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150 Jahre Kanada – Streit um ein Logo und die Frage, wie sinnvoll Designwettbewerbe sind

Logo 150 Jahre Kanada, entworfen von Ariana Cuvin Quelle: Kanadische Regierung

Logo 150 Jahre Kanada, entworfen von Ariana Cuvin Quelle: Kanadische Regierung Logo 150 Jahre Kanada, entworfen von Ariana Cuvin
Quelle: Kanadische Regierung

Ein von der kanadischen Regierung initiierter Designwettbewerb versetzt die dortige Kreativszene in große Aufregung. Dabei ist weniger das vor wenigen Tagen gekürte Siegerlogo Grund für den Unmut tausender Designer und Grafiker, sondern vielmehr die Rahmenbedingungen, unter denen das Jubiläumslogo entstanden ist. Der Verband kanadischer Grafikdesigner (GDC) wirft der Regierung vor, sie betreibe die Ausbeutung von Designtalenten und schade damit dem Ansehen des Landes.

In gut 19 Monaten feiert Kanada sein 150-jährige Bestehen. Anfang 2013 überlegte man in Regierungskreisen, dass es doch schön wäre, zu diesem Anlass ein entsprechendes Logo zu haben, um es bei Festivitäten einsetzen zu können. So wie schon 1967, als man nach mehreren Anläufen schließlich ein Signet in Händen hielt, das im Rahmen der Hundertjahrfeier im ganzen Land Anwendung fand. Der Designer Stuart Ash hatte es seinerzeit gestaltet. Der Versuch, ein Mitmachwettbewerb durchzuführen, bei dem jeder Bürger eigene Ideen und Entwürfe einreichen konnte, endete aufgrund der wenig überzeugenden Arbeiten darin, dass in einem zweiten Anlauf ein Wettbewerb lanciert wurde, mit dem gezielt professionelle Designer adressiert werden sollte. Das Ergebnis ist das von Ash entworfene stilisierte Ahornblatt (maple leaf).

Geschichte wiederholt sich, so scheint es. Kanadische Designer werfen seit Wochen ihrer Regierung vor, sie mache die gleichen Fehler wie die damalige Administration und offenbare ihr fehlendes Designerverständnis. Tatsächlich ließ man auch in diesem Fall zunächst wieder alle Bürger Ideen einreichen. Auch dieses Mal fielen die „Bürger-Logos“ durch. Ein Gremium wurde eingerichtet, das nach einer wochenlangen Hängepartie schließlich die Auslobung eines weiteren Designwettbewerbs vorschlug. So geschehen im Dezember 2014. Ergebnis des zweiten Wettbewerbes, bei dem ausschließlich Studenten aus dem Bereich Design/Grafik teilnehmen konnten, ist wiederum ein stilisiertes Ahornblatt, Kanadas Nationalsymbol. Die 19-jährige Ariana Cuvin hat es gestaltet. Freuen darf sie sich über 5.000 Kanadische Dollar, umgerechnet etwa 3.700 Euro. Alle anderen knapp 300 Teilnehmer des Wettbewerbs gehen leer aus. Nicht nur das wird von Vielen kritisiert.

In einem emotionalen offenen Brief wandte sich GDC-Verbandspräsident Adrian Jean an die Regierung. Wettbewerbe wie diese, so Jean, sind darauf angelegt, angehende Designer auszubeuten. Würde man eine Agentur beauftragen, läge das Honorar um ein vielfaches höher als die Siegprämie, so Jean. Zudem könne es nicht sein, dass ein jeder Teilnehmer ohne entsprechender Vergütung alle Rechte abgeben müsse. Wenn man sich die enorme Präsenz vor Augen führt, die das Jubiläumslogo in den kommenden Monaten haben dürfte, sind 5.000 Kanadische Dollar tatsächlich ein läppischer Betrag. Darüber hinaus sende die Regierung mit einem Wettbewerb, der solch unfaire Bedingungen beinhaltet, ein denkbar schlechtes Zeichen an die junge Generation, so der Verbandspräsident. Studenten würden auf diese Weise die Erfahrung machen, dass ihre Arbeit nichts Wert sei. Konfrontiert man die Regierungsverantwortlichen mit dieser Kritik, so heißt es, mal vertraue in die Kreativität junger Kreativer und sehe den Wettbewerb als eine Chance, die Geschichte Kanadas ein Stück weit mitgestalten zu können.

