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Das Adidas-Marken-Universum

Mit Einführung der „Drei Balken“ begann der Wildwuchs

Die Fülle an Adidas-Marken- und -Submarkenzeichen offenbart den Wildwuchs, der Anfang der 1990er Jahre mit Einführung der „Drei Balken“ einsetzte und von dem, man muss es bezeichnenderweise im Plural ausdrücken, die Markenauftritte von Adidas heute geprägt sind. Der Kontinuität auf Seiten der Führungsebene zum Trotz ist ein Adidas-Logo-Universum entstanden, das sich, ohne wie in diesem Artikel groß ausholen zu müssen, nur noch schwerlich erschließt.

Man stelle sich vor, das NIVEA-Logo existierte in 10 oder 15 verschiedenen Fassungen: eines für die klassische Creme-Serie, eines für die Babypflege-Serie, eines für Produkte für Männer und so weiter. Ebenso schwer vorstellbar ist, dass Mercedes nicht nur über einen Stern als Markenzeichen verfügte, sondern über weitere Zeichen und Bildmarken, mit denen etwa die Sparten Personenwagen, Transporter, LKW und Busse ausgezeichnet würden. Nike, ähnlich aufgestellt und in weiten Teilen über das gleiche Sortiment verfügend wie Adidas, besitzt natürlich ebenfalls nur EIN Markenzeichen.

Offensichtlich begreift man Markenführung bei der Adidas-Gruppe grundsätzlich anders, als in den meisten anderen Unternehmen, vielleicht auch begründet durch die wechselvolle Geschichte des Unternehmens. Horst Dassler, der Sohn des Firmengründers, verstand sich in seiner umtriebigen Art darin, immer neue Unternehmenszweige und Unternehmen zu gründen um so, weitestgehend losgelöst von Herzogenaurauch und begleitet vom Unverständnis seiner Eltern, ein marktbeherrschendes Imperium aufzubauen.

Geschichte scheint sich zu wiederholen, denn seit geraumer Zeit sind es nicht die Unternehmenszweige, sondern ist es die Marke selbst, die eine, wie es Peter Steinkirchner jüngst für WirtschaftsWoche bezeichnet, Zellteilung durchmacht. Die Teilung in immer weitere Submarken, mit denen die unterschiedlichen Zielgruppen bedient werden sollen, ist allerdings nur scheinbar der Schlüssel zum derzeitigen wirtschaftlichen Erfolg. Wie wäre wohl das Rennen Adidas gegen Nike ausgegangen, wenn Adidas all seine Produkte unter einem einzigen Markenzeichen, ganz wie sein US-Konkurrent, gebündelt hätte? Das Rad lässt sich nicht zurückdrehen. Die Markenstrategen bei Adidas, seit 2000 ist Erich Stamminger Markenchef, haben sich dazu entschieden, die Erschließung neuer Märkte mit der Vermehrung des Markenzeichens zu verquicken. Eine, wie ich finde, fragwürdige Entscheidung. Nur die Stadt Erfurt verfügt über noch mehr Logos als Adidas, was freilich ein noch undankbarerer 2. Platz ist, als der hinter Nike.

Mit „Trial and Error“ zum Erfolg?

Mit jeder weiteren Adidas-Submarke, die im Markt eingeführt wird, läuft Adidas Gefahr, seine ursprüngliche Identität zu verwässern. Nehmen wir das Beispiel NEO. Mit dem Label NEO möchte Adidas „modebewusste junge Menschen“ ansprechen. Teeniestars wie Justin Bieber und Selena Gomez sowie der Sänger CRO sollen als Markenbotschafter dem Label zur Attraktivität verhelfen (siehe Pressemeldung).

Die Herzogenauracher setzen bei NEO, wie auch bei den Submarken Y-3, SLVR und Porsche Design Sport, auf das Prinzip, mittels unterschiedlichem Markenauftritt die jeweilige Zielgruppe bestmöglich anzusprechen. Das dies gelingt, davon ist man bei Adidas überzeugt. Gezielt führt das Unternehmen immer wieder neue Labels und in Folge dessen neue Markenzeichen ein, die, bei Nichterfolg, wieder eingestampft werden können.

