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„Das Vorgehen der FH Trier unterminiert die Berufschancen der eigenen Absolventen“ – Ein Gespräch mit Prof. Axel Kolaschnik

In kurzer Zeit ist der Artikel „Offenes Schreiben an die Hochschulleitung der FH Trier“ zu einem der meistkommentierten und -getwitterten Artikeln hier im dt geworden, zwischenzeitlich war er auf rivva.de der Artikel mit den meisten Shares, Likes, etc, wohlgemerkt zwischen all den schwergewichtigen Nachrichtenangeboten wie Spiegel.de, Focus.de, Welt.de oder Sueddeutsche.de. Viele aus der Kreativbranche werten das Vorgehen der FH Trier als einen großen Fehler, als ein falsches Signal und äußern sich dementsprechend in Kommentaren und auch in E-Mails, die ich seit der Veröffentlichung erhalten habe. Eine Fakultät für Gestaltung, die den eigenen Professoren und Studierenden offenbar nicht zutraut, das Design für den eigenen Webauftritt zu entwickeln, sondern stattdessen das Webdesign als Projekt auf einem Crowdsourcing-Portal ausschreibt! Unfassbar.

Eine Stellungnahme bleibt die Leitung der Fachhochschule Trier rund um Präsident Prof. Dr. Jörg Wallmeier nach wie vor schuldig. Brief und E-Mail blieben unbeantwortet. Abtauchen, auf das der vermeintliche Sturm im Wasserglas schnell vorbei sein möge, könnte die Devise sein. Auf der Facebook-Fanpage der FH Trier ist das Thema keine Zeile wert. Die Tatsache, dass die Hochschulleitung trotz vorgebrachter Kritik an der Ausschreibung auf 12Designer festhält, spricht Bände. Für eine Einsicht, sich in diesem Fall falsch zu verhalten, spricht es nicht. Ob die Kopf-in-den-Sand-Haltung allerdings das richtige Signal an zukünftigen Designernachwuchs ist, muss bezweifelt werden. Je länger eine Antwort, eine Reaktion auf sich warten lässt, um so mehr bestärkt es die Entscheidung, das Schreiben gleich öffentlich gemacht zu haben. Jeder Tag, an dem die Ausschreibung auf 12Designer.com läuft, ist ein Tag zu viel.

Die von der FH Trier auf diese Weise zum Ausdruck gebrachte Geringschätzung von Design ist beschämend für eine Ausbildungsstätte für Designer und Gestalter. Die FH Trier beschädigt mit ihrem Vorgehen das Ansehen der gesamten Designerzunft, da suggeriert wird, Design könne Jeder, Kommunikation und der Dialog als wesentliche Komponente innerhalb eines Designprozesses, seien überflüssig und anspruchsvolle Kreativleistungen seien für einen Appel und ein Ei zu bekommen, in diesem Fall für 528 Euro.

Die Fachhochschule Trier betreibt Preisdumping. FH-Vizepräsident Professor Axel Kihm rechtfertigt diesen Schritt gegenüber der Lokalpresse mit den Worten, es ginge doch wirklich nur um die Ideen. Sehr geehrter Herr Kihm, Ideen sind genau das, wovon wir Designer leben! (Danke Christian – stellvertretend für viele andere Kommentierer – für Deinen Einwand, auch für die offizielle Stellungnahme des BDG in diesem Zusammenhang). Darüber hinaus offenbart Kihm mit seiner Einschätzung, 528 Euro seien ein marktüblicher Preis für die Erstellung eines Webdesigns, wie wenig Einblick er in die Kreativbranche hat.

Unverständnis bezüglich des Vorgehens der FH Trier äußert auch Prof. Axel Kolaschnik, Prodekan der Fakultät für Gestaltung an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Mannheim, der im Vorgehen der FH Trier die Berufschancen der eigenen Absolventen unterminiert sieht. Ich sprach mit ihm über Design-Crowdsourcing, den Wert von Design und tolldreiste Anfragen aus der Wirtschaft, der er sich zunehmend ausgesetzt sieht.

Die Fachhochschule Trier schreibt derzeit das Webdesign des eigenen Webauftritts aus, sowohl auf fh-trier.de wie auch extern auf einem Crowdsourcing-Portal. Im letztgenannten Fall stehen für dieses Projekt 528 Euro als Honorar zur Verfügung (600 Euro abzüglich 12% Provision). Wie bewerten Sie diesen Vorgang?

