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Deutsche Bahn stattet alle ICE mit grünen Streifen aus

ICE 4 Außendesign – Streifen wird grün, Quelle: Deutsche Bahn AG, Foto: Pierre Adenis
ICE 4 Außendesign – Streifen wird grün, Quelle: Deutsche Bahn AG, Foto: Pierre Adenis

Die Deutsche Bahn hat in dieser Woche bekannt gegeben, alle 280 ICE-Züge mit einem grünen Streifen ausstatten zu wollen. Die Bahn will damit die Klimafreundlichkeit ihrer ICE-Züge betonen. Ein Marketing-Gag, der in die Zeit passt. Ein Kommentar.

Ein roter Streifen auf weißem Grund galt bislang als untrügliches Erkennungszeichen für einen ICE-Zug. Bereits der ICE 1, gebaut ab 1990, war mit einem roten Streifen versehen, der sich über die gesamte Länge des Zuges erstreckt. Auch die neuste Baureihe, der ICE 4, ist anhand der einheitlichen rot-weißen Kontur leicht und aus großer Entfernung zu erkennen. Das soll sich nun ändern.

In Berlin hat Bahn-Chef Dr. Richard Lutz vor wenigen Tagen den ersten Zug präsentiert, bei dem außen ein grüner Streifen angebracht ist. Nach und nach sollen alle 280 ICE-Züge einen grünen Streifen bekommen, allerdings jeweils nur der erste und letzte Wagen. Vorne grün, in der Mitte rot, hinten grün – das wird zukünftig das Profil der ICE-Züge sein. Mit Komplementärkontrast in die Zukunft.

Auszug der Pressemeldung

Die Deutsche Bahn (DB) macht ihre Rolle als Umweltvorreiter auf ihren Zügen sichtbar und verändert dafür das Außendesign ihrer rund 280 ICE-Züge: An den beiden Wagen mit dem markanten ICE-Profil an der Spitze und am Ende des Zuges wird der rote Streifen durch einen grünen ersetzt. […] Ein zusätzliches grünes Stecker-Symbol zeigt, dass alle Fernverkehrszüge mit 100 Prozent Ökostrom unterwegs sind. […] Der grüne ICE ist das richtige Signal zur richtigen Zeit.“

Plötzlich wollen alle Vorreiter für Klimaschutz sein – der Versicherer Allianz, der Autozulieferer Bosch, Volkswagen, Großbritannien, sogar die CSU. Die Deutsche Bahn begründet ihren Vorreiteranspruch damit, dass alle ICE seit 2018 mit 100 Prozent Ökostrom fahren. Der Verkehrswissenschaftler Alexander Eisenkopf, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Zeppelin-Universität Friedrichshafen, macht allerdings darauf aufmerksam, dass der Ökoanteil am gesamten Zugverkehr bei 57 Prozent liege. Erst 2038 will die Deutsche Bahn in allen Bereichen mit 100 Prozent Ökostrom fahren.

Im Umfeld von Social Media und in den Medien wird schnell der Vorwurf laut, die Deutsche Bahn betreibe mit der teilweise Umbeflaggung ihrer ICE-Züge Greenwashing. Zur Wahrheit gehört, dass die Deutsche Bahn, wie fast alle anderen Unternehmen auch, in Sachen Klimaschutz noch eine lange Strecke zu gehen hat. Erst 2050 will die Bahn als Unternehmen klimaneutral sein, so der Plan. Für mich ist der grüne Streifen weniger Etikettenschwindel als vielmehr visuelle Geschmacklosigkeit.

Die Idee mit dem grünen Streifen auf ICE-Zügen ist übrigens nicht erst, wie man annehmen könnte, im Zuge der aktuellen Klimaschutzdebatte entstanden, die durch Greta Thunberg und der Protestbewegung „Fridays for Future“ initiiert wurde. Bereits im letzten Jahr fuhr ein ICE mit grüner Sonderlackierung im Rahmen einer Werbetour durchs Land – „Das ist grün“, lautet damals das Motto. Auf dem Cover eines 2018 veröffentlichten Finanzberichtes ist der Zug abgebildet. Im Gegensatz zu diesem Promo-Zug wird der grüne Streifen auf den ICE-Zügen jedoch nicht durchgängig sein.

Rein optisch ist das Grün-rot-grüne Profil eine Zumutung, aber vor allem ist die Teil-Umbeflaggung aus strategischer Sicht alles andere als nachhaltig. Das Image der Bahn lässt sich, wie andere Beispiele verdeutlichen, mit Hilfe eines klischeehaft grünen Anstrichs jedenfalls nicht verbessern. Trotz grünem Hintergrund hat McDonald’s auch heute noch, acht Jahre nach Umstellung auf ein gelbes M vor grünem Grund, mit Image-Problemen zu kämpfen.

