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Warum in Terneuzen weniger Designkompetenz erkennbar ist als in Eindhoven

Terneuzen Logos

In Terneuzen, drittgrößte Hafenstadt in den Niederlanden, wird derzeit über das zukünftig Stadtlogo abgestimmt. Die drei Finalisten stehen fest. Benannt wurden diese von einer Jury. Lediglich der Sieger erhält 1.000 Euro. Nicht eben ein Ruhmesblatt hinsichtlich der sonst so gelobten Designkompetenz unserer Nachbarn.

Die Gestaltung selbst kann sich durchaus sehen lassen, sowohl was das Spektrum der zur Wahl stehenden Signets betrifft, wie auch in Bezug auf die Qualität der eingereichten Arbeiten. In diesem Fall ist es so, dass der Entwurf mit den meisten Stimmen gewinnt, was zwar den Eindruck von Partizipation vermittelt und deshalb in der Bevölkerung gut ankommen dürfte, letztendlich allerdings den zukünftigen Markenauftritt der Stadt der reinen Willkür aussetzt. Wer keine Ahnung davon hat, wo sich sein (Stadt)Marke hinbewegen soll, lässt Andere, in diesem Fall die Bürger entscheiden.

Sich aufs Geratewohl dem Ergebnis einer solchen Abstimmung auszusetzen, ist ebenso fahrlässig, wie den Bürgern/Angestellten/Mitgliedern/etc. vollendete Tatsachen und fertige Konzepte zu präsentieren. Letzteres ist falsch, weil man Gefahr läuft, die wichtigsten Markenbotschafter zu vergrämen, wie etwa das Beispiel SAP verdeutlicht. Ersteres ist falsch, weil in solch einem Prozess kaum die Möglichkeit besteht, alle zur Wahl stehenden Entwürfe auf ihre Alltagstauglichkeit oder auch auf ihre markenrechtliche Schutzfähigkeit hin zu überprüfen. Oft genug geschehen: ein Sieger wird gekürt und erst im Nachgang stellt sich heraus, dass man sich für eine Dublette oder aber ein Zeichen entschieden hat, für das in ähnlicher Form bereits Markenschutz besteht.

Wenn überhaupt, kann man eine solche Abstimmung an den Beginn eines Prozesses stellen, nicht ans Ende. Besser als in Terneuzen hatte man es vor zwei Jahren in Eindhoven gemacht, wo gänzlich ohne das Instrument der Abstimmung bestmögliche Partizipation erreicht werden konnte, indem nämlich die Kreativen vor Ort am Entstehungsprozess involviert wurden.

  • www.ontwerpwedstrijdterneuzen.nl

Dieser Beitrag hat 17 Kommentare

  1. Danke für diesen Artikel, der die Problematik von Designprozessen
    (gerade bei öffentlichen Auftraggebern) sehr deutlich macht und überzeugend auf den Punkt bringt.

    Das bestätigt mich wieder einmal in meiner Überzeugung:
    Design ist keine demokratische Veranstaltung.

  2. Die finale Auswahl ist eher durchschnittlich, Anwendungen und/oder Mikrotypografie sind z.T. deutlich mangelhaft und unausgegoren. Bei einem Preisgeld von 1.000 Lappen durchaus nachvollziehbar – Schrottveranstaltung. Kann man am Ende vielleicht unter “Verschlimmbesserung” des Markenauftritts laufen lassen. Aber Terneuzen (never heard of) ist eben nicht Eindhoven, dann bekommt wohl mal wieder jeder was er verdient …

  3. BRAVO! Zum ersten Mal muss ich hier den Verfasser des Eingangstextes loben und nicht die dargestellten Designlösungen. Die Kritik am Crowdvoting ist treffend und inhaltlich richtig auf den Punkt gebracht und hat meine vollste Zustimmung! Design – und gerade Markendesign – ist kein demokratischer Prozess und sollte immer Fachleuten überlassen werden. Man lässt Friseurinnen oder Fleischfachverkäufer ja auch keine Museen oder Autos bauen.

    Außerdem hat die Praxis von Designabstimmungen im Netz schon längst gezeigt, dass hier der Manipulation und dem Betrug Tür und Tor geöffnet sind: Mehrfach- oder Fake-Profile bei der Stimmabgabe sind nur eines von vielen Beispielen.

