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Das Design von Braun – zwischen SK 4 und cruZer

Braun Design, Bildqquelle: Braun, Bildmontage: dt

Braun Marke

Auch in Bezug auf die Sprache findet sich Braun heute im Zeitgeist wieder. Während frühere Braun-Produkte bewusst technische Bezeichnungen wie „T 1000“ und „KM3/32″ hatten, trifft man heute in einschlägigen Onlineshops auf „Silk-épil“ und „cruZer“. Wieviel Premium-Marke, als die sich Braun gerne verstanden wissen möchte, und wieviel deutsche Ingenieurskunst mögen in solch einem Produkt noch stecken?

Jonathan Ive, verantwortlicher Produktdesigner bei Apple, ist bekennender Braun- bzw. Rams-Fan. Zahlreiche von Ive gestaltete Produkte basieren auf der Formensprache, die zwischen 1950 und 1970 in Deutschland bei Braun entwickelt wurde (siehe: 1960s Braun Products Hold the Secrets to Apple–â„¢s Future). Am signifikantesten empfinde ich hierbei die Ähnlichkeit des Braun T 1000 mit der Power-Mac-G5-Modellreihe (Ansicht). Ob Gehäuseform, seitliche Klappe oder perforierte Aluminiumverkleidung – alle Merkmale finden sich auch im Apple-Produkt wieder. Ob Ive in seinen Arbeiten Braun-Produkte lediglich zitiert oder ob er sie kopiert, ist eine in der Designszene gern geführte Debatte. Meiner Meinung nach interpretiert er sie, um daraus etwas Neues zu schaffen. Es schmeichelt sicherlich der Marke Braun und mehrt das Ansehen von Dieter Rams, nur profitieren kann Braun nicht von dem Umstand, dass Apple, als derzeit vielleicht angesagteste Lifestyle- und Computermarke, Braun-Produkte ausführlichst zitiert. Kein Mensch kauft ein aktuelles Haartrockner-Modell von Braun deshalb, weil etwa der erste iPod starke Ähnlichkeiten mit dem Taschenradio T3 aufweist. Seit Gillette Anfang der Neunziger entschied, den Bereich Unterhaltungselektronik komplett einzustellen – die letzten Hifi-Geräte wurden am 31. März 1991 verkauft –, fehlt es der Marke an „emotionaler Anziehungskraft“, um für „Sexiness“ eine deutschsprachige Entsprechung zu verwenden. Produkte von Braun braucht man, die von Apple, Samsung und anderen will man.

Die Neueinführung des Uhren-Segments (Braun Clocks) könnte ein erster Schritt sein, um zum Teil verloren gegangenes Markenerlebnis und Markenauthentizität ein Stück weit zurückzugewinnen. Visuell knüpft das minimalistische Design der Uhren wieder an früheren Ausdrucksformen an. Auch in anderen Segmenten gewinnt in letzter Zeit die Formensprache an Ausdruck, was sich sogleich in Auszeichnungen niederschlägt. In diesem Jahr erhielt unter anderem der Multiquick Entsafter einen IF Design Award. Zwar kommt das Design der Uhren und letztgenanntem Entsafter aus Deutschland, die Produktion jedoch erfolgt in Großbritannien (Zeon) beziehungsweise zukünftig in Italien jeweils durch Lizenznehmer. Erst vor wenigen Tagen gab P&G bekannt, die Haushaltsgerätesparte an De’Longhi abzutreten (siehe Pressemeldung). Eine Zäsur, vergleichbar mit der Einstellung der Unterhaltungssparte Anfang der Neunziger. Die Marke selbst bleibt wohlgemerkt Eigen­tum von P&G.

Braun Gestaltungsraum

Abb. Braun GestaltungsRaum, Schwalbach

Zukünftig werden also noch weniger Braun-Produkte „Made in Germany“ sein. Das Design bleibt allerdings in fester Hand der Braun-Designer in Kronberg, die sich vor dem Hintergrund jüngster Lizenzvergaben zunehmend in der Verantwortung sehen, das Erbe von Braun zu bewahren. Gerade das Prädikat „Made in Germany“ ist ein ganz wesentliches Elemente in Bezug auf das Markenversprechen für eine Marke wie Braun. Wer ein Braun-Produkt kauft, kauft es aus dem Wunsch heraus, deutsche Wertarbeit zu erwerben. Dieses Kaufargument greift bei deutschen, amerikanischen oder asiatischen Konsumenten gleichermaßen. Werden sich Braun-Kunden damit anfreunden, dass immer weniger Produkte in Deutschland hergestellt werden?

