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Die gruseligsten Seiten im Netz – Rotring

Rotring

Ein kleiner Prolog. Die Marke Rotring war eine der ersten Marken, mit der ich im Bereich “kreatives Wirken” überhaupt in Kontakt kam. Schon zu Schulzeiten verdiente ich mir mit Airbrush-Arbeiten vorwiegend auf T-Shirts mein Taschengeld. Als meine DeVillbiss-Spritzpistole dann von einem chromblitzenden Modell der Marke Rotring abgelöst wurde, wähnte ich mich am Ziel meiner Wünsche. Design, Ergonomie, Präzision, Handhabung, Pflege… einfach alles stimmte.

Fast zwei Jahrzehnte später war ich dann aber mehr als ernüchtert, als ich vor kurzem auf die Webpräsenz von Rotring stieß. Eine Präsentation hochwertiger Schreibgeräte sieht definitiv anders aus. Das positive Image, das ich seit meiner Jugendzeit mit mir umher trug bekam deutliche Risse.

Rotring LogoBin ich schon im Rotring-Auftritt?

Die Probleme beginnen schon beim Absender der Site. Sollte es für den Verbraucher/Kunden nicht von zweitrangiger Bedeutung sein, dass Rotring zum Unternehmen Sanford gehört? Wer Opel.de aufruft, bekommt auch nicht das Logo von General Motors angezeigt, ebenso nicht das Beiersdorf-Logo im NIVEA-Auftritt. Die Marke und nicht der Konzern gehört hier als Absender gesetzt. Die Verwirrung wird durch die Darstellung weiterer, zum Konzern zugehöriger Markenlogos wie Parker, Waterman und Dymo komplettiert. Die Marke Rotring wird auf diese Weise vom Start an zum Mitläufer degradiert. Ein Negativbeispiel in Sachen Markenführung.

Zeig mir deine Navigation und ich sag dir wer Du bist

In der links angeschlagenen Hauptnavigation vermisst man nicht nur Rollover-Zustände, sondern vor allem auch eine Kennzeichnung des angeklickten Bereichs. Außerdem “lauern” hier, wie übrigens überall im Auftritt, externe Links ohne dass man dies erwarten würde. Sage und schreibe neun dieser versteckten Links werden dem Nutzer als Ausstiegsmöglichkeiten allein auf der Startseite angeboten. Die Klickraten im übrigen Auftritt werden dadurch vermutlich extrem abfallen. Statt die Nutzer mit ansprechenden Kurzvorstellungen für die Produkte zu begeistern, um sie dann in die Tiefe der eigenen Präsenz zu locken, verliert man den größten Teil direkt auf der Startseite durch extrem seltsame Weiterleitungen. Mal führt ein Link “Der rotring Skynn” (auch Produktbild) per Weiterleitung auf eine tote Domain. Mal wird die krude Struktur der Site mehr als offensichtlich, wenn man aus der Hauptnavigation in den Pressebereich dirigiert wird. Dieser liegt nämlich auf einem externen Server direkt beim zuständigen Partner für die Pressearbeit “M PR“! So etwas Unglaubliches habe ich selbst in den vorhergehenden gruseligsten Seiten im Netz nicht finden können.

Wo ist die Struktur?

Rotring

Mal ist ein Seitentitel zentriert, mal rechtsbündig angelegt und auf einigen Seiten fehlt er gänzlich. Der Fließtext und die Bilder vollziehen ebenso gewagte Sprünge. Der Brotkrumenpfad hilft beim Zurechtfinden auch nicht weiter, weil er ganz rechts angeschlagen einfach nicht erwartet und als solcher erkannt wird. Die Navigation wird so unnötig auseinander gerissen. Auch technisch wirft das Frameset-Gebilde viele Fragen auf, die sicherlich einen eigenen Beitrag wert wären. Die komplette Site hat schlicht weg weder Hand noch Fuß. Die Peinlichkeit wird vor allem bei der Bildauswahl mit am Größten. Hier wird der Auftritt zur Realsatire.

Hochwertige Produkte?

Rotring

Wo ist die Präzision, wo das Erscheinungsbild, das hochwertige Produkte erkennen lässt? Ein Design ist nicht vorhanden. Wie kann man als Anbieter von Schreibgeräten einen derart lieblosen bis dilettantischen Umgang mit Schrift und Typografie an den Tag legen? Ehrlich gesagt habe ich wenig Lust nachzuzählen, wie viele unterschiedlichen Schriftklassen, wenn man überhaupt davon sprechen kann, existieren. Der Wildwuchs ist zu offensichtlich. Eine handschriftliche Typo in Ticker-Form spricht Bände.

Auch Produkte in Form von durchschimmernden Hintergrundgrafiken in Szene zu setzen, halte ich für eine antiquierte wenig ansprechende Darstellung. Nicht nur das Branding einer Marke leidet darunter sondern auch die Lesbarkeit des Textes. So etwas sollte man heutzutage einfach nicht mehr machen. Die bessere Alternative sich Produkte von Rotring anzuschauen ist der markenübergreifende Sanford-Auftritt. Hier wird das Image der Marke Rotring wieder etwas aufpoliert. Was aber den hier beschriebenen Rotring-Auftritt betrifft bleibt mir nur noch zu sagen:

Herzlichen Glückwunsch zum Spooky-Award des Monats April!

