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Plakate zur Landtagswahl 2012 im Saarland

Wahlplakate Saarland 2012

Wahlplakate Saarland 2012

In diesem Jahr finden drei Landtagswahlen in Deutschland statt. Neben Schleswig-Holstein (6.Mai) und Nordrhein-Westfalen (seit wenigen Tagen steht fest, dass eine Neuwahl erforderlich ist) wird auch im Saarland über die Zusammensetzung des Landtages abgestimmt. Im Saarland wird bereits am 25. März gewählt und so habe ich mir einmal angeschaut, wie sich die Parteien in dem doch vergleichsweise kurzen Wahlkampf visuell aufstellen und welche Plakatmotive derzeit das Straßenbild im Saarland prägen. Erstmalig werden im Rahmen eines dt-Beitrags nun auch Plakate der Piratenpartei einer genaueren Betrachtung unterzogen. Klarmachen zum Anschauen!

SPD

Wahlplakat Heiko Maas SPD Saarland

Wahlplakate SPD Saarland

Die Kampagne der SPD ist ganz auf ihren Spitzenkandidaten Heiko Maas (heiko-maas.de) zugeschnitten. Erstmalig greift in der Plakatkampagne die neue SPD-Farbwelt, in der seit der Rückkehr zum Quadrat (seit Anfang 2011 verschwindet der SPD-Würfel sukzessive aus dem Erscheinungsbild) ein Purpurrot als Akzentfarbe zum Einsatz kommt.

Trotz zumeist ernster Miene von Maas wirken die Plakate schon allein aufgrund der Farbgebung freundlich. Rot, Lila und Bordeaux in Kombination mit Blau-Grautönen erzeugen einen Ausdruck, wie man ihn sonst eher aus dem Modeumfeld kennt. Tatsächlich wirken die Plakate sehr stilvoll. Der Kandidat macht eine gute Figur im Anzug wie auch im Hemd, sowohl vor rotem Hintergrund wie auch vor der verschwommenen, nennen wir es, urbanen Kulisse.

Es ist sicherlich kein Zufall, dass der verantwortliche Fotograf Herrn Maas auch auf einem Designerstuhl (Plastic Chair, Vitra) Platz nehmen ließ. Stilvoll bis ins Detail. Da passt es durchaus, diese Optik auch politisch zu verwerten und dem Spitzenkandidaten sogleich einen „neuen Politikstil“ zu attestieren. Ob er ihn tatsächlich pflegt, vermag der Betrachter nicht zu sagen, die Gestaltung vermittelt ihm jedoch, dass es genau das tut.

Fazit
Großes Kino. Ein neuer (Farb)Akzent in der politischen Werbelandschaft. Sehr durchdachte Gestaltung/Inszenierung, wenn auch fast ein bisschen zu geleckt.

CDU

Wahlplakate CDU Saarland Annegret Kramp-Karrenbauer

Wahlplakate CDU Saarland Annegret Kramp-Karrenbauer

Die CDU setzt in ihrer Plakatserie auf Bewährtes. Verlässlichkeit ist durchaus ein Trumpf, gerade in wirtschaftlich wackeligen Zeiten. Mit Helvetica als Hausschrift sowie Blau und Orange folgt man den eigenen Corporate-Design-Richtlinien. Einziger Ausreißer, gar nicht mal im negativen Sinne gemeint, ist ein senfgelber Hintergrund bei einem der Großflächenplakate, der der Spitzenkandidatin Annegret Kramp-Karrenbauer sogar besser steht als das fotografisch doch sehr inszeniert wirkende Umfeld der anderen Motive. Kinder und Personen im Anzug ist hier deutlich anzusehen, dass es sich um Statisten handelt. Dieser Fotostil mit leicht biederer Attitude zieht sich bis auf die Website Kramp-Karrenbauers.

