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Design oder Geld?

Beitrag von Marco Wilhelm Linke

Als kreativer Mensch ist man geneigt, sich voller Eifer den Herausforderungen neuer Projekte zu stellen: Bereits beim ersten Kundengespräch sprudeln tausende Ideen aus dem schier unerschöpflichen Quell der Kreativität – und dann trifft einen mitten im Fluss der Ereignisse die profane Frage: „Und was kostet das jetzt alles?“ Diese Frechheit trifft den Designer mitten ins Mark. Dort, wo es am meisten schmerzt: im Reich der Zahlen und mathematischen Berechnungen. Da wollte man die innovativsten Einfälle zu Papier bringen und der Kunde interessiert sich nur für das Geld?

In der “wirklichen Berufswelt” des Designers ist es natürlich so, dass Designer durchaus Geld für ihre Arbeit haben möchten. Nur eben nicht sehr viel. Wer sich heutzutage für den Beruf des Kommunikationsdesigners entscheidet, wird in den meisten Fällen nicht reich von seiner Arbeit. In dem letzten Gehaltsreport des Berufsverbandes Deutscher Kommunikationsdesigner BDG hieß es, dass mehr als die Hälfte der Designer weniger als 2.500 € brutto verdienen. Rund 80% der Designer verdienen weniger als 3.300 € brutto. Und die Luft nach noch weiter oben wird sehr schnell sehr dünn.

Auf dem freien Markt sieht die Lage noch dramatischer aus. Als selbstständiger Designer ist man mittlerweile fast froh, wenn man überhaupt für seine Arbeit bezahlt wird. Hinzu kommt, dass in Ballungsgebieten wie Berlin, Hamburg oder München die Konkurrenz sehr hoch ist. Vor Kurzem war ich zu einer Veranstaltung des Kompetenzzentrums Kultur– und Kreativwirtschaft des Bundes eingeladen. Thema der Veranstaltung war die Honorierung von Kreativleistungen. Das Ergebnis des Abends war geradezu erschreckend: Der Maßstab einer Angebotskalkulation war für manchen Kollegen nicht die Erwirtschaftung von Gewinnen und die Expansion des eigenen Unternehmens, sondern die „Unterbietung“ von Konkurrenzangeboten. Dieser Gedanke ist sicherlich nicht grundsätzlich falsch. Immerhin müssen Angebote konkurrenzfähig sein. Auf der anderen Seite gibt es eine Grenze, die nicht unterschritten werden darf. Ein Angebot muss immer geeignet sein, den eigenen Lebensunterhalt zu sichern.

Kostendeckende Angebote

Dieser Aspekt wird von vielen Kreativen in der Hektik des Alltags übersehen. Die Entwürfe sind auf Pappe geklebt und man hat das gute Gefühl, ein gelungenes Signet entwickelt zu haben. Momente, die den Kreativen das erhebende Gefühl vermitteln, einen der schönsten Berufe der Welt auszuüben. Am Monatsende wird die Euphorie gedämpft: der Blick auf das Konto. Wo soll zwischen den Zeilen der Gewinn versteckt sein? Das ist doch nicht möglich! Man hat doch rund um die Uhr geschuftet. Die Schlussfolgerung ist ganz einfach: Die eigene Arbeit wird nicht ausreichend vergütet. Aber was heißt ›ausreichend‹? Wie berechne ich eine ›vernünftige‹ Vergütung? Was sollte, darf oder muss sogar ein Signet, eine Visitenkarte oder Website kosten? Mit welchen Angeboten verdiene ich gutes Geld und wann verschrecke ich Kunden?

Der persönliche Stundensatz

Die grundsätzliche Kalkulation eines kostendeckenden Angebots ist gar nicht kompliziert. Zunächst muss ich meinen persönlichen Stundensatz ermitteln. Dabei geht es nicht darum, die Konkurrenten zu unterbieten, sondern einen Stundensatz zu berechnen, der zur Deckung meiner Kosten geeignet ist. Es gilt also meine gesamten Kosten zusammenzurechnen, die mir während eines Geschäftsjahres bei der Ausübung meines Berufs entstehen: beispielsweise Mietkosten, Bürobedarf, Werbekosten und vieles mehr. Dazu kommen dann meine eigenen Personalkosten. Dies beginnt bei der Krankenversicherung und endet noch lange nicht bei den Beiträgen für Mitgliedschaften.