    1. Und zum Glück lässt man keine Designer als Friseure tätig werden. Wie wir alle rumlaufen würden…

  4. Abgesehen von der Fragwürdigkeit des ganzen Prozesses… 1000€? Das ist ja wohl ein etwas armseliges Preisgeld für ein Logo, das eine ganze Stadt jahrelang präsentieren wird!

  5. „Wer keine Ahnung davon hat, wo sich sein (Stadt)Marke hinbewegen soll, lässt Andere, in diesem Fall die Bürger entscheiden.“

    Warum dürfen die Bürger denn nicht entscheiden wo sich die (Stadt)Marke hinbewegen soll?
    Hier geht es doch erstmal nur um’s Logo.

    1. Erstmal.

      Darauf aufbauend wird – vereinfacht gesagt – das gesammte Corporte Design, ja die ganze Identität der Stadt geprägt.

      Im Idealfall sind dafür kreative und mit entsprechendem Sachverstand ausgebildete Menschen am Werk. Lässt man nun die breite Masse ran, entzieht man praktisch dem professionellen Gestalter vollkommen seine Legitimation und Kompetenz.

      Noch einfach gesagt: Du (Stadt) kannst dem Konditor (Gestalter) zwar deine Wünsche diktieren, die Torte (Logo) kommt aber trotzdem von ihm. Er backt dir genau eine Torte, nicht zwei, nicht drei, von denen dann deine Gäste (die Bürger) eine Torte auswählen die du dann kredenzen musst. Guten Appetit.

      Gewinnen wird übrigens wohl das Schiffchen, da dies am gefälligsten daher kommt ;)

      1. So einem Konditor sagt man normalerweise ganz genau, was man denn gerne für eine Torte hätte, und wenn diese Vorgaben nicht erfüllt werden, dann nimmt man sie auch nicht ab. Für kreative Spielereien ist da wenig bis kein Raum. Wer zahlt schafft an.

        1. Ja, das war ja auch nur zur Vereinfachung gedacht, da muss man sich jetzt auch nicht reinsteigern und das zerpflücken.

          Wenn man das nämlich bis ins Kleinste weiterspinnt hat immer jemand bei jedem was zu melden. Der Architekt macht es laut Vorgaben, der Fotograf laut Briefing, … Es gibt in fast jedem Job Richtlinien und Prozessbeschreibungen. Ich wollte nur darauf hinweisen, dass der Konditor das Fachwissen hat, nicht (unbedingt) der Käufer. Hauptsache es schmeckt am Ende.

    2. dann müssten die Bürger ja folgerichtig auch mitentscheiden dürfen bei der Verkehrsplanung, bei der Stadtentwicklung, beim Steuermodell bis zu den Laufwegen im Krankenhaus. Hier wird auf Wissen verzichtet, weil man nicht erkannt hat, dass unprofessionelle Kommunikation in einem professinellen globalen Umfeld keine Lösung sein kann. Den Schaden trägt die Kommune.

      1. @ Christian Büning
        ” …dann müssten die Bürger ja folgerichtig auch mitentscheiden dürfen bei der Verkehrsplanung, bei der Stadtentwicklung, …”

        Da sind Sie einer Fehlinformation aufgesessen.
        Das dürfen Bürger. Das tun sie. Sie dürfen sehr wohl bei Verkehrs- und Stadtplanung mitentscheiden, obwohl sie keine Fachkraft sind.

        Beispiel Dritte Startbahn München. Von der (knappen) Mehrheit der Bürgerschaft Münchens mitentschieden; Ergebnis: erfolgreich abgelehnt. (Noch.)
        Obwohl die Bayerische Staatsregierung zur Zeit Morgenluft wittert, sie doch zu bauen, da 1,1% höheres Bewegungsaufkommen eines Flughafens bei München, der witzigerweise den Namen eines flugunfähigen Vogels trägt…, kann sein, dass es eine neue Befragung geben wird, kann sein, dass man das aus “schlechter” Erfahrung heraus zukünftig rechtlich so konstruiert, dass man diese unorthodoxen, rebellischen Stadt-Bürger nicht mehr befragen muss …., doch das ist ein anderes Thema. Ein Fachthema der professionellen Polit-Geschäftsordnungsfüchse, den lästigen Bürger da rauszuhalten…

        Das nur zum Thema Bürger-Mitentscheid trotz fehlender Fachkenntnis.

