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Drei Rebrandings in elf Jahren – Bahlsen ändert Verpackungsdesign erneut

Bahlsen Rebranding – Bahlsen-B, Bildquelle: Roman Klis Design
Bahlsen Rebranding – Bahlsen-B, Bildquelle: Roman Klis Design

Die Verpackungen der Backwarenmarke Bahlsen bekommen ein neues Design. Das von Firmenchef Alexander Kühnen bereits vor eineinhalb Jahren angekündigte Rebranding wird in den kommenden Wochen vollzogen. Damit wird das unter Kühnens Vorgänger Phil Rumbol eingeführte Verpackungsdesign bereits nach vier Jahren wieder aussortiert.

Bahlsen, 1889 von Hermann Bahlsen als „Hannoversche Cakesfabrik H. Bahlsen“ gegründet, ist ein deutsches Familienunternehmen in der Backwarenbranche mit Sitz in Hannover. Bahlsen zählt zu den erfolgreichsten Gebäckherstellern in Deutschland und ist Marktführer mit bekannten Marken wie Bahlsen, Leibniz und Pickup.

Wie das Unternehmen im Rahmen einer Pressemeldung erklärt, wird bei dem vorgestellten neuen Verpackungsdesign das jeweilige Produkt wieder stärker in den Vordergrund gestellt, um so Lust auf das Gebäck zu wecken. Die hohen Erwartungen, die das Unternehmen an das vor vier Jahren eingeführte Verpackungsdesign geknüpft hatte, basierend auf einem stark auf Brand Awareness zugeschnittenes Packaging-Konzept, konnten demnach nicht erfüllt werden.

Wie Bahlsen-Chef Kühnen bereits im Oktober 2023 gegenüber dem Handelsblatt erklärte, würden einige Konsumenten das vor vier Jahren eingeführte und derzeit noch aktuelle Verpackungsdesign als zu elitär und distanziert empfinden, und deshalb zu Produkten der Konkurrenz greifen. Dazu beigetragen haben möglicherweise auch versteckte Preiserhöhungen, wie bei dem Produkt „Bahlsen Perpetum“ (konsument.at) – viele Konsumenten sehen diese als Ärgernis an.

Dem nun angekündigten Packaging-Relaunch seien umfassende Marktforschungsanalysen und zahlreiche Konsumententests vorausgegangen. Die Befragten hätten dem neuen Design Top-Noten gegeben, so das Unternehmen.

Auszug der Pressemeldung

Das Unternehmen Bahlsen verleiht den Produkten seiner gleichnamigen Marke weltweit ein neues Design. Verbunden damit ist eine Neupositionierung der Marke: die Produkte sollen stärker im Leben der Menschen präsent sein und sich als unverzichtbarer Begleiter im Alltag etablieren – als Must-have zur Entspannung und für den täglichen Genuss-Moment. […] Die Verpackung verspricht höchsten Genuss und Qualität, während das Erscheinungsbild modern und zeitgemäß ist.

Bahlsen Ohne Gleichen Vollmilch – vorher und nachher, Bildquelle: Bahlsen, Bildmontage: dt
Bahlsen Ohne Gleichen Vollmilch – vorher und nachher, Bildquelle: Bahlsen, Bildmontage: dt

Bei den neuen Verpackungen nimmt die Darstellung des jeweiligen Produktes wieder mehr Fläche in Anspruch. Das Logo wurde hingegen auf rund ein Drittel der bisherigen Größe drastisch verkleinert. Auf aktuellen Verpackungen erstreckt sich die scriptuale Bahlsen-Wortmarke über die gesamte Vorderseite, nun ist diese in der linken Hälfte neben der Produktabbildung platziert. In der Produktabbildung sind fotografische Elemente mit Renderings kombiniert.

Die Bahlsen-Wortmarke ist, wie schon auf früheren Verpackungen, in weiß als Negativform vor blauen Untergrund abgebildet. Blau fungiert nun wieder, so eine Zielsetzung/Vorgabe, als verbindendes Gestaltungselement sämtlicher Verpackungen. Die veränderte Farbstruktur, mit Dunkelblau als Basis und zusätzlichen, teils warmen Farbtönen (Altrose/Rosarot für „Bahlsen Ohne Gleichen Edelherb“), sei klarer und erleichtere die Orientierung im Regal, so das Unternehmen.

Schokolierte Produkte (z.B. „Bahlsen Ohne Gleichen“) sind fortan auch anhand eines in Schokolade gezeichneten „Bahlsen-B“ zu erkennen – mit diesem visuellen Element wurde ein neues Brand Asset geschaffen.

Bahlsen Branding (2025), Quelle: Roman Klis Design, Linkedin
Bahlsen Branding (2025), Quelle: Roman Klis Design, Linkedin

Das traditionell auf Bahlsen-Verpackungen verwendete „TET-Zeichen“ wird nun wieder vollständig abgebildet, einschließlich der Hieroglyphe mit Schlange, wie sie seit 2018 auch im Bahlsen-Unternehmenslogo (wieder) enthalten ist. Bislang wurde lediglich das Kürzel „TET“, in weiß gehalten und eingebunden im roten Rechteck, auf Verpackungen gedruckt.

Auf den neugestalteten Verpackungen ist das TET-Zeichen am linken oberen Rand platziert, die Stilistik eines klassischen Klebestreifens aus Papier zitierend, mit dem Tüten und Kartons früher verschlossen/versiegelt wurden. Aufgedruckte Schein-Verschlussetiketten findet man als Gestaltungselement beispielsweise bei Marken/Produkten wie Dallmayr prodomo, Diamant Mehl oder Jacobs Kaffee (Redesign 2024). Eine Verschlussfunktion besteht bei diesem Gestaltungselement heute nicht mehr – geblieben ist der optische Ausdruck eines Siegels, das Sorgfalt und Handarbeit vermittelt. Für viele Menschen in der heutigen technisierten Welt Ausdruck für Qualität.

Über den Ursprung des TET-Zeichens schreibt das Unternehmen: „Hermann Bahlsen entdeckte es auf einer Ägyptenreise. Es ist eine Hieroglyphe, die eine aufgehende Sonne und eine Schlange zeigt. Die Bedeutung: “ewig während”. Die Hieroglyphe steht in Zusammenhang mit dem ägyptischen Pharao Djet (geboren um 2980 v . Chr.). Dessen Name, „dschet“ ausgesprochen, wurde von Bahlsen zum Kürzel „TET“ vereinfacht.

Seit 1904 ist das TET-Zeichen samt Hieroglyphe Teil des „Story Tellings“ von Bahlsen – wobei dieser Begriff im Kontext Werbung damals noch nicht geläufig war. Erstmals zum Einsatz gekommen ist das Zeichen auf jenen als „TET-Packung“ bezeichneten feuchtigkeitsfesten Keksverpackungen. Ähnlich wie „TET“ ist auch das Wort „Keks“, in Anlehnung an das englische Wort „cakes“, eine sprachliche Neuschöpfung.