Anders als etwa Mass ist Kramp-Karrenbauer in jeder Aufnahme von allen Seiten ausgeleuchtet. Die Gestaltung der Plakate ist einwandfrei, der Umgang mit Headlines gelernt und bewährt. Fotografisch und inhaltlich ist die Serie ordentlich, jedoch vergleichsweise ideenlos. An die Qualität der Plakatserie zum Bundestagswahlkampf kommt sie nicht ansatzweise heran.

Fazit
Bewährte Plakatgestaltung, die man von der CDU schon kreativer gesehen hat.

DIE LINKE

Wahlplakat DIE LINKE Saarland

Wahlplakate DIE LINKE Saarland

DIE LINKE im Saarland tut sich, wie es scheint, etwas schwer im Umgang mit den digitalen Angeboten. Entsprechendes Material zur Wahlkampagne fand ich weder auf dielinke-saar.de noch auf Facebook. Da mir auch auf Nachfrage keine Daten zur Verfügung gestellt wurden, ist die oben gezeigte Netzausbeute Grundlage für die Bewertung.

Mit Oskar Lafontaine als Spitzenkandidat geht DIE LINKE in den Wahlkampf. Eines der Großenflächenplakate zeigt Lafontaine vor einer Stahlhütte mit dem Slogan: „Sanieren muss man können.“ Gemeint damit und im Hintergrund dargestellt ist der Saarstahl-Konzern. Während seiner Amtszeit als Ministerpräsident des Saarlandes gelang es der Regierung, den Saarstahl-Konzern trotz der Stahlkrise über viele Jahre am Leben zu erhalten. Mit diesem Pfund möchte man nun also punkten, im digitalen Zeitalter. Nicht nur inhaltlich erscheint die Kampagne etwas überholt, auch gestalterisch bietet sie wenig Inspirierendes. Das Lafontaine-Motiv wirkt wie aus einer anderen Dekade. Auffällig ist innerhalb der Kampagne lediglich, dass die Hausfarbe Rot nicht oder nur sehr sparsam eingesetzt wird.

Fazit
Die Wahlkampagne ist ein Sanierungsfall.

Dieser Beitrag hat 52 Kommentare

  1. SPD: Ich finde die Farbkombination geil, deutlich frischer und moderner als die Sandstein-Himmel-Monumentenfarben. Interessant wie sich da die SPD neu positioniert. Da mir Herr Maas jetzt nicht so bekannt ist, gelingt das auch personell. Maas ist zudem schlank genug, um ihn zum Anzugmodel zu machen. Wie auf allen Wahlplakaten fällt mein Augenmerk auch immer auf die Fotografie und Retusche. Hier finde ich den entsättigten Hautton von Herrn Maas wie auch seine konturierte Ausleuchtung passend und sehr business-mäßig – hier kommt der Strukturwandel auch gestalterisch an. Die Retusche finde ich jedoch leider etwas überdeutlich, das sieht schon sehr künstlich und roboterhaft aus. Das ist leider eine echte Schwäche dieser Motive.

    CDU: Der senfgelbe Hintergrund soll wohl eher ein Goldton sein, der passt wirklich gut zu den Strähnchen von Frau KK. Die inszenierten Bilder sind vor allem farblich sehr unzusammenhängend, da fällt die Kampagne grafisch schon sehr auseinander. Auch wären echte Bilder natürlich besser gewesen. Natürlich wird eine Landespolitikerin nicht so von Fotografen umschwärmt wie ein Bundesminister, trotzdem wären authentische Bilder aus der Amtszeit viel besser. Dass es solche Fotos nur aus dem Studio gibt, spricht für eine schlechte Planung.

    Linke: Die Kampagne soll vermutlich bewusst analog sein, Frau Spaniol wurde anscheinend mittels Kopierfehler retuschiert. Da kann man auch nicht behaupten, die Farbe Rot wäre sparsam eingesetzt. Schön auch der Kontrast zwischen Herrn Linslers Zombie-Augen und seinen gelben Zähnen. Und der riesige Oskar trifft genau die inhaltliche Aufstellung der Linken im Saarland. Wenigstens weiß man da, was man bekommt.