Logo 100 Jahre Kanada, entworfen von Stuart Ash Quelle: Wikipedia
Logo 100 Jahre Kanada, entworfen von Stuart Ash
Quelle: Wikipedia

Auch eine Aktion auf Facebook und Twitter gibt Jean recht. Unter dem Hashtag #MyTimeHasValue protestierten viele Studenten und Designer gegen den von der Regierung ausgelobten Wettbewerb, der dieser ihrer Meinung nach unzumutbare Bedingungen enthält (siehe Abb. unten). Mehr als 6.400 Kanadier haben bis heute eine Petition unterzeichnet, in der es heißt: „Design contests that ask participants to offer intellectual property for little or no compensation are unethica“. Und was sagt der Schöpfer des Hundertjahrfeierlogos? Er kritisiert, die Regierung verfahre nach der Devise, „etwas für nichts“ bekommen zu wollen, wie die von ihm gegründete Agentur bereits im Februar dieses Jahres auf einer eigens eingerichteten Webseite (entro.com/news/canada150logocontest/) resümiert.

Aktion #MyTimeHasValue
Aktion #MyTimeHasValue

Das bevorstehende Jubiläum – für viele kanadische Gestalter ist es schon länger kein Grund mehr zur Freude. Vieles hätte man anders, besser machen können. Große Teile der Designszene fühlen sich übergangen. Aus der Ernüchterung und Wut Vieler spricht heraus, wie gerne man sich bei solch einem Ereignis von nationaler Bedeutung als professioneller Gestalter eingebracht hätte. Nicht einmal die Siegerin des Logos kann sich so ganz freuen.

„Bittersüß“ sei die Erfahrung, wie Cuvin gegenüber dem Nachrichtenblatt The Star zugibt, einerseits ein Logo gestaltet zu haben, das eng mit der Geschichte des Landes verbunden sein wird, andererseits die Kritik aus der Kreativszene zu spüren, für die sie Neid als Ursache glaubt auszumachen. Ein wenig einfach macht es sich die junge Studentin da schon, auch wenn sie sagt: „There’s a client, they chose what they liked“.

Verständlich, dass die professionelle Gestalterszene Kanadas – und nicht nur dort – ein derart schiefes Bild, bei dem Designer auf Lieferanten von Grafiken reduziert werden, in der Öffentlichkeit nicht projiziert sehen möchte. Doch genau dies ist das Signal, das die Kanadische Regierung aussendet! Welch ein Kontrast etwa zu den jüngsten Entwicklungen in Norwegen, wo Designprojekte von nationaler Bedeutung mit Sinn und Verstand realisiert werden. In Kanada hingegen wird man das 150-jährige Gründungsjubiläum mit einem Zeichen begehen, das in Augen Vieler Ausbeutung und mangelndes Designverständnis symbolisiert. O Kanada!

Weiterführende Links zum Thema

  • The Canada 150 Logo Design Contest | canada150.gc.ca
  • Global News hat die Geschichte hinter dem Wettbewerb in einem kurzen Video zusammengefasst.
  • Auf thelogofactory.com wird das Thema mit Hilfe zahlreicher Grafiken aufbereitet.

 

Dieser Beitrag hat 36 Kommentare

  1. Ganz nebenbei: “… tausender Designer und Grafiker, …” Wirklich? sind jetzt Grafiker keine Designer oder wie darf ich das verstehen?

    1. Ich finde schon, dass es wichtig ist, zu differenzieren.
      Ein Grafiker gestaltet, zeichnet, entwirft und kreiert Anwendungen, Formen und Zeichen u.v.m.
      Ein Designer gestaltet, lenkt und leitet Prozesse.

      Sicherlich eine vereinfachte Darstellung, auch eine, die womöglich aus Sicht einiger Kollegen Wunschdenken impliziert, aber … wenn schon wir Gestalter nicht auf die Unterschiede hinweisen, wie können wir von Nicht-Designern/-Grafikern verlangen, dass sie diese kennen, um die Leistungen entsprechend richtig zuzuordnen?

