Skip to content

Plakate zur Landtagswahl in Baden-Württemberg 2011

Wahlplakate Baden-Württemberg

Am 27. März wird in Baden-Württemberg ein neuer Landtag gewählt, eine Wahl die auf reges Interesse seitens der Medien und auch der Bürger treffen wird. Kommt es nach fast 60 Jahren CDU-Regierungszeit zu einem Wechsel? Die „Stuttgart 21“-Debatte hat die Menschen mobilisiert und zahlreiche Bürgerbewegungen entstehen lassen. Auch wenn das Ergebnis der von Heiner Geißler geführten Schlichtungsgespräche die meisten Beteiligten unbefriedigt zurücklassen dürfte, könnte der Umstand, dass sie überhaupt stattgefunden haben, einen nachhaltigen Effekt auf unsere Gesellschaft haben. Politiker tun jedenfalls gut daran, sich stärker als zuvor auf eine Dialogbereitschaft einzustellen. Menschen wollen mitgenommen und in die politischen Entscheidungen mit einbezogen werden. Dies ist durchaus eine Entwicklung, die man mit Blick auf die Revolutionen in Tunesien und Ägypten als „global“ bezeichnen kann und die insbesondere mit dem Medium Internet verbunden ist.

In gut 6 Wochen können die Wahlberechtigten in Baden-Württemberg ihre Stimme abgeben – übrigens das Bundesland, das derzeit mit 4,7 % über die geringste Arbeitslosenquote verfügt (Quelle zdf.de). In der bevorstehenden heißen Phase des Wahlkampfs wird es spannend sein zu beobachten, ob und wie sich die Parteien auf die Veränderungen in der Gesellschaft einstellen. Treffen die in Wahlspots und auf Wahlplakaten formulierten Botschaften den „richtigen Ton“? Dies ist sicherlich keine leicht zu beantwortende Frage, insbesondere weil die Bedeutung von Wahlspots und von Wahlplakaten in Bezug auf die Wahlentscheidung kaum messbar ist. Weder entscheiden sie den Wahlausgang, noch sollte man ihnen jegliche Werbewirksamkeit absprechen. In jedem Fall sind sie jedes Mal ein interessanter Diskurs in Sachen Kommunikation im politischen Umfeld. Ihr widmet sich die folgende Analyse, in der die Wahlplakate der fünf (mehr oder minder) großen Parteien zur Landtagswahl in Baden-Württemberg 2011 im Mittelpunkt stehen.

CDU

Wahlplakate CDU

Wahlplakate CDU

Die Plakate der CDU sind nach den im aktuellen Styleguide definierten Gestaltungsrichtlinien konzipiert, zumindest weitestgehend. Eine aus Großbuchstaben bestehende Typografie spielt dabei ebenso eine große Rolle wie ein blauer Farbverlauf als Fond. Blau als vertrauensstiftende Komponente und die Helvetica als Hausschrift haben sich bewährt. Im Gegensatz zu den CDU-Plakaten zur Bundestagswahl 2009, die vor allem dank ihres hervorragenden Fotokonzepts überzeugen, sind die oben gezeigten Motive zur Landtagswahl jedoch weniger raffiniert. Zwar wurde der Versuch unternommen, die Darsteller, etwa den lachenden Opa samt Enkelsohn, möglichst natürlich aussehen zu lassen, und dennoch sind die Fotos in erster Linie das Ergebnis einer Inszenierung, wie man sie fast in jedem Werbespot vorgeführt bekommt. Wenig natürlich wirken zudem die vergleichsweise abrupt endenden Farbverläufe. Selbst das ungeschulte Auge erkennt, dass etwa die Farbe Cyanblau in zwei der Motive nachträglich hineingesetzt wurde. Frische und Lebendigkeit soll mit diesem stilistischen Kniff erreicht werden. Die Plakatserie aus 2009 war diesbezüglich überzeugender. Neben den „People-Motiven“ wird man auf den Straßen in Baden-Württemberg in den nächsten Wochen vor allem ein Motiv sehen: das Plakatmotiv „Nr. 1“. Es stellt einerseits die positiven Wirtschaftszahlen das Bundeslandes in den Vordergrund, und gleichzeitig betont es den Führungsanspruch der Regierungspartei. „Machen sie uns zur Nr.1″ wäre sicherlich etwas plump formuliert, aber genau diese Aussage ließt sich zwischen den Zeilen ebenfalls heraus. 44,2% erhielt die CDU bei der letzten Landtagswahl in Baden-Württemberg im Jahr 2006. Weit abgeschlagen folgten die SPD (25,2) und die Grünen (11,7). So soll es nach Auffassung der CDU auch bleiben.

