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Das Adidas-Marken-Universum

Früher war alles ganz einfach. Das einzige Erkennungszeichen der Marke Adidas waren drei Streifen. Die drei Streifen, von Firmengründer und Namenspate Adi Dassler im fränkischen Herzogenaurach erdacht, zierten erstmals 1949 Schuhe der Marke. Im gleichen Jahr wurde adidas als Firmenname eingeführt, offiziell lautete dieser zunächst noch Adolf Dassler adidas Sportschuhfabrik. Es dauerte fast zwanzig Jahre bis im Jahr 1967 erstmals auch Kleidung mit den für die Marke so charakteristischen drei Streifen ausgezeichnet wurden.

Aus der „Marke mit den drei Streifen“, wie es in einem ersten Werbeslogan hieß, die einzig und allein an eben diesen drei Streifen zu erkennen gewesen ist, ist mittlerweile eine Markenuniversum entstanden, das dank Produktsegmentierung und wechselnder Unternehmens- und Markenstrategien eine Vielzahl von Adidas-Logos hervorgebracht hat. Für den derzeitigen wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens bezahlt Adidas einen hohen Preis, den der Markenverwässerung.

Wofür steht die Marke Adidas?

1954 oder auch 1974 konnte man diese Frage noch relativ einfach beantworten: für sportliche Leidenschaft und absoluten Siegeswillen. Fritz Walter, Franz Beckenbauer und andere Fußballspieler verkörperten, ohne dass es eines offiziellen Werbevertrags bedurft hätte, den idealen Markenbotschafter. Das Tragen der Stollenschuhe und später der Trainingsanzüge war Werbung genug. Der Erfolg deutscher Fußballspieler und -Mannschaften verhalf Adidas zu einer Sportmarke von größtmöglicher Attraktivität.

Aber wofür steht die Marke Adidas heute? Fränkische Präzisionstechnik? Sportlichkeit? Erfolg? Outdoor? (Life)Style? Mode? Laufsteg? Vermutlich wird die Frage Jeder anders beantworten. Das liegt schon allein daran, dass es DIE Marke Adidas nicht mehr gibt. Und genau das ist das Problem. Werbetechnisch wie strategisch ist Adidas heute breit gefächert und irgendwo zwischen Lionel Messi und Justin Bieber aufgestellt. Die Deutsche Fußballnationalmannschaft wird ebenso ausgestattet und eingekleidet wie weltweit Millionen von Teens, die mit Sport nur bedingt etwas am Hut haben. Das Unternehmen Adidas vollzieht diesen Spagat, in dem es Produkte für höchst unterschiedliche Zielgruppen anbietet und seinen Markenauftritt bedarfsorientiert anpasst, den Verlust der ursprünglichen Markenidentität bei jeder Einführung einer neuen Submarke dabei stets in Kauf nehmend.

Der Wert der Marke Adidas

Der Erfolg scheint der Marke recht zu geben. Adidas strebt für das laufende Geschäftsjahr einen Rekordumsatz von 14.5 Milliarden Euro an, womit es um etwa 10 Milliarden Euro hinter Nike zurück liegt, dafür aber weit vor Puma Platz 2 in der Rangliste der größten Sportartikelhersteller behauptet. Der Wert der Aktie hat sich in den letzten Jahren mehr als verdoppelt. Kürzlich wurde Adidas mit der Auszeichnung „Best Brands 2013“ bedacht, und zwar in der erstmals ausgelobten Sonderkategorie „beste Sportmarke“. Vorstandschef Herbert Hainer, der diesen Posten bei Adidas seit 2001 inne hat und somit für den Wandeln von der reinen Sportmarke hin zur Sport- und Mode- respektive Lifestyle-Marke verantwortlich ist, wurde 2010 von Wirtschaftsmagazinen zum Manager des Jahres gewählt. Auch wenn Adidas in absehbarer Zeit nicht Nummer Eins der Sportartikelindustrie werden wird, dafür macht Nike nach wie vor zu viel richtig, der Karren läuft wie geschmiert.

