„City of Lions“ – Braunschweig präsentiert neues Markenkonzept
Die Stadt Braunschweig hat ein neues Markenkonzept vorgestellt. Das als Standort- bzw. Imagekampagne konzipierte Markenkonzept versteht sich weniger als Reminiszenz an die lange Stadtgeschichte, sondern vielmehr als „Würdigung des großen Engagements der vielen Akteurinnen und Akteure der Stadt“, wie es im Rahmen der Vorstellung des Markenkonzepts heißt.
Braunschweig (Niedersachsen) trägt seit langem den Beinamen „Stadt der Löwen“, aus mehreren, historisch und kulturell tief verwurzelten Gründen. Die Bezeichnung wie auch das Symbol des Löwen gehen auf Welfenherzog Heinrich der Löwe (1129–1195) zurück. Der Löwe war kein Familiensymbol der Welfen, sondern ein individuelles Herrschaftszeichen, das Heinrich wählte, um Machtansprüche im Reich zu demonstrieren.
Die städtische Marketing-Gesellschaft Braunschweigs möchte allerdings nicht, wie sie in einem Beitrag auf Instagram erklärt, „die Geschichte einer Stadt erzählen, sondern die Geschichten eurer Stadt. Mit all ihren Facetten. Und mit all den Menschen, die sie so lebens- und liebenswert machen“. Vor diesem Hintergrund wurde der bestehende werbliche ausgerichtete Markenauftritt der Stadt neu konzipiert. Der neue Markenauftritt mache sichtbar, was Braunschweig auszeichnet: gutes Miteinander und Tatkraft.
Auszug der Pressemeldung
Die Löwenstadt ist vielfältig und steckt voller Engagement. Denn Braunschweig ist eine Stadt zum Bleiben, voller Möglichkeiten für die individuellen Erfolgsgeschichten ihrer Bürgerinnen und Bürger – ihrer Löwinnen und Löwen: Braunschweig ist die City of Lions. Das ist der neue Markenauftritt. „Wir sind Braunschweig. Wir machen die Stadt zu dem, was sie ist: Unser Braunschweig ist selbstbewusst und hat genau die richtige Größe für das ganze Leben“, so Oberbürgermeister Dr. Thorsten Kornblum.

Die in den Kampagnenmotiven gezeigten Personen stehen stellvertretend für alle in Braunschweig lebenden Menschen, so der Pressetext. Auf einem der Motive ist Basketballspieler Dennis Schröder als Kind zu sehen, auf anderen Motiven werden in Braunschweig lebende Akteure aus Wirtschaft, Kultur, Forschung und anderen Themenfeldern in Szene gesetzt. Ein weiteres Motiv zeigt das Residenzschloss Braunschweig.

Im Webauftritt unter braunschweig.de (einschließlich Subdomains wie service.braunschweig.de) wurde vor wenigen Tagen das Logo der Stadt ausgetauscht. Im neuen Logo ist der Löwe nun in den Großbuchstaben „B“ eingebettet, die beiden Punzen ersetzend. Im Gegensatz zu bisher ist die Löwendarstellung nun nicht angeschnittenen, sondern vollständig. Die zweizeilig gesetzte Bezeichnung innerhalb der Wortmarke lautet statt „Braunschweig Löwenstadt“ nun „Braunschweig City of Lions“.
Wie Braunschweig Stadtmarketing diesem Medium auf Anfrage mitteilt, gelte das neue Markendesign auch für den visuellen Auftritt der Stadtverwaltung. Darin werde zwischen der „werblichen Außendarstellung und der direkten Kommunikation als Institution“ unterschieden, so die Pressestelle des Stadtmarketings.
Die Löwendarstellung in schwarz, wie sie im Zuge der letzten Überarbeitung des Corporate Designs im Jahr 2018 eingeführt wurde (dt berichtete), bleibt als Absender für die Stadtverwaltung und Konzerntöchter demnach erhalten, beispielsweise auf Briefbögen, im Amtsblatt oder auch im Kontext von Social Media. Auf Facebook etwa unterhält die Stadt die beiden Kanäle Stadt Braunschweig und Braunschweig, auf Instagram die Kanäle Braunschweig.de und City.Of.Lions.