Kolaschnik: Wie jeder Designer weiß: am schwersten ist es, ein Logo, einen Auftritt für sein eigenes Designstudio zu entwickeln. Hochschulen mit Gestaltungsfakultäten geht es da nicht anders. Einen Designauftrag außer Haus zu geben, ist daher für Hochschulen nicht ungewöhnlich. Den Designauftrag allerdings über eine CrowdSourcing-Plattform wie designenlassen.de, 12designer.com oder 99designs.com abzuwickeln, ist ein schwerer Schlag gegen die eigene Fakultät. Insbesondere gegen die eigenen Design-Studierenden. Das Vorgehen der FH Trier unterminiert die Berufschancen der eigenen Absolventen.

Welche Einstellung haben Sie generell zum Thema Design-Crowdsourcing? Welche Erfahrungen haben Sie bislang mit Crowdsourcing gesammelt, eventuell ja auch über Ihre Studenten?

Kolaschnik: CrowdSourcing-Plattformen wie designenlassen.de, 12designer.com oder 99designs.com sind Realität. Eine Realität, die hunderttausendfach von Auftraggebern genutzt wird. Designer müssen sich mit dieser Art der Dienstleistung auseinandersetzen und eine Haltung dazu entwickeln: “Ich spiel da mit” vs. “never ever!”

Mir selbst ist gerade im letzten Winter ein Branding-Projekt aus dem Ruder gelaufen, da mein Klient überraschend meinte, wir hätten ja ein Erfolgshonorar für meine Leistungen vereinbart (was wir nicht hatten), welches nur fällig wäre, wenn er meinen Vorschlag auch realisieren würde. Ganz in der Logik der CrowdSourcing-Plattformen. Und er hätte sich auf der Basis unserer (seiner Meinung nach kostenlosen) strategischen, konzeptionellen Vorarbeit parallel auf 99designs.com alternative Logovorschläge machen lassen, von denen einer ihm nun ganz gut gefiele. Meine kurze Recherche ergab dies: “For just $310, they received 173 designs from 33 Designers.” Mein Klient schlug mir vor, ich solle doch, um mein Honorar zu erhalten, sein Lieblingslogo von 99designs.com zu einem tragfähigen CD ausbauen. Was ich ablehnte. Dieser Fall war nur durch aufwändige, unschöne Rekonstruktion sämtlicher Kommunikations- und Leistungsfakten sowie durch den massiven Einsatz von Anwälten zu klären.

Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass CrowdSourcing-Plattformen ein Dienstleistungsvariante geworden sind, mit der wir uns auseinander setzen müssen. Ich tue dies auch im Rahmen meiner Lehre.

Können Sie den Schritt der Hochschulleitung der FH Trier nachvollziehen, vielleicht aus finanzieller Sicht? Rechtfertigen aus Ihrer Sicht klamme Kassen ein solches Vorgehen?

Kolaschnik: Es gibt keine Rechtfertigung für dieses Vorgehen – es sei denn, Ignoranz gälte als Rechtfertigung.

Wenn solch ein Modell Schule machte, hieße dies verkürzt, dass mit Steuergeldern genau die Arbeitsplätze vernichtet werden, für die eine Einrichtung wie die FH Trier Nachwuchskräfte ausbildet. Mit einer offenbar unbedachten Maßnahme werden jahrzehntelange Bemühungen, den Wert von Design zu vermitteln, torpediert, was jeden engagierten Designer wütend machen sollte. Leistet die FH Trier aus Ihrer Sicht dem Design einen Bärendienst?

Kolaschnik: Druck ablassen oder wild um sich schlagen tut gut – hilft aber nicht weiter, solange 17.500 Designer (“Community Mitglieder”) bei designenlassen.de mitspielen, und über 21.300 bei 12designer.de. Zorn kann uns helfen, konstruktiv verändernd zu handeln. Was Sie auf und mit Ihrem Design Tagebuch ja tun. Sie haben einen Stein in’s Rollen gebracht. Die Diskussion läuft. Bleiben Sie dran – und danke dafür.

Als Professor und Prodekan der Fakultät für Gestaltung an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Mannheim erhalten Sie immer wieder auch Anfragen aus der Wirtschaft, in denen Unternehmen dazu einladen, die Gestaltung etwa für ein Corporate Design zu übernehmen. Wie sind hier Ihre Erfahrungen?