Um all meine Aufwendungen bezahlen zu können, steht mir leider nur ein begrenztes Zeitfenster zur Verfügung. So hat der Tag leider keinesfalls 8 Arbeitsstunden, die ich dem Kunden in Rechnung stellen kann. Hier wird gerne übersehen, dass der Großteil meiner Arbeitszeit nicht fakturierbar ist. Es ist noch selbstverständlich, dass ich an Sonntagen – und vornehmlich auch Samstagen – nicht arbeite. Auch ist verständlich, dass ich all die Feiertage von der mir zur Verfügung stehenden Arbeitszeit pro Jahr abziehen muss. Oft wird jedoch übersehen, dass dies ebenso für meine Urlaubstage und Krankheitstage gilt. Außerdem muss ich all die Zeiten für meine Fortbildung, Buchhaltung, Akquise und sonstigen Büroarbeiten als nicht verrechenbare Zeit berücksichtigen. Man wird sehr schnell feststellen, dass man eine ganze Menge Kosten in unheimlich kurzer Zeit decken muss.

Möchte ich als selbstständiger Designer das Gehalt eines angestellten Designers in Höhe von ca. 2.500 bis 3.000 € verdienen, muss er durchschnittlich 70 € bis 80 € die Stunde verdienen. Wer mit einem geringeren Gehalt pro Monat auskommt oder seine Kosten dramatisch senken kann, wird seinen Stundensatz etwas niedriger ansetzen können. In der Regel wird man aber wohl von mindestens 50 € die Stunde ausgehen müssen.

Zeit kostet Geld

Im zweiten Schritt einer kostendeckenden Angebotserstellung gilt es, den Arbeitsaufwand realistisch einzuschätzen. Auch hier werden gerne viele Fehler gemacht. Das Einfügen eines Bildes in eine Internetseite wird beispielsweise mit rund zwei Minuten eingeschätzt. In der Praxis ist dieser Wert oftmals entschieden höher. So muss ich das Bild vom Kunden besorgen, einsortieren und speichern, bearbeiten und erneut speichern, in die Website einpflegen, die neue Seite veröffentlichen und testen. Alles in allem dauert der Austausch eines einfachen Bildes rasch 15 Minuten, was bei 60 Euro die Stunde immerhin 15 Euro sind. Bei einem einzelnen Bild kann man dieses Zugeständnis gut verkraften. Doch summieren sich diese kleinen Gefälligkeiten im Laufe eines Monats zu stattlichen Summen.

Tipp: Eine Hilfe zur realistischen Einschätzung von Arbeitsaufwänden pro Projekt bietet der VTV Tarifvertrag für Designleistungen der AGD Allianz Deutscher Designer oder der (in Kürze erhältliche) designfeecalculator.com als iPhone-App.

Design UND Geld

Unterm Strich gilt es festzuhalten, dass ich nur dann Spaß an der Arbeit haben UND Geld verdienen kann, wenn ich den wirtschaftlichen Wert meiner Leistung richtig einschätze. Erst wenn ich mindestens meinen persönlichen „Mindest-Stundensatz“ kalkuliere und die Aufwände eines Projektes realistisch einschätze, werde ich am Ende des Monats nicht nur zufriedene Kunden, sondern auch ein Konto mit schwarzen Zahlen haben.

