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Was hinter der 30-Tage-Logoaktion von Yahoo! steckt

yahoo! logos

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Seit 3 Wochen nun veröffentlicht Yahoo! unter dem Motto „30 days of change“ auf yahoo.com/dailylogo jeden Tag ein neues Logo. Kaum eine Nachrichtenmarke weltweit, die nicht über dieses Vorhaben geschrieben hat. Unabhängig davon, was uns Yahoo! Anfang September als neues Firmenlogo präsentieren wird, ist dies ein PR-Coup sondergleichen. Der Irrwitz bei der Sache ist: um ein neues Logo geht es Yahoo! zu allerletzt.

Ya…Who?

Wer sich jetzt tatsächlich fragt: Ya…Who? dem sei gesagt, Yahoo! zählt zu den Internetmarken der ersten Stunde. 1994 wurde Yahoo! in Sunnyvale, Kalifornien gegründet. Das Wachstum schien bis zum Platzen der Dotcom-Blase keine Grenzen zu kennen. Dass es diese allerdings sehr wohl für Yahoo! gab und gibt, dafür ist nicht zuletzt Google verantwortlich. Google ließ die in erster Linie mit dem Webkatalog assoziierte Marke relativ schnell relativ alt aussehen. Wie das nun einmal so ist im Internet.

Mit Hilfe von Zukäufen, wie zuletzt dem im Mai dieses Jahres verabschiedeten 990 Millionen US-Dollar schweren Tumblr-Deal, soll die Wettbewerbsfähigkeit des einstigen Pionier des Internets, wenn schon nicht aus eigener Innovationskraft heraus, dann zumindest aus eigenen finanziellen Mitteln gesichert werden, so der Plan. Für eben diesen Plan ist seit dem 16. Juli 2012 die ehemalige Vizepräsidentin von Google, Marissa Mayer, hauptverantwortlich.

Trommelwirbel für ein Logo

Dass es Yahoo! nicht um eine Art 30-tägigen Trommelwirbel geht, einzig der Präsentation eines neuen Logos wegen, versteht sich eigentlich von selbst. Welches Unternehmen würde schon sein Erkennungszeichen bis zur Unkenntlichkeit der Beliebigkeit aussetzen, um damit die Banalisierung und Trivialisierung die eigenen visuellen Identität voranzutreiben? Also mal abgesehen von Google. Womit sich auch der Kreis schließt, denn im Grunde sind die in den vergangenen 3 Wochen präsentierten Yahoo!-Logos die lilafarbenen Typo-Versionen der Google-Doodles: tun keinem weh, sind nett anzuschauen und wirken in ihrer zum Teil naiven, unfertigen Machart irgendwie schrullig-sympathisch.

In erster Linie geht es Yahoo! um Aufmerksamkeit, darum als Marke weiterhin beziehungsweise wieder, je nachdem, welchen Platz die Marke im täglichen Medienkonsum bei einem selbst einnimmt, als attraktiv und begehrenswert angesehen zu werden. Ganz ähnlich liest sich auch die Veröffentlichung einer Fotoaufnahme Mayers, die jüngst in der Vogue erschien und viel diskutiert wurde. Viel diskutiert deshalb, weil sich einige Journalisten fragten, ob sich denn die Chefin eines so großen Unternehmens derart „sexy“ ablichten dürfe. Ein Sommerloch musste gestopft werden. Zurück zum Thema Aufmerksamkeit.

Wozu taugt also die 30-Tage-Logoaktion von Yahoo!, wenn schon nicht dazu, die eigene Einzigartigkeit unter Beweis zu stellen? Yahoo! hofft kurzfristig sicherlich darauf, mehr Traffic zu generieren. Aktuellen Zahlen zufolge liegt Yahoo! in den USA sogar vor Konkurrent Google (Quelle: ComScore). Ein Achtungserfolg. Nach einer dahinsiechenden Marke sieht das nicht aus. Wie die Geschichte von Yahoo! weiter gehen wird, vermag ich nicht zu sagen. Langfristig verfolgt die Logoaktion sicherlich das Ziel, Nutzer an die Marke zu binden.

Wie Menschen Marken wahrnehmen

Was die Yahoo!-Aktion darüber hinaus in exzellenter Weise ausdrückt, ist die veränderte Sichtweise, mit der Menschen Marken wahrnehmen. Eine Marke definiert sich nicht nur, ja vielleicht sogar zu allerletzt über ihr Logo. Eine Marke ist eben mehr als die Summe ihrer visuellen Zeichen. Wie eine Marke von Menschen wahrgenommen wird, entscheidet sich vor allem an der Kasse, an der Hotline im Verkaufsgespräch oder in der direkten Anwendung eines Produktes. Wenn selbiges Schrott ist, hilft keine Kosmetik, dann muss ein Produkt von einem anderen Hersteller her. Es ist illusorisch, zu glauben, eine schicke Oberflächengestaltung könne derlei Defizite kaschieren.

Mit dieser veränderten Markensichtweise einher geht eine grundsätzlich Aufwertung von Bildern als Kommunikationsform (siehe Tumblr, Instagram, WhatsApp u.a.), die ein Stück weit das Wort verdrängt haben. Gleichzeitig nimmt seit Jahren die Bedeutung von Firmen- und Markenlogos ab. Die zunehmende Vereinfachung von Logos, wie etwa bei Ebay, Windows oder Starbucks, die dadurch immer – ganz im Sinne der Yahoo!-Aktion – austauschbarer werden, belegen diese Entwicklung.