Kolaschnik: In schöner Regelmäßigkeit erreichen unsere Fakultät – wie sicher alle Gestaltungsfakultäten in Deutschland – Anfragen, mit der Bitte, unsere Kreativität für Kulturveranstaltungen wie die regionale Lange Nacht der Museen, für lokale Kultureinrichtungen oder für soziale Einrichtungen in der Umgebung sprudeln zu lassen. Je nach Komplexität der gestellten Aufgabe, nach der Möglichkeit der engen Kooperation mit dem Auftraggeber sowie dem vermuteten Praxiseinblick für die Studierenden unterstützen wir hier gern. Sofern es sich in unser Curriculum einbetten lässt und die Studierenden in einem “geschützten Bereich” agieren können und dabei nicht überfordert werden. Begleitet werden diese Projekte immer durch einen Professor, eine Professorin. In jedem Semester werden Projekte dieser Art – seien sie durch Anfragen seitens der Auftraggeber initiiert, oder seitens der Professoren – an unsere Fakultät durchgeführt. Ziel sind, neben dem Aspekt der Praxisrelevanz, auch Aspekte der Sichtbarkeit der Fakultät sowie die Vernetzung mit der Region.

„zeitgemäßes Design zum Nahezu-Null-Tarif“

Zunehmend – so erscheint es mir – wenden sich auch Unternehmen aus der Wirtschaft an uns. Möglicherweise “angelernt” aus der Tradition gemeinsamer Forschungsprojekte, die Industrie und Wirtschaft einerseits und (technische) Hochschulen andererseits seit langer Zeit erfolgreich praktizieren – und die mitunter in Public Private Partnerships zu beider Nutzen münden. Diese Art der Forschungsprojekte ist Gestaltungsfakultäten in der Regel fremd. Um sich also frischen kreativen Input zu holen, wenden sich Unternehmen an Gestaltungsfakultäten mit Worten wie diesen: “Das wäre doch mal ein nettes Projekt für Ihre Studenten – damit sie einen Einblick in die Praxis erhalten.”

Werden in derlei Anfragen Kreativleistungen fair und angemessen honoriert?

Kolaschnik: Im Auge haben Auftraggeber aus der Wirtschaft dabei natürlich eher “zeitgemäßes Design zum Nahezu-Null-Tarif” als “Praxisförderung von Designstudenten”. Es liegt dabei in der Verantwortung der begleitenden, das Projekt verantwortenden und steuernden (und dafür nicht gesondert honorierten) Professoren, eine Balance zwischen dem Nutzen für den Auftraggeber und dem für die Lehre wichtigen Aspekt der Praxisrelevanz herzustellen. Ich achte grundsätzlich bei Projekten, die ich für “echte Auftraggeber” durchführe, darauf, daß die Studierenden für Leistungen, die über im Curriculum verankerte Leistungen hinaus erbracht werden, auch honoriert werden. Das beinhaltet ein Anerkennungshonorar für alle projektbeteiligten Studierenden (das die bis vor kurzem in Baden Württemberg zu zahlenden Studiengebühren wieder einspielen sollte) sowie ein Honorar für die weitere Ausarbeitung des gewählten Entwurfs und die Übertragung der Nutzungsrechte. Bei den letztgenannten Leistungen, die über den im Rahmen des Kurses zu entwickelnden “Entwurf” und/oder “Kreativimpuls” hinaus gehen, vermittle ich zwischen den betreffenden Studierenden und dem Auftraggeber. Denn auch bei diesem – zumeist ersten – Schritt in die Praxis darf ich meine Studierenden nicht allein lassen.

Gehen Sie auch auf Unternehmen zu, wenn Anfragen aus Ihrer Sicht allzu forsch und fordernd formuliert sind oder Ihnen die Bedingungen inakzeptabel erscheinen?

Kolaschnik: Ich fühle mich, als Professor, der das Privileg weitestgehender finanzieller Unabhängigkeit gegenüber Auftraggebern aus der Wirtschaft geniesst, allen Ernstes geradezu verpflichtet, als Erster den Mund aufzumachen, wenn Anfragen an mich gestellt werden, die ich für unanständig oder gar unlauter halte. Ein taufrisches Beispiel ist die Anfrage eines der führenden Recyclinunternehmen Deutschlands. Dieses Unternehmen wandte sich “nach diversen Versuchen, den herkömmlichen Weg über Agenturen zu gehen” an mich als Professor, um so auch meine Studenten aufzufordern, ein Signet zu entwerfen. Als Gegenleistung sollte unter allen deutschlandweit teilnehmenden Kreativen drei iPads verlost werden. Falls ein Entwurf umgesetzt werden würde, würde der/die Einreichende dafür 2.500,- erhalten. Inclusive Übertragung aller Nutzungsrechte. Ich empfahl der Senior Marketing Managerin des Unternehmens, Ihre Ausschreibung zurückzuziehen. Zudem schrieb ich: “Ihre Anfrage ist unangemessen und einem der “führenden europäischen Umweltdienstleister und Rohstoffanbieter” mit einem jährlichen Umsatzvolumen von “2,73 Milliarden Euro und über 9.000 Mitarbeitern in rund 200 Tochter- und Beteiligungsunternehmen in Deutschland und weiteren zwölf europäischen Ländern sowie in Asien und den USA” (Eigenwerbung) absolut nicht würdig.” Getoppt wurde die Vermessenheit der Anfrage durch diesen Satz: “An dem Wettbewerb können sich Fachleute und Laien…beteiligen.”

