Die BBC hat in den vergangen Monaten an der Neukonzeption ihrer Startseite gearbeitet und präsentiert nun das Ergebnis, zunächst als Beta-Version. Beim Bedienkonzept, das von den Stammlesern mehrheitlich auf Ablehnung stößt („horrible“, „awful“ und „messy“), standen Apps für das iPhone und das iPad Pate, allen voran die BBC-iPlayer-App. Warum das neue Webdesign so vehement kritisiert wird, es dennoch als Blaupause dienen wird und weshalb Nutzer außerhalb von Großbritannien die neue Umgebung erst gar nicht zu Gesicht bekommen, will ich im Folgenden erläutern.
Die BBC-Homepages – eine für Briten, eine für den Rest der Welt
Der Zugang zu der hier vorgestellten BBC-Homepage ist außerhalb von Großbritannien nur auf Umwegen möglich. Warum ist dies so und wie kann man die Beta-Umgebung beta.bbc.co.uk auch von Deutschland aus aufrufen? Hierzu muss ich etwas ausholen und auf den im Dezember 2007 eingeführten BBC-iPlayer und das Prinzip der Rundfunkgebührenerhebung in GBR eingehen. Der BBC-iPlayer entspricht in etwa der ARD-Mediathek. Mit ihm lassen sich mittels Browser oder App die vom BBC produzierten TV- und Radioinhalte über das Internet anzeigen. Ähnlich wie bei uns in Deutschland, wo im Telemediengesetz die Rahmenbedingungen für öffentlich-rechtliche Telemedienangebote festgelegt sind, darf auch das Angebot der BBC, die nebenbei erwähnt die weltweit größte gebührenfinanzierte und öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt darstellt, 7 Tage im Netz verfügbar gemacht werden. Der Umstand, dass dieses Angebot nur in Großbritannien lebenden Nutzern zur Verfügung steht, ist eng mit den dort erhobenen Rundfunkgebühren, den „TV-Licensing“ verbunden, die, und da unterscheiden sie sich von den deutschen Gebühren, pauschal für jedes in einem Haushalt befindliche Fernsehgerät erhoben werden. Und da nur diejenigen in den Genuss etwa der BBC-Programme kommen sollen, die auch die Gebühr bezahlen, wird der Zugang der „echten“ BBC-Homepage, die auch die Fernseh- und Radioinhalte vorhält, nur in GBR lebenden Nutzern gewährt. Der Rest der Welt bekommt eine abgespeckte Fassung zu sehen. Ähnlich restriktiv verhält sich übrigens auch ABC in den USA.
Das Internet wäre nicht das Internet, wenn sich diese Sperre nicht auch aushebeln ließe. Die Umleitung der BBC-Homepage sowie die Sperrung des iPlayers erfolgt aufgrund einer Abfrage seitens des Proxy-Servers, der als Vermittler zwischen der Homepage und dem Rechner des Nutzers agiert und nur die Nutzer durchlässt, die vom Proxy-Server als aus Großbritannien zugreifender Nutzer eingestuft wird. Mit Tools wie etwa Hide My Ass (hidemyass.com) oder Websites wie daveproxy.co.uk ist es möglich, auf derlei Seiten zuzugreifen und so kann man auch von Deutschland, Österreich, der Schweiz, etc. die Beta-Ausgabe der neuen BBC-Homepage begutachten. Dies zum Hintergrund und als Einleitung.
Verabschiedung von der Idee einer auf die Bedürfnisse des Nutzers anpassbaren Website
Verbunden mit dem Redesign der BBC-Homepage ist die Abkehr von einem Konzept, das die Personalisierung und Individualisierung der Homepage-Inhalte durch den Nutzer vorsah. BBC galt hier als eine Art Taktgeber und dementsprechend beachtenswert dürfte die mit der Beta-Version verbundene Verabschiedung von dieser Idee sein. Einer Idee, der sich der MDR erst vor wenigen Wochen verschrieben hat. James Thornett, „Head of the BBC Homepage product“, ist bei Vorstellung des neuen Designs der Auffassung, dass Nutzer keine Personalisierung benötigen. Die letzten Jahre hätten gezeigt, das die entsprechende Funktionalität von Nutzern nicht angenommen wurde und deshalb gar nicht gewünscht ist. Stattdessen setzt die neue Startseite auf die Selektion der Inhalte mittels Filter. Mehr dazu später. Als weiteren Grund für den Relaunch nennt Thornett eine fehlende Unterscheidungskraft. Umfragen hätten ergeben, dass sehr oft die BBC-Homepage mit der BBC-News-Site verwechselt würde. Die neue Homepage soll besser zum Ausdruck bringen, dass ihr Inhalt sich auf die unterschiedlichen BBC-Angebote, etwa der News-Site oder den iPlayer bezieht und sich aus diesen Quellen speist.
iPad-Design = Webdesign?