Ab Juni soll das frische Verpackungskonzept im Lebensmittelhandel verfügbar sein. Die neue Markenausrichtung wird ab Spätsommer durch eine Kommunikationskampagne unterstützt.

Das neue Packaging Design entstand in Zusammenarbeit mit der Agentur Roman Klis (Herrenberg, bei Stuttgart).

Kommentar

Bahlsen hat eine bewegte Geschichte, als Unternehmen und als Marke. Die teils turbulenten Entwicklungen der letzten Jahre innerhalb des Management-Boards, einschließlich des emotionalen Rückzugs von Verena Bahlsen, die für das letzte Rebranding und die damit verbundene Neupositionierung maßgeblich Verantwortung trägt, lassen sich an der Evolution des Packagings gut ablesen. Der Wechsel und die Veränderung sind bei Bahlsen Programm, könnte man sagen. Veränderung ist bekanntermaßen die einzige Konstante im Leben – doch zu viele Veränderungen in kurzer Zeit, auch dies eine Binsenweisheit, schadet einer Marke.

Der Vorgänger von Bahlsen-Chef Kühnen, der Brite Phil Rumbol, der erste familienfremde Chef im Unternehmen, musste nach nur zwei Jahren Bahlsen verlassen. Alexander Kühnen übernahm zum 1. Januar 2023 die Position des CEO. Da das vor vier Jahren eingeführte Verpackungsdesign nicht wie vom Unternehmen erhofft von Kunden angenommen wurde, entschied man sich für ein weiteres Rebranding. Angesichts der damit verbundenen zu erwartenden hohen Kosten und den gerade in den letzten Jahren stark gestiegenen Produktionskosten gewiss kein leichte Entscheidung, doch eine nachvollziehbare.

Aktuell steht man als Konsument vor dem Regal und denkt sich: „Sieht alles irgendwie gleich aus“. So lesen sich Kommentare im Umfeld von Social Media. Ich teile diese Kritik. Weder ist das aktuelle Packaging Design zugänglich (geschweige denn barrierarm/-frei), noch ist das Packaging optisch ansprechend (subjektiv betrachtet), noch lässt es die Produkte lecker erscheinen.

Über eine Vielzahl von Ebenen überlagern sich im Stile eines Brutalism Designs fotografische Abbildungen / Renderings, Markenschriftzug, TET-Zeichen und Textauszeichnungen. Produktnamen und Beschreibungen sind mangels Farbkontrast schwer lesbar. Ein, wie bei „Bahlsen Ohne Gleichen Capuccino“, wildes visuelles Mashup, das mit Fokus auf die größtmögliche Sichtbarkeit des Markenzeichens angelegt ist. Entwickelt wurde das aktuelle, 2021 eingeführte Design von der italienischen Agentur Auge (Mailand).

Mein Verständnis in Sachen Brand Awareness ist ein anderes. Die größtmögliche Darstellung des Markenzeichens ist nachrangig Brand Awareness beschreibt vielmehr die bestmögliche Sichtbarkeit als Marke, im Gesamtkontext betrachtet. Der Trend zu immer größeren Logoabbildungen ist ungeachtet dessen unübersehbar – wie Redesigns bei Milka, Marabou, Langnese, Wagner Pizza, Kellogs u.a. dokumentieren. Stilprägend hierfür im Lebensmittelsektor war/ist u.a. Tony’s Chocolonely.

Ein Trend, der sich übrigens auch in anderen Branchen beobachten lässt, etwa im automobilen Sektor, wo identitätsstiftende Merkmale wie der Mercedes-Stern oder die BMW-Nieren immer größer auf den Fahrzeugen abgebildet werden, im Bemühen Kraft (boldness) und Potenz/Wirksamkeit (power) zum Ausdruck zu bringen, im Netz teilweise als „Monsternieren“ verspottet. Der monströs große Bahlsen-Schriftzug auf Verpackungen ist jedenfalls bald Geschichte. Gut so, aus Konsumentensicht.

Das Ergebnis des Redesigns ist überzeugend, wie ich finde. Anders als beim bisherigen Packaging bietet die neue Gestaltung wieder einerseits ausreichend Differenzierungsmerkmale, andererseits vermittelt sie Genuss. Dabei sind die Produkte weiterhin auch aus der Distanz unverkennbar als zur Marke Bahlsen zugehörig zu erkennen.

Es wäre der Marke Bahlsen zu wünschen, dass sie hier im Design Tagebuch frühestens in acht bis zehn Jahren wieder redaktionell Berücksichtigung findet. Ob das neue Packaging Design von Konsumenten besser angenommen wird, darauf kommt es schließlich an, ob Konsumenten vor dem Regal stehend häufiger Bahlsen-Produkte wählen, wird sich zeigen. Ich sehe hierfür grundsätzlich gute Chancen. Vorausgesetzt ein Shitstorm im Zusammenhang mit Shrinkflation bleibt aus. Preiserhöhungen wurden bereits angekündigt.

Bislang hat das Unternehmen lediglich drei Packshots veröffentlicht. Im Juni wird sich zeigen, wie das Design übertragen auf das gesamte Sortiment wirkt.

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Dieser Beitrag hat 47 Kommentare

  1. Selten war ich so nicht Ihrer Meinung.
    Als Laie und Konsument sehe ich eine langweilige Verpackungen, so wie bei der No-Name Konkurrenz in Diskont-Regalen. Das Schoko-B hätte ich ohne Ihren Artikel niemals erkannt.

    1. Dito. Ich fand die vorherigen Verpackungen zwar nicht perfekt, aber wunderschön und mit etwas Feinschliff hätte ich sie beibehalten!

  2. Mir hat das alte Design besser gefallen. Es stach im Supermarktregal aus der Masse heraus.

    Jetzt hat man einen Brei an visuellen Elementen, insbesondere das angeschnittene Schoko-B macht es schlimmer.

    1. Auf den neuen Verpackungen ist das Schoko-B nicht angeschnitten. Vielmehr sind Produktabbildungen mit dem Schoko-B hinterlegt und mit erstgenanntem teilweise verwoben. Ich stelle mir das in animierter Form ganz schön vor. Denke, dass hier Motion Design mitgedacht wurde. Mal abwarten. „Angeschnitten“ war hingegen der Bahlsen-Schriftzug auf der alten Verpackung.

  3. Vielleicht bin ich elitär, aber ich fand das vorherige Design als Konsumentin eingängiger, jünger, frischer und habe tatsächlich mal zu Bahlsen gegriffen, weil mir die Produkte auffielen. (Sonst „Team Kambly“).
    Jetzt haben sie mMn wieder so ein „Oma-Keks“-Aussehen.

  4. Ich hätte eher „ohne gleichen“ in Handschrift und die jeweilige Sorte in der serifenlosen Schrift gesetzt. Zu „ohne gleichen“ passt für mich eine Handschrift besser, da ich mir vorstelle, wie das in einer Werbung gehaucht ausgesprochen wird und es ist irgendwie „weich“.