Ich freue mich insbesondere, dass inzwischen einige meiner MasterStudenten – denen ich ja geradezu predige, dass gutes Design letztendlich eine Frage der Haltung ist – da mitziehen, und von sich aus gegen derartige Anfragen aktiv werden.

Es ist allerdings auch an der Zeit, dass sich Designprofessoren deutscher Gestaltungsfakultäten auf eine Art “Code auf Conduct” verständigen, wie mit Anfragen aus dem “richtigen Leben da draussen”, insbesondere aus der Industrie und Wirtschaft umzugehen ist. Mit einigen Kollegen – von Berlin über Dessau bis Konstanz – sprach ich bereits darüber. Ich freue mich, dass Sie mit dem designtagebuch de (herzlichen Glückwunsch zum 6. Geburtstag!) die Initiative ergreifen und eine Plattform bieten wollen.

Ist in der Wirtschaft, Ihrer Meinung nach, der Eindruck entstanden ist, Kreativleistungen seien an Hochschuleinrichtungen besonders günstig einzukaufen?

Kolaschnik: Die immer noch erschreckend weit verbreitete Haltung seitens Auftraggebern aus der Industrie und Wirtschaft ist – in Abstufungen – die Formel: Kommunikationsdesign = bunt machen. Und besonders billig machen es lustige junge Studenten bunt. Insofern betrachte ich meine Designprojekte, die ich mit meinen Studierenden für kulturelle Einrichtungen, NGO’s und wirtschaftlich aufgestellte Unternehmen durchführe, immer auch als eine Schulung der Auftraggeber. Als Prof. darf ich das. Ich muss es sogar: das dabei auf Auftraggeberseite entwickelte Design- und Designprozessverständnis könnte später einmal meinen Absolventen als freien Designern oder Leitern von Designstudios die Abstimmung mit ihren Auftraggebern erleichtern.

Design hat in den letzten 10 bis 20 Jahren enorm an Bedeutung zugenommen. Eine Marke wie Apple definiert sich zu einem großen Teil über das Design seiner Produkte. Viele Unternehmen haben Design auch als Wirtschaftsfaktor erkannt, so zumindest mein Eindruck. Spüren Sie im Dialog mit Unternehmen, dass die gestiegene Bedeutung mit einer gleichfalls verbesserten Anerkennung (auch finanziell) der Kreativleistungen einhergeht?

Kolaschnik: Ein Frage, die einer komplexen Antwort bedarf. Um es kurz zu machen: Unternehmen, die Design als strategisches Mittel verstehen, werden sich Wettbewerbsvorteile sichern. Designer, die den strategischen Part ihres Designschaffens erkennen und gezielt einsetzen, werden nicht durch Dienstleistungen von CrowdSourcing-Plattformen ersetzt werden.

Von Designwettbewerben profitieren aus finanzieller Sicht nur ganz wenige, auf Crowdsourcing-Portalen gar oftmals nur ein einzelner Gestalter. Könnten Sie vielleicht einmal aufzeigen, was konkret es bedeutet, wenn 100 Designer gleichzeitig um ein einziges Honorar buhlen?

Kolaschnik: Als Beispiel greife ich noch einmal auf die bereits beschriebene Anfrage des Recycling-Unternehmens zurück. Ich rechnete der Senior Marketing Managerin folgendes vor: “Sie beabsichtigen, mit Ihrem Wettbewerb die kreative Leistung einer nicht definierten, nicht eingegrenzten Anzahl von Kreativen abzurufen und diese Leistungen in ihrer Gesamtheit mit 3iPads (Wert á 479 – 799€) sowie einem (EINEM) Preisgeld für den Siegerentwurf in Höhe von 2.500€ incl. sämtlicher Nutzungrechte zu vergüten. Das macht insgesamt maximal ca. 5.000€ für die Vergütung aller (ALLER) Kreativleistungen.

Hierzu ein kleines Rechenbeispiel:
_angenommen, es beteiligen sich (nur) 100 Kreative
_und jeder Kreative investiert (nur) 2 Arbeitstage á 8 Stunden
so wären dies 1.600 Arbeitsstunden.

Ihre Vergütung entspräche somit einem gerundeten Stundenlohn von 3,13€ Die Interessengemeinschaft der Designer AGD empfiehlt hingegen einen Stundenlohn von ca. 75€ Sie sehen die Diskrepanz.