        Ich weiß aber nicht, wie es sich bei Verkehrsplanung außerhalb Bayerns verhält, welches im öffentlichen Meinungsbild durchaus autokratisch, krawallig und selbstherrlich regiert scheint (Kini Seehofa). ;-)

        Ob es Fachkenntnis braucht, ein Design mitzuentscheiden, ist hingegen eine alter Dauerstreit.
        Keiner kann das erschöpfend beantworten.

        Ja, die Prozesse müssen besser sein, es muss z. B. VORHER geklärt sein, ob ein Entwurf keine fremden Markenrechte verletzt, bevor man zur Abstimmung geht, all das. Avanti dilletanti …

        -/-

        “Oft genug geschehen: ein Sieger wird gekürt und erst im Nachgang stellt sich heraus, dass man sich für eine Dublette oder aber ein Zeichen entschieden hat, für das in ähnlicher Form bereits Markenschutz besteht.” (Achim Schaffrina)

        Tja. Das passiert nicht nur bei Kommunen, sogar beim Logomachen für Firmen.
        Das Bewusstsein für einen guten Prozess in richtiger Reihenfolge ist nirgendwo sonderlich entwickelt. Gründe: Unkenntnis, noch einmal Unkenntnis; nächster Grund: falsche Sparsamkeit

        Das einzige, was einem als Designer bleibt, ist, selbst auf eigene Kosten Recherche zu betreiben im ähm Sparsamkeitsfall der freundlichen Firma (fraglich halt, ob Recherche im Internet reicht, ich sage nein …, sie ist hinreichend, aber nicht ausreichend) , und sich dazu noch als Notwehr in eienm solchen Fall eine Haftungsbefreiung für sich selbst als “Schöpfer” in den Vertrag hinein zu formulieren, falls noch nicht in den AGB drin.

        1. @ Veronika,

          von mir aus gerne das Du unter Kollegen, ich hoffe, das ist ok.
          Natürlich dürfen Bürger mitentscheiden, allerdings nur auf einer sehr generellen Ebene, ob etwas überhaupt realisiert wird oder nicht. Ich denke nicht, dass es Bürgerentscheide gibt für die Tragwerksplanung oder die Brandschutzrealisierung. Wie sollten die Bürger das auch beurteilen. Übertragen aufs Design würde das bedeuten, dass man die Bürger fragen könnte, ob überhaupt eine Kennzeichnung gebraucht wird. Und dann mit dem Ergebnis die Fachleute wieder ran lassen.

          Natürlich braucht man Fachkenntnis, um Design beurteilen zu können. Die Geschmacksentscheidung ist nur eine winzige Facette von vielen.

  6. Grundsätzlich kommen mir dazu drei Gedanken:

    A. Markenentwicklung ist Chefsache
    B. Markenentwicklung ist nicht (wirklich) demokratisch
    C. Gestaltung sollte nicht (mehr) intuitiv erfolgen

    Diese ganzen Wettbewerbe sind für CD/CI Themen nicht wirklich förderlich. Wenn man mit „Kulturen Codes“, „impliziter Markencodierung“ und Semiotik arbeitet, erscheint eine solche Vorgehensweise eh als veraltet. Vereinfacht sieht eine Umsetzung dann wie folgt aus:

    1. Positionierung – Werte, Produkt, Historie bestimmen etc.
    2. Codierung – zur Positionierung passende Formsprache, Farben, Schritten, Stil etc.
    3. Visualisierung – zum Beispiel durch 3 Designszenarien, unter denen man wählt

    Solch ein Prozess dauert dementsprechend und kann keinesfalls 1000 € honoriert werden. Dann ist auch Schluss mit intuitiver Gestaltung oder „meine Frau hat gesagt, dass Rot ja viiiel schöner aussähe“. Denn in diesem Fall gibt es klare Regeln wie eine Marke, Firma oder was auch immer positioniert/wahrgenommen werden soll bzw. wie das Erscheinungsbild codiert wird.

    1. hast noch

      4. Floskelisierung – Aufladen von Selbstverständlichkeiten mit intellektualisierten Bergrifflichkeiten

      vergessen.

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