  5. Ich persönlich finde es schade, dass das Design so “abgestraft” wurde. Mich spricht es aus Konsumenten sowie Designersicht viel viel mehr an. Jugendlich frischer.
    Jetzt hab ich auch wieder dieses etwas eingestaubte Keks Feeling. Wenn handwerklich auch besser gemacht als die ganz alten Versionen.
    Aber für mich unglaublich, dass Konsumenten das Design wirklich so schlecht fanden und der Verkauf zurück ging. Liegt es wirklich daran? Oder sind es eher andere Faktoren? Wird sich ja bei der neuen Packung zeigen.

  6. Ich finde es schade, dass beim TET-Symbol die Kartusche entfernt wurde. Erst die Umschließung der einzelnen Zeichen durch die Umrandung ließ es zu einer Hieroglyphe werden. Über die sprachliche Ebene hinaus hatte der ovale Ring auch eine metaphorische Bedeutung, denn so wurde die Konservierung in der Verpackung visualisiert.

  7. Ich finde das Kekse-Arrangement in der Mitte leider viel zu komplex und verwirrend. Vor allem der matte Schoko-Klecks zwischen den Keksen verwirrt mich, der sieht im Kontrast zu dem hoch glänzenden B nämlich aus wie »angelaufene« Schokolade, die gerade aus dem Kühlschrank kommt. Oder ist das die Nougat-Füllung? Dann verstehe ich aber nicht, warum sie zwischen zwei kompletten Keksen dargestellt ist und nicht zwischen zwei Waffeln.

    Der Rest gefällt mir besser als vorher. Wobei ich das alte Design auch deutlich besser gefunden hätte, wenn der Bahlsen-Schriftzug heller gewesen wäre und nicht so sehr gegen den Keks in der Mitte angekämpft hätte.

    Ach ja, das B wäre mir nie aufgefallen. Und das sage ich als Designer.

  8. Ich fand als grafikinteressierter Kunde den Riesenschriftzug cool und habe deswegen tatsächlich gekauft (vielleicht mag ich deshalb auch optisch Rewes-Ja!-Reihe). Nun sieht Bahlsen wieder so langweilig wie alles andere im Regal aus.

  9. Ein so piefiges Design rauszuhauen, kann nur einer eher konservativ eingestellten Kundschaft geschuldet sein. Typo und Platzierung von “Ohne Gleichen” wirken auf mich wie ein Platzhalter, die Produktillustration KI-generiert.
    Das bisherige Design bot mehr Spielraum in der Gestaltung des Bahlsen-Sortiments. Im Regal ist es durch die starken, unterschiedlichen Farben ein Hingucker. Vielleicht ist die Agentur Auge einfach zu international für den deutschen Markt?

  10. Lieber Achim, Deine Abgrenzung zwischen “Designer- oder Konsumentensicht” kann ich in Deinem Kommentar (aber auch generell) nicht verstehen. Hat es automatisch mehr Gewicht oder bekommt man eher Recht, wenn man sich beruflich mit Design beschäftigt, oder wie soll ich diese “Wertung” verstehen?

    Auch Otto-Normal-Konsumenten können ein Gespür für Ästhetik und ansprechendes Design haben. Wenn dem nicht so wäre, wäre Verpackungsdesign, ja der ganze Beruf des Grafikdesigners überflüssig. Designer designen ja schließlich nicht nur für Designer… Zum Glück ist dies nicht der Fall und die Schönheit liegt im Auge eines JEDEN Betrachters.

    In der Gegenüberstellung finde ich ebenfalls das alte Design etwas besser, wenn auch nicht perfekt. Die aktuelle Idee mit dem Schoko-B finde ich gut, wäre aber viel besser, wenn es (wie bereits mehrfach erwähnt) nicht von anderen Designelementen verdeckt werden würde. Ohne es im Ganzen gesehen zu haben, ist es beinahe unmöglich hier das B zu erkennen. Der Hinweis auf “Motion-Design” ist zwar prinzipiell logisch, macht aber auch nur Sinn, wenn man die Werbevideos gesehen hat. Das Design in den Regalen muss auch ohne multimediales Hintergrundwissen funktionieren.

    Ich hätte demnach auf die alte, hellere Farbgebung und minimalistischere Gestaltung gesetzt und das Schoko-B als präsentes Element ohne (oder nur minimale) Überdeckung eingebaut. Vielleicht wäre dies gar die Möglichkeit, dass sich das Schoko-B als zukünftige alleinige Bildmarke etabliert. Das Schoko-B ist wirklich schön, darum schade, dass es im aktuellen Verpackungsdesign fast völlig unter geht.

    1. Meine Frage an Christoph ist offen und wertfrei formuliert.

      Ganz allgemein: bevor ich auf einen Kommentar inhaltlich antworte, möchte ich wissen und verstehen, wie die Aussage gemeint ist, vor welchem Hintergrund diese erfolgt. Die Bedeutung einer Aussage hängt bekanntlich nicht nur vom Inhalt ab, sondern auch vom Sprecher.

      Und deshalb läuft Deine Interpretation, lieber Paddy, ich könnte eine Aussage, die aus Konsumentensicht heraus erfolgt ist als weniger relevant ansehen fehl.

      Die Frage ist nicht „wer hat recht?“. Auch um Schönheit geht es nicht, denn sie liegt, wie Du selbst anmerkst, im Auge des Betrachters. Dem einen gefällt eine Optik, der anderen missfällt sie. So kommt man bei einer Bewertung nicht weiter. Will man zum Kern vordringen, braucht es andere Maßstäbe, Kriterien und Fragestellungen.

      Was sind die Ziele des Redesigns?
      WAS steht im Mittelpunkt der Maßnahme?
      WER ist Adressat der Markenbotschaften?
      Was SIND die Botschaften, die im Rahmen der Markenkommunikation vermittelt werden sollen?
      WIE unterscheiden sich die Botschaften von Botschaften ANDERER Marken?
      Wie kann RELEVANZ (aus Kundensicht) verbessert beziehungsweise geschaffen werden?

      Es ist nachvollziehbar, dass bei der Bewertung eines Designs, insbesondere hier in einem Fachmedium, der Fokus auf ästhetische Merkmale liegt. Jeder Beitrag hier im dt, das ist unvermeidbar, unterliegt einem Framing. Es ist wichtig dieses Framing zu erkennen. Der Blickwinkel aus Kunden-/Konsumentensicht ist oft ein ganz anderer. Weshalb ich mich über jeden Kommentar im dt besonders freue, der von außerhalb der „Design-Bubble“ kommt.

      Für Konsumenten spielen Faktoren wie Preis, Verfügbarkeit, Zugänglichkeit, auch Gewohnheiten und Vorlieben eine wesentliche Rolle, oftmals DIE wesentliche. Hier im dt steht das Design an erster Stelle. Aus Konsumentensicht ist Design in vielen Fällen nachrangig, wie sich empirisch belegen lässt. Bei einem Lebensmittel steht in vielen Fällen vor allem der Geschmack des Produktes selbst im Vordergrund. Wer kauft schon Schokolade, die einem persönlich nicht schmeckt. Die Aufmachung der Verpackung ist – selbstverständlich – nicht egal. Im Gesamtkontext ist das Verpackungsdesign ein Faktor von vielen.