Diese Haltung versuche ich, meinen Studierenden zu vermitteln. Schon, indem ich sie konsequent vorlebe.

Ich selbst bin dankbar, zu Studienzeiten (94–99) auch Projekte realisiert zu haben, die aus der Wirtschaft kamen und an die FH Hannover gerichtet worden sind. Die Honorierung seinerzeit, etwa für die Konzeption und Kreation einer Ausstellung, würde ich als angemessen bezeichnen. Wie sollte ein Projekt Ihrer Meinung nach aussehen, von dem alle Beteiligten, das Unternehmen, die Studierenden und die Hochschule gleichermaßen, profitieren?

Kolaschnik: Ziel der Projekte für “echte Auftraggeber” muss es immer sein, Design-Studierenden in einem geschützten Umfeld erste konkrete – theoretisch flankierte – Erfahrungen in Designprozessen sammeln zu lassen:
_Wie funktioniert das mit dem Briefing? Warum sollte ich auf einen Re-Briefing-Termin bestehen?
_In welchen sinnvoll aufeinander aufbauen Phasen verläuft eigentlich so ein Designprozess?
_Wie entscheidend ist die richtige “Aufhängung” des Projektes auf Kundenseite
_Wie eng muss ich mich im laufenden Projekt mit dem Kunden abstimmen?
_Wie steuere ich die unterschiedlichen Interessen, Denkweisen und Kompetenzen?
_Welche Auswirkungen haben zeitliche und finanzielle Restriktionen auf die Qualität meines Designs?
…bis hin zu der Frage “Darf ich meinen Kunden einfach doof finden, wenn er sich nicht für meinen tollen Entwurf entscheidet, sondern den Entwurf eines Anderen umsetzen will?

Hinzu kommt, dass komplexe, im Team und unter Berücksichtigung von Kundeninteressen entwickelte Lösungen mit “in echt” realisierten Umsetzungen einen höheren Stellenwert in einer Mappe haben, als Entwürfe für fiktive Organisationen oder Unternehmen, die der Studierenden unter Ausschluss störender Rahmenbedingungen entworfen hat.

Diese beiden Faktoren sind die Basis. Um diese zu erreichen, müssen “echte Auftraggeber” bereit sein, sich auf einen definierten Designprozess einzulassen. Das beinhaltet ein persönliches Briefing mit der Geschäftsführung des Unternehmens, die Bereitstellung von Materialien, mindestens eine Betriebsbesichtigung, ein Re-Briefing-Gespräch oder Workshop, einen permanenten Ansprechpartner auf Auftraggeberseite, Feedback auf Zwischenergebnisse bis hin zu einer Abschlusspräsentation in würdigem Rahmen. Und möglichst als Sahnehäubchen noch eine Abschlussfeier.

Auftraggeber haben dabei die anfallenden Fahrtkosten, Recherche- und Materialkosten zu tragen, sowie die Kosten einer Dokumentation des Projektes. Die Art und Höhe einer finanziellen Honorierung kann nur abgestimmt auf die Wirtschaftskraft des Auftraggebers sowie auf den vermuteten Nutzen des Projektes erfolgen. In der Regel enden die Projekte, die ich mit meinen Studierenden für “echte Auftraggeber” durchführe, mit der Präsentation der strategischen Brand Identity bzw. der CI, der Konzeption einer Kommunikationskampagne und/oder dem Entwurf eines Designsystems (Brand Design, Coorporate Design, Kampagnendesign). Wir wollen zunächst einen kreativen Impuls setzen – entwickelt im gestalterischen Experiment – der umgesetzt werden kann, aber nicht muss. Diesen Grundgedanken vereinbare ich mit dem interessierten, potentiellen Auftraggeber bereits bei der Definition der Ziele unseres Projektes. Kommt es zur Realisation des Projektes, so müssen zumeist etablierte Kreativdienstleister und Agenturen hinzugezogen werden. Ich achte dabei darauf, daß die beteiligten Studenten – sofern sie daran interessiert sind – in die Realisationsphase, die dann außerhalb meiner Hochschule durchgeführt wird, eingebunden und honoriert werden. Und so richtig rund wird ein Projekt, wenn die realisierten Ergebnisse im nachfolgenden Semester allen einstmals Beteiligten präsentiert werden.

Was wäre im konkreten Webdesign-Projekt der FH Trier aus Ihrer Sicht das bessere Vorgehen gewesen?

Kolaschnik: Man hätte sich in Stufen einer sinnvollen Lösung nähern können. Auch wenn der Recherche- und Kommunikationsaufwand etwas Zeit kosten würde. “Zeit” dürfte an einer Hochschule jedoch nicht der kritischste aller Faktoren sein.

