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Die Plakate zur Bundestagswahl 2017

Bundestagswahl 2017 Wahlplakatkampagnen

Bundestagswahl 2017 Wahlplakatkampagnen

Nirgends wird so viel gelogen wie vor einer Wahl, sagt der Volksmund. Die Erfahrungen rund um den Brexit und US-Präsident Donald Trump scheinen ihm recht zu geben. Tatsächlich wurden in beiden Fällen mittlerweile zentrale Versprechen der Wahlsieger von der Realität einkassiert. Wasser auf die Mühlen der Politikverdrossenen. Und wie viel Realität steckt in den Wahlplakatkampagnen zur Bundestagswahl?

Sieben Wochen vor der Bundestagswahl hängen mittlerweile in allen Städten in Deutschland die Plakate an den Laternen und auf Stellwänden. Die „heiße Phase des Wahlkampfs“ hat sich in den letzten Jahren, wohl auch unter dem Einfluss vergangener US-Präsidentschaftswahlen, von wenigen Wochen auf mehrere Monate ausgedehnt. Fristen, die von Städten und Gemeinden in Bezug auf die Plakatierung gesetzt werden – üblich sind Zeiträume von 6 bis 8 Wochen –, werden immer häufiger von Parteien verletzt. Würden viele Politiker die Bedeutung des Digitalen erkennen, müsste ihnen ein Licht aufgehen, wie absurd der damit verbundene Kampf um den besten Standort für ein Plakat ist.

Immer größer wird der Aufwand, den Parteien in Sachen Wahlwerbung betreiben, was die Vermutung nahe legt, diese beeinflusse den Ausgang von Wahlen immer stärker. Das Gegenteil dürfte näher an der Wahrheit liegen, was im Umkehrschluss eine Bewertung von Wahlplakaten im Grunde überflüssig erscheinen lässt. Was sie dennoch interessant macht, ist neben ihrer Bedeutung als zeitgeschichtliches Dokument, das gesellschaftliche Themen abbildet vor allem der Umstand, dass Plakate über ihre visuelle Sprache Botschaften vermitteln, die über die reine Textaussage hinausgehen. Zwischen Textaussage und der visuellen Umsetzung knirscht es nämlich mitunter gewaltig. So bleibt vom selbsternannten Innovationsführer zuweilen nur mehr ein Bestandsverwalter. Wenn schon nicht eine Lüge, dafür eine Text-Bild-Schere, wie es im Fachjargon heißt.

Versprechen, die nicht eingehalten werden, gab es in der Werbung wie auch der Politik schon immer, nicht erst im sogenannten postfaktischen Zeitalter. „Täuschung, Lüge, Beschönigung oder Aufbauschung waren immer schon Mittel in der Hand der Mächtigen – mitunter übrigens auch der Ohnmächtigen“, wie es treffend in einer aktuellen Veranstaltungsankündigung der hFMA heißt. Dass Menschen es nicht (ausschließlich) auf den Inhalt ankommt, davon zeugen irrwitzige Produkte wie überteuerte Kaffeekapseln, halb leere Chipstüten oder Fertiggerichte, die über die Verpackung nur unzureichend beschreiben, welch breiige Masse sich darunter verbirgt. Wenn es für uns von Vorteil ist, wenn wir einen Nutzen erkennen, beispielsweise die schnelle Zubereitung, lassen wir uns allzu gerne verführen, um nicht zu sagen hinters Licht führen. Auszeit für unsere Vernunft.

Schauen wir uns also an, mit welchen Mitteln die Parteien die Menschen überzeugen möchten und, was entscheidend(er) ist, ob es den Parteien im Rahmen ihrer Kampagnen gelingt, die Menschen emotional anzusprechen. Wie wir wissen: Emotion schlägt Ratio. Je näher die Werbeaussage der Plakate am eigenen emotionalen Bedarf oder Bedürfnis liegt, desto größer ist die Chance, den Betrachter im Sinne des Kampagnenabsenders aktivieren zu können. Nachfolgend werden die Plakatkampagnen aller derzeit im Deutschen Bundestag sowie in Landesparlamenten vertretenen Parteien (die bundesweit antreten) vorgestellt: es sind dies CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, FDP und AfD.