Der grüne Streifen mag der Bahn zu etwas Aufmerksamkeit verhelfen. Etwas Aufmerksamkeit kann aber wohl kaum das Ziel eines der größten Unternehmens Europas sein. Ziel müsste es sein, die Bahn so konsequent auf Klimaneutralität auszurichten, das es keiner grünen Kosmetik bedarf. Wenn Weiß und Rot, die zentralen Markenfarben der Deutschen Bahn, in der Zukunft einmal synonym für Klimaschutz und Umweltfreundlichkeit stehen, dann hätte man wahrlich Großes erreicht. Das wäre dann der passende Zeitpunkt, um Vorreiterschaft diesbezüglich zu beanspruchen. Statt Ankündigungen und Versprechen zu machen, Phrasen zu dreschen und grün-getünchte Schein-Inszenierungen vorzunehmen, wäre es besser, Taten für sich sprechen zu lassen. Tue Gutes und rede NICHT darüber – das wäre das richtige Signal zur richtigen Zeit.

ICE 4 Design Außen – vorher und nachher
ICE 4 Design Außen – vorher und nachher

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Dieser Beitrag hat 40 Kommentare

  1. Die grüne Streifenaktion ist mehr als unnötig, als Bahnfahrer weiß ich längst dass der ICE (angeblich) nur mit Ökostrom fährt, allen Nicht-Bahnfahrern ist das herzlich egal. Ich fand es schon albern, dass alle BahnCards (2018 glaube ich, war das) auf Grün umgestellt wurden. Mittlerweile sind sämtliche Züge mit Bildschirmen ausgestattet, es hätte genügt, das digital zu kommunizieren und man hätte sich den ganzen Müll durch die Folien und Trägermaterialien sparen können.

    Aber die Liebe zur Folie hat die Bahn ja schon vor geraumer Zeit entdeckt: https://www.focus.de/reisen/videos/250-zuege-bekommen-spezialbehandlung-blumen-auf-dem-wc-deutsche-bahn-macht-fruehjahrsputz_id_5408527.html Schon bei dieser Toiletten-“Verschönerung” war ich sprachlos. Die Folien sind kitschig bedruckt und zudem entstehen noch mehr Fugen, an denen sich Schmutz und Bakterien besser sammeln können, denn jede Fuge ist eine Stelle mehr, an der eine leichte Reinigung erschwert wird. Zuverlässigere Toiletten wären sinnvoller gewesen, als diese Folien-Nummer.

    Und an noch viel mehr Stellen, lässt das Öko-Bewusstsein der Bahn zu wünschen übrig. So ist man der größte(!) Abnehmer von Glyphosat in Deutschland. Was alles andere als umweltfreundlich ist, beispielsweise ist Glyphosat etwa in Österreich seit Juli verboten. https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2019-08/umweltschutz-deutsche-bahn-schienen-unkrautvernichtung-glyphosat

    Zurück zur neuen “grünen Linie” der Bahn. Was mich daran am meisten verwundert, ist dass die Bahn sich mit solchen Oberflächlichkeiten aufhält, es gäbe viel mehr zu tun. Ebenso überrascht es mich, dass die Peter Schmidt Group als Branding Partner für Corporate Design so etwas zulässt. Da hätte ich eine Agentur ebenso in der Verantwortung gesehen, so etwas albernes zu verhindern. Ehrlich gesagt, hatte ich mir von der großen Ankündigungen auf der cxi 2018 wesentlich mehr erwartet – egal wie weit diese Entwicklung nun auch sein mag, der grüne Streifen ist meines Erachtens in grober Fehler und Querschläger! https://www.cxi-konferenz.org/designer-die-sich-ueber-kekse-streiten-oder-einblicke-in-die-design-geschichte-und-die-zukunft-der-db/

    1. 100 punkte für den beitrag. alles andere was man dazu sagen kann ist nämlich reichlich irrelevant. greenwashing pur.

  2. Die Grundidee einer neuen Bahn, die diesen neuen Kurs auch optisch zeigt, ist gut. Hier zeigt das Stückwerk, sich nicht über die paar Meter am Steuerwagen hinaus getraut zu haben, jedoch meiner Meinung nach exakt genauso wie halbgar und verkürzt die vorgestellten Pläne sind. Da passt das Design plötzlich wieder richtig gut zur Strategie, Achim.