Stufe 1
Die Professoren der Fakultät fragen, ob Sie das in die Hand nehmen wollen – gemeinsam mit geeigneten Studierenden. Dabei sollte das Projekt – auch wenn es intern entwickelt wird – mit einem angemessenen Budget unterfüttert sein.

Stufe 2
Die Professoren der Designfakultät könnten projektberatend tätig werden:
_Definition der Ziele, Anforderungen, Rahmenbedingungen
_Aufsetzen eines geeigneten Designprozesses
_Auswahl der Agentur, des Dienstleisters
Die Professoren könnten dabei Absolventen empfehlen, die sich auf das betreffende Designgebiet spezialisiert haben. Auch könnten sie ihnen bekannte Agenturen empfehlen.

Stufe 3
Bundesweite Ausschreibung. Dabei könnte die Hochschule Trier durchaus transdisziplinär vorgehen – so hat sie zum Beispiel einen Professor, der das Thema “Vergaberecht” lehrt.

Es wäre an dieser Stelle interessant, den von der FH Trier beschrittenen Weg aus rechtlicher Perspektive auf seine Übereinstimmung mit dem Vergaberecht, dem die Hochschule unterliegt, zu betrachten.

Herzlichen Dank für das Gespräch
Die Fragen stellte Achim Schaffrinna

Zur Person: Axel Kolaschnik ist Prodekan der Fakultät für Gestaltung der Hochschule Mannheim und Professor für Corporate Identity, Corporate Design und Markenbildung/-kommunikation. Er ist Leiter des Instituts für Marke und Design IMD, war Vorstand des Internationalen Designzentrum Berlin IDZ, e.V. (2002 – 2010), Beirat des Designzentrum Rhein-Neckar und hat als Designer unter anderem namhafte Kunden wie Adidas, Schering, Volkswagen oder die UNO Flüchtlingshilfe betreut. Regelmäßig hält er Vorträge, in denen er etwa „Perspektiven für die Ausbildung und Qualifizierung von Selbständigen, Führungskräften und Unternehmern in der Kreativwirtschaft“ aufzeigt (IHK-Rhein-Neckar, Veranstaltung „Kreativwirtschaft im Dialog“).

 

Dieser Beitrag hat 40 Kommentare

  1. Die Hochschulleitung der FH Trier bleibt leider nicht nur DT mit einer Stellungnahme fern, auch der Gestaltungsbereich der FH Trier wartet weiterhin, das die Leitung sich zu diesem Thema erklärt.

  2. So ein lächerliches Verhalten. Anstatt sich den Fehler einzugestehen. Das hätte die FH Trier zumindest menschlich wirken lassen. Fehler macht nun mal jeder, aber diese dann zu ignorieren und die Studenten und alle anderen Designer für dumm zu verkaufen zeigt was für ein staubiges, arrogantes Oberhaupt hinter diesen Mauern sitzen muss.

    Da fehlen einem schon fast die Worte …

    M

  3. Traurig das. Aber vorhersehbar. Die deutsche Eiche juckt es nicht, wenn sich Blogger an ihr reiben …

    Interview

    Sehr schön, danke dafür. Fast aber wieder zu theoretisch die Antworten.

    Zum Thema Aufhängung (“_Wie entscheidend ist die richtige “Aufhängung“ des Projektes auf Kundenseite”):

    Sie ist sehr entscheidend. Und wird fast überall taktisch heruntergespielt. Das sind jetzt meine Auftraggebererfahrungen.

    Bei Trier haben wir gesehen, dass “man ja nur Ideen” haben wollte.
    Woanders heißt es ähnlich raffiniert “man wolle doch nur eine einfache [Site, Logo, was auch immer]”.

    Das bedeutet schon mal ohne weitere Worte niedriges Salär, ohne dass man als Designer mehr dazu fragen muss. Eigentlich genügt das “einfach” schon als Hinweis. Man darf aus meiner Sicht nicht verwechseln mit Ignoranz oder Unwissen. Sie wissen genau. Es ist Einkäufer-Taktik.

    Wird nur noch getoppt von “wir wollen doch nur einfach ganz schnell …” Wer als Designer da konstruktiv zwar, aber Haltung zeigt – und das sollte man – ist man rasch in der Falle. Des zickigen, arroganten und umständlichen Faktenheiners, mit dem besser nicht zusammenarbeitet, weil er “schwierig” sei. Wer will schon schwierig sein. Aus dieser Nummer kommt man kaum mehr raus. Das sind für mich ganz vertrackte Gespräche, man fängt zu eiern an und hat schon verloren.

