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Das Design von Braun – zwischen SK 4 und cruZer

Braun Design, Bildqquelle: Braun, Bildmontage: dt

Vergangene Woche bin ich zu Gast gewesen bei Braun in Schwalbach/Taunus, genauer gesagt bei Procter & Gamble. Die Veranstaltung lief unter dem Namen „Braun GestaltungsRaum“ und war ein schöner Rahmen, um sich mit Verantwortlichen über die Philosophie, die Produkte, die Technik und das Design von Braun auszutauschen. Bevor ich meine Eindrücke hierzu wiedergebe, kurz ein paar Sätze zur Braun-Historie vorweg.

Viele wissen, die Braun GmbH wurde 1921 von Max Braun gegründet und bereits 1967 vom US-amerikanischen Unternehmen The Gillette Company übernommen, das wiederum seit 2005 zum US-Konzern Procter & Gamble gehört. Die bekanntesten Marken im Portfolio von P&G sind hierzulande vielleicht Wella, Oral-B, Head & Shoulders, Ariel, Duracell und eben Braun. Die Marke Braun ist also seit mehr als vierzig Jahren eingebettet in einen US-Konzern.

Braun hat einen festen Platz in der Industrie- wie auch in der Designgeschichte. Nachdem Firmengründer Max Braun 1951 überraschend verstarb, übernahmen seine Söhne Erwin und Artur die Führung des Unternehmens, das zu dieser Zeit bereits über 800 Mitarbeiter hatte. Als Erwin Braun 1955 den Kontakt zur Ulmer Hochschule für Gestaltung aufnahm, stellte er die Weichen für eine der spannendsten Designprozesse im Nachkriegsdeutschland. Braun-Designer, allen voran Dieter Rams, haben maßgeblich das, was gemeinhin als „typisch deutsches Design“ bezeichnet wird, geprägt.

Die im Bauhaus entwickelten Gestaltungsprinzipien, darunter Form Follows Function, wurden von Braun-Designern zu Zeiten des Wirtschaftswunders weiter verfolgt, die Reduktion auf das Wesentliche war ihnen dabei das bestimmende Leitmotiv, das bestätigte mir auch Braun-Designer Markus Orthey im Gespräch. „Weniger, aber besser“ lautet eine ursprünglich von Dieter Rams ausgegebene Devise, die, so Orthey, auch heute noch von dem von Oliver Grabes geleiteten Designteam beherzigt wird. Nicht wenige Braun-Produkte gelten als Designikonen, darunter etwa das Taschenradio T3 (1958, Dieter Rams) oder die Phonotruhe SK 4 (1956, Hans Gugelot, Dieter Rams), die wegen ihrer Plexiglasabdeckung und Außenform im Volksmund den Beinamen „Schneewittchensarg“ verpasst bekommen hat.

Der Blick auf das aktuelle Sortiment der Marke Braun zeigt gleichwohl, dass ein puristischer Ansatz nicht immer durchgehalten wurde und wird. Den veränderten wirtschaftlichen Verhältnissen und der Ausrichtung unter anderem auf den asiatischen Markt ist geschuldet, dass Braun-Produkte optisch nicht mehr durchgehend als minimalistisch bezeichnet werden können, schon eine ganze Weile nicht mehr. Dieter Rams war stets strikt gegen jeden verspielten und „stylischen“ Ansatz. Nicht wenige Braun-Produkte aus der jüngeren Vergangenheit verkörpern jedoch eine solche Attitude, die auch von Chrom-Elementen und poppigen Farben getragen wird. Ein bisschen Gelsenkirchener Barock (üppig, schwungvoll und verschnörkelt), von dem sich seinerzeit Bauhäusler und später Rams in ihren Arbeiten gezielt distanzierten, steckt heute wieder in so manch einem Braun-Produkt, wenn auch diese nicht mehr, wie Mitte der Fünfziger üblich, aus Holz, sondern mehrheitlich aus synthetischen Stoffen bestehen.

Dieser Beitrag hat 27 Kommentare

  1. Ich finde es erstaunlich zu sehen, dass Braun den Mehrwert klassischer reduzierter Gestaltung (in Verbindung mit einem guten Produkt) anscheinend nicht ganz versteht. Aktuelle Braun-Produkte sind absolut nicht vergleichbar mit ihren legendären Vorgänger.

    Wie man es richtig macht zeigen z.B. Loewe, Bang&Olufsen, Harman/Kardon und Gaggenau. Gestalterisch ist Braun längst nicht mehr richtungsweisend. Die Marke ist für mich kurz vor tot. Dabei würden sich (nicht nur) deutsche Gestalter 2D und 3D darum prügeln die Marke wieder zurück zu ihren Wurzeln zu führen.