Der rein wirtschaftliche Erfolg hat in Bezug auf den Wert und die Qualität einer Marke nur eine begrenzte Aussagekraft, ebenso wenig sagt er etwas über das Unternehmen aus, seinen Mitarbeitern, seiner Kultur. Der Versandhändler Amazon, derzeit unter anderem wegen seines Umgangs mit Leiharbeitern stark in der Kritik, erhielt die Best-Brands-Auszeichnung als „beste Unternehmensmarke“, vor Volkswagen und Audi. Wie wohl die 500 im Auftrag von Best Brands befragten „Entscheidern“ geurteilt hätten, wäre die entsprechende ARD-Dokumentation über Amazon VOR der Befragung auf Sendung gegangen. Wir werden es nicht erfahren. Was wir wissen, ist, dass sich Markenwert nicht allein am Aktienkurs ausmachen lässt.

Über den Umstand, dass Auszeichnungen und Preise zunehmend einzig der Legitimation dienen, wurde hier im dt in Beiträgen und Kommentaren bereits einiges geschrieben. Was für die Kreativbranche gilt, betrifft auch viele andere Wirtschaftsbereiche. Auszeichnungen können im besten Fall Ansporn und Motivator sein. Die Gewissheit, alles richtig gemacht zu haben beziehungsweise generell alles richtig zu machen, geben sie einem nicht. Wer sich auf dem Erfolg ausruht, wird von Anderen überholt, so ist es Nokia, Blackberry und Sony ergangen. Auch bei PUMA, der von einigen Jahren von allen Seiten stürmisch gefeierten Marke, ist der Gewinn in jüngster Zeit massiv eingebrochen, nicht das erste Mal. Adidas, so stelle ich fest, macht zumindest in Bezug auf seinen Markenauftritt keinesfalls alles richtig.

Kein Durchblick in der Flut der Markenzeichen

Zur Wahrheit der Marke Adidas gehört, dass es heutzutage über so viele Markenzeichen verfügt wie nie zuvor. Hand aufs Herz. Wer weiß genau, welche Produkte das Label Performance tragen oder welche Produkte mit Y-3 ausgezeichnet werden? Y-3 was bitte? Eben. Ich bin sicherlich nicht der einzige Besucher des Onlineshops, der über das Kürzel SLVR stolpert und damit ebenso wenig anzufangen weiß wie mit dem schrillgrünen NEO-Logo in der Anzeige, mit der offensichtlich eine junge Zielgruppe angesprochen werden soll. Hinter allem steckt die Marke Adidas, mal mehr und mal weniger offensichtlich.

In Sachen Anzahl der Submarken(logos) ist Adidas dem Mitbewerb insbesondere Nike und Puma längst enteilt. Sechzehn Adidas-Markenzeichen (aktuell genutzte wie veraltete) lassen sich benennen. Das sind fünfzehn mehr als Nike und Puma und die überwältigende Mehrheit aller Unternehmen und Marken ihr eigen nennen. Eine derartige Ansammlung von Logos für eine einzelne Marke sucht ihres gleichen. Statt in einer überkomplexen Welt Menschen Orientierung zu bieten, überschüttet Adidas den Markt mit seinen Logos und überfordert damit den Konsumenten. In den Fußballstadien prangt auf den Banden das 2006 eingeführte Markenlogo, auf den Trikots der Spieler das Performance-Logo und in genannten NEO-Anzeigen zwei weitere. Damit sollen Verbraucher klar kommen.