      Um die genannten Fragen qualifiziert beantworten zu können, bedarf es des Perspektivwechsels. Unternehmen setzen hierfür beispielsweise Instrumente der Marktforschung ein, um so in Erfahrung zu bringen, wer die Zielgruppe ist, wie sie tickt, welche Erwartungen sie hat, welche Bedürfnisse. Ein zentraler Begriff, der sich in keinem bislang abgegeben Kommentar findet.

      Design ist nicht frei, wie die Kunst. Design orientiert sich an Bedarf/Bedürfnissen, und ist an Aufgaben und Zielen gebunden. Im Rahmen dieser Ausrichtung gilt es Markendesigns zu entwerfen. Designs, die originär, ungewöhnlich und wiedererkennbar sind. Wiedererkennbarkeit alleine reicht nicht, ebenso wenig Mut. Offenkundig prallen beim alten Verpackungsdesign von Bahlsen zwei Gegensätze aufeinander: Anspruch und Bedarf.

      Dem Unternehmen zufolge wurde im Rahmen des aktuellen Rebrandings Marktforschung eingesetzt. Um so die erarbeiteten Designs (zusätzlich) zu qualifizieren, und abzusichern. Was beim letzten Redesign offenbar nicht geschehen ist, womöglich auch versäumt wurde. Das kann ich nicht sagen. Das Ergebnis jedenfalls war ein Design, das vor allem, wenn nicht einzig, auf Prägnanz und auf die Präsenz der Marke angelegt ist. Und das von Konsumenten offenbar zu oft als irrelevant angesehen wurde/wird. Was ich nachvollziehen kann. Mögliche Gründe der Ablehnung (-> bewusst) beziehungsweise der Nichtberücksichtigung (-> unbewusst) habe ich aufgeführt.

      Als Designer finde ich den Trend hin zu immer größeren Logos und entsprechenden „bold“ Designs super spannend. Ich schätze mutige Designkonzepte (wobei zu geringe Farbkontraste für Textauszeichnungen weniger mutig als vielmehr fahrlässig sind). Als Konsument jedoch sind mir Marken, die sich selbst in den Mittelpunkt drängen und dabei meine Bedürfnisse (und die vieler anderer Menschen) bewusst übergehen, in hohem Maße suspekt.

      Eben, da ich aus unterschiedlichen Blickwinkeln auf Marken schaue, interessiert es mich, wie Aussagen Anderer zu verstehen sind. Drum frag ich.

  11. Also ich muss hier auch protestieren. Das nunmehr alte Design war ein Quantensprung und ein absoluter Hingucker im Kecksregal. Mutig, frisch und vor allem in Serie fantastisch. Ich selbst gehöre nicht zur Zielgruppe, trotzdem veranlasste mich das Design wiederholt zum Kauf. Zugegeben – Aspekte wie eindeutige Differenzierung (innerhalb der Balsen-Range) und Barrierearmut sind aufgrund des Designkonzeptes in den Hintergrund getreten. Trotzdem: Aus Designersicht Balsam (ich bin fast verleitet einen schlechten Wortwitz zu machen) für die Augen.
    Das neue B ist eine “ganz nette” Idee, das Packungsdesign ist maximal konformistisch und im Vergleich mit dem Vorgänger ein riesen Schritt in Richtung Design-Belanglosigkeit.
    Mag sein, dass Keksesser*innen das so wollen. Mir sind Kekse ziemlich egal, aber mein Designerherz weint.

  12. Das Schoko-B finde ich richtig gut, eine Top-Illustration. Kann auch überhaupt nicht verstehen, warum das so hinterm Keks versteckt wird, so sieht es aus wie ein beliebiger “splash”. Ich würde auch gern mal den gesamten Schriftzug im Schoko-Stil sehen.

    Generell finde ich es unverständlich, warum Blau als Grundfarbe gewählt wurde. Eine kalte Farbe widerspricht für mich allem, was ich mit Backwerk verbinde: Goldbraune Produkte, die Wärme ausstrahlen. A propos Backwerk: die Kette backWERK hatte ja auch lange ein türkises Logo, das fand ich immer extrem unpassend – unter anderem deshalb bin ich da auch nie reingegangen. Hab gerade gesehen, dass sie das Logo auf schwarzweiß umgestellt haben. Immerhin neutral und nicht völlig diametral entgegen jeder Assoziation mit frischen Brötchen etc.

    Der höhere Anteil an Dunkelblau macht es etwas wärmer als das reine Hellblau der Vorgängerversion; ansonsten finde ich die Unterschiede marginal, und fühle mich von beiden jetzt nicht besonders zum Kauf animiert (wobei ich eh kaum jemals Kekse kaufe).

    Was mich am meisten stört: ohnegleichen ist ein Wort, nicht zwei. Und es ist ein schönes altes Wort, welches so zerrissen für mich eine Menge an Charme einbüßt. Aber ich kann mich erinnern, dass das hier auch schonmal Thema war (“Fleisch frei genießen”). Müssen wir jetzt nicht vertiefen ^^

    1. »ohnegleichen« mag zusammengeschrieben werden, die Marke »Ohne Gleichen« wird aber schon seit Ewigkeiten in zwei Wörtern geschrieben.

  13. Die alte Verpackung war sicher ambitionierter und mutiger designt. Aber die neue Verpackung funktioniert IMHO als Verpackung einfach besser. In der alten Verpackung ist das Produkt selbst fast nur ein Designelement. Auf der neuen habe ich eine dynamischere, ansprechendere Abbildung des Produktes.

  14. Auch ich war nie Bahlsen-Käufer, dennoch hat mich das “alte” Design im Edeka Keks-Regal immer angesprochen und schon mehrmals zum Kauf überzeugt. Plakativ, reduziert, schöne Farben, hochwertig. Beim neuen Design verstehe ich nicht, warum der schwebenden Produktabbildung noch ein Schein nach außen hinzugefügt wurde. Allein dieses Detail mach Bahlsen für mich wieder billig. Schade, dass Bahlsen in Zukunft wieder im alltäglichen Einheitsbrei der Verpackungen mitschwimmen wird. Aber wer weiß was der nächste CEO umsetzen wird :)

    Mich würde interessieren, ob die Umsatzzahlen wirklich so schlecht waren, dass man es dem Verpackungsdesign anhängen kann oder ob der neue CEO einfach seine Handschrift in den Vordergrund stellen will. Ob er damit erfolgreich wird, wird sich zeigen, ich denke eher nicht.