Vorab von meiner Seite der Aufruf: Am 24. September 2017 wird der neue Bundestag gewählt. Mach Dich schlau! Nutze den Wahl-o-Mat (ab 30. August verfügbar). Und gib Deine Stimme ab!

Schnelleinstieg:

CDU

Bundestagswahl 2017 Plakat CDU

Bereits im Juni, und damit lange vor allen anderen Parteien, hatte die CDU die Kampagnen-Werbelinie präsentiert. Drei Monate vor dem Wahltermin. „Plakate gehören immer noch zu den wichtigsten Bausteinen eines Wahlkampfes“, wie CDU-Generalsekretär Peter Tauber im Rahmen der Vorstellung erklärte. Im Wahlkampf sagt man so etwas, wohl wissend, dass die Bespielung der digitalen Kanäle einschließlich sozialer Netzwerke mit Bannern, Tweets und Videos heutzutage auf einer ganz anderen Bedeutungsstufe steht als etwa noch 2005, als es Twitter noch nicht gab und Facebook ein hierzulande unbekanntes Studentenportal an der Harvard University gewesen ist. Es sind halt weniger die Wähler, die mit einer solchen Kampagnenpräsentation adressiert werden, als vielmehr die Parteikollegen vor Ort, die die Plakate aufhängen dürfen. Ein „Los gehts, jetzt bitte alle anpacken“-Aufruf also.

In Nationalfarben angelegte, halbtransparente Bahnen/Balken erstrecken sich diagonal über die gesamte Fläche. Auf diese Weise entsteht ein Spannungsfeld, das Dynamik erzeugt und die Motive lebendig wirken lässt. Auch Kanzlerin Angela Merkel „profitiert“ von der Gestaltung, lässt diese sie gleichfalls dynamisch und trotz statischer Pose aktiv erscheinen. Was die Gestaltung auszeichnet, geht den Texten gänzlich ab. Aussagen wie „Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben.“ oder „Für mehr Respekt vor Familien“ sind einfach nur bräsig. In der Gestaltung stilsicher und gekonnt – bei den Textbotschaften schlafen einem allerdings die Füße ein. Hier haben sich wohl die konservativsten aller Vorschläge durchgesetzt.

Die Kampagne der CDU entstand in Zusammenarbeit mit der Agentur Jung von Matt.

Update 07.08.2017, 23:00 Uhr: Die Galerie wurde um drei Großflächenplakate erweitert, die die CDU heute vorgestellt hat.

SPD

Bundestagswahl 2017 Plakat SPD, Martin Schulz

Die SPD will in den nächsten Wochen mit den Themen Familie, Bildung, Rente, Arbeit und Innovation punkten. Von der anfänglichen Euphorie, als Martin Schulz Anfang des Jahres zum Spitzenkandidaten gekürt wurde, ist schon länger nicht mehr viel übrig. Lag die SPD Ende Februar 2017 in Umfragen noch gleichauf mit der CDU bei rund 30 %, sehen sie aktuelle Befragungen bei nunmehr 22 % bis 25 % und damit bis zu 15 Punkte hinter der CDU. Es zähle der Sprint am Ende, wie SPD-Generalsekretär Hubertus Heil anlässlich der Vorstellung der Kampagne vor wenigen Tagen sagte, um sich und den eigenen Mitgliedern Mut zu machen.

Zur Gestaltung: Dass die SPD bis 2011 einmal einen Würfel als Logo genutzt hat, darf man als Modeerscheinung bewerten. In der Kampagne zur Bundestagswahl 2017 ist mehr Quadrat denn je. Textbotschaften werden, die quadratische Form des SPD-Logos aufnehmend, in einer roten Fläche platziert. „Bildung darf nichts kosten. Außer etwas Anstrengung.“ steht beispielsweise in einem solchen roten Quadrat. Eigentlich ein cleverer Zug: das Logo als Metapher für den politischen Inhalt. Als die SPD noch Purpur als Hausfarbe samt Verläufen nutzte, wirkte ein solches Konzept wie es bereits im Zuge der 2013er-Kampagne Anwendung fand, weniger starr. So jedoch sind die Motive, trotz professionellen Fotos mit sympathisch wirkenden Menschen und smarten Texten, doch eher statisch.

