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Weiß, die ultimative Signalfarbe? Zumindest in Kapstadt

white flag shark


Wer in der bevorstehenden kalten Jahreszeit mit dem Gedanken spielt, an den Stränden Südafrikas Sonne zu tanken, sollte sich mit dort angewandten Hai-Flaggen-Warnsystem vertraut machen, denn es könnte lebenserhaltend sein. Die Stadtverwaltung von Kapstadt übernahm im Jahr 2004 das „Shark Spotters Programm“, mit dem die Gewässer an Kapstadts Stränden überwacht werden. Die Shark-Spotters geben Alarm, sobald ein Hai in unmittelbarer Nähe des Strandes gesichtet wird. So weit so gut. Als im letzten August das bestehende Flaggen-Warnsystem modifiziert und an den Stränden installiert wurde, erhoffte man sich noch mehr Sicherheit für Badegäste, auch für die zahlreichen ausländischen Besucher. Das Problem dabei ist, dass das System gegen international geltende Konventionen verstößt und auch die Farbenlehre außer Acht lässt, was fatale Folgen haben könnte. Im Hai-Warnsystem von Kapstadt ist das visuelle Erkennungszeichen für die höchstmögliche Alarmstufe eine weiße Flagge!

Flaggen-Warnsystem in Kapstadt

Flaggen Hai Warnsystem

Das neuartige Flaggensystem, mit der vor allem auf die Präsenz der Spezies „Carcharodon carcharias“, besser bekannt als „Weißer Hai“, aufmerksam gemacht werden soll, wurde im vergangenen Sommer durch die Stadtverwaltung Kapstadts eingeführt. Flaggen und Informationstafeln wurden aufgestellt und die lokale Presse schrieb über das modifizierte System. Bereits der Vorläufer basierte auf dem Prinzip, bei dem nicht Rot, sondern Weiß als visuelles Kennzeichen für die höchste Alarmstufe steht. Auf allen vier Flaggen ist ein Hai abgebildet, selbst auf denen, die eigentlich eine haifreie Badezone bescheinigen. Auf der grünen und der schwarzen Flagge ist der Hai als Umriss, in der roten und der weißen Variante als gefüllte Form dargestellt. Ohne zusätzliche Erklärungen werden die wenigsten Menschen die Flaggen richtig deuten.

Seit einigen Wochen mehren sich die Stimmen, die Zweifel an dem Warnsystem äußern, verstärkt womöglich auch durch eine Haiattacke, bei der Ende September dem Briten Michael Cohen am Fish Hoek Beach das rechte Bein und der auch der linke Fuß abgetrennt wurden. Auch wenn dies kein Beleg für das Versagen des Warnsystems ist, denn Cohen war als regelmäßiger Badegast einigen Rettungsschwimmern bekannt und soll regelmäßig Warnungen ignoriert haben, wird die grundsätzliche Kritik an dem System lauter. Lewis Pugh etwa, Umweltschützer und ein über die Landesgrenzen hinaus bekannter Langstreckenschwimmer, fragte erst dieser Tage auf Facebook: „Is it time to review shark warning flags in South Africa? And there too many flags? Are they confusing?“ Die meisten Kommentierer beantworten die Frage mit „ja“. In Kapstadts Stadtverwaltung gehen regelmäßig E-Mails ein, in denen sie aufgefordert wird, das bestehende Flaggensystem zu ändern, denn auch in Südafrika ist Rot die allgemein gültige Signalfarbe, mit der auf Gefahren aufmerksam gemacht wird. Hinzu kommt, dass in anderen Küstenstädten Südafrikas, zum Beispiel in Durban und Port Elizabeth, das von der International Lifesaving Federation (ILS) propagierte Warnsystem eingesetzt wird, in dem Rot für die höchste Gefahrenstufe steht. Später hierzu mehr. Nur in Kapstadt, dort wo die Shark-Spotter im Einsatz sind, gilt eine andere Farblogik.

Warnsystem oder Schmuckgrafiken?

Auf die Missverständlichkeit des Warnsystems angesprochen, antwortet mir die verantwortliche Projektleiterin von Shark Spotters, Sarah Titley: „The white flag is actually the international standard for a shark in the water, and is used by Lifesaving Clubs across the world. Therefore, when the flag system was first created, we were bound by these international standards to use the white flag so that visitors to our beaches, local and foreign, would recognise the white flag as a shark in the water. We therefore created the other three flags around this.“ Tatsächlich lässt sich auch nach eingehender Recherche kein solchen „international, standardisiertes“ Zeichen finden. Eine Referenz konnte mir Titley auch auf Nachfrage nicht nennen. Selbst wenn es ein verbindliches Zeichen in der Nautik oder im Tauchsport geben sollte, – ich bin selbst Taucher und kenne es nicht –, für Besucher eines Badestrandes wäre es ohne jegliche Relevanz, denn natürlich müssen Warnungen so ausgesprochen werden, dass sie von möglichst vielen Menschen verstanden werden. Gregg Oelofse, Leiter der Umweltbhörde Kapstadts behauptet ebenfalls: „The white flag is used all over the world“, was sicherlich nicht zu bestreiten ist, wenn er sich denn auf die Parlamentärsflagge bezöge. Als Flagge, die auf Haie aufmerksam macht, ist sie ein kapstadtspezifisches Phänomen.