Das Problem ist hinlänglich bekannt. Startseiten von Fernsehsendern und Nachrichtenportalen sind Eierlegende-Wollmilchsäue, die Allem und Jedem gerecht werden sollen und deshalb möglichst viele Nachrichten aus allen verfügbaren Ressorts in sich aufnehmen. Deshalb sind die meisten dieser Portale zu wahren MB-Monstern mutiert. Ohne DSL geht bei bis zu 2 MB pro Seitenaufruf auf Nutzerseite nichts mehr oder eben nur sehr langsam. Die neue Homepage der BBC ist mit gerade einmal knapp 550 KB auffällig schlank. Die Verschlankung fällt auch optisch auf, wie ja sehr schön die Gegenüberstellung von alter und neuer Startseite veranschaulicht.
Im Mittelpunkt des Redesigns steht das im oberen Bereich befindliche Karussell, in dem die Nachrichten-Teaser stecken und das, analog zu vielen Apps, horizontal bedient wird. Natürlich war horizontales Scrollen auch schon vor dem ersten iPhone weit verbreitet, die Produkte mit dem vorgestellte i kultivierten jedoch den Wisch zur Seite. Und da Produkte aus dem Hause Apple schon von je her als schick, trendy und besonders fortschrittlich galten, wird eifrig adaptiert, imitiert und nachgeahmt. Die neue BBC-Homepage nutzt das Bedienkonzept, wie es bei vielen Apps angewandt wird. Die Zahl der iPad-Nutzer mag zwar stetig zunehmen, von den 9.1 Millionen Nutzern der BBC-Homepage (Quelle: bbc.co.uk) verfügen nur die wenigsten über ein solches Gerät. Auch darin lässt sich die Negativkritik festmachen, die viele Stammnutzer äußern. In dem von James Thornett verfassten, sehr lesenswerten Blogbeitrag: „Redesigning the BBC Online homepage“ merken einige Nutzer an, dass eine Website nun einmal mehr sei als eine App und dass sie von einem Portal wie der BBC-Homepage einfach mehr erwarteten. Das eng gefasste Format und die Verschachtelung der Inhalte führe zu einem sehr unübersichtlichen Design, so die Kritikpunkt zahlreicher Stammnutzer.
Ist das Design tatsächlich unübersichtlich? Keinesfalls. Die Reduzierung auf etwa 20 Nachrichten sorgt zunächst einmal dafür, dass ein Großteil des Inhalts direkt im Browser sichtbar ist. Die Gestaltung ist auf das Wesentliche beschränkt. Das Zurechtfinden gelingt spielend, auch dank großzügig dimensionierten Überschriften und einem dezenten Farbcode. Im Karussell lassen sich die Themen „entertainment, lifestyle, knowledge, news and sport“ anwählen, sodass das Karussell nur aus diesem Bereich gespeist wird. Diese Art der Filterung ist es, die Thornett zukünftig den Nutzern mit an die Hand geben möchte. „Users want to be able to filter content, not customize“, so Thornett.
Fazit
Ermöglicht die Beta-Version einen komfortableren Zugang? Ob er komfortabler ist, wird jeder Nutzer anders entscheiden. Vor allem Stammnutzer beurteilen Umstellungen immer kritisch. Ich persönlich finde das Design schick, die Bedienung intuitiv und sehe die Übersichtlichkeit verbessert, vor allem auch da Content-Module im bisherigen Auftritt unterschiedlich hoch sind, was eine erheblich Unruhe erzeugt. Andererseits bedeutet die neue Startseite mehr Bedienaufwand. Während BBC-Nutzer bislang einfach hoch und runter scrollen konnten, um einen Nachrichtenüberblick zu erhalten, müssen sie nun zusätzlich seitlich scrollen bzw. Links- und Rechtsklicks vollziehen. Ich bin gespannt, welche Nachrichten- oder Fernsehsite als erste hierzulande das BBC-Beispiel adaptiert. Auch darüber werde ich dann berichten.
Alle Neuerungen werden auf einer eigens eingerichteten Seite vorgestellt. Da diese aber ebenfalls nur auf Umwegen angezeigt werden kann, hier noch der Screenshot: What’s new on BBC Homepage?