  2. Die Herzlosigkeit der aktuellen Produkte wird nochmal unterstrichen durch das herzlose Marketing.
    So ist die neue Uhrenserie zwar stellenweise tatsächlich zeitlos, jedoch verzichtet Braun auf jegliches Marketing. Wer von den Uhren nichts weiß, wird diese auch nicht finden. Es wird mit keinen Namen, keinen Emotionen geworben.
    Entsprechend gering ist dann auch der Bezug zu den Produkten.

    Eine Retro-Serie wäre aus der Sicht der Liebhaber und Kunden zwar ganz gut, wäre aber ein Zugeständnis bzw. Armutszeugnis den aktuellen Produkten gegenüber.

  3. @Max: Es gibt eine neue Uhrenserie von Braun? Also, ich kenne sie nicht.

    Zum Thema Retro-Serie: nein, das will ja keiner. Wenn Du damit meinst, sich an die klassische Designphilosophie zu erinnern und neue Produkte in einem zeitlosen, wiedererkennabren Stil neu herauszubringen: Das ist sicher kein “Retro”!

  4. Ich habe einige Geräte von Braun zuhause, von damals (Entsafter, Wecker, Radio) und heute (Mixer, Fön, Rasierer) – es geht nicht nur um die optische Anmutung, das hat Rams ja auch immer wieder betont: Sondern er wollte auch eine Haptik, die sich wertig anfühlt. Ganz zu schweigen von der Funktion, bei der der “cruZ3r” (allein diese Modellbezeichnung ein Graus) dermaßen gegenüber meinem Remington abstinkt, dass ich ihn nach kurzer Zeit wieder verkaufte. Die Optik soll ja gem. Rams nur die Reduktion auf Wertigkeit und Funktion unterstreichen – nicht wegretouchieren…

  5. Was hat „braun“ heute noch mit „braun“ früher gemein? Mir kommt es so vor, als wäre es nur noch ein Label, das man auf Geräte von sonstwoher klebt (so wie es z.B. auch AEG ergangen ist). Die technische Qualität kann ich nicht beurteilen – die Gestaltung ist nur noch mittelmäßig und beliebig.

    Die Uhren sind sicherlich ein guter Ansatz, aber, wie schon ein Vorredner bemerkte: man findet sie überhaupt nicht, wenn man nicht aktiv danach sucht (oder das designtagebuch liest). Die Präsentation ist auch merkwürdig: so lese ich zur bn106, dass sie ein „Ven_10.1 digital module“ und das „ EasySkroll® V2.0 operating system“ habe. Nach den Funktionen (Wecker, Stoppuhr etc.) sucht man dagegen vergeblich.

    Der Preis ist auch ziemlich hoch (verglichen z.B. mit der junghans mega).

  6. Ich bin auch der Meinung, dass Braun sich selbst keinen Gefallen tut, die schöne und klare Formensprache der vergangenen Jahrzehnte so zu vernachlässigen.
    Klar ändert sich der Geschmack im Laufe der Jahre, aber wenn man mal genauer hinschaut, bekomme ich das Gefühl das schlichtes, funktionelles Design noch immer eine besondere gar wertige Aura umschwebt.

    Bunt und verspielt (siehe cruzer) setze ich persönlich leider irgendwie insgeheim immer mit “günstig / billig” in Verbindung. Und es kommt in die selbe Schublade wie der ganze sogenante “China BlingBling Gagdet Kram”.

    Wie auch Michael schon sagte zeichnen sich doch grade die sogenannten Premiumhersteller (B&O, Harman Kardon, Poggenpohl etc.) durch schlichtes Design aus, was der Kunde dann auch direkt mit einer gewissen Wertigkeit verbindet.
    Kein Mensch sieht zum Beispiel ein BeoVision 7 und rechnet mit unterirdischer Qualität und “Günstig Schrott”.

    Daher denke ich, dass sich eine Marke als erstes überlegen sollte, wo sie in der Kundenwahrnehmung stehen will und erst dann das Wort an die Designabteilungen weiterreichen sollte.

  7. Wenn ich an das Design von Braun denke, erwische ich mich immer wieder, dass ich an die früheren Produkte denke. Klares Design, angepasst an die wichtigsten Funktionen. Heute verlieren die Produkte immer mehr an Charme und gehen in der Masse unter.
    Funktionalismus spielt schon lange eine wichtige Rolle, doch trotzdem sollte die Ästhetik nicht verloren gehen.

  8. Das Design von Braun begeistert mich schon mein Leben lang.
    Ich glaube von Dieter Rams stammt der Leitsatz für das Braun-Design: Form follows Function. Eine geniale Idee die bis heute umgesetzt wird.

    Das Buch würde ich sehr gerne gewinnen. Dann kann ich mir an den Bilder die Nase platt drücken und mir meine Zukunftsträume anschauen. Denn ich möchte mir irgendwann mal eine alte Braun Stereoanlage kaufen.

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