    1. Mich würde interessieren, ob die Umsatzzahlen wirklich so schlecht waren

      Im Beitragskommentar habe ich einen Beitrag bei Handelsblatt verlinkt, in dem sinkende Umsatzzahlen thematisiert werden. Hier nochmal der Link: Bahlsen-Chef Kühnen kündigt Preiserhöhungen für 2024 an

      Laut Lebensmittelzeitung soll der Umsatz im ersten Quartal 2023 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 9,3 Prozent zurückgegangen sein. Zudem sei der wertmäßige Marktanteil des Unternehmens von 11,9 auf 9 Prozent gesunken.

  15. Ich glaube ja tatsächlich, dass sich hier Marktentwicklungen mit dem Launch des Auge-Designs überschnitten haben. Also vermutlich wirklich andere Faktoren mindestens reingespielt hatten – das Design kam in den wirtschaftlich und gesellschaftlich unsicheren Zeiten der Corona Pandemie auf den Markt, gleichzeitig wurden Packungen schon geschrumpft, Rezepturen verschlimmbessert und mehr. Das wird alles als Gesamtpaket Einfluss auf die sinkenden Absatzzahlen gehabt haben, einzig dem Design die Schuld zu geben, ist meiner Meinung nach kurzsichtig.

    Ich gebe Achim Recht: Das Auge-Design hatte Schwächen. Die hätte man aber beheben können, ohne dabei das Design gänzlich umzuwerfen, um bestehende Käufergruppen (60+?) zurückzuholen und gleichzeitig neue Zielgruppen besser anzusprechen. Ein Facelift um Lesbarkeiten zu optimieren, Food Appeal zu stärken und etwas “aufzuräumen”.

    Wird sich zeigen, ob der Marke damit wirklich geholfen wurde, oder ob das Design eventuell “totgetestet” wurde (Nein, ich bin kein Fan von übertriebenen MaFos).

    Zumal man sieht, dass auch das neue Design deutliche Schwächen hat, z.B. in der Differenzierung, eigentlich sogar noch viel mehr Fläche für reine Markenkommunikation nutzt, etwas gezwungen wirkt (Schoko-B) und grafisch sehr.. steif aufgereiht wirkt.

    Der farbige Markenblock mag super funktionieren, wenn man wirklich eine ownable Farbwelt besetzt (Milka), Bahlsen-Blau ist jetzt aber nicht unbedingt aufmerksamkeitsstark, und ich vermute am Keksregal auch nicht mehr ganz typisch Bahlsen (da Eigenmarken, teils Wettbewerber gern zum Platzhirschen schauen und sich grafisch inspirieren lassen).

    1. Ich glaube ja tatsächlich, dass sich hier Marktentwicklungen mit dem Launch des Auge-Designs überschnitten haben.

      Um derlei Spekulationen einmal Fakten entgegenzustellen. Laut Lebensmittelzeitung ist der Gesamtmarkt im genannten Zeitraum (Quartal 2023) um knapp 20 Prozent gestiegen, bedingt auch aufgrund der von Herstellern vorgenommen Preiserhöhungen. Demnach ist der Rückgang bei Bahlsen gegen den Trend erfolgt.

      eigentlich sogar noch viel mehr Fläche für reine Markenkommunikation nutzt

      Gänzlich trennen lässt sich „reine“ Markenkommunikation und Produktinszenierung natürlich nicht. Auch weil das Produkt „Ohne Gleichen“, wie Peter richtigerweise anmerkt, selbst eine Marke darstellt (weshalb orthografische Regeln, wie von Tito eingefordet, hier übrigens nicht anwendbar sind).

      „Reine Markenkommunikation“ ist nicht mit der Größe des Markenzeichens gleichzusetzen. Doch was sich mit Bestimmtheit nicht sagen lässt, ist, dass im neuen Design auf Verpackungen für die Abbildung des Markenzeichens „mehr Fläche“ in Anspruch genommen werden würde. Das Gegenteil ist der Fall.

      Bahlsen Ohne Gleichen Vollmilch – vorher und nachher, Bildquelle: Bahlsen, Bildmontage: dt

      1. Naja, wie Du selber sagst, reine Markenkommunikation ist nicht mit der Größe des Markenlogos gleichzusetzen. Daher ist Dein Vergleichsbild so auch nicht korrekt.

        Der Hintergrund codiert im Auge-Design farbig mit, ist also gleichzeitig prominente (wenn auch nicht erklärende) Sortenkommunikation.
        Beim Klis-Design ist lediglich die obere rechte Ecke farbiges Sortenfeld, der Rest wird in Bahlsen-Blau gebrandet. Wenn man jetzt im Regal und in Markenblöcken denkt, ist der “blaue Block” für mich deutlich mehr Marke als mehrere große Logos in einem sonst bunten Regal.

        Im Vergleich “Ohne Gleichen Vollmilch” und “Hazelnut & Choc” sieht man sehr gut was ich meine.

        Um das schlussendlich zu beurteilen, muss man aber abwarten und die restlichen Produkte sehen und vergleichen. Aktuell wirkt es auf mich, als hätte man sich neue Probleme ins Haus geholt.

        1. Beim Klis-Design ist lediglich die obere rechte Ecke farbiges Sortenfeld, der Rest wird in Bahlsen-Blau gebrandet.

          Das ist nicht korrekt. „Bahlsen-Blau“ ist Dunkelblau, nicht Hellblau, auch nicht Mittelblau. Dunkelblau ist die Primärfarbe der Marke Bahlsen, so wie in den neuen Visuals. So wie Lila die Markenfarbe von Milka ist. Dunkelblau ist im neuen Design der linke Bereich, gut die Hälfte der Front. Während sich beim alten Design der in Bahlsen-Blau gehaltene Schriftzug über die gesamte Front erstreckt.

          Natürlich ist das Vergleichsbild nicht korrekt, da es lediglich die zugrundeliegende Formulierung „reine Markenkommunikation“ veranschaulicht. Und diese ist im Kontext Packaging nun einmal sehr schwammig.

  16. Auch ich muss hier, es passiert sehr selten, ausdrücklich widersprechen. Das alte Design war ein absoluter Hingucker im Supermarktregal und lies mich oftmals genau deswegen zu Bahlsen greifen. Ich habe selten bis nie so einen krassen Rückschritt gesehen.