      1. Differenzierung ist wichtig. Sehe ich auch so. Aber, ehrlich gesagt, ich blick da nicht durch. Zu welcher Gruppe würdest du denn nun Gestalter rechnen? Sind Grafiker Gestalter? Und ist dann Designer nichts weiter als die Übersetzung von Gestalter ins Englische? Ich habe Graphik-Design studiert. Was bin ich denn jetzt? Grafiker, Gestalter oder Designer?

        Wenn du da wirklich substantielle Unterschiede siehst, würde ich mich über einen Artikel Berufsbezeichnungen rund um das Thema Design und was steckt da hinter freuen.

  2. Wenn man das mal grob überschlägt, sind es ca. € 12,30 pro Entwurf (wenn man mit 300 Entwürfen rechnet –laut Eigenauskunft der Regierung waren es sogar über 300 “qualifizierte”). Somit reinste Ausbeute, ein gutes Logo braucht Zeit, aber wie viel Zeit kann/soll bei einem solchen Lohn investiert werden? Gut, es ist ein Wettbewerb, keiner zwingt einen zur Teilnahme, aber dennoch kann auch ein Wettbewerb mit faireren Konditionen geführt werden. Das enttäuscht – von Kanada hätte ich das nicht erwartet. Wenn schon ein Staat nach solchen Methoden vorgeht, wie soll man dann von Wirtschaftsunternehmen mehr erwarten?

    Design macht sich nicht von selbst. Design hat einen Wert. Design sollte fair entlohnt werden – erst recht von Staat und Politik!

  3. Ich verstehe diese Anspruchshaltung überhaupt nicht.

    Es wird ein Logo gesucht, die Konditionen sind klar, man kann mitmachen oder es sein lassen.

    Der Gewinner bekommt etwas, der Rest geht leer aus, das ist für Wettbewerbe nichts ungewöhnliches.

    1. Es geht darum, dass irgendwann eine Dumping-ich-unterbiete-alles-und jeden-Mentalität einsetzt, welche am Ende weder für Designer, noch für Auftraggeber so positiv ausgehen wird, wie es möglicherweise hätte sein können.

      1. Man hat doch beim Bürgerwettbewerb gesehen, dass der Preis nicht beliebig gedrückt werden kann um keinen Mist zu bekommen. Und wenn jetzt auch nur 300 Entwürfe eingegangen sind deutet das ja auch schon darauf hin, dass sich viele für die Aufgabe Qualifizierte dem Wettbewerb entzogen haben. Diese hätten bei angemessener Bezahlung sicher nicht die Chance ausgeschlagen so ein weit eingesetztes Logo zu gestalten. Dass bei dem Wettbewerb etwas halbwegs ansehnliches wenn auch nicht wirklich kreatives rausgekommen ist, ist also eher als Glück für den Auftraggeber zu verzeichnen.

    2. Da hast du grundsätzlich recht. Wer die Bedingungen nicht akzeptiert, soll oder kann es ja lassen.
      Und bei einem Wettbewerb wird in der Regel nur der Gewinner belohnt. Das ist ok, dass gebe ich zu.

      Für mich ist der entscheidende Punkt bei einem solchermaßen ausgeschriebenen Wettbewerb, dass von allen Einsender verlangt wird alle Rechte an den Entwürfe abzugeben. Hier wird eine Leistung gefordert, die nicht honoriert wird und die es den Einsendern unmöglich macht, sich ihre kreative Leistung evtl. auf anderem Wege vergüten zu lassen. Es ist doch durchaus denkbar, dass eine Kommune im Rahmen der Feierlichkeiten auch ein Logo für lokale Aktionen einsetzen möchte. Warum sollte ein Wettbewerbsteilnehmer doch nicht einen seiner Entwürfe einbringen können? Das wäre doch nur fair.

  4. „There’s a client, they chose what they liked“ dieses Zitat der Siegerin benennt den Irrtum: Wo es einen Auftraggeber gibt, gibt es einen Auftragnehmer – und nicht -zig Möchtegern-Auftragnehmer. Ein Gewinnspiel kann man mit Laien veranstalten, nicht mit Profis, von denen man explizit professionelle Ergebnisse erwartet. Und die entsprechend viel Zeit investieren müssen.