    Grüne: Handwerklich wirklich schön gemacht und herzerfrischend anders. Ich finde auch, dass das Logo etwas dominanter sein dürfte. Die Abkehr von Personen und der Blick auf die Inhalte tut einerseits gut, andererseits weiß man nicht wen man wählt. Keine Ahnung, wieviel das ausmacht. Der “Alte Mief” und “… verhindern” ist irgendwie frisch vom Demospruchband. Erstwähler spricht das meiner Meinung nicht an, eher so die Elterngeneration. Ich weiß nicht, warum mir das inzwischen altmodisch erscheint. Liegt wohl am digitalen Zeitalter und den …

    Piraten: Inhaltlich (bis auf das Trojaner-Rätsel) schön klar, Note 1 für die inhaltliche Positionierung. Die Farbgebung jedoch für meinen Geschmack viel zu unfrisch und düster. Die Fotos sind miese Schnappschüsse. Die sw-Gesichter auf bunten Farbflächen in der Berliner Kampagne waren dagegen klasse. Die Typo der Plakate ist geil. Warum der “Piraten”-Schriftzug allerdings Arial sein muss – bäh!

    FDP: Ich finde es angenehm selbstironisch und auch gestalterisch ok. Die Farben sind einfach so schön plakativ. Allerdings habe ich diese einfallslosen reinen Textplakate schon immer gehasst, vor allem weil die Sprüche meistens eher Insider-Jokes sind. Leider erwartet die FDP vom Wähler, dass man sie eh schon kennt und weiß wofür genau die Partei steht. Mit Protestpartei-Slogans wie “anders sein” und “gerade jetzt” gewinnt man doch keine neue Wählerstimme, könnte man auch auf NPD-Plakaten so finden (ohne die Parteien zu vergleichen). Finde ich persönlich strategisch sehr schwach. Was mir bei aller Abgeschnittenheit auffällt: die Bilder sind einfach gut fotografiert und perfekt bearbeitet. Da könnte sich sogar Heiko Maas noch ne Scheibe abschneiden.

  2. Ich sage es – wie auch schon bei der letzten Umfrage – gerne erneut:

    Die Entscheidung eines Wählers für einen politischen Kandidaten oder eine Partei wird, entgegen der Meinung vieler Politiker und deren kreativer, meist wissenschaftsgesteuerter Berater, nicht oder nur minimal weder durch analoge noch digitale Kommunikationsmittel wie Anzeigen oder Plakate beinflußt. Auch wenn gebetsmühlenartig – vor allem von den Verfechtern des sog. Neuromarketings – gerne das Gegenteil behauptet wird: sie entscheidet sich zu allermeist in den Herzen der Menschen und weniger in ihren Köpfen. Sich dorthin zu wagen und im Sinne einer steuernden Beeinflussung dort erfolgreich zu arbeiten, haben schon viele, begabte Kreative versucht – und mußten grandios scheitern. Besteht doch das menschliche Herz nicht – wie fälschlicherweise angenommen – nur aus durchanalysiertem Markengewebe und multimedial vernetzten Nervenbahnen, sondern wird auch stetig, rhythmisch und kräftig von der Unwägbarkeit und Unkontrollierbarkeit menschlicher Emotionen sowie von einer wohl niemals zu bändigenden Urkraft des „doch“ oder des „doch nicht“ durchflossen. Durch die holzschnittartige Grobheit der Wahlplakat-Kommunikation im Sinne handwerklichen und kreativen Untermögens (oder ist es Lustlosigkeit?) – auch wieder in diesem Jahr – und die ungebremst hilflose Umgangsweise unserer politischen Vertreter mit modernen Anforderungen an effektive, authentische (aber kreative!) Kommunikation werden Wähler in diesem Land, sowie auch anderswo, diesbezüglich immer noch eher als „totes Empfänger-Fleisch“ denn als komplexer, lebendiger, mündiger Organismus wahrgenommen. Schade – ist das Wort „Herz“ doch laut Statistik eines der bei Politikern und Medienschaffenden beliebtesten und meistgebrauchten Wörter – pardon – sprachlichen Versatzstücke bei der Formulierung Ihrer intimsten Herzensangelegenheiten. Politik und Kommunikation – sowohl in effektiver als auch gestalterischer Hinsicht immer noch eine ziemlich herzlose Angelegenheit. Egal auf welchem Plakat welcher Partei auch immer…