Verantwortlich für das Redesign ist das über 100-köpfige Team von „User Experience and Design“, kurz BBC UX & D.
- So sieht die neue Beta-Startseite von BBC aus
- So sieht bzw. sah die bisherige Startseite von BBC aus
- beta.bbc.co.uk | (Nutzer außerhalb von Großbritannien werden auf eine spezielle Startseite umgeleitet, siehe Hinweis im Artikel)
Um es kurz zu machen:
Selbst der Screenie macht schon Lust aufs “Lossurfen”. Die Inhalte sind schnell erfassbar, der Blick wird klar und schnell gelenkt und sämtliche Bedienelemente können so zugeordnet werden, dass ich auch im Vorhinein schon weiß, was höchstwahrscheinlich durch einen Klick passieren wird.
Wer braucht Content-Monster, wenn er sowas haben kann? :-)
Für mich eine ganz klare Verbesserung!
Ich kann mich mit dem Tablet-Hype nicht anfreunden. Die meisten surfen jetzt und künftig am normalen PC oder Notebook. Ohne Touchscreen und mit Mouse. Dass nun 90% (oder so) der Leute sich mit übergroßen Bedienelementen anfreunden und das auch noch als Innovation wahrnehmen sollen ist nicht rationell erklärbar.
@ppp: Naja, “über”große Bedienelemente kann ich da jetzt nicht wirklich erkennen, da gibts schlimmeres. Aber generell wird ja alles heute etwas größer, entweder weils touchoptimiert ist oder weils für die großen Monitore von heute ausgelegt ist und dann Dinge auch mal den Platz bekommen können, der ihnen zusteht. Dass früher alles klein und eng war wurde ja nicht gemacht weils so besser ist, sondern weils nicht anders ging, da man bei den kleinen Auflösungen früher jeden Pixel brauchte.
Patrick, den Link musst du mir nennen, wo Bedienelemente noch größer sind als hier die links/rechts Buttons oder die Slider unten :-)
Geschichtlich gesehen (wenn man das schon so nenne kann) war es beim Webdesign etwas anders. Die Verkleinerung von Schriftgrößen und kompakteres Design kamen erst etwas nach der Jahrtausendwende auf. Als Trend, aber auch weil es erst da die Möglichkeiten dazu gab mit ausgereiftem CSS usw. Die Bildschirmdiagonalen und -auflösungen wurden also größer während die Sites griffiger wurden.
Schöner, größer, besser? Na ja. Ich kann ppp vollkommen verstehen. Ich sitze zwar selber an ‘nem FullHD-Monitor, aber breiter als 1000 Pixel muss für mich ‘ne Seite eigentlich nicht sein, da ich bei der Auflösung den Browser sowieso nicht mehr im Vollbild laufen habe. Da ist das schon suboptimal, wenn alles breiter und größer wird.
Der Netbook-User freut sich über solche Seiten sicher auch immer wieder.
Von mir aus kann man ja “Tablet”-angepasste Seiten erstellen. Aber wieso muss es der Desktop-User auch bekommen? Keine Frage. Das Redesign hat Stil. Aber mich als 08/15-Surfer stört das übergroße Erscheinungsbild schlicht und ergreifend.
Für mich liegt das Problem nicht primär in der Größe der hier diskutierten “großen Elemente”, sondern eher in deren Farbe. Während selbst schwarze oder graue Navigationspfeile auf weißem/hellgrauem Hintergrund dezent herüberkommen würden, ohne vom Content abzulenken, ist der schwarz/weiß-Kontrast aktuell viel zu groß. Das macht sie auch so klobig.
Beim Slider gilt meiner Meinung nach genau das Gleiche, wobei hier noch dazu kommt, dass die im Grunde horizontale Ausrichtung der Seite durch diese vertikalen Balken gestört wird.
Nichtsdestotrotz sehe ich eine klare Besserung in dem Redesign. Hoffentlich ist der Zusatz “Beta” auch Programm und BBC optimiert noch einige Elemente.
Die neue BBC Beta, das zweischneidige Schwert. Auf der einen Seite möchte ich Christian (#1) Recht geben, die neue Website macht dank der klaren Übersicht Lust auf mehr.
Auf der anderen Seite stimme ich aber auch ppp (#2) zu. Die Bedienelemente sind zum Teil viel zu groß geraten und somit rücken die Inhalte in den Hintergrund. Okay, nun kann man wie Patrick (#3) argumentieren, dass die neue BBC Website für die heutzutage gängigen 24“ – 27“ Monitore ausgelegt ist, doch denke ich das nur sehr wenige Nutzer den Webbrowser auch auf der vollen Größe nutzen?! Gilt es im Bezug auf die Monitorgröße nicht viel mehr um Multitasking?