    1. Ich liebe solch kraftvollen Kommentare ohne jeglichen Gehalt liebe/r HIZLI.
      Fast wie auf Facebook. So emotional, so authentisch, so kraftvoll … immer wieder gern. P-)

      Nur sind wir nicht auf Facebook

      Dein BUZLI.

  3. Ich lese “dt” seit vielen Jahren. Ich habe hier noch nie kommentiert, aber das kann ich jetzt so nicht stehen lassen.

    Markenidentität: Ja, das Grün weicht bewusst vom üblichen Corporate Design ab – ist aber als Sekundärfarbe erlaubt. Überall sonst bleibt die Bahn im bekannten Rot-Weiß. An der Marke wird rein gar nichts geändert. Und auch wenn der grüne Streifen erstmal extrem ungewohnt ist und so einige Aufmerksamkeit erregt, ändert sich ja nicht mal das ICE-Zug-Design grundlegend – auf über 90% der Zuglänge bleibt es beim roten Streifen. Für mich kommt die Lackierung ganz deutlich als Sonderaktion rüber.

    Vorwurf “Greenwashing”: Mag sein, dass die Bahn allgemein weniger klimafreundlich ist, als sie sich gibt. Trotzdem ist der Vergleich mit McDonalds einfach unpassend. Die Bahn setzt das Grün ja nicht unternehmensweit ein, sondern nur in diesem speziellen Fall. Und sie will damit auch nicht unterschwellig eine diffuse “wir sind nachhaltig/umweltfreundlich/gesund/natürlich”-Botschaft transportieren, sondern sie schreibt relativ unmissverständlich direkt daneben auf den Zug, warum der Streifen jetzt grün ist (“Klimaschützer”+Steckersymbol=Ökostrom). Und das alles tut sie ausschließlich auf den ICEs, die ja tatsächlich mit 100% Ökostrom fahren. Was bitte ist daran Greenwashing?

    “Tue gutes und rede NICHT darüber”: Sehr gut, das werde ich Brot für die Welt, Ärzte ohne Grenzen und Unicef antworten, wenn ich mal wieder Werbepost von ihnen bekomme… Echt mal. Die Bahn ist gerade etwas im Aufwind: Mehr Leute als sonst erwägen, mit der Bahn statt mit dem Flugzeug oder mit dem Auto zu fahren, und zwar allein aus Umweltschutzgründen. Diese Aktion zielt genau darauf ab. Für jedes andere Unternehmen wäre das in dieser Situation eine völlig nachvollziehbare Marketingaktion. Warum wäre es für die Bahn ein „richtiges Signal zur richtigen Zeit“, wenn sie diese Gelegenheit nicht nutzen würde?

    1. Ich wäre Adressat einer Marketingaktion, denn ich habe die Wahl, ob ich Auto fahre oder Bahn, wenn ich nach Frankfurt oder München muss. Diese Aktion wird mich eher davon abschrecken, öfter Bahn zu fahren:
      a) Wenn ich den grünen Streifen sehe, habe ich mich schon entschieden. Ich stehe am Bahnsteig; die Fahrkarte ist bezahlt. Jetzt will ich angenehm reisen und pünklich ankommen. Das Unternehmen, dem ich den Auftrag dafür erteilt habe, belästigt mich stattdessen mit Eigenlob („Sie haben sich gut entschieden“, „Sie werden es bestimmt nicht bereuen!“).
      b) Der grüne Streifen wirkt, als wäre darunter noch immer die alte, gewohnte Lackierung verborgen. Etwas zu verbergen, das immer noch da ist; das erweckt Misstrauen.

    2. Nur kurz zum Thema “gerade etwas Aufwind” – ich bin treuer Bahnfahrer seit Jahren und erreiche regelmäßig den Comfortstatus, sprich, ich bin oft mit der Bahn unterwegs. Ich kann nur sagen, dass die Bahn seit Jahren gut gefüllt ist! Mag sein, dass ich auf beliebten Strecken unterwegs bin, aber das wäre dann quer durch Deutschland so … Vor und nach Feiertagen habe ich auch beobachtet, dass die leute sogar in der 1. Klasse(!) stehen müssen, weil es so voll ist. Ich gebe zu, dass der Bahn wahrscheinlich häufiger sehr (negativ-)kritische Stimmen entgegengebracht werden, es kann aber sehr gut daran liegen, dass die Bahn in den letzten Jahren sehr, sehr viel verschlafen hat. An einigem mag die Politik Schuld haben, an vielem mehr gebe ich sie aber Bahn-Chefs wie Mehdorn, deren planerische Weitblick durch Rendite-Wünsche wohl stark eingeschränkt war.