Auch der Branchenprimus Nike variiert im Zuge der Erschließung neuer Märkte sein Logo und zwar vielfach, aber niemals änderte Nike seit Bestehen des Unternehmens gegründet 1972 sein Markenzeichen, den „Swoosh“. Die meisten Menschen, sportbegeistert oder nicht, kennen das Nike-Markenzeichen, können es, ganz im Sinne von Kurt Weidemann, mit dem großen Zeh in den Sand zeichnen. Der Swoosh ist DIE Konstante im Markenauftritt von Nike. Im Fall von Adidas ist das Nachzeichnen so eine Sache, was zunächst einmal gar nicht in der Formensprache begründet liegt, sondern vielmehr an der Tatsache, dass es eben nicht mehr DAS Adidas-Markenzeichen gibt. Eine der weltweit wertvollsten und zweifellos angesehensten Marken ohne eindeutiges Markenzeichen, so stellt sich die Realität bei Adidas heute dar. Wie konnte es soweit kommen?

Dieser Beitrag hat 27 Kommentare

  1. :) ich mag die diskussion, weil sie ein grundsätzliches dilemma der markenstrategie behandelt. das zwischen markendehnung vs submarken-etablierung.

    @ achim – nur der vollständigkeit halber, ich wollte im kern zu nike vs adidas sagen, dass beide ihre (kern-)marke oder, wenn man so will, ihr kern-markenzeichen (swoosh vs drei streifen) variieren, wenn auch unterschiedlich stark. was eben auch daran liegt, dass ein swoosh weniger variiert werden kann (ohne wiedererkennbarkeit zu verlieren), als das simplere prinzip der drei streifen. ich würde übrigens davon absehen, das drei-blatt als kern-logo zu betrachten – sondern eben die drei streifen, die darin stecken…

    @ elvis – exakt so würde ich es auch beschreiben.

    denn – milka hatte in den neunzigern versucht, seine schoko-marke extrem weit zu dehnen (sprich, sie versuchten jede menge neue produkte unter “milka” zu vermarkten) und verlor daraufhin insgesamt an ertrag. die lehre daraus war, dass eine marke im verhältnis zu ihrem produktportfolio nur eine begrenzte gültigkeit behaupten kann. sie kann nicht beliebig viele produkte unter sich vereinen, ohne selbst zu verwässern.

    parallel dazu ist es aber ziel eines jeden unternehmens, stetig zu wachsen (ob das richtig ist, ist eine andere diskussion :) – wenn das aber nicht alles mit derselben marke zu machen ist, man aber gleichzeitig die kraft der hauptmarke soweit als möglich nutzen möchte, dann landet man mehr oder weniger zwangsläufig in einer submarken-strategie.

    letztlich ist die entscheidung, unter welcher marke ein neues produkt oder ein neuer produktbereich vermarktet werden sollte, abhängig von produkt-typ und -funktion, dessen nutzer- /käufergruppen, dem wettbewerb, der marktstruktur, den vertriebswegen, der markenhistorie… einer menge einflussfaktoren…

    oder kurz: ich glaube, so verkehrt ist die adidas-markenstrategie nicht – denn sie ermöglicht mehr markt-, produkt- und zielgruppen-spezifische positionierung und kommunikation…

  2. Danke Marcus, für Deinen Diskussionsanschub. Ich kann viele Deiner Ausführungen nachvollziehen und nehme in dem Austausch unterschiedlicher Standpunkte sehr viel mit. Wie unterschiedlich die Ansätze in der Diskussion sind, zeigt auch Deine Aussage, dass das Ziel eines jeden Unternehmens sei, stetig zu wachsen.

    Ich halte solch eine Zielsetzung – und das sage ich als jemand, der mit Wirtschaftslehre kaum Kontaktpunkte hat – generell für eine überholte Denkweise. Es liegt in der Natur der Sache, dass Unternehmen nicht endlos wachsen können. In der Tat ist das eine grundsätzliche Debatte. Ich bin, im Gegensatz zu Dir, der Ansicht, dass man sich realistische Ziele setzen sollte, Ziele, die man tatsächlich auch erreicht oder zumindest theoretisch erreichen kann. Ein immerwährendes Wachstum ist utopisch, zumindest in der Wirtschaft. Zurück zum Thema, das, wie Du treffend formulierst, gerade auch das Spannungsfeld zwischen Markendehnung vs Submarken-Etablierung einbezieht.