    Natürlich steht es jedem frei, bei einem solchen Wettbewerb mitzumachen. Aber man unterstützt das 99-designs-Berufsbild in den Köpfen der Kunden und stärkt entsprechende Erwartungshaltungen.

    1. Jetzt mal ehrlich: der Wettbewerb war an Studenten gerichtet. Und Studenten sind mit Sicherheit keine Profis. Als Student mit keinen oder wenigen Praxiserfahrungen wäre ich froh über ein derartiges Honorar gewesen, ganz zu schweigen von den Türen die einem ein solcher Gewinn bei manchem Auftraggeber öffnen kann.

      1. Auch wenn es NUR Studenten sind: Das berechtigt Veranstalter immer noch nicht, sie gebündelt beim Thema Urheberrecht sauber übers Ohr zu hauen, bzw. ihnen im Vorfeld der “Geschäftsbedingungen” bereits diese Rechte abzuerkennen.

        Wie Achim schon zielführend und immer wieder korrigierend angemerkt hat: Das Thema hier ist weniger die im Grunde lausige Bezahlung, obwohl die bitter und ebenfalls beklagenswert ist (wie immer), sondern hier in diesem Artikel ist der Fokus auf das zunehmend dreiste Aberkennen der Rechte.

        Und ein Student hat die gleichen Urheberrechte wie andere.
        Oder sehen Sie das anders?

        Ist eine Hausfrau oder ein Student als jeweils freiberuflicher Urheber jemand, dem man sofort frei und lustig die Urheberschaft aberkennen kann und darf, nur einem “Profi”-Gestalter nicht? Wie soll ich das rechtlich verstehen …

        Auf Ihre Argumentationsrhetorik bin ich jetzt gespannt.

  5. Es ist immer wieder die gleiche Diskussion.
    Sie wird nie zu Ende sein und weiterhin extrem unbefriedigend geführt werden, denn die Branche, ob Studenten oder alte Hasen, ist mit Verlaub extrem vernuttet, korrupt. Und das wissen Auftraggeber zu genau, ob jetzt in Kanada irgendwelche Öffentlichkeitsmarketingfritzen mit geschönten Sprüchen oder hier unsere Fritzen, Schlipsheinis oder Marketingfunktionsfrettchen.

    Am besten man gibt a damn’ shit about it. Das wird nie mehr anders.
    Man kann sich natürlich auch tierisch aufregen und seinen Blutdruck endgültig ruinieren. Das Dumme ist, es kratzt die Letztgenannten nicht. Because they can.

    Das letzte Mal hab ich mich tierisch aufgeregt, Mordsblutdruck, als ein damaliger Parteichef Westerwelle – immer hübsch liberal und freiheitsliebend, ned woahr – sagte, auch eine Putzfrau müsse die Freiheit haben, auch für 2,99 EUR die Stunde arbeiten zu können.

    Dieses verlogene Liberalitätsverständnis – welches auch in der ehrenwerten, da hochliberalen Werbe- und Designbranche und ihren Auftraggebern herrscht – zieht einem derart die Schuhe aus, dass man dem biederen Rheinischen Kapitalismus fast fette Tränen nachweint.

    Hülfet alles nix. Das Urproblem ist, dass die neoliberale Schere (“jeder ist seines Glückes und seiner Mini-Mini-Chance Schmied und darf sich zu seiner Zielerreichung ausbeuten lassen, wenn er das will …”) schon längst in allen Köpfen sitzt. Egal welche Weltanschauung, egal welche Partei, egal welcher Verband. Auch denen der Mindestlohn-SPD und den herzigen TTIP-Gabriels, gerade denen.

    Leute, das wird nicht mehr.
    Werdet Schreiner oder Wirt.
    (Letzteres, weil es sich so schön reimt)
    Kauft einen Bauernhof um Bremen oder so und werdet euer eigener Herr.
    Aber jammert nicht über eure versaute Branche – fast jeder, wenn er ehrlich ist, hat sogar häufig selbst dazu beigetragen. Mit jedem Akquisegespräch mehr, wo man sich zum Fremdschämen verbogen hat, um für zu wenig Geld miese Produkte oder noch miesere oder unausgegorene unreife Geschäftsmodelle hübsch zu machen.