Es geht auch ohne

Coca Cola ist in einer aktuellen Kampagne gar dazu übergegangen, das Markenlogo wegzulassen. Die Form der Flasche, die Farbgebung und das typische DRD-Band (dynamic ribbon device) transportieren in unverkennbarer Weise den Absender der Marke. Das Branding ist derart stark, dass auf das klassische Coca-Cola-Logo verzichtet werden kann. Eine Wirkungsweise, die durchaus auch bei lokalen Marken funktioniert. Die Gelben Seiten, lange Zeit mit einer Wortbildmarke als Erkennungszeichen ausgestattet, verfügen seit gut fünf Jahren über einen mehr oder minder generischen Schriftzug. Deutlich identitätsstiftender ist da schon die Farbe. Sie ist es, die den Absender transportiert. In welcher Schriftart die Wortmarke gesetzt ist, ist unwesentlich. Wichtig ist die Farbe.

Auch in der aktuellen Plakatkampagne der Grünen greift ein solch ganzheitliches, sich nicht nur über das Logo definierende Branding. Farben, Bildsprache, Typographie und wiederkehrende Gestaltungselemente übernehmen zunehmend das, was früher – und in Negativbeispielen auch heute noch – einzig die Aufgabe des Logos gewesen ist: Zugehörigkeit herstellen. Auch im Fall der Wahlwerbung funktioniert es. Das Parteilogo ist abkömmlich.

Wenn Yahoo! uns täglich ein neues Pseudo-Firmenzeichen präsentiert, möchte es zu verstehen geben: „Seht her, all dies sind wir. Wir sind mehr als ein Logo. Wir sind 30 Logos. Und noch mehr. Wir sind Vielfalt. Wir bieten unzählige Services. etc…“ Ob sich dies mit der Wahrnehmung der Nutzer deckt, steht auf einem anderen Blatt. Smart wäre die Aktion nur, wenn Yahoo! in einer Woche als zukünftiges Logo den bisherigen Schriftzug präsentieren würde. In Verbindung mit der Vorstellung neuer Konzepte und neuer Ideen, denn darauf kommt es letztlich an, hätte dies durchaus Charme, auch dramaturgisch.

Dieser Beitrag hat 30 Kommentare

  1. Danke Raum II, mir geht es genauso: Diese Thema stört mich auf keiner anderen Seite, weil es da logisch vom Autor “vorgegeben” ist, wann ein Fenster neu auf geht und wann nicht. Aber hier nervt es mich immer wieder auf’s neue.

    @Achim: Wenn das Thema immer wieder aufpoppt, dann mach doch mal ne Umfrage unter Deinen Lesern! Schön, dass Du denen so viel zutraust, aber es geht dabei ja wohl nicht um die Fähigkeiten der Leserschaft, sondern um gewohnte und logische Mechanismen der Benutzeroberfläche. OffTopic deswegen, weil es sonst nirgends die Möglichkeit des (passenden) Kommentars dazu gibt. Auf das Ergebnis der Umfrage wäre ich gespannt!

    @Leo: Mir ist bewusst, dass die Meinung unterschiedlich sein können. Ich spreche von mir: Ich surfe oft lieber nur “einhändig”, ohne die Linke ständig an der Tastatur haben zu müssen …

  2. Marken etablieren sich, wenn das Produkt kein Scheiß ist und nicht, wenn sie ein wiedererkennbares Logo haben. Wer auf Branding reinfällt, der will es auch…

  3. Ich habe auch mit Erstaunen festgestellt, wie stark die Marke doch ist und wie irrelevant Schriftart und -schnitt, wenn nur Farbe und Wort gleich bleibt. Von daher – gute Analyse!

    Noch kurz zur Paralleldiskussion: Danke, dass man hier wie ein mündiger Netzbesucher behandelt wird! Ich halte tabifizierte Verlinkung für einen Graus und eine Bevormundung. Mitnichten ist diese Verlinkung der Normalzustand, aka „logische Mechanismen der Benutzeroberfläche“ (das sieht man schon daran, dass sie ein extra Attribut erfordert) – was soll daran logischer sein? Zumal das target-Attribut nicht einmal sicherstellen kann, ob mein Browser nicht sogar ein eigenes Browserfenster dafür auf macht. Die Abwanderungs-/Kundenbindungstheorie halte ich für eine Mär, die bevorzugt Leute vorbringen, deren Seitenwirkung allgemein eher erfolglos ist. Vornehmlich sind das Leute mit einem Klickreflex, die auf jeden Link sofort draufbatschen müssen, bevor der Absatz zu Ende gelesen ist. Denen man in E-Mails die Links am besten per Fußnote setzt. An alle diese Menschen: Neben den oben genannten Möglichkeiten und der rechten Maustaste (Hallo Einhänder) könnt Ihr Euch auch einfach Euren Browser gescheit einstellen. Mit Sicherheit gibt es für diese Aufgabe entsprechende Plugins. Umgedreht ist das weit weniger logisch/konfigurierbar, denn natürlich gibt es Anwendungsfälle, wo eine Verlinkung in einen neuen Tab sinnvoll ist.

  4. Bei den Grünen kam das Innuendo Branding zu früh. Zwar liegen mir keine Zahlen vor, die die Wiedererkennung der Grünen auf ihren logofreien Plakaten untersucht hat, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass das ein Grund war, warum die Grünen bei den Wahlen ein wenig untergegangen sind. (Zusätzlich zu den Botschaften, die sie im Wahlkampf gesendet haben.)

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