  17. Komische Argumentation. Weil also “einige Kunden” ein Problem haben ändert man das Design komplett für alle Kunden? Bloß um die paar Leute, die aufgrund einer Packung ein ihr bekanntes Produkt gegen ein anderes austauschen? (Scheint ja nicht fürs Produkt zu sprechen, wenn den Leuten die Packung wichtiger ist als der Inhalt)

  18. Es geht mir so wie den meisten Vorrednern: Ich empfinde das als deutlichen Rückschritt und sehe nunmehr ein irgendwie gewöhnliches, beliebiges Packungsdesign. Es ist für mich durchaus nachvollziehbar, dass das “alte” Design möglicherweise zu akademisch und nichts für die breite Masse war. Insofern ein spannendes Thema, wie weit weg eine Gestaltung vom Mainstream sein darf, um die Leute nicht zu verschrecken und vielleicht dennoch als besonders oder auch originell wahrgenommen zu werden. Wobei ja die Frage ist, was die Konsumenten eigentlich so abschreckt, wenn ein großer Markenname als grafisches und eher dekoratives Element hinter dem (vielleicht etwas zu kleinen) Produktfoto liegt, insofern gar nicht soweit leserlich ist, dass er sich in den Vordergrund drängt. Abgesehen davon, dass mittlerweise ganze Generationen mit Sweatshirts groß geworden sind, auf denen sie Markenlabels quer über die Brust durch die Gegend spazieren. Und die uni Grundfarbe als Erkennung für die jeweilige Produktgattung kennen wir doch seit Ritter Sport eigentlich auch zur Genüge, und da funktioniert das doch auch. Barrierearme Gestaltung und Lesbarkeit des Produktes sind dann letztlich funktionale Aspekte, an denen man hätte arbeiten aber nicht die gesamte Gestaltung hätte über Bord werfen müssen. Schade.

    1. „Akademisch“ trifft den Nagel auf den Kopf, und beschreibt das alte Design treffend. Ein Design für Designer. (für einige Designer)

      Abgesehen davon, dass mittlerweise ganze Generationen mit Sweatshirts groß geworden sind, auf denen sie Markenlabels quer über die Brust durch die Gegend spazieren.

      Daraus leitet sich jedoch keine Norm ab, die auf alle anderen Anwendungsfälle übertragbar wäre. Je nach Anwendungsfall gelten anderen Prinzipien, greifen andere Mechanismen.

      Große Markenlogos auf Shirts artikulieren Status. Markenlogos ermöglichen es Menschen, ihre Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen, Lebensstilen oder Werten sichtbar zu machen. Wer beispielsweise Kleidung mit einem auffälligen Markenlogo trägt, signalisiert damit nicht nur einen modischen Geschmack, sondern auch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Community oder Subkultur. Auch im Kontext Automobile ist Status von großer Bedeutung. Hier sind Markenlogos Symbole, die Macht, Kraft und Potenz verkörpern.

      Im Kontext Packaging ist Status unbedeutend. Hier greifen andere Prinzipien, stehen andere psychologische Faktoren im Vordergrund. Fremdwahrnehmung tritt in den Hintergrund. Selbstwahrnehmung, Selbstbild, Selbstbestätigung treten in den Vordergrund. Viele Menschen greifen, dem Prinzip der Belohnung folgend, zu sogenannten „Comfort Foods“, etwa in Stresssituationen oder bei Traurigkeit. Der Genuss von Lebensmitteln kann diese negativen Emotionen überlagern, kurzzeitig.

      Hersteller insbesondere von jenen Produkten, die einen hohen Anteil an Fett, Salz oder Zucker aufweisen, kenntlich gemacht mit einem orangenen oder roten Nutri-Score, nutzen diese Prinzipien zunehmend pro-aktiv und sehr gezielt im Rahmen ihres Marketings, und passen ihr Corporate Wording dahingehend an. Auch Bahlsen geht in der Pressemeldung auf diesen Aspekt ein.

  19. Autsch … oder zurück in die Vergangenheit

    Mich holt das altbackene emotionslose Schokocreme Gedöns nicht ab. Das sieht man so hundertfach im Laden. Lieblose Typografie mit einer Script die aus PPT stammen könnte.
    Roman Kils hatte bestimmt bessere Entwürfe aber das Marketing Team von Bahlsen wollte diesmal keinen Fehler machen und die Oma am Regal wieder abholen. Also zurück in die 90iger.

  20. „Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt: schnellere Pferde.“ Dieses Henry Ford zugeschriebene Zitat bringt es doch auf den Punkt: Visionäres Design entsteht nicht aus rückspiegelgerichteter Gefälligkeit, sondern aus einem gestalterischen Vorgriff auf das, was möglich, relevant und zukunftsfähig ist.

    Natürlich kennen wir alle die strategischen Hintergründe, Zielgruppensegmente oder konkreten Studienergebnisse nicht, die dem Rebranding zugrunde lagen – weder deren Fragestellung noch deren Auswertung. Jede Einordnung bleibt also zwangsläufig ein Blick von außen, subjektiv gefärbt. Beim Versuch, meine Perspektive zu reflektieren und mich einer objektiveren Bewertung anzunähern, lande ich trotzdem ausnahmsweise bei einer ganz anderen Position als Achim.

    Das Bahlsen-Auge war ein mutiger, eigenständiger Schritt in genau diese Richtung. Es hat historische Elemente wie das TET-Siegel und den „Ohne Gleichen“-Schriftzug nicht wegrationalisiert, sondern sie behutsam und gekonnt ins Jetzt überführt – mit einer visuellen Sprache, die differenzieren wollte, statt sich dem visuell standardisierten Mittelmaß der Supermarktregale unterzuordnen.

    Natürlich hatte das Design Schwächen, an denen man hätte weiterarbeiten können. Aber statt die notwendige Gewöhnungsphase zuzulassen und zu investieren – in Optimierung, Kommunikation, Etablierung – hat man den Prozess abgebrochen und wieder zurückgerudert. Schade. Denn genau hier hätte man Haltung zeigen können.

    Die These, es sei ein „Design für Designer“, ist steil. Ich würde den Auge-Gestaltern weder Selbstverliebtheit, noch Ästhetik aus dem Elfenbeinturm unterstellen. Es geht darum, Bilder und Codes zu etablieren, die Marken relevant halten. Auch in Kontexten, in denen Kaufentscheidungen sekundenschnell fallen. Modemarken schaffen es, ikonische Erkennbarkeit über einfache Motive (oder Farben, Formen, Strukturen) aufzubauen – sogar ganz ohne Logo. Diesen Versuch auch am Keksregal zu unternehmen, finde ich bemerkenswert!

    Das neue „Schoko-B“ dagegen wirkt wie eine generische KI-Textur-auf-Logo-Grafik, wie man sie gerade endlos sieht – glatt und beliebig. Und in diesem Fall null schokoladig. Die Spiegelungen erinnern an 90er-Food-Fotografie. Die Vollmilch-„Handschrift“ und das brachial gesetzte “Ohne Gleichen” auf einem kühlen Vektor-Wellen-Gradient-Mix in Corporate Tönen. Wo erfüllt das Kritereien von Lecker, von Genuss, von Wohlfühlen?

    Jonas hat es in seinem Kommentar schon richtig eingeordnet: Gleichzeitig zum Rebranding wurde die Packung geschrumpft, die Rezeptur verändert – aber Schuld ist dann das Design? Dazu eine Kommunikation, die das gestalterische Konzept nicht transportiert hat. Das Showreel, mit dem das Auge-Studio das neue Design eingeführt hat, war visuell stark, selbstbewusst inszeniert, sogar emotional aufgeladen – und hätte, mit anderer Gewichtung und klarem kommunikativen Fokus, ein kleiner, feiner Teil einer kraftvollen Markenkampagne bilden können.

