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Alles anders auf Stuttgart.de

Stuttgart Relaunch

Die Stadt Stuttgart hat einen umfangreichen Relaunch durchgeführt. Nach 2-jähriger Projektarbeit erscheint die digitale Visitenkarte der Landeshauptstadt runderneuert. Zuletzt wurde das Portal im Jahr 2001 verändert. Höchste Zeit also sich neu aufzustellen.

Der Auftritt ist anders. Er dürfte polarisieren. Nicht nur aufgrund seines Aufbaus und der eigenwilligen Nutzerführung, die man in dieser Form bei ähnlichen Portalen noch nicht gesehen hat, sondern auch deshalb, weil das Budget erstaunlich hoch war. Immer dann, wenn große Summen im Spiel sind und die Verhältnismäßigkeit fraglich erscheint, wird mit Negativkritik nicht gespart. Lassen wir aber die Zahlen mal außen vor und schauen uns den Auftritt im Detail an.

Farbkonzept – bunt?

“Bunter, moderner, nutzerfreundlicher und barrierefrei” soll der Auftritt sein, so die offizielle Pressemeldung. Zumindest von erstem ist keine Spur. Gelb, Grau und Weiß dominieren das Erscheinungsbild. Die Schrift ist schwarz. Weitere Farben Fehlanzeige. Die Bilder sind für heutige Verhältnisse eher unüblich klein. Einen Beitrag zu einem “bunten” Auftritt können sie nicht wirklich leisten, zumal auf allen Themenseiten jeweils nur ein Foto zum Einsatz kommt. Und eben diese Themenseiten sind es, die einen stutzen lassen.

Aufbau und Navigation

Üblicherweise sind Themenseiten wie z.B. “Kultur” oder “Wohnen” ja dahingehend aufgebaut, dass auf ihnen zugehörige Artikel in Form von Teasermodulen aufbereitet werden. Ein Modul umfasst Bild+Überschrift+Teasertext und optional Datum oder eine Kategoriebezeichnung. Solche Übersichtsseiten finden sich nicht nur auf Stadtportalen, sondern natürlich auch auf Nachrichtensites und vielen vielen anderen Webangeboten. Übersichtsseiten in dieser Form sind ebenso eine feste Einheit wie Detailseiten. Ein Wegdenken solcher Standards im Umfeld großer Webauftritte fällt schwer. Beim neuen Auftritt der Stadt Stuttgart muss man dazu allerdings fähig sein, denn es gibt mit wenigen Ausnahmen (Zielgruppenbereiche) keine klassischen Übersichtsseiten. Stattdessen erwartet den Nutzer auf jeder der Themenseiten lediglich ein kurzer Einleitungstext sowie eine Inhaltsangabe. Den Text lesen die allerwenigsten Besucher an dieser Stelle durch, somit können sie sich gleich mit der Inhaltsangabe beschäftigen, die sich auf- und zuklappen lässt. Sie ist das zentrale, alles bestimmende Navigationsinstrument und darauf muss sich der Nutzer einlassen. Die Betonung liegt auf muss, denn alternative Zugänge zu den Informationen gibt es mit Ausnahme der Volltextsuche nicht. Da es keine herkömmliche kaskadierende Navigationsleiste gibt, verschmelzen also der Content und dieses Navigationsinstrument zu einem neuen Gebilde.

Kein Stöbern möglich

Da weder Bilder, noch Überschriften zur Verfügung stehen, sondern einzig und allein ein Navigationsbaum, der den Einstieg in tiefere Ebenen ermöglicht, fehlt ein ganz entscheidendes Element. Alle Nutzer, die weniger zielgerichtet die Site ansteuern, sondern sich eher stöbernd durchs Netz bewegen, werden ziemlich hart abgebremst. Visuelle Reizpunkte, die auf ein Thema, eine Rubrik oder einen Artikel aufmerksam machen – es gibt sich nicht. Eine Zielgruppe, und zwar eine sehr große, wird im neuen Auftritt der Landeshauptstadt ausgeklammert: All die nämlich, die einfach durch den Auftritt stöbern möchten. Der Navigationsbaum wird diese Nutzer nur schwer erreichen, zumal er in den meisten Fällen gar so lang ist, dass auch diejenigen überfordert sind, die zielgerichtet Rubriken nach bestimmten Artikeln durchsuchen. Ist das also “nutzerfreundlicher”?

