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Ästhetik ohne Ethik? – Vorstellung einer Masterthesis

Masterarbeit: Ethik im Kommunikationsdesign

„Kommunikationsdesigner zu sein ist kein Beruf, in dem man seine Persönlichkeit morgens an der Garderobe im Büro abgibt und dann unreflektiert alles abarbeitet, was einem der Chef vorlegt“, so Sandrine Mause im Rahmen ihrer Masterthesis. Wie recht sie hat.

Philippe Starck sagte einmal in einem Interview in der ZEIT: „Alles, was ich gestaltet habe, ist absolut unnötig. Strukturell gesehen, ist Design absolut nutzlos.“ Sicherlich – in der Überflussgesellschaft gibt es unnötige Produkte zuhauf. Aber Design in Gänze nutzlos? Starcks schonungsloses Resümee muss auf Designer verstörend wirken. Gut so! Denn wir brauchen in der Designbranche mehr kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Arbeit.

Sandrine Mause, die an der HTWG in Konstanz Kommunikationsdesign studierte, widmet sich in ihrer Masterthesis der Verantwortung von Kommunikationsdesignern, die mit ihrer Arbeit – und das ist nicht allen Kollegen bewusst – großen Einfluss auf Menschen ausüben. Sie schreibt in ihrer Thesis einleitend: „Als Kommunikationsdesigner braucht es Bewusstsein, die Fähigkeit zu Reflektieren und die richtigen Einschätzungen und Urteile fällen zu können. Dabei ist eines besonders wichtig – Ethik!“

Offenkundig fehlte Starck zu Studienzeiten noch die Fähigkeit, über seine Arbeit zu reflektieren. Wie ihm dürfte es tausenden Designern und Gestaltern gehen. Wie gut, dass es Sandrines Masterthesis zu einem so wichtigen Thema gibt. Speziell für das dt hat sie eine überarbeitete Fassung auf Issuu hochgeladen, um diese allen Interessierten zur Verfügung zu stellen. Ich möchte die Thesis allen dt-Lesern ans Herz legen.

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Dieser Beitrag hat 41 Kommentare

  1. Wirtschaftsethik war schon immer ein wesentliches, wichtiges Thema, das man nicht nur im Marketing, in Denkfabriken, an Fakultäten, in Stiftungen und Führungsebenen oder im Rahmen von Kommunikationsdesign-Agenturen, Service Design […] bereits seit einigen Generationen humanistisch, nachhaltig, sinnvoll und zielorientiert erklärt wird. Wertschätzung für Wertschöpfung bedarf auch im Bereich Design immer eine sozialkompetente, vernünftige, diplomatische Komponente. Man muss “wirtschaftlich erfolgreiche Ästhetik und Kommunikationsdesign” und “in Schönheit sterben” nicht trennen, darf aber auch nicht vergessen, dass Kreativität nur dann möglich ist, wenn Schöpfung und Feingeist eine komfortable, monetär unabhängige Basis besitzen. Der Mensch muss es sich leisten können, formal-ästhetische Höchstleistungen zu bieten, Perfektion anzustreben, Potentiale zu entfalten […] damit die richtige Reaktion, das Reflektieren, Empathie und »Geistiger Reichtum« die Kultur, Moral und Ethik uneingeschränkt unterstützen können.

  2. Dieser Zwiespalt kommt in letzter Zeit ja ziemlich regelmäßig an die Oberfläche. Ich finde das interessant. Eine ethische Verpflichtung hat doch grundsätzlich jeder Mensch. Sowohl als Privatperson, also auch in seiner beruflichen Funktion.

    Ich habe die Arbeit nur überflogen, aber als ich gelesen habe, dass der Beruf des Kommunikationsdesigners ein Beruf mit besonderer “Strahlkraft” und somit mit besonderer Verantwortung sei, habe ich gestutzt. Ich denke genau da liegt der Hase im Pfeffer: totale Selbstüberschätzung und Frustration über die die große Lücke zwischen Selbst- und Außenwahrnehmung. Warum nehmen wir Designer uns so ernst?