    Das Unternehmen hat sich dafür entschieden, wahrscheinlich auch auf Basis von Studien, Analysen und Befragungen, Submarken zu etablieren, die stets, mal mehr und mal weniger, die Hauptmarke durchscheinen lassen. Aus Sicht der Gestaltung/Werbung resultiert hieraus ein unglaublich komplexes und nur schwer durchschaubares Konstrukt unterschiedlichster Gestaltungsrichtlinien. Je komplexer es ist, desto anfälliger ist es für Fehler, etwa auch bei Fragen der Anwendung. Wer ausschließlich marktorientiert denkt, verkennt wohlmöglich derlei Probleme und Gefahren. Mit jeder neuen Submarke steigen zudem die Ausgaben für Werbung, Gestaltung und Marketing.

    Was den unterschiedlichen Adidas-Markenauftritten fehlt ist ihre Nachvollziehbarkeit, auffällig ist dies nicht nur anhand der Flut an Markenzeichen, sondern auch anhand der scheinbar willkürlichen Positionierung. Porsche und Style? McCartney und Performance? Umgekehrt erschiene es mir plausibler. Wenn Co-Branding einen Sinn ergeben soll, dann braucht es doch ein gewisses Maß an Nachvollziehbarkeit, weil sich ansonsten nicht erschließt, wofür in diesem Fall das Performance-Logo und wofür das Style-Logo stehen. Die Segmentierung ist fragwürdig. Vielleicht stimmen wir hierin ja sogar, lieber Marcus, überein.

  3. stimmt – je komplexer die markenstrategie, desto fehleranfälliger in der kommunikation. andererseits sind die strukturen so geregelt, dass es brand manager gibt, die sich nur um eine marke kümmern – und idealerweise jemanden drüber, der verhindert, dass alle kreuz und quer laufen.

    die übergreifende nachvollziehbarkeit muss aber vielleicht garnicht zu hundert prozent gewährleistet sein.

    das stella-mccartney-ding ist ein klassisches “by”-co-branding, ähnlich h&m mit viktor & rolf etc zu beobachten. beide marken profitieren voneinander.

    das neo-ding ist eine klassische erweiterte subbrand, ähnlich nike air – und immer auch mit dem adidas style logo versehen (über dessen gestalterische qualität man übrigens durchaus noch reden könnte).

    und das porsche-design-ding hängt (ohne dass ich das weiß…) sicher mit vertraglichen klauseln zusammen, die porsche design für die kooperation verlangt hat.

    beim drüber nachdenken kommt mir dennoch der “aufhänger” der subbmarken zu weit hergeholt, zu technisch gedacht vor. sprich: die submarken wie neo werden nicht nur an einer dachmarke, sondern wiederum an einer submarke aufgehängt (in dem fall das style-logo). das soll sicher eine erklärende funktion erfüllen, die sie aber in der abwägung wahrscheinlich nicht so gut erfüllt, wie die alternative lösung, neo an der eigentlichen dachmarke adidas aufzuhängen, für klarheit, wiedererkennbarkeit und stärke sorgt. insofern würde ich ihnen – stante pede – eher dazu raten, ihre bereichsmarken (style…) entweder näher an die kernmarke ranzuholen oder die submarken (neo…) an der kernmarke aufzuhängen.

    ich bin mir jedoch ziemlich sicher, dass sie das zuvor geprüft haben. spannend wäre zu wissen, warum sie sich jeweils für die existierenden lösungen entschieden haben… :)

  4. Danke für den vermutlich sehr interessanten Artikel. Leider habe ich bei den schwammigen Logoschwämmen aufgegeben. Könnte es sich vielleicht um eine Schwemme handeln, die ihres gleichen und nicht seines gleichen sucht?

  5. @marcus: deinen ansatz mit milka finde ich auch echt super! ich kann zwar die märkte in österreich und deutschland nicht mehr so genau trennen, aber milka versucht nach wie vor alles was nur irgendwie mit schokolade zu tun hat, zu vermarkten. also, dieser ansatz der vermeintlichen neunziger ist up to date …

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