock, wenn ich von meiner Heimatstadt Köln nach Düsseldorf komme. Ich sags mal ganz lapidar: In Düsseldorf scheint sich jeder chic und reich zu fühlen. Das ist für Düsseldorfer anscheinend ein wichtiges Lebensgefühl. Dazu kommt natürlich wie in Köln die rheinische Frohnatur.

    Der Leitgedanke ist im Auftritt aber leider nicht weitergeführt. Du hast es wirklich gut beschrieben Achim. Ob es jetz am :D liegt? Ganz sicher ist, daß eine Werbekampagne kein Corporate Design ersetzt.

  7. Lieber Achim,

    ein guter und sehr lesenswerter Beitrag ist das. Danke dafür!

    Aber, es ist – wie ich es in vorangegangenen Kommentaren auch schon habe zum Ausdruck bringen wollen – einfach die falsche Stelle, an der wir (Kreative, Designer, etc.) unsere Kritik anbringen und unsere Hilfe anbieten wollen. Dieses Forum ist ein guter Platz für Betrachtungen rund um die Qualität und Wirkweise von Design aber es ähnelt leider – ohne dass ich das in irgendeiner Weise despektierlich meine – einem Spielplatz, der von Umstehenden oder Vorbeieilenden zwar am Rande wahr- aber keineswegs ernst genommen wird. Will sagen: Die Unternehmer, Industriellen (und, im Prinzip fast alle Wirtschaftsschaffenden und Treibenden) nehmen Design und Kommunikation nicht wirklich als ernstzunehmende Kräfte wahr, die tatsächlich etwas bewegen oder verändern können (das trauen die meisten Design nicht mal im Ansatz zu – ich habe viele Unternehmer nach Ihrer Meinung dazu befragt … für die ist das zumeist wirklich Spielerei und „Mädchenwerk“ :-(( ). Offiziell wird zwar immer gebetsmühlenartig beteuert, man brauche gutes Design und Kommunikation (Mehrwert, schafft Nachhaltigkeit, Orientierung, etc.) aber schließen sich die Bühnenvorhänge, so werden Designer und Kreative doch immer noch oft sogar herablassend als Fantasten und Schönfärber abgetan. Woran die meisten Leute hier zumeist nur glauben, ist immer noch der wissenschaftsorientierte Ingenieursverstand – und nur der. An die Kraft von Gestaltung auf der Basis von guter Konzeption und strukturierter Informationsorganisation glauben nur Wenige. Gegen diesen Irrglauben ist schlechterdings kaum anzuargumentieren. Da bedarf es wohl weitreichenderer Anstrengungen. Meiner Erfahrung nach wachen zwar einige Ungläubige immer dann auf, wenn sie sehen, was Design wirklich bewirkt, aber eine Skepsis allem nicht zu quantifizierenden Kreativpotential gegenüber, bleibt in breiten Schichten der Bevölkerung doch trotz Beweisen meist bestehen. Das hat etwas mit der Art und Weise zu tun, wie die meisten Menschen die Welt sehen, kennelernen und wahrnehmen – nämlich als Zahlen- und nicht als Figurenwelt. Das hat auch etwas zu tun damit, wie sich die „Branche“ selber sieht, wahrnimmt und mit welchem Selbstbewusstsein bzw. mit welchem gesunden Selbstverständnis und mit welcher Souveränität die Kreativen auf Menschen mit „Zahlenblick“ zugehen – nämlich zunehmend mit einer sehr untergebenen Haltung, bereit sich dem Diktat von (miesem) Honorar und (lächerlichen) Arbeitsbedingungen/absonderlichen Anforderungen an den Designer zu unterwerfen. Kein Wunder, dass „wir“ nicht ernst genommen werden – Entscheider und Geschäftsführer sind zumeist Alphaltiere irgendeiner Coleur und man begegnet ihnen am besten nicht in dem man Ihnen direkt den entblößten Nacken als Unterwürfigkeitsgeste darbietet.