    Ich bin da ganz bei Phillipe Starck, dass ein Großteil unserer Arbeit verzichtbar ist. Das hat nichts mit Oberflächlichkeit zu tun, so ist nun mal das Leben. Einem so anerkannten Designer in einem Nebensatz mal eben so die Selbstreflektion abzuschreiben, finde ich stilistisch ungeschickt.

    So kann ein Koch, der sich der Verantwortung seines Berufes bewusst ist, ständig über die Nachfrage an ungesunden Gerichten zetern, ein Anwalt sich über die Banalität der von Ihm vertretenen Nachbarschaftsstreitigkeiten beschweren, ein Arzt darüber lamentieren, dass er eigentlich Leben retten wollte, er im Alltag aber nur Leiden behandelt, die die Menschen sich durch falsches Verhalten (Ernährung, Ergonomie, Stress) quasi selbst zufügen.

    Jeder sollte den Mund aufmachen, wenn ihm etwas nicht passt. Jeder sollte versuchen seine Fähigkeiten nützlich einzusetzen. Jeder sollte versuchen in seinem Job glücklich zu sein. Aber daraus eine These zu formulieren, die nach Allgemeingültigkeit strebt, halte ich für übertrieben. Das setzt vor allem voraus, dass es eine einheitliche Definition von Gut und Böse, gibt – alleine daran wird eine solche These wahrscheinlich schon scheitern. Leider ist ja nicht alles Schwarz oder Weiß, sondern in den meisten Fällen dominieren die Grautöne!

    Wenn jeder morgens ohne Gewissensbisse in den Spiegel schauen kann, ist alles gut. Dazu braucht es aber keine These oder Masterthese oder Gebrauchsanweisung.

    Was ich aber toll daran finde, ist, dass diskutiert wird. Das ist immer gut!

    1. Lieber Dirk,

      Sie haben die Sache auf den Punkt gebracht.Wir Designer nehmen uns und unsere Arbeit viel zu wichtig. Das Thema der Master Thesis ist ein weiterer Versuch den Beruf des Designers aus seinem Loch der relativen Bedeutungslosigkeit herauszuholen. Uns wichtig zu machen in einer Welt der ästhetischen Überreizung. Mit seinem Satz zeigt uns Philipp Stark, was Verantwortung im Design eigentlich wirklich bedeutet: sich seiner Begrenztheit bewußt zu sein.

  3. Als Kommunikationsdesigner braucht es Bewusstsein, die Fähigkeit zu Reflektieren und die richtigen Einschätzungen und Urteile fällen zu können.

    Was soll uns das sagen? Leider passt der Satz vorne und hinten nicht zusammen und ist daher völlig unverständlich. Das gilt genauso für Stefan Strehls Kommentar:

    Wirtschaftsethik war schon immer ein wesentliches, wichtiges Thema, das man nicht nur im Marketing […] bereits seit einigen Generationen humanistisch, nachhaltig, sinnvoll und zielorientiert erklärt wird.

    Sollten Kommunikationsdesigner sich denn nicht auch sprachlich verständlich ausdrücken können?
    Schade um ein so wichtiges Thema!

    Kreativität nur dann möglich ist, wenn Schöpfung und Feingeist eine komfortable, monetär unabhängige Basis besitzen.

    “” wie viele bettelarme Künstler und Philosophen gibt, gab es? Da interessiert mich dann doch, welcher Kollege Sozialwissenschaftler das von sich gegeben hat. (Unter anderem solche Sachen waren es, die mich von der Wissenschaft Abstand nehmen ließen.)