Die Kampagne entstand in Zusammenarbeit mit der Agentur KNSK (Hamburg).

Bündnis 90/Die Grünen

Bundestagswahl 2017 Plakat Bündnis 90/Die Grünen

Die Grünen freuen sich auf den Kampf um Platz drei, wie Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt im Rahmen der Kampagnenvorstellung in Berlin Ende Juli die versammelten Pressevertreter wissen ließ. Tatsächlich liegen Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, AfD und FDP in aktuellen Umfragen jeweils bei 7-9 % und damit gleichauf.

Ihre Angriffslust bewiesen die Grünen zuletzt in mehreren Tweets, mit denen die Kampagnen des politischen Gegners – wohlwollend formuliert – auf den Arm genommen wurden. Für Christian Lindner von der FDP war das Verbreiten gefälschter FDP-Kampagnenmotive, initiiert von der Bundesgeschäftsstelle der Grünen, hingegen kein Spaß, sondern ein Foul, das der Selbstverpflichtung zur fairen Wahlkampfführung widerspreche. Auch die CDU war vor einer Guerilla-Aktion der Grünen nicht gefeit.

Anders als man es traditionell von den Grünen kennt, sind die Plakate zur Bundestagswahl vergleichsweise textlastig. Ein grüner Hintergrund plus ein freigestelltes, in Magenta getauchtes und mittig zentriertes Foto-Objekt, das zum jeweiligen Thema passt. Darüber in der Hausschrift Arvo Green gesetzte Wahlsprüche, die den Großteil der Plakatfläche in Anspruch nehmen. „Zukunft kann man wollen. Oder machen.“ liest man da beispielsweise. Die fetten Großbuchstaben der Slab-Serife erschweren die schnelle Erfassbarkeit. Eigentlich möchte man den Text gar nicht lesen. TEXTE IN VERSALSCHREIBUNG LASSEN SICH NUNEINMAL SCHLECHTER LESEN als Texte in gemischter Groß- und Kleinschreibung und Kleinschreibung, wie das im Mai im dt vorgestellt Projekt leserlich.info eindrücklich aufzeigt. Abgesehen von diesem typographischen Defizit jedoch wieder eine sehr eigenständige visuelle Bildsprache, die mit dieser Kampagne entwickelt wurde.

Die Kampagne von Bündnis 90/Die Grünen enstand in Kooperation mit der Agentur ZBA (Ziemlich Beste Antworten). ZBA ist, wie mir auf Anfrage mitgeteilt wurde, eine auf die Bedürfnisse des Bundestagswahlkampfes maßgeschneiderte Neugründung von grün-nahen Kommunikationsprofis, die ausschließlich für dieses Projekt existiert.

Dieser Beitrag hat 83 Kommentare

  1. Was die AfD teilweise auf ihren Plakaten aussagt (Flüchtlingsboote=Verbrecher; Schweine sind zum Essen da) ist einfach nur widerlich.

      1. Vorallem: Hauptsache “die Flüchtlinge” werden schön im Schatten dargestellt, damit sie schwarz und wie eine bedrohliche anonyme Masse wirken. Die Kampagne ist an Rassismus und Sexismus und allerhand sonstigen Dingen einfach schon voll auf NPD Niveau. Und das arme Kind von Frauke Petry. Muss schon für Werbung für eine Partei herhalten, obwohl es noch keine politsche Meinung hat.

  2. Auf mich wirken diese Kampagnen immer wieder wie der Horoskop von morgen. Alle Aussagen Treffen zu aber konkret wird keiner.
    Zugegeben. Das FDP Plakat hab ich noch nicht gesehen und durch gelesen.
    Aber es sind schon ein paar Unfälle dabei. Statt mit Versprechen sollte mal mit Ergebnissen und Taten geworben werden.

  3. Ich kann mich kaum an inhaltslosere, uninspiriertere und bräsigere Wahlplakate erinnern als zu dieser Bundestagswahl. Das passt hervorragend zur derzeitigen politischen Stimmung im Lande, bei der die Bevölkerung im Allgemeinen “eher irgendwie schon ganz zufrieden” mit der Regierung Merkel ist und sich so schön eingelullt gar nicht für die Wahl interessiert.

