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Alle lieben Liebe

Slogan Liebe

Hallo liebe Liebenden!

Ihr* habt es geschafft. Ihr habt ein bedeutungsvolles Wort unserer Sprache zur banalen Allerweltsphrase degradiert. Während Pro7 mit “We love to entertain you” aufgrund der Verwendung der englischen Sprache wenigstens noch erkennbar macht, dass die Liebe oberflächlicher Natur ist – quasi eine Höflichkeitsfloskel – ist in immer mehr Slogans der ungleich stärkere deutsche Begriff “Liebe” eingeflossen. Eine schleichende Form von Anglizismus? 2 Wochen vor dem “Fest der Liebe” ein Kommentar zur viralen Verbreitung von Liebesbezeugungen in der Werbung.

Shell warb bereits 1959 mit “Autos lieben Shell”. Wer will kann diesen Werbespruch heute auf Emailschilder bei Ebay ersteigern. Als McDonalds 2003 “Ich liebe es” einführte, schaute und hörte jeder noch hin. Wenn auch nicht auf vollkommen neue Weise, erzeugte diese Art der Emotionalisierung Aufmerksamkeit. Dies schauten sich offensichtlich viele Texter ab. Eine Liebesbekundung nach der nächsten schoss (wie Unkraut) aus dem Werbeboden. Ob Hunde(Pedigree), Pflanzen, Fußball, Neues, Fliegen, Kino, Lebensmittel oder nun auch Technik – alles wird so was von geliebt. Wenn man mal davon ausgeht, dass Werbung die Bedürfnisse der Käufer widerspiegelt, war der Wunsch nach Geborgenheit noch nie so groß wie in diesen Tagen. Man hat den Eindruck jeder möchte dabei sein – auf der größten Knuddel- und Schmuseparty aller Zeiten. Frei nach dem christlichen Motto: “Liebet das nächste, was auf den Markt kommt.

Rechtzeitig ist Volkswagen in diesem Herbst mit dem Slogan “Aus Liebe zum Automobil” vom immer schneller fahrenden Zug der Liebesentgleisungen abgesprungen und wirbt seitdem kurz und spartanisch mit “Das Auto”. Ich würde sagen, das ist halbwegs glaubhaft. Da nimmt man ihnen ab. Autos – das können sie! Aber wie glaubwürdig ist ein Unternehmen, das z.B. Sellerie liebt?

Ich verbringe sehr viel Zeit am Mac. Mein iPod ist immer dabei und das OS X ist eine feine Sache aber deshalb liebe ich noch lange nicht Apple. CEO Steve Ballmer von Microsoft liebt seine Firma. Schön und gut. In diesen Bauch passen wahrhaft eine Menge Schmetterlinge. Aber kann man seinen Arbeitgeber lieben? Wenn man mit ihm oder ihr verheiratet ist, kann das durchaus vorkommen. Ich jedenfalls wertschätze die Agentur, für die ich in Lohn und Brot stehe. Wie man annehmen könnte liebe ich es auch keinesfalls zu bloggen. Ich betreibe es mit Leidenschaft und auch auf passionierte Weise. Aber lieben?

Die Verballhornung des Wortes Liebe in der Werbung wirkt befremdlich. Ich bin gespannt welche weiteren Marken oder Unternehmen uns demnächst mit ihren Coming-Out beglücken werden. “Wir lieben Nikotin”, “Wir lieben Elektro-Vertikulierer” oder “Wir lieben Kehr-, Saug- und Schrubbmaschinen”. Weit sind wir davon jedenfalls nicht mehr entfernt. Ich wundere mich, dass das Thema noch nicht von Komikern wie Mario Bath aufgegriffen wurde. “Du Schatzi. Ich hab das Gefühl ich bin neuerdings Luft für Dich”. Darauf der Kerl: “Nein mein Engel. Ich liebe dich gaaanz doll.” Worauf sie dann mosert: “Du liebst mich? Wie profan!”

In diesem Sinne.

* gemeint sind die verantwortlichen Texter

Dieser Beitrag hat 47 Kommentare

  1. Über das “wir lieben” habe ich auch schon öfters nachgedacht. Und schon sieht man, dass es noch viele mehr nutzen als die erwähnten Firmen. Derzeit auch in der Kampagne “Andalusien liebt Dich”.

    Mich wundert da fast, dass nach der Deutschlandkampagne nicht viel mehr auf den Zug “Du bist …” aufgesprungen sind. Aber vielleicht textet sich das auch nicht so gut: “Du bist Volkswagen” oder “Wir sind nicht teuer. Wir sind Technik” ;-)

  2. Ich finde es gut zu sehen, dass es auch noch andere Menschen gibt, die sich an dieser Degradierung des Wortes für das stärkste menschliche Gefühl stören.
    Vielleicht kann es allerdings dazu dienen, dass sich in Familien öfters mal wieder gesagt wird, ich hab dich lieb, Mami, o.Ä. denn wenn man bedenkt, dass die größte Schicht der Werbezuschauer Menschen sind, die sozial nicht unbedingt auf der höchsten Ebene stehen. (vgl. Supernanny. In wahrscheinlich 9 von 10 Familien läuft der Fernseher ununterbrochen.) Und genau das sind die Familien, in denen die Liebe oft zu kurz kommt.

  3. Viel trauriger, als die Tatsache, dass “lieben” zu einer Floskel verkommt, finde ich, dass die ganzen Werbekampagnen so billig von einander abkupfern.

    Dieses “wir lieben XY” ist derzeit eine Art Apple-Glossy Effekt der sich durch die Werbebranche zieht.

  4. Ob der Begriff Liebe jetzt degradiert wird finde ich eigentlich nebensächlich. Es geht schließlich um die Sache an sich und die kann sich durch Werbung nicht abnutzen.

    Viel schlimmer ist wahrscheinlich, mit was uns in Zukunft die Werbung penetriert. Der Begriff Liebe und die ganzen “emotionalen” Kampagnen werden sich in der Werbung selbst mit Sicherheit abnutzen. Was kommt nach Begriffen wie Liebe und Geil bzw. den ganzen inhaltsleeren “emotional aufgeladenen” Bilderwelten? Ich möchte das lieber nicht wissen …

    Werber glauben anscheinend wirklich durch das Wörtchen Liebe im Claim und ein paar schönen Landschaftsaufnahmen die mit dem Produkt selbst überhaupt nichts mehr zu tun haben erzeugen sie Emotionen wie Liebe und Vertrauen beim Betrachter.

  5. Ein guter Beitrag. Selbstkritisch* und auf den Punkt gebracht.
    Wir alle sollten hin und wieder mal einen Schritt zurücktreten und darüber nachdenken, wie wir mit gesellschaftlichen Werten in der Werbung umgehen.
    Mehr davon! Danke!

    *Wenn man die Werbewelt als Ganzes sieht, zu der Du Dich wahrscheinlich auch zählst.

  6. Das sind nur noch Phrasen, nicht mal Slogans. Irgendwann werden sie merken, dass Phrasen niemand ernst nimmt und das Unternehmen dadurch unglaubwürdig wird. Abgesehen davon, dass keines dieser Unternehmen zu wissen scheint was Liebe ist und sich damit als äußerst unsympathisch outet.
    Saturn wirbt dann neben auch noch mit schlechtem deutsch, bzw. macht deutlich, dass Grammatik keine Vorraussetzung für Kommunikation sein muss. Was soviel heißt wie, egal was fürn Blödsinn wir auf unsere Plakate schreiben, Hauptsache billig.

Kommentare sind geschlossen.

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