  4. Speziell zu Philippe Starck folgende Ergänzung:
    Man darf bei dieser Person nicht außer Acht lassen, dass hier ein Designer-Typus verkörpert wird, der sich gänzlich von dem eines Aichers/Gugelots/Rams abgrenzt: in Starcks Entwürfen tritt die Nähe zur Kunst deutlicher hervor als es etwa bei den “stillen Dienern” Brauns. Ein Absolvent der HfG Ulm hätte den Entwurf für seine Zitronenpresse nicht auf die befleckte Serviette eines Billig-Restaurants gekritzelt und kurz darauf seinem Auftraggeber präsentiert. Starcks Entwürfe sollen überraschen, aggressiv kommunizieren, skulpturale Qualitäten annehmen und neue Erfahrungen mit Alltagsobjekten erzwingen. Die Ästhetik zu den Ulmern ist im Vergleich grundverschieden: Hier eine irrationale Funktionserfüllung mit Erinnerungswert, dort eine rationale Funktionserfüllung mit Zeitersparnis.
    Bei einem Leitsystem hat die Designauffassung eines Starck-Designers nichts zu suchen. Im Produktdesign ist sie aufgrund des Überflusses zulässig und kommt dem menschlichen Bedürfnis nach Individuation entgegen; denn hier geht es nicht mehr nur darum, OB man eine Zitronenpresse hat, sondern vor allem WELCHE. Ethisch komplett verwerflich ist Starck also nicht, seine Produkte kommen unserer Lust am Leben entgegen. Es gibt aber sicherlich bedeutsamere Probleme.

    (Künstler spielen übrigens besonders gern mit ihrer eigenen Inszenierung. Dazu gehören auch Aussagen über die eigene Persönlichkeit, die jederzeit wieder verworfen werden können. Bei Joseph Beuys, zum Beispiel, wird das ganz besonders deutlich. Deshalb sollte man bei der Interpretation von Interviews immer etwas vorsichtig sein.)

  5. So ein Anspruch führt direkt zu Die ‘Anleitung zum Unglücklichsein’!
    (Lesebefehl ;-) Dieses Buch von Watzlawik hat’n guten Dreh.)

    “Aber daraus eine These zu formulieren, die nach Allgemeingültigkeit strebt, halte ich für übertrieben.”

    So ist es. So wird man am raschesten frei nach Watzlawik unglücklich. Ob ohne oder mit Philippe Starck.

    Was diese Leitfiguren eitel oder betont lässig (muss kein Gegensatz sein sondern blanke PR-Kunst) in der Branche blubbern, hat eh kaum etwas mit dem Alltag des kleinen Designers um die Ecke zu tun.

    Der Alltag des kleinen Designers hat natürlich auch seine kleinen Ethikfallen.

    Gerne les ich zur Alltagsbegleitung dann immer den Dr. Dr. Rainer Erlinger auf dem Süddeutsche Magazin, die Gewissensfrage: https://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/liste/l/10

    Wie ebendort zum Beispiel:
    “Darf man Freunde zurechtweisen, wenn sie verschwenderisch mit Lebensmitteln, Strom oder Wasser umgehen? Die Antwort führt unseren Kolumnisten geradewegs zu James Bond. ”

    Auf unsere Situation gemünzt: Darf man Auftraggeber oder/und Kollegen zurechtweisen, wenn sie verschwenderisch mit Ressourcen umgehen? Plastikkram einsetzen, dem Produkt unnötige Verpackung aufoktruieren? Die Antwort könnte ebenfalls geradewegs zu James Bond führen. Oder auch nicht.

  6. Ein bisschen schmunzeln musste ich ja schon, als ich die eingebettete Thesis hier im Blogpost sah:

    Grammatikalisch nicht ganz korrekt, aber das soll dem Scherz mal nicht zum Nachteil gereicht werden…

  7. Auf unsere Situation gemünzt: Darf man Auftraggeber oder/und Kollegen zurechtweisen, wenn sie […]

    Es geht weniger um das Dürfen, als vielmehr um das Sollen. Die Art, wie es kommuniziert wird, ist doch entscheidend. Und natürlich darf man es, ob man es soll, muss jeder mit seiner persönlichen Haltung ausmachen. Diese lässt sich aber auch freilich flexibler handhaben, wenn man wirtschaftlich unabhängig bzw. ohne Druck arbeiten kann.

  8. Was dem Kunden (und Designer sind einfach nur Dienstleister, auch wenn sie es nicht wahrhaben wollen) wirklich noch fehlt wie ein Blinddarm, ist ein Designer, der ihm noch irgenwelche Dinge vorschreiben will, aus welchen Gründen auch immer.