    1. …kaum an inhaltslosere, uninspiriertere und bräsigere Wahlplakate

      Jau. Es gab sogar in der Welt der langweiligen Polit-Plakate schon besseres.

      Alle haben heuer indifferente Wohlfühl-Kalendersprüche genommen, auch die ehemalige Protestpartei Die Grünen, die besser schauen sollte, dass sie wieder ein Profil kriegt statt indifferente Kalendersprüche mit “man” abzuliefern.

      Die SPD:
      “Damit die Rente nicht zu klein ist, wenn die Kinder groß sind.”

      Ah. Das war die Partei, die mit Schröder die Minijobs förderte und den zweiten Arbeitsmarkt dank Hartz4 -Druck erst so richtig boomen ließ. Genau das, was kleine Renten verursacht, die sie jetzt beseitigen will. Himmel hilf.

      Dieser Spruch zeigt, wie schwer sich diese Partei tut, das was sie selbst verbockt hat, plausibel anzugreifen und glaubwürdig anzupacken. Nur markige Wohlfühl-Sprüche, bei denen jeder weiß: Das sind nur leere Versprechungen des Bocks, der ein Sozial-Schredderer war.

      Ob Roter Würfel oder Kasten-Optik, egal: Glaubwürdigkeit kann nicht allein durch Design erzielt werden. Dazu braucht es Taten, nach denen beurteilt werden kann. 5 Minus.

      Damit teurer Käs’ auf unsere Kosten: Es muss jedem Bürger bewusst sein, dass die Parteien diese langweiligste Plakatwerbung aller Zeiten und weitere Wahlwerbung zu großen Teilen mit der Wahlkampfkostenrückerstattung bestreiten, die im Grunde Geld des Steuerzahlers ist …)

      Dabei stelle ich mir immer die Gretchenfrage: Warum sind die Plakate so. Öd, mainstreamig, langweilig.

      1.
      Weil der Bürger nicht anders angeprochen werden kann (Marketinregel: immer schön positiver Approach und Harmonie, besonders bei Deutschen, nur ja nicht polarisieren).

      2.
      Oder weil die Agenturen es nicht mehr können. (Problem-Auftraggeber namens Partei)
      Antwort: Gut möglich.

      3.
      Oder weil Politiker es nicht anders wollen.
      Am ehesten möglich.

  4. Ich bin ja schwer verwundert über die Plakate der CDU:
    Einerseits halte ich die Schwarz-Rot-Gold Kompositionen für sehr gelungen. Diese transportieren einen ästhetischen Anspruch den ich lange nicht auf Wahlplakaten gesehen habe.
    Die klassische Kompositonslehre allerdings sagt, dass stürzende Linien und nach unten weisende Keilformen Unruhe, Spannung und Bedrohung suggerieren – in meinen Augen hier parademässig gut visualisiert. Ist das ein bewusster Kontrapunkt zu den Textinhalten? Ist der Kontrast aus dem Inhalt „Sicherheit“ vor dem zusammenstürzenden oder berstenden Deutschland Absicht?

    Wie gesagt, ästhetisch mag ich die Kompositionen sehr, ich sehe lediglich eine große Diskrepanz zwischen der intendierten Aussage und der grafischen Wirkung der Motive.

    Ein Randnotiz dieser Zeiten ist wohl, dass die CDU ihr traditionelles Blau zugunsten der Landesfarben aufgibt – wahrscheinlich um den „anderen Blauen“ etwas entgegen zu setzen und den nationalistischen Aspekt etwas stärker zu betonen.

  5. Achim, deine Analysen der Wahlplakate sind das Schmankerl dieses Blogs, danke dafür!

    Zum Thema: Ich bin äußerst überrascht von der Kampagne der FDP, da ich noch gut die gestalterischen Fehltritte der Vergangenheit im Kopf habe. Hier gibt es visuell nichts zu meckern und darüber hinaus kann man hier wohl am ehesten sagen, dass der Inhalt im Vordergrund steht. Das Experiment, textliche Argumente mit ins Wahlplakat aufzunehmen, finde ich gelungen und mutig. Die Plakate der anderen Parteien haben dem in diesem Wahlkampf wenig entgegenzusetzen.

