Clausthaler Alkoholfrei, eine zur Radeberger Gruppe gehörende Biermarke, steht vor einem umfassenden Markenrelaunch. Das zuletzt 2019 erneuerte Packaging Design erfährt ein grundlegendes Makeover. Auch beim Logo erfindet sich die Marke im Visuellen ein Stück weit neu.
Vor fünf Jahren, anlässlich des 40-Jährigen Jubiläums, wurde der Markenauftritt von Clausthaler Alkoholfrei zuletzt modifiziert (dt berichtete). Nun steht die Biermarke abermals vor einem Redesign, dem umfassendsten der letzten Jahre.
Offiziell vorgestellt wurde der runderneuerte Markenauftritt seitens der Radeberger Gruppe bislang nicht. Der Handel beginnt jedoch bereits mit der Einführung der Flaschen und Gebinde im neuen Look. Die Gestaltung der Etiketten hat sich grundlegend geändert – das Markenlogo, der Aufbau, die Typographie sind im Vergleich zur bisherigen Aufmachung völlig verschieden, teils auch die Farben.
Der seit je her praktizierte zentrische Aufbau mit ovalförmigen Markensignet weicht einer für Biermarken eher unkonventionellen, offenen Gestaltung. Bei den neu gestalten Etiketten steht nicht mehr, ganz klassisch-traditionell, das Markensignet im Mittelpunkt, sondern eine einfarbige Illustration/Zeichnung einer Hopfendolde samt zweier Gerstenähren. Die Illustration nimmt die größte Fläche ein. Kleiner als bisher und im unteren rechten Bereich des Bauchetiketts ist nun das Markenlogo platziert.
Auch das Markenlogo selbst wurde überarbeitet: die Wortmarke „Clausthaler“ ist auch weiterhin in der Farbe Grün sowie in Versalien gesetzt, allerdings in einer anderen Schriftart. Die Lettern sind schmaler (condensed), und sie haben keine Serifen mehr. Eine vom Stil her schnörkellose, neutrale Typo. Die jeweilige Sortenbezeichnung z.B. „Original“ ist in nahezu doppelt so großen Lettern angelegt und hochkant linksseitig des Markenlogos platziert, ebenfalls in schmalgestellter Schrift gesetzt, farblich changierend.
So wie im Aufbau unterscheidet sich das neue Design auch im Farblichen. Fortan ist etwa das bisher in Schwarz, Grau und Grün gehaltene Etikett der Sorte „Clausthaler Original“ in hellem Beige, Hellblau und Grün gestaltet.
Kommentar
Der Umfang des Redesigns ist bemerkenswert. Rein formal-ästhetisch, wie ich finde, eine sehr ansprechende Gestaltung. Gleichwohl für die Marke Clausthaler ein untypisches Design – im Look & Feel eher wie eine Fassbrause, oder ein Craft Bier. Genau das dürfte das Ziel sein: mehr Jugendlichkeit und Leichtigkeit ausstrahlen. Weg vom Traditionellen. Deshalb wurde auch der zentrische Aufbau aufgelöst.
Die Gestaltung ist sichtbar darauf ausgerichtet, neue Zielgruppen anzusprechen. Konsumenten, die die Marke Clausthaler bisher nicht auf ihrem Schirm hatten, so jedenfalls würde ich die visuelle Neuausrichtung einordnen.
Mediengalerie
Sehr interessant.
Ich glaube, viele Bestandsverwender werden erstmal an der neuen Flasche vorbeilaufen, wirklich Wiedererkennungswert hat das neue Design nicht.
Ich verstehe den Ansatz, jüngere Zielgruppen anzusprechen – die Bierbranche ist eh seit langem in Schieflage, wenn man immer so weiter macht wie bisher, kann das eben nicht (mehr) gut gehen. Aber ob ein derartiger Schritt nicht vielleicht ZU weit ist?
Mir fehlt die Frische, das herbe, der BIER-Geschmack. Das sieht alles eben wirklich eher nach Fassbrause aus, nach Caramel-“Bier”, Minz-“Bier”… zu süß, zu limonadig, gar nicht mal nach Craft-Bier.