Design kalkulieren

Weitere Informationen zu diesem Thema findet ihr in dem Buch „Design kalkulieren“. Design kalkulieren soll selbstständigen Designern und Designerinnen bei der Kalkulation von Angeboten helfen. Natürlich lassen sich die Grundprinzipien auf alle Dienstleistungsbereiche erweitern, allerdings beziehen sich die Praxisbeispiele auf die Kreativbranche. Besonders geeignet ist “Design kalkulieren” also für Grafik-Designer, Web-Designer, Fotografen, Texter und Konzeptioner. Ziel ist es, dass ihr am Ende des Buchs euren eigenen Stundensatz berechnen – und auf dieser Grundlage realistische Angebote erstellen könnt. Dabei kann (und wird) das Ergebnis durchaus von den Empfehlungen der Berufsverbände abweichen. Wichtiger als das Streben nach fiktiven Zahlen ist aber die kaufmännisch ordentliche Kalkulation eurer Leistung. Denn nur wer seine Arbeit richtig “wertschätzen” kann, kann auch realistisch kalkulieren. Im zweiten Teil des Buchs zeige ich dann, wie Arbeitsaufwände richtig eingeschätzt werden können, Angebote erstellt und Nutzungsrechte in die Kalkulation einbezogen werden und gebe euch Tipps aus meiner über 10-jährigen Agenturerfahrung als CEO zu Vertragsverhandlungen, AGBs und mehr.

Zum Autor

Marco Wilhelm Linke studierte Grafik-Design und gründete 2000 die Werbeagentur Artivista. Seitdem arbeitet er für bundesweite Projekte als Art- und Creative Director und fungiert u.a. als Gutachter für die Fachhochschule Brandenburg. Für seine Arbeiten wurde er mehrfach ausgezeichnet, u. a. vom Internationalen Designzentrum Berlin, Verband Deutscher Industriedesigner VDID und der AGD Alliance of German Designers. 2010 wurden seine Arbeiten für den »Designpreis der Bundesrepublik Deutschland« nominiert. Als Autor schreibt er für verschiedene Verlage, Fach-Magazine und Blogs.

Design kalkulieren
2. Auflage. (2012), Broschiert: 108 Seiten
ISBN-10: 3839166462, ISBN-13: 978-3839166468
19,80 Euro

Kleiner Praxis-Leitfaden für selbstständige Webdesigner und Grafik-Designer: Stundensatz berechnen. Kosten kalkulieren. Nutzung vereinbaren. Verträge verhandeln:

  • Weitere Informationen zum Buch:
    https://designers-inn.de/die-serie-design-kalkulieren
  • Weitere Informationen zur iPhone App DesignfeeCalculator:
    https://designfeecalculator.com

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Verlosung: Unter allen Lesern, die bis Sonntag den 22.01.2012 22.00 Uhr eine E-Mail an designkalkulieren {ät} designtagebuch.de senden, werden 5 E-Books als PDF-Download verlost.

Dieser Beitrag hat 76 Kommentare

  1. Ich habe mir das Buch vor einem knappen Jahr gekauft und in knapp 3 Stunden “konsumiert” (der Zeilenabstand macht’s möglich) Leider muss ich mich – wenn auch nicht in voller Härte – dieser Rezension auf amazon anschließen. Das Büchlein schliddert in vielen Punkten leider bravurös an der Realität vorbei …

  2. Wenn der Job einen nicht oder nur schlecht ernährt, sollte man etwas anderes anfangen. Das gilt für diejenigen die so günstig arbeiten dass nix bei rumkommt.
    Sollte ich irgendwann wegen der Preisspirale nicht mehr auf einen grünen Zweig kommen (zur Zeit verdiene ich gut und kann für meine Arbeit auch was verlangen), werde ich auch das machen. Mitzumachen an dem Irrsinn, für Peanuts zu arbeiten, kommt für mich nicht in Frage.

    Hatte schon Kollegen denen ich vorrechnen durfte dass denen Kellnern gerade mehr einbringt, als gewisse Angebote anzunehmen…

  3. @Jan: Wenn ich es richtig sehe, halten 90% der Kommentare die von dir zitierte “schlechte” Buch-Rezension für Unsinn. Wie ich finde auch zu Recht: Wer nämlich behauptet, dass ein Buch “realitätsfern” sei, weil es helfen soll, einen Stundensatz zu ermitteln, von dem ich als Designer auch leben kann, hat vielleicht falsche Vorstellungen von seinem “Beruf”. Immerhin möchte ich von meiner Arbeit auch leben … sonst wäre es ja mein Hobby. In meinem Fall kalkuliere ich deutlich “über” den Praxisbeispielen … andernfalls könnte ich gar keine Agentur betreiben …

  4. Jürgen,
    dein Link zum Thema selbst-ehrliche Kalkulation ist gut.
    Vor allem die Tabelle sollte sich jeder neben das Telefon hängen.