Um die Verwirrung zu komplettieren, werden die von den Shark-Spottern initiierten und entwickelten Flaggensymbole im Umfeld der Website zweckentfremdet (Screenshot) und jeweils anderen Funktionen zugeordnet. Sponsoren etwa bekommen eine grüne Flagge zugeordnet. Größer als das Engagement zum Schutz der Badegäste scheint nur die Naivität der Spotter zu sein, die auf diese Weise ihr eigenes Warnsystem ad absurdum führen und zu Schmuckgrafiken degradiert.

Dieser Beitrag hat 13 Kommentare

  1. Schlimm ist, das zusätzlich zum kaputten Farbcode der Warnstufen auch die erklärenden Infotafeln nicht intuitiv begreifbar sind.

    In der höchsten Alarmstufe sieht man auf den Tafeln unter der weißen Haiflagge ein X als Symbol der Verneinung. Welche Interpretation stellt sich bei Symbol Hai + Symbol Verneinung und das alles auf weiß intuitiv ein? “Nicht Schwimmen” oder “Kein Hai”? Ein durchgestrichener Schwimmer wäre eindeutig.

    Auch wenn die schwarze Bevölkerungsmehrheit nicht zu den Hauptnutzern der Strände zählt, sollte man in dem Kontext auch daran denken, dass rund 15% der Südafrikaner Analphabeten sind. Sie können nur über eine intuitiv begreifbare Symbolik und nicht über erklärenden Text gewarnt werden.

  2. Die ganze Kommunikation wirkt ziemlich amateurhaft und besserwisserisch, zumal wenn keine Quelle bezüglich der weißen Flagge angegeben werden kann. Ich war schon auf vielen Stränden rund um die Welt und eine weiße Flagge habe ich noch nicht gesehen. Wenn das Konzept alleine von den rettungsschwimmern umgesetzt wurde, verwundert das Ergebnis nicht.

    Grüße Till

  3. Außerdem kann ich vom Wasser aus eine rote Flagge sehr viel einfacher erkennen, als eine weiße die irgendwo zwischen Sonne, Badegästen und Strandtüchern gehisst wurde.

    Bin mir wie bene auch nicht sicher ob ich als Strandbesucher wirklich 4 Stufen brauche. Ich würde vermutlich ab der schwarzen Flagge keinen Fuß mehr ins Wasser setzen…

  4. Das Prekäre an dem Farbcode ist ja dass die Gefahr einer missverständlichen Entschlüsselung doch groß sein dürfte. Ich würde natürlich bei Unsicherheit jemanden fragen, bevor ich irgedneine meiner Extremitäten in ein Gewässer halte in dem sich große Fleischfresser tummeln, aber gänzlich ohne Ansprechpartner würde ich die weiße Flagge eher als “Entwarnung” verstehen, Weiß, rein oder frei von Gefahren, sprich Haien…

  5. Manch einer denkt hier ausschließlich westlich/europäisch. Farbsymbolik, Gefahr, Bedeutungshoheit, Haipanik. Aber andere (Gestaltungs-)Kulturen haben eben IHRE Logik, nicht unsere. Am Timmendorfer Strand müssen diese Gefahrenflaggen nicht verstanden werden. ;)

  6. Ein in dieser Ausführlichkeit sehr lobenswerter Artikel! Das sollte auch mal erwähnt werden.

    Ich gehe stark davon aus, dass sich die Verwaltung dem Druck der Öffentlichkeit beugen wird. Etwas anderes ist garnicht vorstellbar.
    Da es an internationalen Standards in diesem Punkt ja wirklich zu mangeln scheint, wäre eine Initiative nicht verkehrt. Pionierarbeit quasi. Daran könnten sich betroffene Städte wie eben z.B. Kapstadt ein Vorbild nehmen.
    Lieber gut abgeschaut, als schlecht selbstgedacht.

  7. @Danu: Das Problem an z.Tl. touristisch erschlossenen Gegenden ist, das sich dort die Völker der Welt vermischen, und die Kommunikation idealerweise allen gerecht wird, insbesondere wenn es um Warn- oder Gefahrenhinweise geht. Und die weiße Flagge ignoriert mindestens die Sehgewohnheiten der westlichen Welt, schlimmer noch, sie konterkarriert sie.
    Die Verantwortlichen verweisen aber auch nicht auf die Warnwirkung der Farbe Weiß in best. Kulturkreisen (Was, wenn es zutreffend ist, eine gute Argumentation wäre), sondern auf vergleichbaren Gebrauch in anderen Systemen – eine, wie Achim darlegt, wenig nachvollziehbare Behauptung.

    Fazit: Wenn die Strände Südafrikas nennenswert international besucht sind (wovon auszugehen ist) dann ist diese Farbwahl zurecht zu kritisieren – gerade Ortsunkundige, also Touristen bedürfen ja einer besonderen Aufmerksamkeit. (Nein, nicht weil es Touristen sind, sondern weil sie, im Gegensatz zu Einheimischen, sich mehrheitlich nicht im Klaren über die Gefahren der örtlichen Gewässer sein dürften)

  8. @DanU: Trotzdem sind gewisse Dinge überall gleich. Oder halten die Leute z.b. in Thailand vor braunen Ampeln und fahren wenns türkis wird? ;)

    Zumindest Grün und Rot sollten überall klarmachen ob was gefährlich oder ungefährlich ist.

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