    “Der Kunde hat immer Recht” – Ein Satz, den sich jeder Dienstleister hinter die Ohren schreib muß. Und wer meint, dass das für nicht gilt, hat nicht verstanden, was es heißt Dienstleister zu sein. Er sollte vielleicht lieber sein Glück als (schlecht bezahlter) Künstler versuchen.

    Wenn der Kunde eine aus eigener Sicht schlechte Entscheidung trifft, kann und muß man ihn darauf hinweisen. Wenn er aber bei seiner Entscheidung bleibt, hat er seine ausserhalb des eigenen Horizontes liegenden Gründe und Lebenserfahrungen und er wird die Entscheidung auch verantworten. Wenn man selbst immer Recht hat und die anderen immer falsch liegen, sollte man sich fragen, ob man nicht selbst der Geisterfahrer ist. :-)

    1. „Der Kunde hat immer Recht“

      So ein Quatsch!

      Hab z. B. grad einen, der will nicht für den ganzen 6-Seiter zahlen.
      Nur ein Spottgeld.

      Behauptet zur Begründung des Spottgelds, dass er arm sei (hat Villa in Protzgegend) und daher müsse ich ihm das für ein Drittel dessen machen, was man normalerweise für den Arbeitsaufwand verlangt.
      Ein Glück, dass es Auftragsfreiheit gibt.

      Hat dieser Kunde Recht?

      Nein.

      Der nächste kommt und sagt, seins wäre ein Premium-Produkt und er bräuchte viel Blingbling-nach-Premium-aussehendes-Plastikverpackungsfake.

      Muss ich ihm das umweltfeindliche Betrügerding machen?
      Nein. Es gibt Auftragsfreiheit.

      Was ich tun kann, ist, ihm freundlich begründen, warum ich ihm das nicht oder nicht sooo mache.

      Höfliche Begründung ist leider nicht immer die beste Idee:
      Hab grad einen, wo man sich mit höflichen und exakten Begründungen nur neue Probleme bereitet. Jetzt hat er sein einfaches NEIN bekommen.Vielleicht taugt ihm ja das

      Es gibt auch sehr dreiste Nochnicht-Kunden, die mit keinerlei Manieren gesegnet sind und heumpöbeln. Und dazu noch fordern, was der Tag so hergibt.
      Hat so ein Kunde Recht?
      Nein. Er ist Sklavenhalter, so kein Kunde.

      … ob man nicht selbst der Geisterfahrer ist. :-)

      Sie san auch so ein Geisterfahrer.
      Gern gschehn.

      1. Thema verfehlt, würde ich sagen. Keiner von denen ist dein Kunde geworden.
        Dass man unwirtschaftliche Aufträge nicht annimmt, ist ja wohl klar und hat auch nichts mit Ethik zu tun.
        Tut mir Leid, dass ich da einen Problembereich bei dir angesprochen habe.

        Außerdem freue ich mich über Kollegen wie dich: Mehr Aufträge für mich. Kunde möchte Blingbling-nach-Premium-aussehendes-Plastikverpackungsfake? Er wird seine Gründe haben und kann seinen Markt bestimmt besser einschätzen als ich. Also bekommt er es natürlich. Der Kunde hat unsinnige Vorstellungen? Ich versuche ihn zu verstehen, wie er zu seiner Einschätzung kommt, was ihm das Gefühl gibt, das dies richtig ist und bediene seine Wünsche, auch wenn er sie nicht formulieren kann. Wenn er ein helles, freundliches Schwarz will, dann fang ich nicht an, ihm einen Vortrag über Farben zu halten, sondern liefere ihm ein helles, freundliches Schwarz. Damit verdiene ich mein Geld.

        Ich stelle mir die Frage: Will ich Recht haben oder Geld verdienen?
        Da ich Unternehmer bin, ist die Antwort einfach.

        1. Auch wieder Quatsch.
          Das war ein Kunde.
          Mit der Betonung auf war, denn ich habe ihn gefeuert. Nicht er mich.

          Und sonst … Bis ein kleiner Toxischer, hm?
          Der schlagende Beweis, dass es der Branche nu wirklich dreckig geht.
          Cave Kollegem.