Aber auch sonst wirkt das Design lieblos und generisch. Das Logo wurde zur Satzschrift, die Sorte zum Logo, die Illu sieht eher aus wie hochskaliert und abgerundet, die Farben wie bei Fritz Kola abgekuckt. NICHTS an diesem Design sagt mir “Marke: Clausthaler”.
Ich bin immer für radikale Re-Designs, für Neues und Mutiges.. wenn es Hand und Fuß hat. Hier leider nicht der Fall, schade.
Ich kann Jonas nur in allen Punkten zustimmen. Dass es sich um ein Bier handelt wird absolut nicht deutlich. Es sieht nach „Manufaktur Limonade” etc aus.
Sehr schickes Design. Gefällt mir. Aber kann mir irgendjemad erklären, warum ‘Naturtrüb’ grün und ‘Extra Herb’ orange ist? Das ist doch inntuitiv genau umgekehrt: Grün, weil extra hopfig; orange wegen der dunkleren Bierfarbe
Ich bin selber ja kein Marketing-Mensch, aber mein Bauchgefühl sagt mir, dass – sofern hier wirklich die Gewinnung einer neuen/jüngeren Zielgruppe angepeilt worden ist – eine Zweitmarke vielleicht der bessere Schritt gewesen wäre. Wenn ich eine solche im selben Unternehmen verankere, durch die selben Leute/Agenturen entwickeln und pflegen lasse, die selben Abfüllanlagen verwende und schlicht am Ende ein anderes Etikett draufklebe, dann dürften sich die Mehrkosten doch in einem überschaubaren Rahmen halten. Behaupte ich jetzt einfach mal so. Diese Zweitmarke kann dann Erfolg haben oder auch nicht.
Aber durch das hier gewählte Vorgehen habe ich doch gleich zwei Risiken: die neu positionierte Marke kann bei der potenziellen Zielgruppe scheitern und die vorhandene Käufergruppe kann durch die neue Positionierung verprellt werden.
Kann mir jemand erklären, warum man trotzdem diesen zweiten Weg gegangen ist? Achim, vielleicht aus deiner Sicht: Steht da nicht wenigstens der Grafikdesigner am Tisch auf und sagt: “Leute, ich kann euch das schon einmal komplett anders machen, aber seid ihr euch des Risikos wirklich bewusst?”
Ich antworte mal drauf, auch als Packaging Designer, der in mehreren der größeren deutschen Agenturen gearbeitet hatte und dabei auch mit zwei, drei der großen deutschen Brauereien zu tun hatte:
Es kann wirtschaftliche Gründe geben, die Bestandsverwender sterben (im wahrsten Sinne des Wortes) weg, der Bierabsatz ist seit Jahren auf absteigendem Ast. Junge Zielgruppen trinken weniger Alkohol, AF Biere sind für sie relevanter und Marketingleiter hat entschieden dass deswegen nur neue Zielgruppen Fokus sein sollen. (Hätte man anders lösen können, ein Mittelweg wäre auf jeden Fall möglich gewesen)
Es kann sein, dass die verantwortliche Agentur gedacht hat “Ja geil, wir wollen mal was ganz neues machen” und dabei entweder gepokert hat, dass es gut geht, oder andere “Argumente” gefunden hat, wieso eine Radikalkur der richtige Weg sei.
Es kann auch genauso sein, dass das von Dir angesprochene Szenario eingetreten ist und der Designer / die Agentur gewarnt hat. Aber mein Fazit aus 12+ Jahren Agenturalltag: Die meisten Kunden sind absolut beratungsresistent. Da kann der beste Verkäufer auf Agenturseite sitzen, da können die besten Argumente vorliegen.. Kunde mag Design X, also wird Design X weiterverfolgt, auch gegen die Agenturempfehlung.
Danke Michael, für Deinen Kommentar. Absolut nachvollziehbare Punkte, die Du ansprichst.
Interessanterweise hat Clausthaler genau das schon einmal gemacht, eine Zweitmarke lanciert. In den Anfängen der Marke brachte die Brauerei, da man Clausthaler am Markt nicht so recht platzieren konnte, das gleiche Bier unter einem zweiten Namen heraus: Prinzenbier. Eben nur mit anderen Etiketten. Ein klassischer Etikettenschwindel. Heutzutage kann über die Medien ein ganz anderer Druck aufgebaut werden, kann ein grafische Anpassung in einen Shitstorm münden. Das möchte man als Hersteller natürlich vermeiden. Gerade in diesen Zeiten. Gerade Brauereien.