    Herzlichst, Roland Plank

  3. Bei den “linken” Plakaten fehlt eigentlich nur noch der freche Wortwitz: “Saarnieren muss man können!”

    Ich gebe den bisherigen Kritikern dahingehend recht, dass man an die Bildretusche wohl jemand völlig fachfremdes gesetzt hat. Oder niemanden. Schrecklich!

  4. Mich würde dann interessieren wie es um die Plakate in Schleswig-Holstein steht. Was ich bereits gesehen habe, war nicht immer sehr erbaulich …

  5. @ Achim Schaffrinna

    Ich widerspreche Dir ungern, aber dafür umso heftiger. Es gibt seit den späten 50er Jahren regelmäßige Untersuchungen zu Farbtönen und deren psychologische/assoziative Wahrnehmungen. Im Prinzip haben die sich nicht wesentlich verändert. Selbst in der Farbenlehre von Goethe in der assoziativen Interpretation seines Farbkreises finden wir nach 200 Jahren noch immer richtige Grundaussagen, die bis heute Bestand haben. Irrte er noch in der physikalischen Interpretation von Farbmischungen und Wirkungen, so lag er hervorragend in der Farbenpsychologie.

    Zu Deinen konkreten Beispielen:
    Textil-Design und graphisches Design im Sinne von Werbung sind im Grunde genauso wenig verwandt, wie Fisch und Schwein auch wenn beide unter Fleisch laufen.
    Konkret geht es beim Farb-Design in der Textilbranche um Muster und Farbeffekte. Bei der Werbegraphik geht es um Aussagen. Knapp, klar, überzeugend, einleuchtend, möglichst in einer Sekunde zu erfassen. Auf einem Stoff kann das Auge ruhen auf einem Wahlplakat an der Straße nicht. Ein gravierender Unterschied! Besonders gravierend tritt der Unterschied bei Wahlwerbung und verbindlichen Kernaussagen zutage, etwas was ein Textil-Design zu keinem Zeitpunkt leisten muss.
    Eins ist aber klar:
    Spricht man von einfarbigen Textilien sind die Grundaussagen in der Farbenpsychologie wie von mir oben beschrieben. Schon mal einen gelben Smoking gesehen? Schon mal zu einer Beerdigung im freundlichen Rosa erschienen? Schon mal einen Koch in kakifarbiger Arbeitskleidung auftauchen sehen? Nein? Das hat einen Grund. ;)

    Dein Vergleich zwischen einem tradierten, kulturellen Fest aus dem asiatischen Kontext zu einem Wahlplakat in europäischen Zusammenhängen, halte ich schon mal überhaupt nicht für zulässig. Sorry. Einmal unabhängig davon, dass es sich bei dem Fest um die Farbigkeit als solche und damit dem gesamten Farbenkreis dreht und der Lust in Farbe einzutauchen, so geht es bei der Politik im Prinzip um seriöse Themen und nicht um Lust, es sei denn man heißt Clinton oder Kennedy. Da geht es vielmehr um klare Botschaften, die in Europa zünden müssen. Dazu kommt die Tatsache, dass es eine komplett andere Farbkultur in Asien gibt, die dort mit rundweg anderen Inhalten und Bedeutungen belegt ist als in Europa. Nur ein Beispiel:
    Bleiben wir bei der Farbe Rot. Rot ist im europäischen Kulturraum seit dem beginnenden 20 Jhd. weiblich tradiert. In Asien steht das Rot für die männliche Zuordnung. Die Gegensätze sind somit diametral. Daher ist ein Worlddesign, was man sich in manchen Marketingetagen in den 90er Jahren so zwischen zwei Gläsern Bordeaux, als unheimlich schlaue Kosteneinsparung ausdachte, nicht nur sehr verwegen, sondern geradezu von kultureller Ahnungslosigkeit beseelt. In der Regel komplett gescheitert. Ford war darin Spitzenreiter und hat mit dem Unsinn Milliarden versenkt.