Adidas verfährt seit Jahren nach der Trial-and-Error-Devise, im Grunde genommen die Triebfeder des Erfindertums und in vielerlei Hinsicht der Schlüssel zum Erfolg. Anders allerdings als etwa Apple, das Produkte auf den Markt bringt, von denen Konsumenten nicht einmal wussten, dass sie sie brauchen (respektive haben möchten), lässt Adidas regelmäßig Testballons aufsteigen, um in Erfahrung zu bringen, welche Produkte bei den Konsumenten ankommen. Floppt eine Linie, wird sie eingestellt, ist die Nachfrage groß, wird sie ausgebaut.

Testen und Ausprobieren ist für jede Marke überlebenswichtig. Will sie bestehen, muss sie ein gewisses Maß an Biegsamkeit aufweisen. Je mehr sich allerdings die Marke verbiegt, desto bemühter sind die Marketing-Aktivitäten, die in diesen Fällen nicht selten aufgesetzt wirken und schwer an der Authentizität der Marke und am Image kratzen können. Volkswagen kann sich mit dem Phaeton biegen wie es will, ein glaubhafter Hersteller von Edelkarossen wird die Marke niemals werden. Die Evolution einer Marke hat ihre Grenzen.

Bemüht wirkt auch das im letzten Jahr lancierte NEO-Label. Selena Gomez posiert für ein Pressefoto vor einer Wand (Abb. oben), auf die man offenbar mit Kreide ein verschmiertes Adidas-Style-Logo aufgebracht hat. Ein solches PR-Foto hätte nicht freigeben werden dürfen. Das Foto wirkt ungewollt symbolhaft. Wenn NEO nicht im Markt ankommt, wischt man das Label einfach wieder weg. Zugegeben, die Zielgruppe der Bravo-Leser wird hier unverfänglicher urteilen. Dennoch ist es ein Bild, wie es die Marke Adidas derzeit nicht besser beschreiben könnte. Überall dabei sein wollen, ohne sich eindeutig und langfristig zu positionieren. Verlässlich ist nur der Wechsel. Besser machen es beispielsweise NIVEA und Canon, die zeigen, dass sich neue Sparten und Märkte erschließen lassen, ohne dabei die ureigene Markenidentität aufs Spiel setzen zu müssen. Das Kernelement des Markenauftritts, das Markenzeichen, bleibt unangetastet.

Besonders verstörend ist der Fall der Submarke MI adidas. MI adidas ist das seit 2001 von Adidas verfolgte Konzept kundenindividueller Massenproduktion, eine der ganz großen Entwicklungen in den vergangenen Jahren im Handel. Mittels Online-Konfigurator beziehungsweise entsprechenden InStore-Lösungen können Konsumenten aus einer begrenzten Anzahl an Variationsmöglichkeiten ihr Wunschmodell kreieren. Mit dem Äquivalent hierzu, namens NIKEiD, war Nike etwa zwei Jahre früher am Start. Adidas behauptet von sich, das System als erster auf den Markt gebracht zu haben. Mittlerweile umfasst das System bei Adidas nicht nur Schuhe, sondern auch personalisierte Teamkleidung.

In zwölf Jahren änderte sich das MI-Adidas-Logo fünf mal, dabei übernahm es die Gestaltungsrichtlinien mehrerer Markendivisionen. Ganz zu Beginn wurde selbst der adidas-Schriftzug geändert. Zumindest dieser Fehltritt wurde korrigiert. Das Hin-und-her zeigt, vor welchen Herausforderungen Konsumenten stehen, wollen sie das hinter MI-Adidas stehende Prinzip begreifen. Mittlerweile ist Adidas dazu übergegangen, MI-Adidas divisionsübergreifend zu positionieren, da sowohl Produkte der Style– wie auch der Performance-Linie personalisierbar sind. Die jetzige Logovariante, in der der adidas-Wortmarke lediglich die Kleinbuchstaben mi vorgestellt sind, ist eindeutig die beste Lösung. Mehr braucht es nicht, schon gar nicht eine weitere Bildmarke. Zumindest hier hat das Versuch-und-Irrtum-Prinzip zu einem guten Ergebnis geführt.

Jedes Submarkenzeichen, das Adidas mit seinen Labeln einführt, muss vom Konsumenten zunächst erlernt werden. Die Markenreputation von Adidas könnte ungleich höher sein, würde sich die Marke nicht ständig hinter neuen, ausgedachten Labeln verstecken. Das Mitschwimmen auf der schicken-hippen Welle mag sich in der Konzernbilanz (kurzfristig) rechnen, die Marke Adidas profitiert davon nicht, davon bin ich überzeugt. Andere gehen noch weiter und sagen voraus, dass Adidas immer an Nike scheitern wird.