          … sondern liefere ihm ein helles, freundliches Schwarz.

          Selten so gelacht. You made my day.

    2. „Der Kunde hat immer Recht“

      Eben jenes Hörigkeitsdenken auf Seiten des Gestalters hat uns diesen ganzen Schlamassel (unfaire Pitches, Crowdsourcing-Logos zu Dumpingpreisen, Geringschätzung von Designleistungen …) eingebrockt. Was mich an dieser Aussage zudem von je stört, ist der Eindruck, als ginge es darum, Recht zu haben, als gäbe es nur schwarz und weiß, nur einen Sieger und einen Unterlegenen in solch einem Prozess. Die Vorstellung, man müsse als Dienstleister stets nachgeben, ist ebenso destruktiv und geschäftsschädigend wie die Annahme, man könne den Kunden etwas vorschreiben. Mir erscheinen beide Vorstellungen gleichsam absurd.

      1. Bitte das Wort “Kunde” nicht ausser acht lassen. Wer nicht zahlt (und damit meine ich wirtschaftlich tragbar zahlt), zählt auch nicht zu den Kunden. Wer bei Pitches mitmacht, ist selber schuld. In meinen Augen vertane Zeit. Auch braucht nicht jedes Ministartup ein Logo und ist am Anfang mit einem Fließbandlogo, das vielleicht schon 1000 andere verwenden, genauso gut bedient. Und mit einem Verkaufswert von 10 EUR hat der Designer sein Geld auf wieder drin.
        Und dass meine Dienstleistung nicht geringgeschätzt wird, dafür sorgt schon die Rechnung. :-)

        Es gibt in dem Prozess Sieger und Unterlegene: Entweder sind beide Sieger oder beide Unterlegene/Verlierer.

        Was mich stört, ist dieses überhebliche Ethik-Gerede aus der kleinen, meist links-überheblichen Weltsicht heraus. Um das gerade erschienen Beispiel Wasserflasche zu nehmen: Was ist falsch daran, den von Wasserflaschenpreis zu erhöhen? Vielleicht eine Notwendigkeit, um keine Leute entlassen zu müssen? Vielleicht nötig, weil man nur so härtere Umweltauflagen wirtschaftlich sinnvoll erfüllen kann? Ein paar Cent, die dem Verbraucher nicht weh tun, aber etwas gutes bewirken? Oder auch nicht? Was weiss der Designer? Und vor allem, wer macht ihm zum Richter? Sind Designer die besseren Menschen?

        1. Schon einmal etwas von Beratungsleistung gehört? Als Designer, Gestalter oder sonstiger Dienstleister gilt auch, dem Kunden ein gutes Produkt zu verkaufen (eines das am Markt auch Erfolg hat) und nicht eines was er für gut hält. Ich komme aus Agenturen die nur Kunden haben, die nichts zahlen wollen und klare Vorstellungen haben. Nichtsdestotrotz darf und sollte man beraten, Vorschläge machen, Alternativen anbieten und mit etwas Empathie schafft es tatsächlich überraschend oft Kunden davon zu überzeugen, dass die Alternative eine gute Wahl ist. Sicher gibt es immer beratungsresistente Kunden, da muss man als Befehlsempfänger dann durch (besonders im Angestelltenverhältnis). Aber als guter Dienstleister hat man Argumente, Erfahrungen und Referenzen mit denen man „sein“ Produkt anständig an den Kunden bringen kann.

          1. Hallo zusammen,

            mir wird die Diskussion ein wenig zu Schwarz-Weiß geführt. Wir Designer sind keine freischaffenden Künstler, wie sind Dienstleister. Insofern ist es unsere Aufgabe unseren Auftraggeber den bestmöglichen Dienst zu leisten, in Einzelfällen kann es durchaus freilich sein dass sich die Meinungen was denn nun “bestmöglich” ist, nicht decken.