    In der Agentur der 80er Jahre damals konnte man als Missbrauchsgrafiker (eine Verballhornung des verräterischen Wortes Gebrauchsgrafiker) noch wenigstens dafür ein Schmerzensgeld ähm ein Gehalt verlangen.

    1. Es sind in der Tat immer wieder die gleichen Diskussion, die, wie man sieht, auch in anderen Ländern geführt werden – wie allerdings die skandinavischen Nachbarn zeigen, beispielsweise auch Eindhoven oder Bochum, eben nicht überall. Was mich wiederum schlussfolgern und zugleich hoffen lässt, dass noch nicht aller Tage Abend ist.

      Ja, die Branche hat es sich selbst versaut, ist mitverantwortlich für Preisdumping, unfairen Wettbewerben und Auftraggebern, die sich mit Designleistungen zwar schmücken, ohne allerdings den Wert dahinter wertschätzen geschweige denn vollends einordnen zu können. Wie man es in den Wald ruft…

      Klar könnte ich mir einen Bauernhof zulegen, um gewissermaßen von einem Misthaufen zum anderen zu wechseln, wobei in meinem Fall ein Segelboot oder wahlweise ein Unimog die vielleicht passenderen Ausstiegsszenarien darstellten, aber egal.

      Zum veränderten Selbstverständnis, das zunächst einmal INNERHALB der Kreativszene herbeigeführt werden müsste, braucht es mehr als nur gutes Design. Es bräuchte gutes Design für das Richtige. Ein besseres Design. Um nämlich zu vermeiden, dass die Welt, wie Dieter Rams es einmal formulierte, weiterhin mit Überflüssigem überschwemmt wird. Philippe Starck gab einmal zu, alles, was er gestaltet hat, sei unnötig. Eine derart kritische Haltung gegenüber Design und dem eigenen Tun – dafür ist im Hochschulbetrieb kein Platz, weder hierzulande und offenbar auch nicht in Kanada.

      So lange im Rahmen eines „Designstudiums“ angehende Gestalter in erster Linie zu Grafikproduzenten ausgebildet werden, so lange wird es auch Auftraggeber geben, die diese für sich arbeiten lassen, eben auch unentgeldlich. Wenn Studenten im Studium nicht vermittelt bekommen haben, Dinge, Abläufe, Handlungen, Vorgaben, WERTE auch in Frage zu stellen und sie scheinbar bereitwillig jedem Designwettbewerbaufruf folgen – wen wollen wir dafür verantwortlich machen? Die Auftraggeber? Die Politiker? Die Dekane? Die Professoren? Die Studenten? Uns selbst? Da wir Teil des (Miss)Betriebs sind? Wenn wir uns eingestehen würden, Verantwortung dafür zu übernehmen, weil wir ja doch schon einmal ein Produkt, eine Marke, ein Unternehmen haben besser aussehen lassen, als diese es verdient gehabt hätten – was sollten wir dann tun? Den Rückzug vermelden und sagen, Leute, das wird es nix mehr!? Das kann es ja wohl nicht sein.

      1. Meine Lösung ist inzwischen:
        Junge Leute vor diesem Studium warnen.

        Das halte ich als alter Hase in meiner unnachahmlich fürsorglich-arroganten Art für sehr pragmatisch, lösungsorientiert, hands-on und überhaupt.
        Bringt mehr als zu versuchen, aalglatten BWLern, sonstigen Schlauerlen und der ganzen Branche in panegyrischen Reden zu erzählen, was sie denn bittebitte besser machen solle oder ihr die Leviten zu lesen.

        Es tut sich was:
        In den Werbegenturen geht es angeblich schon los.
        Der Nachwuchs lässt sich vorgeblich nicht mehr so zahlreich blicken. Die Werbers jammern, kein guter, spannender Nachwuchs mehr, nur noch mittelmäßger wenn überhaupt, das Ende ist nah, winsel!

