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Das Spezialeinsatzkommando des Königreiches Sachsen

Spezialeinsatzkommando Königreich Sachsen

Eine Stickerei auf den Sitzen des neuen Spezialfahrzeuges der Polizei Sachsen sorgt seit dem Wochenende für Aufregung. Zahlreiche User auf Twitter und Facebook assoziieren mit der Stickerei Abzeichen, wie sie im Dritten Reich von den Nazis verwendet wurden. Einmal mehr wird klar: Zeichen erzählen Geschichten und sind weit mehr als bloße Dekoration. Ein Kommentar.

Die Geschichte ist schnell erzählt. Kurz nach der Präsentation des neuen Spezialeinsatzkommando-Panzerwagens sieht sich die sächsische Polizei der Kritik von Seiten der Netz-Community ausgesetzt. Aufgrund der Formgebung und der verwendeten Schriftart weckt das Logo des Spezialeinsatzkommandos Sachsen bei vielen Betrachtern Assoziationen zum Dritten Reich. Die Polizei Sachsen weist die Vorwürfe, mit dem Logo solle Nähe zum Nationalsozialismus gezeigt werden, entschieden zurück.

Es geht um dieses Spezialfahrzeug:

Und so sieht die Stickerei auf den Sitzen aus:

Für viele User ist klar, dass hier eine Art Nazi-Symbolik zur Anwendung kommt. Viele andere Menschen hingegen sehen in der Darstellung keinerlei Problem. Wer gezielt danach Ausschau halte, so ihre Gegenkritik, könne in allem und jedem Nazi-Symbole erkennen. Ein häufig vorgebrachter Einwand, der im Grunde jeglicher differenzierten Betrachtungsweise den Nährboden entzieht. Wer in einem solchen Zeichen Nazi-Symbolik erkenne, so ein weiterer ziemlich plumper Einwand, solle sich mal Gedanken hinsichtlich der eigenen Gesinnung machen. Um den geschichtlichen Bezug herleiten zu können, muss man sich zunächst einmal mit der Geschichte befasst haben. Tut man dies, wird man recht schnell zu der Erkenntnis gelangen, dass bestimmte Symbole, Zeichen und Anmutungen fest mit geschichtlichen Ereignissen verknüpft sind und somit bestimmte Assoziationen wecken. Assoziationen, aufgrund derer kürzlich auch der kirchliche Radiosender Domradio in die Kritik geraten ist.

Von der Polizei Sachsen heißt es zur Entstehungsgeschichte des Stickerei-Emblems, es sei im Rahmen des Aufbaus des SEK Sachsen von der Polizei Baden-Württemberg übernommen worden. Das verwendete Emblem sei seit Gründung des SEK Sachsen im Jahr 1991 unverändert. Gleichwohl gab man zu, die Vorlage entspräche nicht dem Markenhandbuch. Man werde die aktuelle öffentliche Diskussion zum Anlass nehmen, die Verwendung des Logos in dieser Form kritisch zu prüfen. Gut so. Kritische Fragen und Einwände wurden und werden von einem, so mein Eindruck, engagierten Social-Media-Manager bereitwillig beantwortet. Auch das ist lobenswert.

Dass das Emblem seit Jahren unverändert sei, ist allerdings de facto falsch, wie sich beispielsweise anhand einer SEK-Vorführung (Link wurde entfernt) im Jahre 2011 leicht überprüfen lässt, wo auf den Uniformen der SEK-Beamten ein anderes Logo zu sehen ist. Es handelt sich hierbei um das folgende Abzeichen:

Polizei Sachsen SEK Emblem

Wenn das oben abgebildete Abzeichen auf den Uniformen der SEK-Beamten prangt, warum dann nicht auch auf den Sitzpolstern des Fahrzeugs? Denn man fragt sich schon, wie es zu solch einem gestickten Sonderlogo samt gebrochener Schrift kommen konnte, auch weil es keinerlei Verbindung zum sonstigen Erscheinungsbild der Polizei Sachsen aufweist. Gestalterische Freiheit? Gerade hier dürfte es diese nicht geben.

Was die Frage aufwirft, wie denn ein Markenhandbuch-konformes Signet eigentlich aussehen müsste/könnte. Folgt man den Gestaltungsvorgaben zum Erscheinungsbild des Freistaates Sachsen (siehe CD-Manual-Sammlung), sähe das in etwa so aus:

Polizei Sachsen SEK (Logoentwurf)
Polizei Sachsen SEK (freier Logoentwurf)

Das sieht freilich weniger schmissig aus als das selbst ersonnene Stickerei-Emblem, das heroisch wirkt und aufgrund der verwendeten Insignien (Lorbeerkranz, Löwen, Krone und Adlerschwingen) Siegesgewissheit signalisiert. Bei der hierbei im Schriftzug verwendeten Schrift handelt es sich übrigens um die Old English, einer vom britischen Schriftgestalter William Caslon bereits 1760 gezeichneten Schrift. Sie zählt zu der Gruppe der gebrochenen Schriften. Die Nationalsozialisten hatten in ihrer Schriftpolitik gebrochene Schriften zunächst zur „Normalschrift“ erklärt, um schließlich 1941 die Abkehr von der von den Nazis als „Judenschrift“ titulierten Schwabacher – in Verkehrung der tatsächlichen Entwicklung dieser Schrift – zu vollziehen. Auf gebrochene Schriften folgte die Antiqua-Schrift. Gebrochenen Schriften als Nazi-Schriften zu bezeichnen, ist, da diese seit dem Mittelalter verwendet werden, falsch. Richtig ist, dass die Nationalsozialisten mit gebrochenen Schriften ihre Propaganda betrieben haben. Dieser Eindruck hat sich in den Köpfen der Menschen, über Generationen hinweg, eingeprägt.

