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Die neuen leisen Töne der Telekom

Telekom - Erleben, was verbindet

Ich muss zugeben, die märchenhaft anmutende Geschichte um Paul Potts ist im letzen Jahr an mir vorbeigegangen. Ich bin fast geneigt zu sagen ich bin dankbar, dass mich nun die Telekom mit der Anfang Juli gestarteten Markenoffensive auf diese Frosch-zum-Prinzen-Geschichte aufmerksam gemacht hat. Wann war ich zuletzt dankbar einen Werbespot im Fernsehen zu sehen zumal er mit 90 Sekunden Laufzeit die übliche Spot-Länge deutlich übertrifft? Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern. “Erleben, was verbindet” ist der neue gemeinsame Claim aller Telekom-Sparten, der die Markenstruktur bündelt und im Rahmen der neuen Kampagne so ganz andere Mittel nutzt, als die vorhergehenden Werbebotschaften.

Die märchenhafte Story um den ehemaligen Handyverkäufer aus England ist einfach zu gut. Der Auftritt in der Show “Britain`s got Talent” verzauberte Millionen an den Bildschirmen. Dabei spielte sein Aussehen, wie sie sonst in diesen Formaten durchaus entscheidend ist, überhaupt keine Rolle. Trotz seiner “visuellen Defizite” schmetterte er Nessun Dorma mit solch einer stimmlichen Leidenschaft, wie man sie vielleicht nur von Pavarotti kennt, und überzeugte dabei mit dem, was für einen Gesangswettbewerb eigentlich am wichtigsten sein sollte, mit seiner Stimme. Paul Potts ist eine moderne Metaper für “das Wesentliche”. Einfach aber in Bezug auf die wesentlichen Anforderungen hervorragend. Über Nacht wurde er bekannt und aus einem hässlichen Entlein wurde ein Sänger, der mit seinem Debütalbum nun in einigen Ländern die Charts anführt. Auch, und in Deutschland vor allem, dank der Telekom. Hier das legendäre Video vom TV-Auftritt:

Die Story ist zu gut, als dass sie nicht für Werbezwecke genutzt würde. Man muss den darauf aufbauenden Telekom-TV-Spot einfach gut finden, weil er in dem Sinne gar keine Werbung ist, sondern weil er eine Geschichte erzählt. Das Produkt selbst tritt in den Hintergrund. In einigen Szenen sieht man Menschen, die mobil aufs Internet zugreifen oder zuhause vor dem Fernseher gemeinsam Paul Potts’ Auftritt verfolgen. Quasi “product placement” im eignen Spot. Schnitt und Dramaturgie setzen den Hauptdarsteller und die Marke gleichermaßen geschickt in Szene und vermischen diese zu einer ungewöhnlichen Melange. Es wird wohl nur Wenige geben, die dieser Geschichte nichts abgewinnen können. Das Ergebnis: Wer Paul Potts gut findet, findet auch den Absender des Werbe-Spots gut, um es einmal simpel zu formulieren. Image-Transfer ist der Fachbegriff, der solche Übertragungen von Werten, Gefühlen und Einschätzungen beschreibt. Alle positiven Attribute werden so von einem Objekt/Element auf ein anderes übertragen. In diesem Fall wird die überraschend gute Gesangsqualität und die positive Story auf die Marke Telekom und ihre Produkte übertragen.

Tatsächlich ist die Kampagne sehr berechnend und wohl kalkuliert. Vermutlich viel mehr, als all seine Vorgänger, bei denen wahlweise Paulchen Panther, Manfred Krug, Robert T-Online und/oder Enie van de Meiklokjes für den Bonner Konzern die Werbetrommel eher konzeptlos angerührt haben. Die Art und Weise, wie die Marke nun unterschwellig und leise beworben wird, kommt zumindest bei mir überaus positiv an. Ich könnte auch sagen ich bin begeistert. Nach einem Jahrzehnt des Hin-und-Hers in Sachen Telekom-Markenführung und Telekom-Werbung scheint eine neue ruhigere, auf das Wesentliche reduzierte und sogar ehrlichere Marketing-Strategie Einzug gehalten zu haben. Selten habe ich Werbebanner gesehen, die derart reduziert waren, wie die, die zum Launch der Kampagnen-Site geschaltet wurden. Diese Einfachheit erzeugt zumindest bei denjenigen für Aufmerksamkeit, die schon alles Blinkende, Wackelnde, Zippende und Ruckelnde gesehen haben. Die grauen Banner wirkten so trist, dass man sie einfach anklicken musste, um zu erfahren, was dahinter steckt. So bin ich jedenfalls auf die Kampagne aufmerksam geworden.

Dieser neue ehrliche und offene Weg, den die Telekom nun offensichtlich vor hat zu gehen, lässt sich nicht nur an visuellen Veränderungen ablesen, sondern auch – und das gefällt mir fast noch besser – an dem was sein Vorstandsvorsitzender sagt. Auch das WIE ist hierbei entscheidend. Video-Botschaften im Internet zeugen davon, dass René Obermann in den digitalen Medien zuhause ist. Er ist ein Vollprofi in Bezug auf den Umgang mit und in den Medien. Ob Videos, Talkshow-Auftritte oder Pressekonferenzen, er wirkt sehr souverän, menschlich und sachlich. Ein Stück weit hat er sich auf diese Weise selbst als Testimonial für sein eigenes Unternehmen in den Vordergrund gestellt/gespielt. Denke ich an die Bahn oder an Siemens vor einiger Zeit, muss man sagen, es hätte auch schlimmer kommen können. Obermann gibt der Telekom seit seinem Antritt im November 2006 ein neues Gesicht. Er alleine kann das Image wohl kaum verändern aber in Bezug auf die neue Markenkampagne wirken seine Vorstellungen hindurch und die neue Sachlichkeit der Telekom wird sichtbar. Die leisen Töne kommen an. Klassische Klänge, vorgetragen von einem einfachen und schüchternen Kerlchen helfen dabei.