  • www.rotring.de

Danke an Hermann, der die Marke auch schon aus Kindertagen kannte und mich auf diese Site aufmerksam gemacht hat.

Dieser Beitrag hat 31 Kommentare

  1. Auch auf den dritten Blick habe ich übrigens kein Impressum gefunden… da freuen sich die Abmahnanwälte :)

  2. Außerdem sollte man evtl. erwähnen, dass diese Seite noch Produkte führt, die mit dem Stiftung Warentest Siegel von 2002 beworben werden. Die aktuell unterstützen Drucker für Tinte sind… bitte festhalten… HP DeskJet 600.

    Kann es eigentlich sein, dass diese Seite insgesamt seit 2002 vergessen wurde? Vielleicht sollte man dem Geschäftsführer ‘Hallo’ sagen.

  3. Rotring scheint ein ähnlicher Fall zu sein wie die Marken Hertie (Kaufhaus), Hammond (elektronische Orgeln) oder Polaroid (Sonnenbrillen, Sofortbild-Kameras, …). Wenn Unternehmen Pleite gehen, aber ein bekannter Markenname zurückbleibt, werden diese oft sehr lieblos weiterlizenziert … ohne Rücksicht auf die Tradition der Marke. Hertie stand mal für den Kaufmann Hermann Tietz, der Anfang des 20. Jhdrts die ersten Warenhäuser in Deutschland eröffnet hat. 1993 übernahm Karstadt die Hertie-Kaufhäuser, taufte sie im Laufe der Jahre um, verkaufte den Markennamen nach England … zuletzt gab es nur noch Herie in München. Nun zog ihn KarstadtQuelle (alias Primondo alias Arcandor) wieder aus der Schublade: für seine Karstadt-Kompakt-Läden.
    Als der Hersteller elektromechanischer Orgeln Hammond (benannt nach dem Erfinder Laurens Hammond) Ende der 80er Jahre Pleite ging, wurde der Markenname nach Asien verkauft und dort auf billige Digital-Orgeln geklebt. Inzwischen scheint er ei Hammond Suzuki USA vor sich hinzudümpeln.
    Polaroid wird wei ein Staffelholz weitergegeben … jüngts habe ich das Label auf einem digitalen Fotodrucker gesehen.

  4. @leachiM2k: 2002 war wohl etwas zu optimistisch geschätzt. Der Zeitstempel der stylishen Hintergrundgrafik zum Beispiel lautet – bitte festhalten:
    Dienstag, 5. September 2000 16:39:37

    So gehts auch mit vielen HTML-Seiten. Kann das eigentlich überhaupt wahr sein oder ist beim… ähm… naja, sagen wir einfach mal “Webdesigner” vielleicht die CMOS-Batterie leer?!

  5. @David
    Der Zeitstempel der Hintergrundgrafik ist ein ziemlich schlechtes Beispiel. Darüber definiert sich schließlich nicht die Aktualität einer Seite. Selbst eine Website mit einem Bild von 1989 kann auf dem neuesten Stand sein.

  6. immer wieder gerne gesehen: fotos, die als GIF abgespeichert (und somit gedithert und dateigrößenmäßig gigantisch) sind. naja, bei frontpage-editing kein wunder. :)
    manchmal denke ich mir, dass manche firmen es absichtlich so schlecht machen, um dann von einer “sozial engagierten” agentur so etwas wie “entwicklungshilfe” für lau bekommt. ;)

  7. Abgesehen davon, dass die Seite sehr alt zu sein scheint & wahrscheinlich lange niemand daran gearbeitet hat, finde ich es grundsätlich seltsam, wenn sich ein Unternehmen nicht bei seinen Mitbewerbern umschaut, um zu sehen, wie die es machen.
    https://www.edding.de/ ist sicher kein auffälliger Hingucker, bei dem man vor Schönheit juchzt – aber zumindest ist der Auftritt gut strukturiert. (Abgesehen von der Hauptnavigation bei der ein Punkt in einem neuen Fenster öffnet, was ich auch fragwürdig finde).
    Überrascht hat mich dann doch die Webseite von Schneider (https://www.schneiderpen.de/marke/deutsch/html/index.html), die schön und schön schlicht ist; obowhl die Marke an sich m.E. weniger Prestige hat, als rotring…

  8. Das Traurigste ist, daß nicht nur die Webseite grottig ist, sondern auch die Produkte. Für mich als Architekt war Rotring *der* Inbegriff hochwertiger Zeichenwerkzeuge: Isographen, Rapidographen und von den Zirkeln ganz zu schweigen. Dann hat auch in den Architekturbüros der CAD-Computer das Zeichnen mit Tusche abgelöst und der einst stolze Hersteller von Präzisionsinstrumenten ist zum Billig-Kuli-Macher in Händen eines Billig-Multis verkommen.

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