    Es wäre also an der Zeit, sich nicht weiter in Foren wie diesen über jene Leute zu beschweren, die Design weiterhin gering schätzen und damit heftigste Ausrutscher, wie den in Düsseldorf oder anderswo kreieren (das wird sich sonst in nächster Zeit – meine Prognose – noch eher häufen), sondern sich mit diesen Leuten an einen Tisch zu setzen und sie (ganz Aischers These) von innen heraus und durch die Kraft des eigenen Selbstbewusstseins und im Glauben an die eigenen Überzeugungen bzw. an die eigenen Fähigkeiten davon zu überzeugen, dass die Kraft von Design und Kommunikation wirklich besteht anstatt sich mit ihren Lippenbekenntnissen zufriedenzugeben und die Brosamen aufzusammeln, die sie für „uns“ am Wegesrand fallen lassen. Ich hoffe seit Jahren, dass es zu wirklich ernst gemeinten und fruchtbaren Dialogen zwischen Wirtschaft und Design kommt, stelle aber fest, dass sich Wirtschaftstreibende und Designschaffende zunehmend in ihre Lager zurückziehen und sich dort zumeist selber feiern – wohl auch als trotzige Gebärde dem jeweils anderen Lager gegenüber. Wenn „wir“ an dieser Situation aktiv und ernstzunehmend nichts ändern – die Investoren, Unternehmer und Industriellen werden es nicht tun. Da bin ich mir sicher. Es liegt daher in unserer Hand, jene Un :D Inge zuvermeiden und eine Welt zu schaffen, in der sich Zahlen und Figuren wieder vereinen statt einander zu ignorieren oder auszuschließen – stammen sie doch kulturgeschichtlich betrachtet aus ein und derselben Quelle.

  8. @ Roland Plank

    Stimme zu mindestens 99% zu.

    “Woran die meisten Leute hier zumeist nur glauben, ist immer noch der wissenschaftsorientierte Ingenieursverstand.”

    Tja.
    Umsetzung der Erkenntnis tut not, Erkenntnis allein bringt nicht viel.
    Was hält Designer denn ab, Design richtig ingenieursmäßig aufzuziehen und Ing.- und Dr.-Ing.Studiengänge zu etablieren?

    Meinereiner kommt sich jedenfalls schon jetzt wie die inkriminierten “Zahlenfuzzies” vor, wenn ich mir die Tätigkeiten anschaue, denen ich mich als Designer widmen muss:
    Recherchen anstellen, Versuchsreihen aufbauen, auswerten, analysieren, in Phasen einteilen, berechnen, auswerten und in Präsentationen aufbereiten. Nichts anderes machen Wissenschaftler den lieben langen Tag auch. (Wenn sie nicht gerade Drittmittel einwerben müssen und sogar selbst ohne fremde Hilfe dank MS-Word und Powerpoint unglaubliche Flyerchen basteln, vollgehauene Poster gestalten, hust…)

    “Mädchenwerk”

    Ja freilich.^^

    Disclosure:
    Die Kommentatorin hat direkte Nähe zu Wissenschaftlern und war in erster Ehe sogar mit einem Ingenieur verheiratet.

  9. @ Roland Plank – Da stimme ich dir 100% zu. Du hast es auf den Punkt gebracht:

    “Es wäre also an der Zeit, sich nicht weiter in Foren wie diesen über jene Leute zu beschweren, die Design weiterhin gering schätzen und damit heftigste Ausrutscher, wie den in Düsseldorf oder anderswo kreieren (das wird sich sonst in nächster Zeit – meine Prognose – noch eher häufen), sondern sich mit diesen Leuten an einen Tisch zu setzen und sie (ganz Aischers These) von innen heraus und durch die Kraft des eigenen Selbstbewusstseins und im Glauben an die eigenen Überzeugungen bzw. an die eigenen Fähigkeiten davon zu überzeugen, dass die Kraft von Design und Kommunikation wirklich besteht anstatt sich mit ihren Lippenbekenntnissen zufriedenzugeben und die Brosamen aufzusammeln, die sie für „uns“ am Wegesrand fallen lassen.”

    Die Haltung des Designers den eigenen Fähigkeiten und der Wirkung und der Kraft des Designs gegenüber ist entscheident. Ich sehe das Problem darin, daß ein sehr großer Teil der Designschaffenden diese Haltung nicht hat bzw. eine solche als unrealisistisch abtut. Sie sehen sich eher in der unterwürfigen Haltung. Eher als Erfüllungsgehilfe des Auftraggebers (der ja zahlt).

    Vielleicht können die Designer, die das veranwortungsvoller sehen sich zusammentun, in Netzwerken organisieren oder real treffen. Vielleicht könnte etwas vorrangetrieben werden. z.B. mehr Aufklärung und Bewußtsein der Leute bzw. Auftraggeber rübergebracht werden. Ich wohne übrigens wie du in Köln ;-)

    Übrigens Otl Aicher, war Mitglied der Widerstandgruppe “Weisen Rose”. Die Hochschule für Gestaltung in Ulm, die er mit seiner Frau Inge Scholl, der Schwester von Sopie Scholl gründete hat bis heute Strahlkraft. Auch und vor allem in gesellschaftlicher bzw politischer Hinsicht. Design ist eben mehr als nur schöne Fassade.

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