    Die Behauptung, das große Logo sei „zu groß“ und der Vergleich mit dem Automobilsektor greift mir zu kurz. Denn hier wurde nicht plump skaliert wie bei BMW, sondern ein fein ausbalanciertes Layoutsystem geschaffen, in dem das Logo fast wie ein texturaler Code funktioniert: Ton-in-Ton, angeschnitten, eingebettet. Es tritt zurück – und ist trotzdem wiedererkennbar.

    Vielleicht noch ein letzter, ganz persönlicher Eindruck: Ich habe Bahlsen in jener Zeit auffallend oft bei jüngeren Menschen auf dem Supermarktband gesehen – gerade in der Weihnachtszeit. Freund:innen brachten plötzlich Bahlsen-Gebäck als Mitbringsel mit. Ob sich das in den Zahlen niedergeschlagen hat, weiß ich nicht. Aber in meinem Markenuniversum hat Bahlsen in diesem Moment für einen kurzen Augenblick zukunftsgewandt aufgeleuchtet.

    Bleibt zu hoffen, dass sich der Mut zu visionären Entscheidungen – gerade bei nachfolgenden Generationen im Management – irgendwann auch in Zahlen niederschlägt und den nötigen Rückenwind verschafft, um solche Wege konsequenter weiterzugehen. Was wir brauchen, ist doch MEHR Mut zur Vision. Nicht weniger. Und ein klareres Verständnis davon, dass gutes, vorausschauendes Design die Konsumenten nicht ignoriert – sondern ihnen mehr zutraut als schnellere Pferde.

    1. Vielen lieben Dank Fabian. Ich weiß die Zeit und Mühe, die Du in den Kommentar gesteckt hast sehr zu schätzen.

      Unterschiedliche Positionen werden deutlich – was ich positiv und bereichernd finde. Eine Ausführung wie Deine macht nachvollziehbar(er), was die Beweggründe gewesen sein könnten, das bisherige Design zu realisieren (aus Unternehmenssicht).

      Was das einleitende „Zitat“ betrifft, so findet sich kein historischer Beleg dafür, dass Henry Ford diesen Satz gesagt oder geschrieben hat. Heute eine Art Marketing-Mythos. Doch auch inhaltlich ist die damit verbundene Aussage kein Argument.

      Die Pferde-Analogie bringt zum Ausdruck, dass Menschen oft nur in den ihnen bekannten Kategorien denken und ihre Wünsche auf Basis bestehender Lösungen formulieren. Das Automobil war damals eine grundlegend neue Lösung, in jeder Hinsicht. Den Menschen fehlte es, so liest sich die Pferde-Analogie, an Vorstellungsvermögen, wozu ein Automobil imstande ist, wie es den Alltag der Menschen verbessern könnte.

      Was die Auswahl von Lebensmitteln einschließlich Süßigkeiten betrifft, haben die Menschen jedoch eine sehr konkrete Vorstellung und ganz bestimmte, teils explizite Erwartungen. Und diese Erwartungen können im Rahmen von Markenkommunikation gezielt angesprochen werden. Eine These, wonach es besser sei, lieber nicht allzu viel auf die Ansicht von Konsumenten zu vertrauen, lässt sich in unserer heutigen technisierten Welt kaum aufrechterhalten.

      Deshalb ist die Pferde-Analogie in der heutigen Zeit ebenso falsch, irreführend und missverständlich wie die Wurm-Fisch-Angler-Metapher, in der die entgegengesetzte Strategie beschworen wird, eine ausschließlich auf Konsumentensicht ausgerichtete Produktentwicklung und unternehmerische Herangehensweise.

      1. Danke für deine Antwort, lieber Achim.

        Vielleicht doch nicht genug Zeit und Mühe. Ein pathetischer Zitat-Einstieg mit einer schlecht recherchierten Zuordnung ist selten eine gute Idee, noted. ;) Und natürlich hast du mich erwischt. Im Spannungsfeld der beiden in ihrer Zuspitzung unzureichenden Bilder stehe ich mit meinem eigenen Ansatz in der täglichen Arbeit wohl eher in der Nähe des Schnellere-Pferde-Vergleichs, als an der von dir als Gegenpol erwähnten Wurm-Fisch-Angler-Metapher.

        Zielgruppenzentriert zu arbeiten, ohne sich ausschließlich von erwartbaren Bedürfnissen treiben zu lassen und gestalterisch mutig zu agieren, ohne sich in Selbstreferenzialität zu verlieren – das finde ich einen schönen Anspruch. Und dem wird das neue Packaging, eine müde Collage erwartbarer und mittelmäßiger Design-Elemente, aus meiner Sicht nicht gerecht.

        Vielleicht ist es genau diese Art von Nummer-Sicher-Gestaltung (die dann zur vermeintlichen Erwartung der Konsumenten und zur analytisch abgesicherten, damit zwingenden und folgerichtigen Lösung erklärt wird), die mich emotionalisiert. Merkt man vielleicht. ;)

  21. Danke für den Beitrag, Achim.
    Sehr schade, dass die Marke so einen radikalen Bruch zum jetzigen Packaging Design anstrebt. Das aktuelle Design wirkt modern und ansprechend und hat sowohl im Shelf, als auch Online einen hohen Wiederekennungseffekt. Das große blaue Bahlsen-Logo im Hintergrund erzeugt im Retailb-Bereich ein sympathisches, differenzierendes Brand-Blocking, das durch die Vielfalt der farblich gut abgestimmten Hindergründe, sehr lebendig wirkt. Um dem Konsumenten-Feedback Rechnung zu tragen, hätten auch die Keks-Renderings optimiert werden können. Sie wirken zum Teil wirklich ein wenig kontrastarm und könnten “leckerer” inszeniert werden.

    Auch aus meiner Sicht ist das Redesign ein Rückschritt, der altbacken und beliebig wirkt und das Produkt billig erscheinen lässt. In der Umsetzung sehe ich formale Schwächen: Das Logo klebt rechts an den Keks-Renderings, das verwobene Schoko-B ist nicht dekodierbar und erzeugt unnötige Komplexität. Die verschiedenen Sorten sind aufgrund des verkleinerten Bereichs für die Farbkodierung nicht mehr so gut unterscheidbar.

    Der Rückgang der Verkaufszahlen ist sicherlich multifaktoriell begründet und lässt sich nicht allein auf ein vermeintlich schlechtes Packaging Design zurückführen. Ein Faktor der hierbei eine wesentliche Rolle spielen könnte, ist das Produkt selbst. Als das Auge Packaging Design neu war habe ich verleitet vom freshen neuen Look bewusst das erste mal Kekse von Bahlsen gekauft. Was soll ich sagen, die Waffelröllchen und Ohne Gleichen waren super süss und und ich maximal enttäuscht. Sogar im Büro konnt ich die Dinger nicht verfüttern (und wir müssen sonst Kekse verstecken). Ja, das ist anekdotische Evidenz – aber ich habe wiklich den Eindruck das Bahlsen in puncto Produktentwicklung in den 80er Jahren stehen geblieben ist. Das Produktsortiment passt nur noch bedingt zu den heutigen kulinarischen Vorlieben und die Konkurrenz hat einfach die leckereren Kekse.