Auch wenn die Designabteilung nach wie vor ihren Sitz in Kronberg in Deutschland hat, Werbemaßnahmen werden europaweit von der P&G -Marketing-Abteilung von Genf aus zentral gesteuert. Die Verantwortlichen dort pflegen zum Teil eigene Vorstellungen in Bezug auf den Markenauftritt von Braun, wie man hört. Das Corporate Design hingegen bietet weniger Reibungspunkte und wird ebenfalls von Kronberg aus gesteuert. Eingebettet im Portfolio von P&G – um nicht zu sagen versteckt –, ist die Außenwahrnehmung der Marke Braun, so jedenfalls mein Eindruck, im Vergleich zum Mitbewerb wie etwa Philipps nicht sonderlich groß. Abgesehen vom Bereich der Trockenrasierer tritt Braun recht wenig als Premium-Marke in Erscheinung, was angesichts der aktuellen Produktpalette, die schwerpunktmäßig Haarentfernung und Körperpflege als Anwendungsbereiche kennt, auch nachvollziehbar, Stichwort Nasenhaarentferner.

Im Bereich Scherfolienrasierer, elektrischen Mundpflegegeräten und Scan-Thermometern ist Braun Weltmarktführer. Was der Marke fehlt und was man sich als Designliebhaber wünschte, sind Produkte mit denen Braun tatsächlich auch als Premiumanbieter zur Geltung kommt. Uhren sind da ein guter Anfang. Produkte, zu denen man einen emotionalen Bezug herstellen kann, verändern auch die Wahrnehmung in Bezug auf die Marke insgesamt. Ein Top-Produkt mit minimalistischem Design, zuverlässiger Technik, bei dem Nachhaltigkeit ein Thema ist, das zu einem Großteil in Deutschland produziert wird und das man unbedingt haben will, stünde der Marke gut zu Gesicht.

Es macht keinen Sinn, die guten alten Zeiten heraufzubeschwören. Angetrieben vom Wunsch, immer neue Innovationen auf den Markt zu bringen – diese Leidenschaft vermittelte mir gegenüber jedenfalls Braun-Entwickler Jürgen Höser –, wird sich die Marke Braun auch zukünftig weiter entwickeln. Neben der Erschließung weltweiter Märkte gilt es vor allem auch, die Marke für jüngere Käuferschichten zu öffnen. Braun bewegt sich dabei im Spannungsfeld zwischen anbiedern und glaubwürdig bleiben. Ein Drahtseilakt. Auch hinsichtlich des Designs sind Veränderungen sichtbar, wie etwa die Modifizierung des CruZer zeigt, der nach anfänglicher Ultramarin-Glossy-Optik sich farblich und in der Oberflächenanmutung wieder etwas zurück nimmt. Es wird spannend sein, zu verfolgen, wohin die Marke Braun steuert, strategisch, produkttechnisch und vor allem in Bezug auf das Design.

Unter allen dt-Lesern, die bis zum 7. Mai einen konstruktiven Kommentar an diesen Artikel heften, verlose ich das Buch „Braun: 50 Jahre Produktinnovationen (Ansicht)“, welches mir freundlicherweise vor Ort überreicht wurde, von dem ich jedoch schon ein Exemplar im Regal stehen habe.

Dieser Beitrag hat 27 Kommentare

  1. Apropos Procter & Gamble:
    BRAUN ist für P&G ja nur ein kleiner Fisch. Dabei ist es schon verwunderlich, dass BRAUN wohl einer der wenigen (oder vielleicht die einzige?) technischen Marken ist, die unter einer der marktherrschenden Weltkonzerne firmiert. Oder irre ich mich da?

  2. ************************************

    Von den 22 Kommentaren haben letztlich 19 an der Verlosung teilgenommen (2 x gleicher Absender und 1 x von mir). Der Zahlengenerator hat soeben die Zufallszahl 18 ausgespuckt, die in einer separaten, nummerierten Liste dem folgenden Namen zugeordnet werden konnte:

    Nils L.

    Herzlichen Glückwunsch Nils! Wünsche Dir viel Spaß mit dem Buch, in dem ich auch gerne immer wieder einmal blättere.

    Allen Anderen: Herzlichen Dank fürs Mitmachen.

    Hier noch der Screenshot der Verlosung:

    ************************************

  3. Wirklich schade um das alte Braun Design, besonders die atelier Anlage war ein echter Traum, nicht nur optisch, sondern auch in Sachen Haptik. Ich erinnere mich noch, wie zu Jugendzeiten ein Kumpel beim Herausfahren des Cassettendecks meiner Eltern meinte: “Das ist ja wie aus Stein!”;-)

  4. Seit Björn Kling bei Braun den Asia-Stil eingeführt hat (cruZer), habe ich konsequent die verbliebenen Rams-/Lubs-Designs aufgekauft (Und bin glücklich damit). Denn die geschwungenen Formen mit Chromwelle waren klar der Anfang von Ende. Zumindest das Ende der hohen Gestaltungsqualität.

Kommentare sind geschlossen.

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