    Es wäre für Studierende, aber auch für Praktiker eine große Hilfe, einen Rhetorik-Katalog der richtigen Antworten an die Hand zu bekommen.

    Bei immer mehr “Kunden” fehlen mir einfach die Worte, und ich hab eigentlich schon eine Klappe. Das hat schon dazu geführt, dass ich Logoentwicklung nur noch mache, wenn ein bausteinartiger Workshop vorangeschaltet ist. Das filtert zumindest die gröbsten Abziehbild-Käufer heraus.

    Ist aber keine Garantie für Erfolg, dass es klappt. Hatte schon ein paar Mal den Fall, dass man sich super mit dem Schritt CI und Positionierung beschäftigte und aktiv mitmachte, aber beim Schritt Logo wieder nicht einsah, warum es sich denn an der Positionierung orientieren solle. Obwohl ich das sehr früh vermittelte. Als wenn es den Workshop nicht gegeben hätte. Als wenn ich plötzlich null Berufserfahrung hätte und man mit einer Praktikantin umspringt. Sie betrachteten ein Logo immer noch trotz des Workshops als losgelöst von sämtlicher Positionierung und als Insellösung. Ich stand vor einem Rätsel. Intelligente, zugängliche nette Leute.

    Da kommt ein Einzelner nicht mehr weit.

    Wurde auch schon eingeladen an einem Corporate Design mitzuwirken, da sagte man von Anfang an, dass man die Agenturen sofort rausschießen würde, die bereits am Telefon anfingen, von “Strategie” zu erzählen. Das wäre besonders verhasst und das wolle man nicht mit solchen. Da fällt einem nichts mehr dazu ein.

    Sorry, wenn ich dauernd von mir berichte, das soll keine selbstbezogene, eitle egozentrierte Ansprache sein, sondern ein Gefühl für die Praxis der Kleinen draußen erzeugen. Und ich weiß nun einmal nicht, wie die Praxis von Schellnack oder Spiekermann ist, ich weiß nur, wie meine ist. Daher berichte ich in der Ich-Form von ihr.

    Wenn es so schwer ist, an sich hilfreiche und richtige Dinge zu vermitteln, dann ist irgendwo der Zug abgefahren, so sehe ich das. Man kann nur noch Schadensminderung betreiben. Die meisten meiner Kollegen geben sich mit so mühsamem Kram wie Positionierung oder Strategie gar nicht mehr ab. Sie empfangen die Befehle, widersprechen nicht und präsentieren lieber zigfache Entwürfe bis zu 50 Stück nach Schrotschussmethode. Es erscheint ihnen leichter, weniger Ärger. Das kanns auch nicht sein. Aber es kommt davon, wenn man sich eitel darauf einlässt, “es doch mal sprudeln zu lassen”. Haha.

    Situation:
    Irgendwo muss ein Designer ja auch noch Geld verdienen und kann nicht stetig Missionierung und Lobbyismus betreiben ohne irgendeinen Auftraggeber zu haben. Es vertreibt die Auftraggeber.

    Kritik

    Es wäre Sache der Verbände gewesen, da früh eine Richtung reinzukriegen. Zur Zeit sind sie auf dem Trip, der Wirtschaft und dem Mittelstand zu erzählen, dass die Design-“Industrie” eine sehr große und wichtige sei. Große? Weil sie die Anzahl der vielen Kleinen zusammengezählt haben. Aber wichtig? Und es wird vorwiegend vom Produktdesign, am allerliebsten hochtrabend vom Appledesign geredet, welches der Wirtschaft enorm förderlich sei. Da nicken natürlich die Vertreter von BMW oder Bose eifrig. Von Corporate-Gestaltern ist nirgendwo die Rede, null nada rien.

  4. Ich habe kürzlich meinen Abschluss im FB Gestaltung der FH Trier gemacht.

    Das Verhalten der Hochschulleitung ist natürlich inakzeptabel, nicht nur unter moralischen sondern ggf. auch rechtlichen Gesichtspunkten (Ausschreibungsverfahren). Davon abgesehen kann es sich aber durchaus auch um einen internen Machtkampf zwischen der Hochschulleitung und dem Fachbereich Gestaltung halten, denn die haben sich nicht besonders gerne. Dass der Fachbereich nicht mal gefragt wurde spricht bereits Bände…

  5. Das bestärkt mich einmal mehr in meinem Denken, dass auch eine Uni oder eine FH einen Absolventen, wenn er kein Talent und kein eigenes Engagement mitbringt sich selbst weiterzubilden, nicht zu einem guten Designer macht. Da nennt sich dann jemand Diplom Designer und ist von Leuten ausgebildet, die 528€ für einen angemessenen Preis für ein Webdesign halten?! Viel Erfolg!