Die Überarbeitung der werblichen Außendarstellung / die Entwicklung des Markenkonzepts erfolgte in Zusammenarbeit mit der Agentur Gingco (Braunschweig). Die Markenbotschaft „City of Lions“ und das damit verbundene Kommunikationskonzept wurden in Zusammenarbeit mit der Agentur Embassy (Berlin) entwickelt.
Kommentar
One-Brand oder Multi-Brand – wie viele Identitäten sollen/dürfen es sein? Nicht nur in der Wirtschaft, auch im Kontext Städte/Gemeinden ist die Markenstrategie entscheidend. Sehr viele Städte führen nicht nur EINE Markenidentität. Neben dem visuellen Erscheinungsbild für die Verwaltung unterhalten Städte wie zum Beispiel Berlin, Hannover oder eben Braunschweig zusätzlich eine werbliche Außendarstellung. Einige Städte, darunter Hannover, Hamburg oder Karlsruhe, bewerben ihre Kulturangebote darüber hinaus noch als Kulturmarke. Drei und sogar mehr Identitäten als Stadt sind keine Seltenheit, doch nicht unproblematisch.
Wenn Menschen mehrere Persönlichkeiten und Identitäten entwickeln, spricht man in der Psychologie und Medizin von einer Dissoziativen Identitätsstörung (DIS). Die verschiedenen Persönlichkeiten entstehen als Schutzmechanismus, um mit extremem Stress oder Trauma umzugehen. Eine Stadt, die verschiedene Markenidentitäten besitzt, erhält diese in folge einer dezentralen funktionalen Aufgabenteilung. Was kein psychisches Störungsbild beschreibt, sondern schlichtweg Merkmale städtischer Verwaltungsstrukturen. Nicht nur städtische Mitarbeitende, auch viele Kreativschaffende wissen um die oftmals komplizierten Entscheidungswege, Doppelstrukturen und unklaren Zuständigkeiten bei Städten/Gemeinden. Alle Entscheidungsträger mit ins Boot zu holen, das Ziehen am gleichen Strang, kann herausfordernd sein.
Die Wechselwirkung zwischen Innen und Außen ist in der Psychologie ein zentrales Thema. Und auch im Kontext Branding sind äußere Uneinheitlichkeit und Vielstimmigkeit nicht selten Ausdruck der inneren Vielstimmigkeit respektive Unruhe. So wie etwa auch das Multi-Marken-Modell der Verwaltung auf Bundesebene Ausdruck einer dezentralen funktionalen Aufgabenteilung ist, und vielfältige Probleme mit sich bringt.
Einige Vor- und Nachteile des jeweiligen Modells in der Kurzdarstellung:
One-Brand-Modell
- Ganzheitlichkeit der städtischen Kommunikation und Außendarstellung
- Vergleichsweise weniger Aufwand bei Implementierung und Pflege (als bei Multi-Brand-Modell)
- Geringere Marketing- und Verwaltungskosten (potenziell)
- Kreation möglicherweise nicht ganz so innovativ/originär (Stichwort „kleinster gemeinsamer Nenner“)
- Rezeption:
- Einheitlichkeit des visuellen Erscheinungsbildes über alle Bereiche hinweg
- Klarheit und Wiedererkennbarkeit -> fördert … das Vertrauen in die Stadtmarke / … die Identifikation mit der Stadt
Multi-Brand-Modell
- Passgenaue(re), situative Kommunikationslösungen (potenziell)
- Bessere/optimale Zielgruppenansprache (potenziell)
- Vergleichsweise höherer Aufwand bei Implementierung und Pflege (als bei One-Brand-Modell)
- Risiko der Marken-Kannibalisierung aufgrund interner Konkurrenz
- Rezeption:
- Keine Einheitlichkeit des visuellen Erscheinungsbildes
- Höhere Prägnanz des jeweiligen Markendesigns (potenziell)
Auch in Braunschweig besteht ein Multi-Brand-Modell, bei dem zwischen der werblichen Außendarstellung und der Identität als Stadtverwaltung unterschieden wird. Doch eine solche Unterscheidung treffen bei weitem nicht alle Städte. Die finnische Hauptstadt Helsinki hat lediglich eine Identität. Stadtverwaltung (hel.fi) und Helsinki Tourismus (myhelsinki.fi) haben den gleichen Logoabsender, nutzen die gleiche Schrift (Helsinki Grotesk), basieren auf dem selben Corporate Design.