            Zur Praxis: Ich finde Benny Lava hat recht, wenn er sagt, dass Designer nicht immer alle Argumente kennen können um ihr Urteil zu fällen, insofern sollten sie sich hüten so zu tun als ob sie allwissend wären.
            Der Ideallfall ist doch wenn zwischen Designer und Auftraggeber ein offenes Gespräch möglich ist und beide Seiten voneinander lernen. Ich kann mich doch nicht hinstellen dun einem seit 30 Jahren auf dem Markt agierenden Kaufmann erzählen was seine Kunden am liebsten sehen würden – ich kann Einschätzungen abgeben und Meinungen äussern – aber ich sollte nicht die Berufserfahrungen meines Gegenüber leichtfertig in den Wind schlagen.
            Die Fälle, in denen es am Ende zu einer Unvereinbarkeit der Meinungen kommt, und die einzige Lösung eine Aufkündigung der Zusammenarbeit ist, sind doch hoffentlich sehr rar gesäht, oder?

            Kommunikationsdesign – das impliziert auch die Kommunikation zwischen Auftraggeber und -nehmer – in beiden Richtungen.

          2. “Ich kann mich doch nicht hinstellen dun einem seit 30 Jahren auf dem Markt agierenden Kaufmann erzählen was seine Kunden am liebsten sehen würden”

            Das geht sicher schief, richtig.

            Doch man kann sich hinstellen und als seit zig jahren auf dem Markt Agierender erfahrener Designer sagen, welche kommunikative Herangehensart aus Erfahrung in der Kommunikation niemals funktioniert (z. B. der ‘negative Approach’).

            Man kann als ein solcher Designer aus Erfahrung sagen, dass eine bestimmte Form-/Farbkombination in den Werbemitteln bei dieser, seiner Zielgruppe mit Sicherheit gut, besser, schlechter ankommen wird.

            Wenn dieser Kaufmann diese Wissenszutaten aus der andern Branche alles als unerbeteten Bockmist betrachtet, dann kann er gern weiterhin seine Kaufmann-Kiste machen und aufhören, einen Designer zu engagieren. Ist er angeblich auch ohne uns seit Jahren erfolgreich …

            Er kann Kaufmann, er kann Zahlen und kennt seinen Markt – du kannst Kommunikationsdesign.
            Jeder soll den anderen machen lassen und respektieren.

            Wenn aber sogar Designer sich nicht darüber klar sind, was sie denn sind – wie soll es der Auftraggeber wissen. Auf keinen Fall sind wir keine reinen Künstler. ;-)

            (Jetzt wirds komisch: Ich habe die Erfahrung gemacht, das es bei Auftraggebern, die einen für einen Künstler halten, das Arbeiten am einfachsten und schönsten war: Sie haben einen eher respektiert.

            Tritt man als beflissener Dienstleister auf (oft = Sklave), wird man oft nicht richtig respektiert, sogar ganz schön herumgeschubst. (Es liegt am 1. schwachen Auftritt des untergeben Tuenden und 2. am deutschen Wort ‘Dienstleister’, das auf Deutsch schon einen recht komischen Klang hat: Dienst und leisten, da fühlt man sich in die zackige wilhelminische Ära hineinkatapultiert. Auf Englisch heißt das ‘person providing a service’, ‘supplier’, ‘provider’. Seien wir ehrlich, Service klingt einen Hauch besser als das militärische, beamtige ‘Dienst’. Dass man beim beamtigen ‘Dienst’ mal den Stiefeltritt kriegt, wundert einen nicht. Beim ‘Service’ wird man “nur” angemault. Besser ist das.)

            Wenn man seine Tätigkeit als Designer als reine Dienstleistung betrachtet und das auch so eindeutig vor dem Auftraggeber vertritt (kann man machen): Was sich auf die Ergebnisse manchmal übel auswirkt, alles wird verworfen von ‘König’ Kunde, der manchmal einfach nur ein Macht-Kompensationsproblem hat und sich austobt, und so weiter. Daher ist es nicht schlecht, bei einem bestimmten Auftraggebertyp lieber die Künstlerkarte = Autorendesigner zu spielen.