    1. Ja. die FDP hat auch schönen Weißraum …

      Die Themen, die sie besetzen, heben sich angenehm ab vom Gemüse-Einerlei “Famillje, Bildung, Allet-is-jut”-Quark.

      Nur, Textkritik, Sprachkritik auch hier von mir:
      Bei aller interessanten Themensetzung versteckt sich auch die FDP hinter allgemeinen Text-Floskeln.

      Warum sagt sie nicht statt des allgemeinen aphoristischen Klugsprechs:
      “Die Digitalisierung ändert alles. Wann ändet sich die Politik?”

      … dieses: “Wir. Die. FDP. wollen den Dornröschenschlaf der Politik beenden, indem wir die Digitalisierung aktiv gestalten statt geschehen zu lassen.”

      Oder so ähnlich. Was Aktives. Eine klare Willensbekundung.
      Haben die Parteien alle keine Eier mehr?

      Warum verstecken sich die Parteien heuer hinter allgemeinen Redewendungen und hinter “man”…
      Warum sagt keine der Parteien: “Ich als Partei X will das so und mache das so, ich will das anders, dafür stehe ich.”

      Dieses samtpfötige Wattebäuschchenwerfen ein verräterisches implizites Eingeständnis der Parteien, dass sie machtlos und kraftlos sind? Weil unsere Parteien und Politiker eher regiert werden (von Lobbies, von vorgeblich Sachzwängen etc.), denn regieren?

      Es kann ja nicht sein, dass ich mich eines Tages zu einem ehemaligen Basta-Kanzler zurücksehnen muss (noch tue ich das nicht …) oder schlimmer gar: zu F.J.S. Nur weil diese zwar auch logen, dass sich die Balken bogen, aber zwischendurch wenigstens ab und an Klartext im Wahlkampf redeten.

      Ich vermisse klare Willensbekundungen.

  6. hi Achim, danke für deine Zusammenstellung und Analyse.
    Die Wahlplakate sind zu so etwas wie dem Eurovision Song Contest für politische Pointierung geworden. Der Spaß besteht auch darin, das Schreckliche auszuhalten und die grellsten Äußerungen zu bewerten. Erstaunlicherweise verraten die Plakate viel über die jeweiligen Milieus der Absender.

    Eine Intelligente und ansprechende neue Nutzung des Mediums Plakat sehe ich ehrlich gesagt nur darin, das vollständige Parteiprogramm zu zeigen. Jegliche Interpretation einfach zu verweigern ist ein cleverer Zug, den die Personen- und Frisurenfixierung sehr gut vertragen kann. Ich bin auf die Punkteverteilung gespannt.

    1. Erstaunlicherweise verraten die Plakate viel über die jeweiligen Milieus der Absender.

      Wobei sich hierbei immer auch die Frage aufdrängt, inwieweit das Erscheinungsbild die visuelle Entsprechung der Realität abbildet oder ob es den vermittelten Eindruck lediglich suggeriert, demnach also eine Wunschprojektion darstellt. Ad hoc lässt sich das meiner Meinung nach nicht beantworten, schon gar nicht von Außen. Ähnlich wie bei Wahlkampfversprechen wird sich erst im Nachhinein zeigen, ob der vermittelte Eindruck weitestgehend kongruent „die Wahrheit“ wiedergegeben hat.

      1. das stimmt, man wird es erst rückwirkend einordnen können. Und dennoch kann man eine Menge ablesen über das Verhältnis der Parteien zu Themen wie Ordnung, Normalität, Autorität, Innovation oder Misstrauen.
        Die Plakate der Grünen zum Beispiel sind stark bearbeitete Bilder, die weit weg von einem »gewöhnlichen« Bild sind. Eine starke Anpassung des einzelnen, die einem größeren Zusammenhang dient.

        Die Linke misstraut offenbar allem ansprechend gestaltetem und setzt auf eine große Dosis Ungelenkheit, damit keine Straßenglaubwürdigkeit verloren geht.

        Die SPD will es allen recht machen und versteckt sich hinter einem roten Quadrat und Helvetica. Weniger geht nicht.

        Die CDU hat gar nichts neues zu sagen, also macht sie schönen nationalen Dekor.

        Die FDP will ganz viel sagen, was sie Jahrzehnte nicht gesagt hat und hat sich dafür in einen Maßanzug geworfen, der sogar bunte Nähte hat.