  6. @5 (Matthias)

    An welcher Hochschule wird man von der Hochschulleitung ausgebildet? Die Leute die mich ausgebildet haben schütteln bei dieser Sache genauso den Kopf wie alle anderen auch…

  7. Dankeschön für einen weiteren schönen Artikel aus der Reihe:
    „Die FH Trier bekommt es nicht so ganz auf den Appel!“

    Mittlerweile kann man bei dem gezeigten Auftreten eher von einem Armutszeugnis der Hochschulleitung sprechen. Auch wenn die lokale Pressen mit 16vor.de (der bessere der zwei Artikel, weil fundierter und reflektierender) und volksfreund.de wohl eine kleines Statement von Prof. Kihm erhalten hat, wird überhaupt nicht bedacht, welcher Schaden im gesamten Land der FH Trier hier gerade entsteht. Unter den Studierenden ist die ganze Situation ein brandheißes Thema, sei es jetzt bei lokalen Stammtischrunden oder auf verschiedenen FB-Profilen, sowie internen Gruppen. Hier darf man sich nicht abschrecken lassen,wenn auf der sowieso recht lieblos gepflegten KD-Trier Fanpage nichts passier. Aber ich möchte mich hier nicht rechtfertigen und auch nicht für meine Kommilitonen sprechen.
    Ich verstehe grundsätzlich einfach nicht, wieso hier von der Hochschulleitung dieser Weg gewählt wurde. Ich frage mich auch anders rum, wie soll dieses Spiel weiter laufen. Hofft man darauf ein paar bunter Bilder zur Inspiration zu bekommen und danach dann mit den favorisierten Vorschlägen zu einer lokalen oder regionalen Agentur zu gehen und die darf den Mist dann ausbaden. Sie wird nicht mehr in den Ideenfindungsprozess mit einbezogen, sondern wird dann auf einmal nur noch Handlanger. Ich verstehe es einfach nicht.
    Trotzdem muss ich an dieser Stelle doch noch betonen, dass ich meine Ausbildung an der FH Trier liebe. Der Studiengang gibt uns die Möglichkeit bei sehr gut Dozenten und Professoren, ohne großartige Starallüren oder Ähnlichem, eine sehr gute und solide Ausbildung zu machen und nach dem Bachelor, Diplom oder Master auch nicht mit leeren Händen dazustehen. Viele Absolventen werden danach von Agenturen mit Kusshand genommen, weil sie ihr Handwerk richtig gelernt haben. Schade, dass das nur die Hochschulleitung nicht versteht und denkt, wir machen einfach nur bunt und schön.
    Ich werde mich nächste Woche mal länger mit meinem Professor über die ganze Situation sprechen und gegebenfalls auch in der Fachrichtungssitzung das ganze ansprechen. So wie das jetzt abläuft, ist es jedenfalls ein Unding.

    Sascha Timplan
    Diplomand an der FH Trier (Kommunikationsdesign)

  8. Danke für die ausführlichen, lesenswerten Antworten und Danke für das Interview (und den Auftakt und das am-Ball-bleiben), Achim.

    Kurze Ergänzung: der Vergütungstarifvertrag der AGD sieht aktuell 78 Euro pro Stunde für Kreativleistung vor, exklusive (also noch ohne) Einräumung der Nutzungsrechte. Die Nutzungsrechtseinräumung wird dem Nutzungsumfang des Kunden an-gemessen (im Wortsinn).

    Internette Grüße aus der AGD Geschäftsstelle
    Friederike

  9. @ Vroni, #3:
    du schreibst: »Es wäre Sache der Verbände gewesen, da früh eine Richtung reinzukriegen.«

    Ich frage: In welchem Verband bist du? Welchem Verband gibst du deine Stimme? Die Verbände sind nur so stark wie die Designer, die den Verbänden ihre Stimme geben.
    Ein Beispiel: Unter Metallarbeitern ist der Organisationsgrad bei etwa 26,8 % und gerade wurden deutliche fairere Bedingungen für Leiharbeiter und Sonderzahlungen vereinbart. Bei Kommunikationsdesignern ist der Organisationsgrad unter 5%. Das Ergebnis diskutieren wir gerade: es heißt Crowdsourcing.

    Du hast vollkommen Recht: jeder einzelne Designer kann gar nicht so viel Lobby-Arbeit leisten, wie es nötig wäre. Aber ein Verband, der die Kommunikationsdesigner vertritt, kann das.

    Habe ich erwähnt, dass wir offen für interessierte Köpfe sind, die die Designlandschaft mitgestalten wollen? Einfach eine Email an info@bdg-designer.de schreiben und loslegen.

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