    Sachen wie:
    “Client is not sure what they need and/or knows little about the target audience(s) ?
    add 50% Project management hours”

    … sind mir ein Begriff.
    Da hilft oft ein vorgeschalteter Workshop.

    Bei solchen anderen hilft leider gar keine noch so hilfreiche Idee mehr. Und zwar egal, ob sie gut oder schlecht zahlen:
    “Client is rude or offensive on the phone, or speaks very critically of another agency by name.”

  5. Tja, ich kenne sehr viele Designer, die für 30 Euro und weniger die Stunde arbeiten. Ich denke aber das Problem liegt darin, dass der Markt von Designer und Programmierern völlig übersättigt ist (“Mein Sohn macht das auch”, “Freund von einer Freundin kann auch Websites erstellen” etc.). Dadurch entsteht natürlich der Preiskampf, da einige lieber einen Job umsonst annehmen als gar nicht zu arbeiten.

    Ein andere Sache ist, dass 95 % der Kunden die Qualität von Design und Programmierung überhaupt nicht bewerten kann. Also geht es nur nach Preis.

  6. Das Buch hat ein Problem. Es richtet sich an Anfänger. Zwar schaft der Autor es im ersten Teil gut und verständlich zu erklären wie man seinen Stundensatz kalkulieren sollte (selbst wenn die herangezogen Zahlen für die Zielgruppe vollkommen übertrieben sind, wer beim Start in die Selbstständigkeit solche Fixkosten hat sollte lieber nochmal einen BWL Kurs besuchen) heizt aber im Teil über die Nutzungsrechte vollkommen übertriebene Erwartungen an. Diese Preise sind so nie im Leben umsetzbar, eben auch aus den von H aus B an der Spree angegebenen Gründen. Ich schließe mich also eigentlich der Meinung von Jan und auch seiner genannten Rezension an, auch wenn ich es nicht so übertrieben drastisch formulieren würde. Es ist ja wenigstens schonmal etwas wenn jemand seinen Stundensatz nach betriebswirtschaftlichen Maßstäben kalkulieren kann.

  7. Ein Angebot kalkulieren ist, je nach Größe des Projektes, immer eine komplexe Sache, gerade der Kunde selbst hat viel Einfluss darauf (Stichwort Nervfaktor), ob die Kosten im Rahmen bleiben. (In einer ehemaligen Agentur hatten wir eine Kundin, die wegen einer Micro-Site im Standarddesign zwei Monate lang fast täglich angerufen hat)

    Ganz selten passiert es, dass einen ein Kunde nicht im Preis drücken möchte, wie auf einem Bazar. Bis zu einem gewissen Grad darf man das Spielchen auch mitspielen, das macht ein Autohändler ja auch. Nur sollte man darauf achte, sich nicht selbst zu verkaufen und mit der Faust in der Tasche aus den Verhandlungen an den Job zu gehen.

    Wir haben auch schon einem Kunden, der uns, als ob wir eine “Niedrig-Preis-Garantie” hätten, gegen eine andere Agentur ausspielen wollte, gesagt, dass er sich doch bitte jemand anderen suchen solle.

    (Dabei wurde der anderen Agentur unser Angebot vorgelegt, die es (fast) Wort für Wort abgeschrieben und mit geringeren Preisen an den Kunden zurückgegeben hat. Das wurde uns dann vorgelegt und der Kunde wollte den Preis weiter nach unten verhandeln.

    Da hats dann für uns aufgehört. Wir wissen, was wir wert sind, und was ein Kunde an uns hat. Lieber fresse ich zwei Monate den Kitt aus den Fenstern, als mich so derart unter Wert zu verkaufen.)

    Ich habe doch lieber mal weniger Geld als keine Selbstachtung mehr. Mal ehrlich.

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