        Die AfD muss inhaltlich am wenigsten Kompromisse machen, daher ist die Gestaltung nicht so wichtig oder war nicht besser möglich.

  7. “Damit ist die AfD die einzige Partei, die mit einer Agentur zusammenarbeitet, die ihren Sitz nicht in Deutschland hat.”

    Kein Wunder, sonst würde die Agentur ja gleich wieder von Linksextremisten “entglast” werden.

    1. “gleich wieder”?
      Ich bin schon gespannt, auf welche Vorkommnisse Sie hier anspielen. Parolen um sich zu schmettern ist ja immer einfacher als Fakten und Quellen zu liefern. :-)

      Natürlich sind Drohungen wie die gegenüber Mitarbeitern des Maritim-Hotels (https://www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/afd-koeln-maritim-drohung-100.html) absolut inakzeptabel und scharf zu verurteilen, die Meinungsfreiheit gilt auch für die Hetzer der AfD.
      Nur kann sich die AfD nicht wirklich beklagen, wenn sie keine Unterstützung von Tagungsräumen, Restaurants, Hotels oder Agenturen bekommt, weil deren Verantwortlichen die teils menschenverachtenden Ideologien der AfD nicht teilen. Das gehört dann eben auch zur Meinungsfreiheit. :-)

        1. Ich weiß, solche Aktionen sind in meinen Augen wie gesagt inakzeptabel und gehören natürlich straftrechtlich verfolgt.
          Wie du meinem Kommentar auch entnommen haben solltest, geht es mir in dem Fall um Sonjas Aussage “Kein Wunder, sonst würde die Agentur ja gleich wieder von Linksextremisten „entglast“ werden.”
          Diese soll implizieren, dass schon “Agenturen entglast” wurden, wozu ich gerne eine Quellenangabe hätte. Ansonsten ist das nur wieder unnötige Polemik.

          1. Es dürfte vielmehr so sein, dass die Agenturen hierzulande die AfD als Klienten ablehnen, weil sie – salopp ausgedrückt – keine ausgesprochenen Anhänger dieser Partei sind oder zumindest massive Rufschädigung befürchten, falls eine Zusammenarbeit bekannt würde.

  8. Habe im deutschen Wahlkampf bisher nichts vergleichbar ästhetisches und überraschendes wie die Motive der FDP gesehen. Tolle Proportionen, Platzierungen, Verhältnisse, Kompositionen. Schöne Weißräume, mutige Anordnungen. Die verschiedenen Elemente wie Bild, Logo, Headlines, Texte sind erfrischend ungewöhnlich (für ein Wahlplakat) und mit einem guten Blick für Gestaltung gesetzt. Wirklich toll.

  9. Wär doch schade drum, meinen Kommentar nur auf Facebook abzukippen, daher auch hier: Schöner Überblick, über die Kampagnenmotive der Parteien. Wie gewohnt, gibt es nur populistische Sprüche. Die Designs der FDP gefallen mir tatsächlich am besten. Die Idee, Kleingedrucktes zu verwenden, ist auf den ersten Blick tatsächlich cool. Mit etwas Reflexion kann da aber ein Bumerang draus werden: Will die “liberale Wirtschaftspartei” wirklich ausgerechnet für Kleingedrucktes stehen, das sonst ein Synonym ist für “Hier steht, warum du am Ende doch die Arschkarte bekommst.” Die Plakate der SPD sind besser getextet als gestaltet. Das in jeder Hinsicht langweilige und uninteressante Design im Stil von Sparkassenwerbung ruft laut “Guck woanders hin!” und passt damit sehr gut dazu, dass die Slogans ohnehin niemand mehr glaubt. Bei der CDU das Gegenteil: Inhaltlich sind die Plakate vollkommen blah, was ok ist, da die CDU keine Inhalte verkaufen will sondern Angela Merkel. Dafür haben es die Designer geschafft, mit einem frischen Design konservativ zu wirken. Völlig missraten sind die Plakate der Grünen. Die recht prägnanten Texte sind so unleserlich über schwer zu erkennende Bilder gelegt, dass am Ende ein grafischer Salat übrig bleibt. Nur die Plakate mit Köpfen funktionieren. Da sind die Plakate der Linken besser, obwohl sie auch schlecht sind und wirken, als hätte mal jemand 1998 mit Corel Draw gespielt. Wenigstens transportieren sie ihren Inhalt. Auf der Webseite finde ich bei der Linken keine Plakate mit Köpfen. Das ist sehr problematisch. Ich halte nichts vom Konzept “Themen statt Köpfe”. Wahlversprechen sind populistische Slogans und Programminhalte nicht viel wert, wenn es um konkrete Koalitionsverhandlungen geht. Ich will wissen WEN ich wähle. Ich fürchte, das macht die AFD ziemlich gut. Sie zeigt Köpfe und versieht ihre Slogans mit Menschen mit denen sich die Betrachter identifizieren können. Das macht so keine andere (große Partei) außer der SPD. Dass die Plakate grafisch so scheußlich sind, wie ihr Inhalt, muss kein Nachteil sein, schließlich gibt es auch Leute, die auf vergleichbar gestaltete Briefkastenwerbung hin Weihnachtsmarktreisen buchen.