Barrierefreiheit – ein zu hoher Preis

Die Barrierefreiheit, also die Zugänglichkeit des Webangebots auch für Menschen mit Behinderungen, steht im Mittelpunkt des Relaunchs, das lässt sich auch der Pressemeldung ablesen. Mit Blick auf die sehr nüchterne, durch ein Navigationskonstrukt geprägte, visuelle Aufbereitung des Auftritts scheint es, als habe man die überwiegende Mehrheit der Besucher des Auftritts in weiten Teilen vergessen. Diese dürfte visuelle Reizpunkte in Form von Teaserbildern ebenso vermissen, wie eine generelle Bildsprache, in der sich die Bürger und ihre Stadt wiedererkennen und die hilfreich wäre den Nutzer zu führen. Sieh hier – dieses Bild führt dich zur Staatsgalerie Stuttgart und schau mal hier – dieses Foto zeigt auf die Detailseite der Mercedes-Benz Arena. Dies hätte den Auftritt nicht nur “bunter” gemacht, es hätte für einen nicht unerheblichen Anteil der Nutzer das Auffinden der gesuchten Information vereinfacht. Gerade bei Folgebesuchen kann man mit diesem Leitsystem wieder schnell Seiten auffinden, deren genaue Position man schon vergessen hatte. Das liegt daran, das sich Menschen Bilder einfacher merken können, als Wörter. Dieses Potential bleibt vollkommen ungenutzt im neuen Auftritt.

Nutzerführung

Internetnutzer neigen dazu lieber einmal zu viel zu klicken, auch auf die Gefahr hin auf einer Seite zu landen, die nur bedingt die gewünschte Information bereit hält, als dass sie lange Listen abtasten um darin den einzig relevanten Link ausfindig zu machen. Aber eben diese Listen sind es, die den neuen Auftritt der Stadt Stuttgart prägen. Die Sitemap hat gute Chancen im aufgeklappten Zustand, als die längste ihrer Art im deutschsprachigen Web zu gelten. Sicher. Wer die Suchfunktionalität der Browser weiß einzusetzen, wird hier eventuell fündig. Das sind aber nur die, die sich tagtäglich mehrere Stunden durchs Netz bewegen. Für alle anderen ist solch eine Sitemap nicht nutzbar, weil sie bei weitem zu viele Informationen enthält. Vor allem bei der Nutzerführung ist weniger immer mehr.

Auch der Bereich, in dem der Brotkrumenpfad dargestellt wird, dürfte zu den größten seiner Art gehören. 615 x 180 Pixel werden hierfür reserviert, unabhängig in welcher Ebene man sich befindet. Bei einer 1024er-Auflösung sind das gut 1/7 der Gesamtfläche, die jedoch immer noch zu klein ist, als dass sie den kompletten Pfad jeder Seite abbilden könnte. Die fünfte Hierarchiebene erscheint in gelben “Pseudofenstern“. Defizite in der Nutzerführung erkennt man auch hier, da unterschiedliche Begriffe “zurück zu Veranstaltungen” und “schließen” ein und den selben Befehl ausführen. Ein Link würde hier reichen, womit das Zurechtfinden erleichtert würde.

Und wenn man schon löblicherweise Nutzer direkt ansprechen möchte, dann sollte man auch Ihre Sprache sprechen. Glaubt denn jemand Kinder oder Migranten fühlen sich mit: “Stuttgart für… Zielgruppe wählen” angesprochen? Natürlich nicht. Sie werden den Zugang nicht finden. Dropdown-Menüs sind eine tolle Sache aber wenn die Betitelung suboptimal ist, helfen sie nicht weiter.

Fazit

Ja. Der neue Auftritt ist vor allem in der Art der Navigation sichtbar anders. Anders fällt auf. Aber fällt er positiv auf? Der Inhalt der Pressemeldung will so gar nicht zum Produkt passen. Der neue Stuttgart.de-Auftritt ist zwar ein technisch ausgeklügeltes und barrierearmes Konstrukt aber auch ein farbloses, dröges Etwas, das jegliche Begeisterung für das digitale Medium bereits nach drei Klicks erstickt.

namics hat das Design und den Styleguide für die Seiten erstellt. Cellent hat die technische Umsetzung übernommen. Alle Online-Formulare (5.stuttgart.de/lhs-services…), wie auch die eGovernment-Dienste sind übrigens noch im alten Design angelegt.