  4. Jetzt weiß ich, wo die große Menge Geld hinfließt, die ich monatlich wohl oder übel fürs Zugfahen bezahlen muss.
    Wie schon in den vorherigen Kommentaren geschrieben, diese Aktion ist absolut unnötig und peinlich. Schade, wie hier ernste gesellschaftliche Probleme mit ein bisschen grün übertüncht werden.
    Ich hoffe schadenfroh auf ironische Graffitis in passender Farbgebung.

  5. Das Design ist anders, aber die Mondpreise bleiben. Die effektivste Möglichkeit, etwas für den Umweltschutz zu tun, wäre, endlich zumutbare Fahrpreise anzubieten.
    Mit dem aktuellen Angebot wird kein Bus oder PKW von der Straße geholt. Statt Selbstbeweihräucherung wäre ich für Maßnahmen, die WIRKLICH etwas bringen.

  6. Von diesem Musterbeispiel des Greenwashings abgesehen (wozu hier schon treffend argumentiert wurde) dachte ich auch an die grässliche Wirkung, wenn nun ein ICE mit dem grün-rot-grünen Seitenstreifen in den Bahnhof einfährt. Diese Farbkombination ist so unpassend wie katastrophal für die Außenwirkung. Und wie auch auf dem Bild zu sehen, passt der ICE nun überhaupt nicht mehr zu den anderen Zügen der DB, die sich zuvor zumindest in der Farbkombi rot-weiß konsequent ähnelten. Und das, wo doch ein einheitliches Flottendesign natürlich bei allen Verkehrsbetrieben angestrebt wird.
    Man hätte es wirklich bei (hübsch gestalteten) Hinweistafeln belassen sollen.

    PS: Ich war übrigens immer schon der Meinung, dass sich das ICE-Triebkopfdesign von Beginn an an den “Galileo”-Shuttles bei Star-Trek orientiert hat. Seitlicher roter Zierstreifen auf weißem Grund mit schwarz getönten Scheiben inklusive. Gleiches gilt für die Transrapidmodelle ab 1990.

  7. Diese Aktion ist so grenzdebil dämlich dass es kaum in Worte zu fassen ist. Sowohl in gestalterischer als auch in marketingtechnischer Hinsicht. Gleichzeitig ist es aber auch symptomatisch für die deutsche Politik (mit der die Bahn ja recht eng verbandelt ist). Stückwerk allerorten und es geht nur noch darum, “Aufmerksamkeit zu erregen”, sprich man haut irgendwelche Halbsätze raus, die gerade in den Zeitgeist zu passen scheinen und hofft, damit irgendwie irgendwo in der Bevölkerung zu punkten. Ganzheitliche, durchdachte Konzepte? Eine echte Strategie wie Umweltschutz, Wirtschaftswachstum, Mobilität und der Wohlstand in Deutschland vereinbar sein könnten? Davon ist nichts zu sehen. Man kann wirklich nur noch mit dem Kopf schütteln und das grüne Stück Folie auf den ICEs repräsentiert all das für mich auf exemplarische Weise. Es lässt einen ungläubig staunend zurück. Kaum zu fassen.

  8. Mich befremdet der zunehmende Dilettantismus, mit dem grundsätzlich jegliche Diskussion in jeglichem, sich bietendem, Forum auf die immer gleiche Weise in Gemecker vom verhätschelten Stammtisch der Fliesentischbesitzer ausartet.

    Es geht hier um Design, nicht um Hineinsteigern in vermeintlich riesige Probleme im ach so “armen Deutschland”, in dem der soziale Code des Miteinander für viele daraus zu bestehen scheint bei jeder Gelegenheit total überzogen über das eigene Land zu jammern, so wie sich Briten bei jeder Gelegenheit ausführlich über das Wetter unterhalten.

    Es geht nicht um die böse Drosselkom, nicht um Bahnfahren in vollen Zügen genießen, nicht um die da oben, schon immer gearbeitet, Kontrollverlust, Abzocke, Umvolkung oder was auch immer den weißen deutschen Mann mittleren Alters stundenlang in Webforen beschäftigt.

    Es geht um Design. Sofern der Autor dieses Blogs nicht schon vollständig mit den Nerven runter ist würde ich ihm empfehlen Kommentare nur noch nach Moderation und Freigabe zuzulassen.

    In dem Sinne möchte ich mich auch für mein offtopic Post entschuldigen. Aber es ist einfach nicht mehr auszuhalten.

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