        Sollte das nicht nur so etwas Ähnliches sein wie im Maschinenbau, wo man als Verband per PR-Spin versucht, jungen Leuten einen angeblichen Fachkräftemangel einzureden und sie sollten doch … dieses dusslige Fach endlich studieren, es sei ja so lukrativ…, damit man später unter vielen Absolventen genüsslichst aussieben und Gehälter drücken kann … , ja, dann ist das ein guter Anfang. Ein sehr guter.
        Der mehr bewirken wird als jedes gute Zureden.

        Ich zähle also auf die Jungen. Seid schlau. Meidet diese Branche.
        Das ist ehrlich gesagt das Einzige, was ihr noch hilft: Das Lernen unter Schmerz. Denn es ist anscheinend noch nicht genug Schmerz.

  6. Es ist schon erschreckend zu sehen, dass das, was man persönlich im kleinen erlebt, auch auf nationaler Ebene abgezogen wird. Nur ein Beispiel aus meinem Alltag: Für eine lokale Pfingstveranstaltung habe ich den Veranstaltern angeboten, ein professionelles Plakat zu einem vernünftigen Preis zu entwerfen. Auf die zunächst positive Antwort kam dann der Wunsch seitens der Veranstalter, dass ich einen komplett fertigen Entwurf mache. Die Veranstalter hatten aber schon einen anderen Grafiker samt fertigem Entwurf an der Hand, an dem ich mich was den Text anging, orientieren sollte. Am Ende hätten dann die Veranstalter entschieden, welchen Entwurf sie nehmen. Wäre meiner nicht genommen worden, hätte ich dafür auch kein Geld gesehen. Nach einem kurzen Hinweis auf diesen Umstand per E-Mail an die Veranstalter meinerseits, hab ich nie mehr etwas von ihnen gehört…

    1. Das ist noch gar nix.

      Letztens hat ein BWL-/Unterhosenmodelfratz aus M.-City bei mir angeklopft, ich möge mich doch bitte bei ihm auf seinem zigsten zusammengestempelten Portal “bewerben”, um konkret einer Agentur in A., die gerade suche, als Sub-Agentur zu Diensten zu sein. Er wäre der Vermittler.

      Als ich freundlich erwiderte, solche Geschäftsmodelle mit unterbezahlter Freelance-Bezahlung von hiesigen Agenturen, die dann die Honneurs vom Kunden einstreifen statt meinereiner als Urheber – plus auch noch 10% Vermittlungsgebühr zusätzlich an diese Geiz-Agentur abdrücken käme für mich mit Verlaub einfach nicht in Frage, da Haltung und Buchhaltung und so, gab der in mindestens 3-4 Antwortmails noch immer – fast frech – keine Ruhe, man brauche doch Kunden blah und das ginge doch nicht.

      Es geht. Der war wohl nicht gewohnt, Absagen zu kriegen und nicht gewohnt, dass ihm Schäfchen von der Provisons-Schippe hüpfen anstatt dankbar zu sein, einen subalternen Schlachter gefunden zu haben. Was mir einiges sagt. Denn so eine freche Chuzpe kann sich als “Vermittler” mit der Lizenz zum Gelddrucken per Doofe nur erlauben, wer weiß, dass die meisten “Free”-Lancer im Designbereich tatsächlich a bissi BWL-doof sind.

  7. Wertschätzung ist heutzutage ein Fremdwort. 1. Die Initiatoren gehen davon aus, dass keine Fachkenntniss benötigt wird, 2. möchten deshalb auch nicht für die erbrachte Leistung bezahlen, 3. sind dann aber mit dem günstigen Endergebnis nicht zufrieden. Willkommen im Club. Keine Zeit, kein Geld, sich nicht beraten lassen wollen und günstiges Personal ohne Fachkenntniss beschäftigen. Dann sagt einem auch keiner wie dumm man als Initiator ist. Ein großer Vorteil. Das macht Spaß!!! Das hat Zukunft. Wir waren eben wohl nicht gut genug/korrupt/egoistisch um einfach BWL zu studieren. Wenn man kein Gewissen hat ist das Leben leichter.

  8. Ich bin der Meinung, dasss Design Wettbewerbe nicht individuell und persönlich sind. Dass sind ja letztendlich wichtige Punkte bei der ausarbeitung eines Logos …

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