Im Ganzen sehe ich ähnlich wie Alexander B. (#6) eine klare Besserung zum vorherigen Design. Doch gleichzeitig wünsche ich mir, dass der Name „Beta“ Programm ist und BBC noch einiges an dem neuen Look & Feel optimiert. So können beispielsweise die Slider-Pfeile ohne Probleme aus dem Design verschwinden, da der Slider auch über der sich unter dem Slider befindlichen Navigation gesteuert werden kann. Des Weiteren könnte der Bereich „Most Popular“ mehr Inhalte fassen, da hier noch sehr viele Weißbereiche leer wirken, im Gegensatz zu der sonst so „klobigen“ Websiteaufmachung. …
Ich finde das Redesign klasse!
Die dunklen Pfeil-Buttons an den Seiten finde ich auch in Größe und Kontrast in Ordnung. So wird wenigstens ersichtlich, dass es dort weitergeht. Viel zu viele Seiten setzen mit Wischiwaschi-Design und möglichst geringem Kontrast die falschen Akzente, so dass ich vollkommen plan- und führungslos auf der Seite umherirre. Die Führung hier ist deutlich und gelungen. Ist natürlich die Frage, wie Content- und weitere Unterseiten aussehen.
Was mich aber etwas stört und gleichzeitig wundert, dass es noch nicht bemängelt wurde, ist die offensichtliche “Bevorzugung” von Tablets und Co. im Bereich unter’m Banner. Was soll denn der vertikal gesetzte Text? Selbstverständlich kann ich das jetzt noch lesen, unnötig umständlich ist es aber trotzdem. Das hätte man auch über gewöhnliche Reiter lösen können.
Wie dem auch sei. Geile Seite. Werd’ ich mir auf jeden Fall mal ausführlich anschauen, wenn sie denn online ist. :-)
Sie ist bereits online.
Ich finde die Seite (insofern man das bei einem Screenshot beurteilen kann) sehr gelungen. Die weiss überlegten Elemente weisen dezent auf weitere Inhalte hin – die Buttons sind jedoch tatsächlich ein wenig gross geraten. Das Design folgt klar den aktuellen Entwicklungen und Trends der Entrümpelung und Abstraktion der einzelnen Elemente. BBC geht eindeutig weiter als die FAZ und macht es in meinen Augen damit auch besser.
Zu Achim (#9): die auf https://beta.bbc.co.uk/ aufgeschaltete Seite unterscheidet sich entschieden von dem oben gezeigten Screenshot. Die “aktuelle” Beta wirkt wie eine Mischung aus den beiden oben gezeigten Screenshots und ist “weder Fisch noch Vogel”. Schade, wenn diese abgespeckte Variante das Rennen machen würde…
@Matthias Im Artikel wird erklärt, warum sich Beta- und aktuelle Seite unterscheiden.
@Achim Stimmt – und zwar ziemlich ausführlich – mein Fehler… Jedoch ist mir beim weitern Betrachten des Screenshots ein kleines aber interessantes Detail aufgefallen: Der G+ Circle “Friends” auf der rechten Seite des aktiven Contentfensters. In Betracht des Konzepts: “(…) Abkehr von einem Konzept, das die Personalisierung und Individualisierung der Homepage-Inhalte durch den Nutzer vorsah.” wundere ich mich schon stark, wie dieses Element in die Seite integriert ist. Vielleicht ist es aber auch nur eine Illustration zu einem Artikel (was sich nach einer weiteren Betrachtung leider bewahrheitet).
Das automatische Filtern der Nachrichten auf Basis der Google-Profile und +1-Daten wäre jedoch auch ein sehr spannender Ansatz.
Mal am Rande:
ist BBC wirklich die größte gebührenfinanzierte öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt der Welt? Mich interessiert schon seit längerem, ob es nun die ARD oder die BBC ist. Spontan wäre auch ich davon asugegangen, dass es die BBC ist. Die ARD schreibt selbst aber:
“weltweit ist sie (die ARD) mit dieser Leistung, einem Budget von rund 6,3 Mrd. Euro und rund 23.000 festen Mitarbeiter/innen der größte nicht-kommerzielle Programmanbieter.”
(Quelle: ARD Intern)
Woher hast du, Achim Schaffrinna, diese information denn (also dass die BBC die größte ist)?