Unternehmen setzen, um neue Segmente und Produktkategorien zu erschließen, nicht auf Zweitmarken, sondern auf Subbrands, also Marken, die der Hauptmarke untergeordnet, subsumiert sind. Beispiel Licher Bier. Im Zuge der Lancierung von „1854 Kellerbier“ wird dieses neue Produkt selbst zu einer (Art) Marke. Licher selbst, die Hauptmarke, bleibt von diesem neuen Markenauftritt unangetastet. Dass 1854 Kellerbier zu Licher gehört, geht auf den Etiketten fast unter. Der Vorteil: Sofern das Produkt nicht vom Markt angenommen wird, kann man es sang- und klanglos wieder aus dem Handel abziehen. Ob in diesem Fall eine Subbrand von Clausthaler der bessere Weg wäre, vermag ich als Außenstehender und spontan nicht abzuschätzen.
Was den Handlungsspielraum seitens Agenturen betrifft, hat Jonas schon dankenswerterweise einiges Hilfreiches geschrieben. Ergänzen würde ich wollen, dass viele Unternehmen an einer strategischen Partnerschaft mit Agenturen schlichtweg kein Interesse haben (da man der Auffassung ist, mit Marketingleitung, Vertriebsleitung, Produktmanagement, Geschäftsführung bereits ausreichend KnowHow an Board zu haben.). Selbstverständlich gibt es auch das Modell der Partnerschaft auf Augenhöhe. Unternehmen, die explizit eben keine Erfüllungsgehilfen suchen, sondern Sparringspartner. Die Anzahl an Agenturen und Designer, die noch vor der Kreation beratend wirken und in substanzieller Weise strategische Impulse geben (können), ist jedoch überschaubar. So jedenfalls meine Erfahrung. Ein „Ringen um die besten Lösung“ muss von beiden Seiten gewollt werden. Doch wenn, ganz allgemein gesprochen, Umsätze zurückgehen, Budgets zusammengestrichen, das Personal abgebaut, und mittels KI scheinbar kostengünstig Entwürfe eingeholt werden, ist das letzte, was man als Marketingleiterin möchte, nun auch noch mit dem Creative Director der Agentur in den Clinch zu gehen. Was nachvollziehbar ist. Und doch schade. Denn Energie entsteht durch Reibung.
Leider hat die Pressestelle der Radeberger Gruppe meine Anfrage nicht beantwortet. Gerne hätte ich geschrieben, welche Agentur für das Redesign verantwortlich zeichnet.
Alle Kommentare zur neun Optik kann ich nachvollziehen.
Was ich nicht nachvollziehen kann, ist die Chance, die Claustahler in irrem wohl besten Alleinstellungsmerkmal hat: der Alkoholfreiheit.
Bei allen anderen Marken ist das “free”, “fun”, oder alkoholfreie Bier nur die kleine Schwester des alkoholhaltigen Bieres, erkennbar an Etikett mit “Markenname” und einem auffallenden “alkoholfrei”-Störers – warum macht Clausthaler das genau so?
Das Design suggeriert mir, das links im Regal Clausthaler mit Alkohol steht.
Regeln könnte man das zB mit einem “immer” vor dem Alkoholfrei oder einem Slogan a la “aus Überzeugung alkoholfrei”, das würde doch die Positionierung stärken. Wer selbst aus Überzeugung Bier ohne Alkohol kaufen will, nimmt dann eben nicht die Submarke eines normalen Biers, sondern voller Stolz Clausthaler.
Meiner Meinung nach eine vergebene Chance.
Aber wenn Clausthaler schon jüngere Zielgruppen erreichen will, warum übernehmen sie dann nicht die Craft Beer-ähnlichen Bezeichnungen von ihren Auslandsmärkten? Hier gibt es IPA, Dry Hopped (Pale Ale?) — in Deutschland heißt wohl dasselbe Produkt nur „Naturtrüb“ (schmeckt mir persönlich sehr gut).