Auch Warschau (Verwaltung: um.warszawa.pl / Tourismus: go2warsaw.pl) oder Bochum (Verwaltung: bochum.de / Tourismus: bochum-tourismus.de) zeigen, dass ein One-Brand-Modell eine praktikable, nutzbringende Lösung darstellt. In Warschau wurden im Rahmen der Modernisierung des visuellen Erscheinungsbildes Ende 2022 die unterschiedlichen Identitäten von Verwaltung und Tourismus zusammengeführt (dt berichtete). Die Konsequenz zahlt sich aus. Seit dem verfügt Warschau über ein weitestgehend konsistentes, zeitgemäßes und optisch ansprechendes Erscheinungsbild.
Zeitgemäß ist auch der neue Markenauftritt Braunschweigs, nur konsistent und ganzheitlich ist das damit verbundene Konzept nicht. Wenig spräche dagegen den „Löwen im B“ auch als Absender der Stadtverwaltung zu verwenden, und Markenidentitäten zu bündeln. Wie auch in Bonn. Die in Bonn ursprünglich 2008 vorgestellte zusätzliche werbliche Außendarstellung wurde mit der Zeit in ein One-Brand-Modell überführt. „Freude. Joy. Joie. Bonn.“ kommt heute als Markenidentität über alle Kommunikationskanäle hinweg zur Anwendung, selbst im Ratsinformationssystem und im Amtsblatt. Ein Erfolgsmodell, weil es für Einheitlichkeit und Klarheit in der Außendarstellung sorgt, und so Vertrauen in die Stadtmarke stärkt.
Mediengalerie
- Braunschweig Stadtmarke Kampagne – Brunswick, Quelle: Stadt Braunschweig, Foto: Westend61/Uwe Umstätter
- Braunschweig Stadtmarke Kampagne – Dennis Schroeder, Quelle: Stadt Braunschweig, Foto: Ingo Hoffmann – PartnerDesign
- Braunschweig Stadtmarke Kampagne – Hauptsache Lion, Quelle: Stadt Braunschweig, Foto: iStock.com/LightFieldStudios
- Braunschweig Stadtmarke Kampagne – Simtec, Quelle: Stadt Braunschweig, Foto: Braunschweig Zukunft GmbH/Leevke Draack
- Braunschweig Stadtmarke Kampagne – Yvonne Wilke, Quelle: Stadt Braunschweig, Foto: Gingco Communication GmbH & Co. KG
- Oberbürgermeister Dr. Thorsten Kornblum und Gerold Leppa, Geschäftsführer des Stadtmarketings, präsentieren Braunschweigs neue Imagekampagne City of Lions, Quelle: Stadt Braunschweig
- Braunschweig Stadtmarke Logo, Quelle: Stadt Braunschweig
- Braunschweig Logo – vorher und nachher, Bildquelle: Stadt Braunschweig, Bildmontage: dt
- Braunschweig Stadtmarke Kampagne – Residenzschloss, Quelle: Stadt Braunschweig, Foto: Friederike Fuchs
- Braunschweig Stadtmarke Kampagne – Applaus Garten, Quelle: Stadt Braunschweig, Foto: Applaus Kulturproduktionen GmbH
- Braunschweig Logo – vorher und nachher, Bildquelle: Stadt Braunschweig, Bildmontage: dt
Weiterführende Links
Die ersten Plakate mit dem neuen Logo hängen bereits in der Stadt und können von der visuellen Wirkung her durchaus überzeugen. Was etwas überrascht ist allerdings die alleinige Verwendung des Buchstaben B als Signet, denn eigentlich ist es hier üblich, die Stadt – gemäß dem Autokennzeichen – mit BS abzukürzen. B wäre eher Berlin. Auch die englische Bezeichnung “City of Lions”, wenn auch eine fast direkte Übersetzung des gebräuchlichen “Löwenstadt”, lässt eher an den Sport als an die Stadt selbst denken (das hiesige American-Football-Team nennt sich Braunschweig Lions). Ich habe zuerst gedacht, dass es sich um eine reine Tourismus-Kampagne handelt, bei der mir der englische Zusatz erschienen wäre. Aber so stellt sich mir neben der Frage, ob man ein oder mehrere Brands parallel führt, auch die Frage, ob dieses Konzept überhaupt für die Stadt passend und zielführend ist.