Fazit
Ein sympathisches Erscheinungsbild, das allerdings zur Bundestagswahl 2009 subtiler und raffinierter inszeniert wurde.

FDP

Wahlplakate FDP

Wahlplakate FDP

Schenkt man aktuellen Umfragen Glauben, so wird es die FDP schwer haben, in den Landtag Baden-Württembergs einzuziehen. Leichter tun sich die Liberalen schon eher mit der Gestaltung ihrer Themenplakate, die diesbezüglich durchaus zu überzeugen wissen. Gerade in Bezug auf das Design von Werbematerial machen die Liberalen traditionell eine eher schlechte Figur. Vielseitige Wahlprogramme verkommen bei der FDP auch schon einmal zu einer „Wordwüste in Arial 12 Punkt“. Umso erfreulicher ist es, wie sich die FDP in Baden-Württemberg auf Plakaten präsentiert. Überzeugendes Foto-Artwork steht im Mittelpunkt der sehr klar strukturierten Motive, die farblich auf die Hausfarben Gelb und Blau abgestimmt sind. „Motor:”, in einer kursiven Schrift vor das FDP-Logo gesetzt, soll die FDP als dynamische Kraft darstellen. Als „dynamisch“ kann man auch die gelbe, unregelmäßige Viereckform bezeichnen, in der die jeweilige Botschaft Platz findet, und die zum Teil auch mit den Fotos korrespondiert, wie das Motiv mit Notebook zeigt. Die dargestellten Personen, wie auch insgesamt die Plakate, kommen sehr sympathisch rüber.

Fazit
Die Gestaltung der FDP überrascht, und zwar positiv. Die Schlichtheit der Plakate ist ihre Stärke.

SPD

Wahlplakate SPD

Wahlplakate SPD

Die SPD stellt in diesem Wahlkampf Fragen (siehe warumspd.de). Ob es die Fragen sind, die die Menschen bewegen, wird sich Ende März zeigen. Die Fotografin Julia Knop wurde mit dem Auftrag bedacht, das Land und seine Menschen im Stile einer Fotoreportage zu porträtieren. Authentizität spielt dabei eine tragende Rolle, ihr hat sich die SPD gar in einer Charta zur Wahlkampagne verschrieben, Jedes Kampagnenmotiv besteht aus einer Fotocollage sowie einer Frage, die in einer Serife, der „Times“ gesetzt ist. Das wirkt freilich elegant, doch die SPD-Gestaltungsvorgaben schreiben hierfür eigentlich die „The Sans“ vor, wie ein Blick in den entsprechenden Styleguide zeigt.

Die Gestaltung der Plakate ist anspruchsvoll. Für ein Plakat, das in wenigen Sekunden beim Vorbeifahren gelesen werden können muss, vielleicht zu anspruchsvoll. Jedes SPD-Plakat und jede Fotocollage erzählt eine eigene Geschichte. Das Problem hierbei ist allerdings: für das Geschichtenerzählen sind Plakate denkbar ungeeignet. Ihre Aufgabe ist es, ohne Umschweife auf den Punkt zu kommen. Nur die Allerwenigsten bleiben beim Betrachten eines Plakates stehen. Aber genau dies ist bei den SPD-Plakaten erforderlich. Die leichte Serife und der Farbwechsel in der Überschrift erschweren das Lesen. Die sehr klein dargestellte Fußnote bleibt für die allermeisten Menschen unbemerkt. So interessant das Collagen-Konzept auch sein mag, in Konkurrenz mit den Plakaten anderer Parteien und in der Flüchtigkeit des Moments verschwimmen sie zu einem Bilderteppich, dem es letztendlich an Prägnanz fehlt.