            Der Autorendesigner hats in vielen Fällen leichter und kann endlich arbeiten – ohne das ganze Gezicke. Also ist mir pragmatischerweise völlig wurscht, was für die Kollegengemeinde der Designer in der Theorie sein soll: Für mich in der Praxis muss es stimmen, mit was ich am besten fahre. Es spielen da halt auch die Vor-Urteile der Auftraggeber mit rein. Warum sich die Mühe machen, diese von einem auch noch positiven Vor-Urteil zu heilen? Dann wernse doch wieder zickig, ;-) da sie sich schon wieder bevormundet und zwangsberaten fühlen … Nene das wird nix, für solche Missionierungs-dienst-leistungen, die dann auch noch für mich die Bedingungen verschlechtern, hab ich auch gar keine Zeit, nicht böse sein.)

          3. Hi Moritz,

            das ist ja das was ich versucht habe zu sagen: Ideal ist ein Austausch von Erfahrung, Wissen und Meinung, wobei natürlich jeder vor allem seine Kompetenzen einbringt.
            Zu der Unterscheidung zwischen Autorendesigner und Dienstleister stimme ich dir zu! Ich hätte es zwar anders formuliert, der Sinn bleibt aber vergleichbar: Als Designer wird man ernster genommen und vor allem deutlich ernster bezahlt wenn man sich einen “Consultant”Status erarbeitet (oder behauptet).
            “Beratung” trumpft jede Form von “Ausführung” – immer!

          4. Jürgen,
            und um zum Thema zurück zu kommen, der Ethik:

            Bei allen denkbaren Vorteilen als ‘Consultant’ oder als ‘Künstler’, gegenüber dem Auftritt als reiner Dienstleister (welcher wir schon aus egozentrischen gründn nicht zu 100% sein sollten):

            Man wird auch dann nicht einen Rüstungskonzern dazu bringen, keine Gewehre und Panzer mehr zu bauen, geschweige denn ihn davon abbringen, dazu gefährliche Stoffe zu verwenden.

            Man wird auch dann nicht einen Saatguthersteller dazu bringen, umstrittene Herbizide zu produzieren, die nur mit seinen eigenen gentechnisch verändertem Saatgut gut zusammenspielen.

            Man kann aber gut hergehen und einfach nicht für sie arbeiten.

            Die etwas weniger unethischen, ‘normaleren’ Auftraggeber als die eben genannten:

            Auch bei denen wird es schwer bis unmöglich, ihnen zu sagen, sie sollen ihre Pressspanplatten nicht so mit Gift vollpumpen – das verkaufe sich besser – oder ihren Verpackungssalat reduzieren (sehr hübsch, diese ausgerechnet komplett folierten Biogurken, aber das hat leider zur Zeit seinen pragmatischen Grund …). Dann fliegt man ebenfalls rascher aus deren Konfi raus, als man reinkam. Und zwar als besserwisserischer Blödmann.

            Das zur vielgepriesenen Designer-Ethik.

            Man könnte fast denken, diese haben sich welche als Ersatz-Religion ausgedacht, um ihre unliebsame, da zu vielgewordene Designer-Kollegen-Konkurrenz auszuschalten. Aber nein, so böse darf man nicht denken, Designer sind ja alle und immer ganz liebe …, fast naive.

            Man kann nur versuchen, gewisse Auftraggeber zu vermeiden. Man kann als Designer nicht die Welt verändern. Dieser etwas weltfremde und überzogene Anspruch schimmert in einigen Motivations- und Sonntags-Ethikreden immer wieder durch. Man kann höchstens einen unsicheren Auftraggeber darin unterstützen, wenn der schon auf einem guten Weg ist. Verändern: Das kann nur jeder für sich, sich verändern.

          5. Du fliegst übrigens auch oft aus dem Konfi raus, wenn du das versuchst, was unsere Buchautorin als Designethik betrachtet:

            Die Botschaft nachvollziehbar, schlüssig, begründbar und un-manipulatorisch zu texten und zu designen.