Mit diesem Erbe gilt es als Gestalter verantwortungsvoll umzugehen, was keineswegs heißt, man dürfe oder solle keine gebrochenen Schriften verwenden. Wenn eine urige Gaststätte im Erzgebirge – oder im Schwarzwald – eine gebrochene Schrift auf dem Schild nutzt, um damit möglicherweise eine traditionelle Gastronomie zu betonen, ist das etwas völlig anderes als wenn eine solche Schrift als Erkennungszeichen einer staatlichen Einrichtung fungiert. Zumal, wie die Verantwortlichen auf Seiten der Polizei eingestanden haben, die Gestaltung losgelöst vom sonstigen Erscheinungsbild des Freistaates Sachsen ist. Würde sich der Freistaat Sachsen eine Fraktur als Hausschrift zulegen, um damit Broschüren und Dokumente auszustatten, gäbe es ganz sicherlich großen Protest. Insofern ist auch in diesem Fall, da sich das SEK der Polizei damit schmückt, der Protest verständlich und, wie ich meine, berechtigt.

Dass es sich bei diesem Stickerei-Emblem um ein höchst fragwürdiges Zeichen handelt, lässt sich an einem weiteren Merkmal erkennen: denn anstelle des offiziellen Landeswappens Sachsen ist in der Stickerei das Wappen des Königreiches Sachsen dargestellt, was den Eindruck vermittelt, man nehme es bei der Polizei Sachsen mit geschichtlichen Zusammenhängen eben nicht so genau. Ein Vorwurf, der vor dem Hintergrund einer seit Jahren immer stärker geführten Rechtsradikalismusdebatte in Sachsen besonders schwer wiegt. Wer in dem Stickerei-Emblem nur den dekorativen Charakter nicht aber die symbolische Bedeutung erkennt, sollte noch einmal genauer hinsehen*. Insofern war die Polizei Sachsen gut beraten, das Thema nicht zu bagatellisieren. Nun sollte man handeln und das Fahrzeug zur Revision zum Hersteller Rheinmetall schicken.

* Als Anregung hierzu sei das Buch Das Erscheinungsbild der Nationalsozialisten von Andreas Koop genannt.

Update 18:36: Vor wenigen Minuten meldet das LKA Sachsen:

Dieser Beitrag hat 77 Kommentare

  1. “Das Landeskriminalamt beauftragte die Sitzbestickung in Folge einer Offerte des Her-
    stellers. Dem Auftraggeber wurde ein Tätigkeits-/Zugehörigkeitsabzeichen des sächsi-
    schen Spezialeinsatzkommandos als Vorlage für die Gestaltung der Sitzbestickung zur
    Verfügung gestellt.”

    Stellungnahme des sächsischen Staatsministeriums des Inneren auf die Kleine Anfrage im Landtag: https://kleineanfragen.de/sachsen/6/11568-polizeipanzer-survivor-r-bestellung-auslieferung-ausstattung-einsatzbestimmung

  2. Anscheinend befinden wir uns in einer Zeit, wo überall Nazis gewittert werden und sei es bei einer Schriftform, die lange vor den Nazis entstanden ist und von den Nazis verboten wurde. Wie
    kürzlich von der ZDF-Journalistin Nicole Diekmann zu erfahren war, ist ohnehin jeder ein Nazi der nicht GRÜN wählt. Also was soll’s?

  3. Die deutsche Frakturschrift ist K E I N E Nazischrift! Diese wurde durch Hitlers Sekrätär sogar 1941 verboten. Es wurde von 1941 ab in der Schule diese Schrift nicht mehr gelehrt.
    Die Druckereien hatten aber alle noch diese Schriften im”Kasten”(Setzkasten).
    Schlimm ist, daß die Regeln der “S”schreibung nicht beherrscht werden. Auch bei der Stickerei auf den Sitzen. Es gibt drei verschiedene “S”: Das s(auch langes s), das Schluß “s” und das “ß”.
    Im Wort oder am Anfang des Wortes wird immer das(lange)s verwendet. Nur am Schluß eines Wortes, auch bei zusammengesetzten Worten, wird das (runde)s verwendet.
    Wenn schon dann richtig!!!!!
    Schade, das die Deutschen ihre Schrift nicht mehr beherrschen!
    Übrigens wurde das Manifest von Karl Marx in London auch in Fraktur gesetzt veröffentlicht.

Kommentare sind geschlossen.

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