Fazit
Als Entwurf für eine Broschüre wunderbar. Als Plakat nicht prägnant genug.

Bündinis 90 / Die Grünen

Wahlplakate Die Grünen

Wahlplakate Die Grünen

Bündnis 90/ Die Grünen wollen den politischen Wechsel in Baden-Württemberg, und zwar „JETZT!” Die Plakate kommen in einem kindlich-naiven Scherenschnitt-Stil daher. Das hat tatsächlich Charme. Gestalterisch kann das Konzept überzeugen. Natürlich ist Grün prägend. Grün wirkt umso stärker, da die Sättigung der anderen Farben, mit Ausnahme des Gelbtons, vergleichsweise gering ausfällt. Scherenschnitt und der naturalistische Farbeindruck lassen die Motiv etwas spröde, aber doch sympathisch erscheinen. Die einzelnen Elemente sehen leicht zerknüllt aus und wirken, als hätten sie schon einmal ein Leben vor dem Wahlkampf gehabt, als seien sie zum Zwecke der Landtagswahl recycelt worden. Eben typisch Die Grünen. Auch die Prägnanz der jeweils nur wenige Zeichen umfassenden Leitsprüche ist stark.

Fazit
Kreativ und gewohnt gekonnt.

DIE LINKE

Wahlplakat DIE LINKE

Wahlplakate DIE LINKE

Die Ziele der Partei DIE LINKE nehmen sich eher bescheiden aus. Zunächst einmal möchte sie in den Landtag, was sie auch gleich auf fast allen ihrer Themenplakate in den Vordergrund stellt. Rot ist dabei die alles dominierende Farbe. Interessanterweise wirken die Plakate, trotz des großen Rotanteils weniger „aggressiv“ als etwa die Wahlplakate zur Bundestagswahl 2009. In erster Linie liegt der weniger martialische Auftritt an der Schrift „Corporate E“, die einen Schreibmaschinen-Stil nachahmt und deren Buchstaben filigran anmuten. Die mit ihr gesetzten Leitsprüche, etwa „Strom ohne Atomkraft und für alle bezahlbar“, sorgen für einen klug gesetzten Kontrast, der ein wenig Intensität der roten Fläche nimmt. Auch im Verbund mit der DIE-LINKE-Hausschrift „Helvetica Condensed“ („in den Landtag!“) funktioniert sie gut. Interessant ist, dass im Vergleich mit den Plakaten der vier anderen Parteien, die Plakate der LINKE am konservativsten ausfallen. Das liegt vor allem auch an der klassisch wirkenden, zentrierten Textausrichtung, die den Plakaten eher einen traditionellen Anstrich geben.

Fazit
Die Gestaltung ist laut, die Ausnutzung der Fläche ideenlos und spannungsarm. Selbst die interessante Typowahl vermag dies nicht zu ändern.

Resümee

Abschließend die Platzierung der aufgeführten Plakatserien samt Begründung:

Platz Partei Begründung
1 FDP wirklich überraschend und wirklich gekonnt
2 DIE GRÜNEN kreativ, prägnant und gestalterisch überzeugend
3 CDU sympathisch und stimmig; nicht so raffiniert wie zuletzt
4 SPD anders als beim Urnengang gilt bei Plakaten: weniger ist mehr;
anspruchsvoll gestaltet, insgesamt aber zu voll
5 DIE LINKE solide, allerdings aus Sicht der Gestaltung langweilig

Weiterführende Artikel

Dieser Beitrag hat 64 Kommentare

Kommentare sind geschlossen.

An den Anfang scrollen