Welchen Eindruck hinterlässt der neue Auftritt der Stadt, insbesondere das Navigationskonzept?

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Dieser Beitrag hat 30 Kommentare

  1. Ich finde den Ansatz der Seite sehr interessant! Barrierefreiheit und Minimalismus zur besseren Übersicht ist ja eigentlich eine lobenswerte Richtung.
    Doch leider erinnert die Ausführung an Bürokratie und Formalismus statt Lebensfreude und Indentifizierung mit Stuttgart.
    Man kann ja barrierefrei sein ohne den normalen Nutzer gleich so zu langweilen. Die Farben sind sehr faarblos und trist und große Teaserbilder sind mittlerweile sehr verbreitet und haben sich als richtig erwiesen.
    Schade, aber ein anschauliches Beispiel, wie Barrierefreiheit nicht funktioniert.

  2. Die Seite macht auf mich den Eindruck, daß sie aus dem Standard-Template eines Open-Source-CMS entstanden ist.

    Ich vermisse einfachste Usability-Grundlagen wie z.B. daß man möglichst auf einen Blick erkennen können sollte, was ein Textlink ist. Hier wird das Ganze zum Ratespiel “Finde den Link”. Das trägt zur Verwirrung des Seitenbesuchers nur noch mehr bei.

    Auch das angesprochene Fehlen der Emotionen durch Bilder fehlt mir. Klar, ist ein Hausbauantrag eine staubtrockene Sache aber zumindest im Internet wirkt es vertrauenserweckend, wenn man auf der Informationsseite dazu eine “glückliche junge Familie im neugebauten Haus” zu sehen bekommt.

    Alles in allem ist die Seite weder ein besonderer Hingucker noch eine Seite, die man sich bookmarken müßte. Hilfreich ist sie – aber auch nur, wenn man erfahrener Internet-Nutzer ist. Ob sich zum Beispiel Sehbehinderte darauf zurechtfinden, darf angezweifelt werden.

  3. Soviel zum Thema “Barrierefreiheit”: das Auf- und Zuklappen der Navigationsbäume funktioniert nicht, sobald man Cookies deaktiviert. Der Besucher wird nicht einmal darauf hingewiesen. Spricht nicht gerade für die Qualitätskontrolle…

  4. Naja, wer hat den heutzutage noch Cookies deaktiviert? Wenigstens funktionierts auch ohne Javascript einwandfrei, auch wenns dann bei jedem Klick kurz laden muss.

  5. Barrierearm ist ja ok, aber wo ist bei diesem Design der Anreiz vorhanden, mehr sehen oder lesen zu wollen? Er ist schlicht und ergreifend nicht vorhanden, weil die Seite meiner Meinung nach langweilig wirkt und damit mal wieder das Argument überhaupt für barrierearme Webseiten liefert – Langeweile und das Fehlen jeglicher Raffinesse bezüglich des Designs. Die technische Umsetzung ist zugegebenermaßen wirklich gut.

  6. Ich frage mich woher der Irrglaube kommt, dass eine barrierefreie Seite schlicht und langweilig aussehen muss.

    Es können alle Farben der Welt eingesetzt werden, es muss nur ein ausreichender Kontrast zwischen Vordergrundfarbe / Hintergrundfarbe vorhanden sein.

    Auch sind Teaserbilder ohne weitere erlaubt, es empfiehlt sich nur bei diese auf ein “alt”-Tag zu verzichten.

  7. Weiowei .. ich hab mich jetzt ne Zeit lang durch die Seiten geklickt, kam dann zu einer Seite und wollte von dort aus wieder auf die Startseite, habe mich gewundert warum ich den Schriftzug und das Pferd nicht anklicken kann bis ich festgestellt habe das IST die Startseite ..

    Die Seite ist nicht nur barrierfrei sondern auch designfrei.

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