  22. Nicht schön. Nicht besser. Optisches Downgrade. Weniger wertig. Weniger individuell. Weniger stark.

    Das bisherige Packaging mit dem prominenten Bahlsen Schriftzug quer über die Fläche war ein selbstbewusstes, berechtigtes Statement. Wir sind Bahlsen. Du kennst uns. Du vertraust uns. Das Produkt selbst steht hierarchisch zweitrangig in Klammer – (Keks mit Schokoüberzug) VON BAHLSEN. Das war für mich genau richtig und funktionierte gut. Vor Allem gibt es nicht viele Marken die sich so etwas erlauben können und dürfen.

    Der Wechsel von homogener Farbfläche zu gemischten Formen und Farben, grausamerweise teilweise auch mit Verlauf bzw. dieser weichen Aufhellung hinter dem Freisteller, ist für mich das Ergebnis von Unsicherheit und Angst auf gestalterischer Seite, es könnte nicht genug sein. Solche Dinge kenne ich eigentlich von Mediengestalter Prüflingen im zweiten oder dritten Lehrjahr. Hier noch ein Bogen, da noch eine Farbe. Bloß kein Weißraum, bloß keine Schlichtheit.

    Eigenartig, da die anderen Foodbrandings aus Herrenberg eigentlich meist den Nagel auf den Kopf getroffen haben.

    Hinsichtlich Entstehungsprozess kann ich mir gut vorstellen dass das B aus flüssiger Schokolade, an sich sehr schick, die Initialzündung, der Pitch war, den man unbedingt haben und umsetzen wollte. Das passt aber stilistisch so nicht zum alten Packaging, daher wurde jenes umgemodelt bis es zusammenpasst. Nun hat man das schöne Schokovisual mit drauf, aber zu welchem Preis?

    Optisch keine Premium/Traditionsmarke mehr, eher eine übermotivierte Eigenmarke.

  23. Bahlsen verliert sich selbst, nachdem es sich grad wiedergefunden hatte. Als selbstbewusster Vorreiter Cakes in haltbare Verpackungen zu bringen. Aufgeladen mit Hieroglyphischer Philosophietiefe war es stets ein besonderes Produkt auf dem Keksmarkt und als Hannoveraner Vertreterin war ich sogar etwas stolz diese 52-zähnigen Kekse bundesweit als Mitbringsel zu verschenken. Die Originalität haben andere Kekse nicht. Die vorherige Verpackung war selbstbewusst reduziert ohne den austauschbaren lieblichen Designschnickschnak, den sie nun wieder hat. Die Marke hat verloren. Typisch deutsch zerredet und zerforscht, statt visionär mit Eindeutigkeit voranzugehen und eine besondere Nische mit Originalität und Selbstbewusstsein auf dem Keksmarkt zu besetzen. Der Zeitraum für die starke Schriftzug-Verpackung war m.E. zu kurz, um sich mit Kultstatus zu etablieren und fiel in eine schwierige, eher sparsame Zeit. Andere Kekse sind billiger. Die neue Verpackung wirkt wieder billiger und wurde auf den charakterlosen Massengeschmack zugeschnitten. Das Übliche. Das Gewohnte. Nix Neues. Und ich bin wahrlich betrübt über diesen Rückschritt und die Mutlosigkeit. Die Chance auf Kultstatus wurde vertan und ich suche mir lieber wieder andere Mitbringsel aus Hannover.

    1. Danke Karin.

      ich suche mir lieber wieder andere Mitbringsel aus Hannover

      Deine Argumentation ist insofern unlogisch, als die von Dir genannten 52-zähnigen Kekse charakteristisch für die Marke Leibniz sind, und nicht für Bahlsen. Unter der Marke Bahlsen werden keine Kekse mit 52 „Zähnen“ angeboten.
      Leibniz ist eine Marke des Unternehmens Bahlsen. Das Design der Marken Leibniz und Bahlsen unterscheidet sich grundlegend. Das Markendesign von Leibniz ist von dem angekündigten Redesign von Bahlsen nicht betroffen. Es spräche also rein gar nichts dagegen, auch weiterhin die von Dir genannten Mitbringsel aus Hannover in den Koffer zu stecken.

  24. Das hätte ich nicht gedacht, dass der Leibniz-Keks vom Relaunch verschont bleibt. Danke, für die Aufklärung (und mentale Rettung). Trotzdem musste ich mal auf die Bahlsenwebseite gucken und dort steht unter der DNA der Bahlsen-Familie: „Unser Mut für Neues, der Wille zum Erfolg und der Leidenschaft im Tun und Handeln gepaart mit unseren starken Marken machen unseren Erfolg aus. Wir werden diese Motivation auch für zukünftige Innovationen nutzen und neue Impulse für unsere Kund:innen setzen.“ Theorie und Praxis klaffen da beim Bahlsen-Packaging-Design auseinander.

  25. Es gibt nicht wenige Redesigns, die für mich in der Retrospektive eine Marke überhaupt erst in die aktive Wahrnehmung überführt haben, aber Bahlsen gehörte bisher dazu. Ich erinnere mich heute noch an den Beitrag zum nun vergangenen Relaunch der Bahlsen-Verpackung und den ausgesprochen positiven Eindruck, den dieser bei mir hinterlassen hat. Für mich hat das Design die Bahlsen-Marke von der generischen Masse an Gebäckherstellern abgehoben.

    Aktuell steht man als Konsument vor dem Regal und denkt sich: „Sieht alles irgendwie gleich aus.“

    Und gerade das hat das bisherige Design für mich geschafft aufzubrechen. Wenn nun das neue Design – das für mich wie selten zuvor so klar einen Rückschritt ins Generisch-Gefällige darstellt (Fabian hat es bereits schön auf den Punkt gebracht) – nun als ein Fortschritt hinsichtlich der Individualität der Verpackung interpretiert wird, ist das für mich in keiner Weise nachvollziehbar und steht zumindest meiner Wahrnehmung diametral entgegen.

    Ob es unter Einbeziehung sämtlicher Faktoren am Ende in marktwirtschaftlicher Hinsicht möglicherweise mehr Gewinn abwirft, mag ich nicht beurteilen, dafür fehlen mir die Daten und die Kompetenz. Aber rein optisch wirkt es für mich wie ein mit mäßigem Aufwand erpromptetes Ergebnis für eine stereotype und vollständig austauschbare Keksverpackung. Nichts an dem mein Auge beim Vorbeigehen auch nur eine Sekunde hängen bliebe.
    Wenn angeblich bereits vorher der Preis ein Problem war – hier sehe ich wirklich nichts mehr, was es für mich rechtfertigen würde, einen Markenaufpreis zu zahlen, wenn sich schon die Optik auf Discounter-Eigenmarken-Niveau befindet.

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