Gut zusammengefasst. Als Tourismusmarke hätte ich das Konzept noch durchgehen lassen. Persönlich ist es mir so aber zu international und wirkt mit dem Denglisch überraschend fremd und wenig identitätsstiftend. Zumindest hätte ich als Bürger ein Problem damit. Aus Sicht einer Firma passt es dann wieder ganz gut, da in BS ja durchaus international was los ist. Das Design und das Marketing sind vermutlich der Versuch sich mit Städten wie Berlin und Frankfurt gleichzustellen. Die Kultur und Geschichte bleibt hierbei in meinen Augen leider auf der Strecke.
Ich mags durchaus, aber bei der Kontur der B–Form seh ich noch (Vektoren)Verbesserungspotential, besonders auch was die Übergänge von den Geraden zu den Kurven anbelangt. (‘Bone Effect’.)
Der Löwe mit den Klumpengriffeln.
Was haben die den Pfoten angetan?
Die Form des Löwen besteht bereits seit 2018, siehe Corporate Design der Stadt Braunschweig wird modifiziert.
Ich finde aber auch dass jetzt erst richtig auffällt, wie Abstraktionsgrade hier nicht zusammenpassen. Die Pfoten sind viel zu klobig im Vergleich zu Schnauze und Ohr. Da stimmt was nicht.
Enttäuschend finde ich auch, im Jahr 2024 so eine abgelutschte spornlose Sans zu verwenden.
Alles in allem wirkt es doch etwas lieblos umgesetzt auf mich, auch wenn ich der Löwen-B-Idee durchaus etwas abgewinnen kann.
Ich finde, der Löwe ähnelt mehr einem freundlichen Pudel. Die Vereinfachung war damals schon nicht gerade gelungen, wird jetzt durch die fehlende Outline aber noch schlimmer.
In meinen Augen ist durch die Füllung des Löwen im letzten Redesign die gesamte Schärfe des Löwen entfernt worden, siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Eidenbenzl%C3%B6we
Ich kann verstehen, dass die Outline zu filigran sein könnte, und man gerne einen flächigeren, weißen Löwen wollte, aber jetzt sieht es (noch verstärkt durch das abgerundete B) für mich so aus, als ob der Löwe aus Hefeteig wäre, und zu stark aufgegangen sei. Was soll dieses Nadelöhr am Schwanz sein, warum gibt es keine Schwanzspitze mehr?
Aber man muss zugeben, dass er insgesamt sehr freundlich wirkt.
Mein größtes Problem ist, dass der Schwanz jetzt oben nicht mehr als Art dicker Linie endet, sondern sich zwei Teile treffen und das jetzt wie ein Auge+Schnabel aussieht. Das wirkt jetzt so, als wenn hinten am Löwe ein großer Vogel auf dem Rücken sitzt.
https://loewenstadt.braunschweig.de/wp-content/uploads/2018/10/BSM_Modernisierung_Loewe.jpg
Das Logo geht i.O. – die Wortmarke im Willkommen-Logo hätte ich allerdings dreizeilig gesetzt. Der Rest ist in meinen Augen furchtbar uninspiriert und austauschbar: alles mittig und zentriert gesetzt auf Foto. Schade.
Zugegeben, Ähnlichkeiten wird man überall finden.
Mich hat es trotzdem spontan gleich an das Barcelona B erinnert, vor allem auch wegen der Farbgebung
https://clasebcn.com/ajuntament-de-barcelona/
Ach herrje es verstört mich wirklich, was da vom Löwen herunterhängt … Warum musste es sein Geschlechtsteil sein? Ist so etwas zulässig? Das ist m. E. fürchterlich.
LG Sabrina T.