            Da wird mancher Auftraggeber ganz seltsam: “Wie jetzt, schlüssig nachvollziehbar für den Betrachter/Konsumenten begründen? Wie jetzt, nicht manipulieren? Wie jetzt, nicht auf Angst machen? ”

            Dafür haben sie einen doch nicht geholt!
            Man soll nur eins, aus ihrem Denken her ihre Probleme lösen. Die sind gemäß ihnen: mangelnder Absatz, Image verbessern, bei NGOs für einen guten Zweck trommeln. So stehts immer in den Briefings.

            Eigentlich sind ihre Probleme oft hausgemacht: Sie sind schlecht aufgestellt, sie haben in manchen technischen Dingen den Zug verpasst …, sie haben ein nicht funktionierendes Fundraising und wollen aber trotzdem ganz schnell zu Spendengeldern kommen …

            Lösung/Therapie ist nicht nur in der Medizin: Behebung der Ursache.

            Und nicht: Schmus erzählen und manipulieren.

            Aber genau deswegen werden wir oft geholt.
            Wir sollen allzu oft ihre hausgemachten Fehler zukleistern. Paint a pig with a pink lipstick.

            Das ist die Un-Ethik, die sie meint.
            Und versuch jetzt mal, denen da salles zu erzählen und dabei nicht nach dem dritten Satz aus dem Konfi zu fliegen, obwohl du als ‘Consultant’ ein ganz toller bist und sie das wissen.

          6. PS: Ethik ist ja ein große Wort, übergeordnet steht freilich das eigene Gewissen, mit dem man das berufliche Wirken vereinen muss.
            (Alle die noch nie für einen Rüstungskonzern gearbeitet haben: Hände hoch!)

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            :-(

          7. “Ich komme aus Agenturen die nur Kunden haben, die nichts zahlen wollen und klare Vorstellungen haben. “

            Es gibt auch noch die göttliche Variante ‘nichts zahlen und null Vorstellung von was’.

            —-

            Weswegen ich aber hierauf antworte (und den auf Sie, Daniela, Antwortenden einschließe):

            Auftraggeber – vor allem die nach außen sicher Tuenden aber innerlich unsicheren, also diese Fassadenbauer – wollen Sicherheit.
            Gibt man diesem rechteckigen Typ blumige Varianten (vor allem zu viele), dann halten sie einen für unsicher und für nicht ganz dicht in der Birne. Was sich dann wiederum in schlechter Wertschätzung (meist gleichzusetzen mit Bezahlung) auswirkt.

            Varianten herblättern ist nicht gleich Beratung.
            Varianten herblättern ist meist nur: optisch aufzeigen, was nicht ganz so gut ist oder was nicht geht. Ganz gefährliche Methode, denn grade unsichere Auftraggeber ver-greifen sich an der Variante, die man eigentlich nur um zu zeigen, was nicht geht, zeigte. Dann ist schwer was los, nämlich die gute Frage, was ist da passiert..

            Ich hatte sogar einen Creativ-Chef, der wollte immer optsich ausgearbeitet sehen, was für ne Idee ‘nicht geht’. Ziemlich dumm, denn das kostet die Agentur Geld/Arbeitszeit/Nerven..

            Beratung ist, solch dumme, ertragsmindernde Geschichten erfolgreich zu verhindern und den Kunden aufs sichere Gleis zu führen.

            Natürlich so, dass er es nicht merkt. Das ist das wichtigste. Wenn sie es merken, dann geht auch wieder ein unguter Prozess los, die Machtspielchen. Nämlich der Prozess: Ich Unternehmer/Marketingleiter- du nix!

          8. Ich meinte damit auch sicher nicht 10 Entwürfe hinzublättern. Aber aufzuzeigen, das es anders geht. Vielleicht habe ich mich zu allgemein ausgedrückt. Ich wollte auch nur anmerken, das es neben ich mach als Designer straight mein Ding, egal ob der Kunde das gut findet, und ich mache alles was der Kunde wünscht auch durchaus Mittelwege gibt. Die setzen allerdings Kompetenz und Menschenkenntnis voraus.

  9. Die Massenmedien haben jetzt nun auch die Designer eingelullt. Immer diese undifferenzierte Argumentation. Dienstleister einerseits Künstler andererseits. Die Zwischentöne bitte nicht vergessen.

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