    1. Wär doch schade drum, meinen Kommentar nur auf Facebook abzukippen, daher auch hier: Schöner Überblick, über die Kampagnenmotive der Parteien.

      In der Tat. Danke auch an Dich für den Kommentar und Deine Einschätzungen!

    2. Die Idee, Kleingedrucktes zu verwenden, ist auf den ersten Blick tatsächlich cool.

      Ich weiß nicht … Wir hatten zu Studienbeginn vor zwanzig Jahren mal die Aufgabe, eine Kampagne für eine fiktive Partei zu entwerfen. Ich glaube, gleich drei Studenten hatten die Idee, das komplette Programm auf ein Großflächenplakat zu drucken … Cool finde ich daran also überhaupt nicht die Idee, sondern die Macht von heimat, das durch- bzw. umzusetzen.

  10. Natürlich kann man Wahlplakate nie so ganz entkoppelt von der politischen Brille nach rein formalen Kriterien bewerten, aber man kanns ja mal versuchen. Prinzipiell spiegelt sich in den Plakaten der harm- und ideenlose Wahlkampf 2017 wider. Die CDU macht, was sie am besten kann: Vertrauen und Verlässlichkeit kommunizieren. Nationalfarben, ein Schuss Modernität und Dynamik durch die geometrischen Flächen, schnörkellose no-nonsense Botschaft oder die Kanzlerin drauf, fertig. Mehr muss sie nicht, und das funktioniert inhaltlich und formal ganz gut.
    Die Reduktion aufs Quadrat und Helvetica-Sprödigkeit der SPD gefällt mir ganz gut und besser als die weichgespülteren Vorgängerversionen. Inhaltlich muss man allerdings ein gewisses Wohlwollen mitbringen, um der “Jetzt-machma-alles-anders”-Rhetorik zu folgen.
    Mit ähnlichen Problemen haben die Grünen zu kämpfen, die formal in magenta und grün gut auf den Punkt kommen: Die Slogans sind fast schon zu gut oder so glatt, dass man sie bedenkenlos in den Lehrerkalender schreiben kann. Aber als echter Impulsgeber positionieren sie sich leider nicht.
    Dem Jubel über die Gefühlsprosa der FDP kann ich nicht so ganz folgen. Natürlich ist das Wahlprogramm als Plakat eine witzige Idee, und auch die Headlines sind so gut wie die letzte Commerzbank-Kampagne. Aber mit den selbstverliebten Lindner-Moodshots werde ich als Wähler auf eine negative Assoziationsschiene gesetzt, an deren Ende nicht die FDP als neu denkende Partei steht, sondern ihr Parteichef als Möchtegern-Macron oder Peek&Cloppenburg-Model.
    Die Linke hat sich von dem starren Agitprop Rotweißschwarz gelöst, was ja an sich nicht schlecht ist. Das Neue ist aber in Idee und Umsetzung so meeeh … Da wäre mehr drin gewesen.
    … und die afd-Plakate sind so doof, dass man eigentlich gar nicht darüber diskutieren müsste. Formal sieht es zwar fast schon wie Gestaltung aus, komplett mit dem irren grellem Stockphoto-Mix, aber was da inhaltlich passiert, ist schon sehr düster.

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