Auch in anderen Fällen zeigt sich die, nennen wir es, flexible Markenarchitektur des Unternehmens. Während Produkte der Linie Porsche Design Sport der Style-Devision zugeordnet sind, ist die Serie adidas by stella mccartney in der Performance-Division angesiedelt. Nachvollziehbar ist das nicht, weder für Konsumenten noch für Markenstrategen. Schick „aufstylen“, wie Markenchef Stamminger es in einem Interview nennt, mit Produkten der Performance-Linie. Wenn Segmentierung einen Sinn ergeben soll, gehören der Predator, meistverkaufter Fußballschuh auf dem Markt, und der Ararauna Dance Schuh für Frauen getrennt. Dass Hüpfen im Gym keinesfalls weniger schweißtreibend sein muss, als das Treten des Balls auf dem Rasen, sollte bei der Zuordnung eigentlich keine Rolle spielen. So wie sich die Produktsegmentierung derzeit bei Adidas zeigt, ist sie jedenfalls undurchsichtig.

Auch hier zeigt sich die Krux der 2002 eingeführten dreidivisionalen Struktur, von der nunmehr zwei Divisionen übrig geblieben sind und die dennoch, je mehr man sich mit den Produkten und der Marke beschäftigt, um so widersinniger erscheint. Seit Jahrzehnten funktioniert die Markenarchitektur der Adidas-Gruppe nach einem Baukastensystem, in dem die Markenbausteine offenbar beliebig, auch verursacht durch Zu- und Verkäufe, hin und her geschoben werden.

Der gesunde Menschenverstand sagt einem: wo Adidas drin steckt, sollte auch Adidas drauf stehen, und nicht irgendein anderes Zeichen. Nur so ließe sich kontinuierlich Glaubwürdigkeit und Kompetenz vermitteln, die zurück auf die Marke strahlen wodurch letztlich alle Markenprodukte profitierten. Was Adidas fehlt, ist ein klares Profil, visuell und auch strategisch. Adidas hat zwar zur Zeit kein Markenproblem, aber ein deutlich sichtbares Problem im Umgang mit seinen Markenzeichen.

Quellenangaben / weiterführende Links

Quelle für alle Bilder: Adidas

Dieser Beitrag hat 27 Kommentare

  1. Schöner Artikel. Adidas ist es durch die beschriebene Markenbiegsamkeit gelungen, die Puma-Falle zu vermeiden (einfache Wiederholung derselben Elemente, die man irgendwann einfach nicht mehr sehen mag und kann). In einem Satz: Adidas hat verstanden, dass Adidas auch im MODE-BUSINESS ist. Mode ist vergänglich und das Gegenteil von Branding. Bei guter Mode stören Brandingelemente nicht, bei sehr guter Mode ist Branding unsichtbar (jil sanders / cos).

  2. Sorry, wenn ich das so sage: wir haben hier wieder ein Beispiel dafür, dass allein die “interne Sicht” die Entwicklung einer Marke führt.
    Kurz gesagt: während der Mitarbeiter (also auch der CEO!) JEDEN Tag immer nur denselben Namen hört, nimmt der Normalbürger (sprich KUNDE) die Marke nur ab und zu wahr. Viele Submarken einzuführen, entspricht also der INTERNEN Wahrnehmung einer Marke! Denn damit lassen sich die jeweiligen Geschäftsziele sehr gut verbinden.

    In der “externen” Sicht, also da, wo potentielle Kunden das Unternehmen und seine Produkte sehen, führt das nur zu Verwirrung. Kein Wunder, dass es die “Monomarken” sind, die an “addidas” (noch so ein Vergangenheitsding: wurde das nicht mal mit ZWEI “D” geschrieben???) wirtschaftlich vorbeiziehen.
    Es ist wie immer: eigentlich wäre Konzentration auf das Wesentliche angesagt. Wofür entscheidet sich die Unternehmensführung? Richtig, sie wählt Vielfalt und damit Verwirrung.
    Ich spreche hier von der Markenführung – nicht vom Portfolio!

    Es wäre also mal ein klarer Blick auf das Portfolio von Nöten und dann ein klare Entscheidung FÜR die Marke “adidas”. Klarheit hilft! Sie lässt sich einfach kommunizieren und ohne Zweifel den Kunden vermitteln. Die sind mit der heutigen Welt ehe fast überfordert. Die würden eine solche einfache Entscheidung auf lange Sicht honorieren!

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