Paul Potts und die Telekom werden uns übrigens weiter begleiten. Beim Saisonstart der Bundesliga 2008/09 in gut zwei Wochen wird der Hauptsponsor des FC Bayern München den frisch gebackenen Opernsänger in Szene setzen, in der Hoffnung es ihm gleich zu tun und negative Faktoren in ein positives Stimmungsbild umzuwandeln.

Dieser Beitrag hat 28 Kommentare

  1. Das schlichten Videos finde ich auch sympathisch. Das spricht mich an. Michael Schirner hat vor 8 Jahren mal die Aussage getätigt “Wir haben die Welt so angefüllt, vollgepackt und zugestellt, dass wir kaum noch Platz darin haben. In dieser Welt fällt nur noch das Gegenteil auf: die Reduktion.” Das passt hier sehr gut.

    Wenn man denn kritisieren will: Die Gestik von Obermann vermittelt mir irgendwie Unglaubwürdigkeit, aber das ist wohl rein subjektiv. Und er war sicher nicht billig, aber der Anzug im letzten Video sieht aus wie von Takko:) Die Ökostromgeschichte ist leider genauso wie bei 1&1, Strato und Co. praktisch Kundenverdummung. Die Umwelt hat rein gar nichts davon.

    Insgesamt überwiegen aber bei weitem die positiven Eindrücke.

    BTW: Muss “… von Pavarotti kennt” durch “… von Pavarotti kannte” ersetzt werden?

  2. Das positive bei diesem Spot überwiegt auf jeden Fall. Diesbezüglich hat die Telekom ihr Werbebudget wirklich gut angelegt und Paul, sowie dem Operngesang in Deutschland zu einem noch höheren Bekanntheitsgrad geführt.

    BTW: Klasse geschriebener Artikel!

  3. Also mal ehrlich: Obermann wirkt in den Videos überhaupt nicht professionell. Er weiß nicht wohin mit seinen Fingern, hält den Kopf schief und steht ziemlich verkrampft da. Und der Text: schaut man sich die Videos hintereinander an merkt man schnell, dass der PR-Texter immer die gleichen Floskeln nutzt.

    Die Idee, sich selbstkritisch mit dem Unternehmen auseinanderzusetzen, finde ich gut. Die Umsetzung ist nicht gelungen: “Herr Obermann, wir machen das mit dem Fokus auf Ehrlichkeit und Offenheit – deshalb machen wir jetzt einen auf UGC. Sprechen Sie bitte diesen Text und versuchen Sie locker zu wirken”.

  4. hi, also ich weiß nicht. Den TV-Mitschnitt fand ich ja echt ergreifend. Weil er authentisch rüber kam. Aber das Ding von der Telekom … mit dem ganzen “ich-glotz-TV-übers-Handy” Quatsch und so weiter. Das ganze kommerzielle Interesse schwächt die Wirkung für mich ungemein ab, da ich nebenbei über die Telekom und deren Geschäftspraktiken nachdenken muss, etc.
    Klar haben sie technisch das beste draus gemacht aber ein schaler Geschmack bleibt.

  5. Schöner Spot. Aber die gute Wirkung geht am Ende leider zu Bruch, wenn Puccinis Musik vom Alltag des Telekom-DüDüDüDiDü wieder eingeholt wird.

  6. Anfangs fand ich den Spot ebenfalls gut. Durch die mediale Dauerpräsenz dieses Themas bin ich mittlerweile aber nur noch genervt davon.

  7. Der Spot geht mir nur noch auf die Nerven. Im Webradio, im Kino, TV. Es reicht langsam. Ich muss das Ding nicht jeden Tag 10x sehen/hören.

  8. Ganz ehrlich? Ich habe eine ganze Zeit lang gedacht, das ist ein Spot für Vodafone. So von der ganzen Machart her, passt der gar nicht zur Telekom. oO

  9. Hoffentlich wird die Telekom in Zukunft so transparent, wie sie es in ihrer Werbung rüberbringen. Hoffen wir, dass sie auch wirklich sich von den Kundendaten fernhalten.

  10. Oftmals funktionierte Imagetransfer für eine Marke nur, wenn sie Personen mit jahrelang gereiftem (positivem) Image für ihre Marketingmaßnahmen verpflichten konnten. (Manchmal werden ja auch andere hervorstechende Eigenschaften hergenommen / vgl. Dummchen-Image von Verona Feldbusch für Telefonauskunft) Hier die “From-Zero-To-Hero”-Story eines bis dato in Deutschland recht unbekannten Paul Potts für sich einzuvernehmen, ist schon ein geschickter Schachzug der Telekom. Doch hat mich an diesem Spot eher die künstlerische Glanzleistung und die emotionale Geschichte gereizt. Zum Glück ist die Positionierung der Marke Telekom sehr dezent untergebracht worden. Doch muss die Telekom einiges tun, um ihr schlechtes Image in ein besseres Licht zu rücken. Ich hoffe nicht, dass besagter Imagetransfer sich in umgekehrter Richtung irgendwann negativ für Paul Potts gestaltet.

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