Die neue Tourismusmarke Russlands entfaltet ihre geopolitische Dimension erst auf den zweiten Blick
Russland erhält eine neue Tourismusmarke. Vor dem Hintergrund der FIFA Fußballweltmeisterschaft der Herren, die in diesem Jahr erstmals in Russland stattfinden wird, wirft sich das Land in Schale. Ein Design, das es faustdick hinter den Ohren hat. Denn was wie ein von Kinderhänden erbautes Holzklötzchen-Konstrukt anmutet, ist in erster Linie Propaganda.
Das im Rahmen eines Designwettbewerbs ermittelte visuelle Konzept entstand in Anlehnung an den Suprematismus, einer vom russischen Künstler Kasimir Malewitsch mitbegründeten Stilrichtung der Moderne. Für das Konzept verantwortlich zeichnet ein Verbund kreativer Köpfe, die sich speziell für dieses Projekt zusammengeschlossen haben. Mitgewirkt haben Designer der Agenturen Suprematica branding agency, Plenum strategic marketing agency, Artonika branding agency sowie Art.Lebedev Studio – letztere zeichnet unter anderem für das Branding der Stadt Sankt Petersburg verantwortlich.
Im Mittelpunkt des Designs steht eine auf Grundformen basierende, vereinfachte Karte Russlands, die, ganz im Stile des Suprematismus, zu einem geometrischen Gebilde formiert wurde. Die variabel gestaltbare Logoform ermöglicht es nach Ansicht der verantwortlichen Designer die Vielfalt des Landes auf kreative Weise zum Ausdruck zu bringen. Ein höchst flexibles System, das einerseits große Gestaltungsfreiheit böte, das auf der anderen Seite zugleich eine einprägsame und wiedererkennbare visuelle Identität entstehen ließe.

Die vereinfachte Darstellung der unterschiedlichen Region Russlands beinhaltet die Krim (braune Kachel ganz links). Die Halbinsel im nördlichen Schwarzen Meer wurde 2014 von Russland annektiert. Die völkerrechtliche Zugehörigkeit der Halbinsel ist umstritten. Die UNO erklärte das im März 2014 durchgeführte Referendum auf der Krim für ungültig.
Das zweite Mal in wenigen Wochen, dass sich eine Designarbeit aus Russland auf die Kunst der russischen Moderne bezieht. Denn bereits das offizielle FIFA-WM-Poster 2018, das Ende November vorgestellt wurde, nimmt direkten Bezug auf die russische (Kunst)Geschichte. Es ist dies zudem der zweite Anlauf, eine Tourismusmarke Russland zu etablieren. Vor sechs Jahren wurde die „My Russia-Marke“ ins Leben gerufen, ohne dass diese in nennenswerter Weise zur Anwendung gekommen ist.
Kommentar
Zwischen Tourismusmarketing und Propaganda verschwimmen zuweilen die Grenzen. Zweifelsfrei nutzt die russische Tourismusbehörde, die als Instanz das Design verantwortet, die Tourismusmarke als strategisches Instrument, um den Anspruch der russischen Regierung in Bezug auf den Status der Krim zu untermauern. Design und der vorhergehende Gestaltungswettbewerb als Vehikel geopolitischer Interessen.
Design hat stets auch eine politische Dimension – hier tritt diese so offensichtlich in Erscheinung, dass es müßig wäre, einzig über die formalästhetische Gestaltung zu sprechen. Die kleine Kachel am linken Rand mag nur ein Detail sein; und doch steht sie im Mittelpunkt. Es sind die Details, wie es Charles Eames einst sagte, die ein Design ausmachen. In diesem Fall soll das Detail die Botschaft vermitteln, die Krim gehöre zu Russland. Ein Tourismusmarketing, das nicht wenige Menschen als Provokation verstehen werden.
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Man stelle sich vor, in Deutschland würde ein entsprechendes Logo Anspruch auf “Ostpreussen” verkünden. Der Aufschrei wäre zu Recht riesig.
Ungeachtet politischen Gedönse – aus Designsicht finde ich das Logo einfach furchtbar. Es wirkt altmodisch, unklar und zusammengewürfelt. Sowas würde ich noch nicht einmal einem Kindergarten anbieten.
Auch mir missfällt das politische Statement. Wenn in diesem Forum die neue Tourismusmarke der USA vorgestellt würde, würden da auch auf die 200 Kriege, die dieser Staat nach dem 2 Weltkrieg vom Zaun gebrochen hat, die unzähligen Regime-Changes oder gar die Okkupation von Hawaii thematisiert? Wohl kaum. Aber Russland-Bashing ist ja so schick. Kurz und gut der Kommentar passt nicht hier her weil er nur Mainstream-Halbwahrheiten aufwärmt. Und wiedermal kommen die Krim-Bewohner nicht vor. Die haben nämlich eine Entscheidung getroffen.