    Das Beispiel Evonik hingegen ist ein gutes Beispiel.
    Chemieindustrie mit extrem weiter Palette. Die aktuelle Magentafarbigkeit finde ich nicht überzeugend. Ich habe zumindest in gedruckten Handouts eine Farbigkeit zwischen Purpur und tiefem Weinrot in Erinnerung. Die Farbigkeit ist zwar aktuell (ähnlich Telekom) aber so ziemlich das Schlechteste was man dem Kosten-Management antun kann.
    Man kann die Jahre runterzählen, die bleiben bis dieses Magenta out ist. Dann darf der Graphiker einen neuen Versuch starten und sich im Relaunch am offenen Herzen des CI üben. Bis dahin ist festzustellen, dass Evonik permanent Schwierigkeiten haben wird seine Farben lichtecht zu halten. Da hätten sie mal bei der Telekom fragen sollen, was die alleine an Geldern für ihre Telefonzellen und Außengestaltungen in den 90ern versenkt haben, weil die Farben nur 2-3 Jahr hielten. Deren Agentur gehörte vom Markt genommen, wegen Unfähigkeit! Blutige Anfänger in Fragen Farb-Design.
    Für ein Kosmetikunternehmen, evtl. einen Energielieferanten, eine Modeboutiquen-Kette oder Softdrink Marke akzeptabel. Für einen Chemiegiganten langfristig nicht überzeugend, sondern auf Effekt setzend, was im Logo immer problematisch ist. Siehe Datsun!

    Auch die persönliche Empfindung von Wohlfühlfarbigkeit kann ich nicht teilen. Für das Weinrot im Hintergrund der SPD Wahlplakate mag das noch stimmen. Erinnert es doch an Toskana, Wein und Kamin. Eine Suggestion, die gerade bei der SPD ungute Erinnerungen weckt. Bei mir zumindest. Nun sei jedem zugestanden, dass er/sie persönlich eigene Vorlieben hat. Dafür sind aber Wahlplakate nicht da. Dort geht es um verkürzte klare Aussagen, die im Prinzip für alle gelten. Nicht mehr.
    Ich bin mir sicher, dass die SPD schlecht abschneiden wird im Saarland, obwohl sie sich bundesweit im gewissen Hoch bewegt. Die Farbigkeit wird einen Anteil daran haben. Lafontaine und die Linke wird der SPD schwer zusetzen. Die SPD kann nur froh sein, dass die CDU mit hausbackenem, fadem Einerlei daher kommt.

    Eine frische Farbigkeit wäre zwischen Blau, Grün und Gelb zu finden. Das würde auch hervorragend zum roten Logo der SPD passen. Nicht umsonst wählen Waschmittel und Weichspüler usw. gerne diese Farbigkeit.

  6. Wie sicherlich alle hier den Nachrichten entnommen haben, ist die Wahl entschieden. Und so wie es aussieht, vermag wohl doch kein Wahlplakat (bzw. eine Wahlkampagne) eine Wahl zu entscheiden… Somit bleibt wieder einmal viel Spekulationsfreiraum oder sagen wir Angriffsfläche für Kritiker der Werbebranche…

    Ich warte schon auf Kommentare wie “siehst Du, Werbung ist doch nur Schall und Rauch” oder “unnötige Geldverschwendung”. Man sieht wiedermal: wenn das Produkt nicht gut ist, tut sich auch beste Werbung schwer. Oder: ist das Produkt gut genug, ist Werbung (im Speziellen das Design) nicht unbedingt notwendig oder gar ausschlaggebend…

  7. Ron, ich denke, dass Werbung im klassischen Sinne in der Politik nicht funktioniert. Es wäre naiv zu glauben, Wahlplakate hätten einen, wenn schon nicht signifikanten, dann doch wenigstens geringen Anteil an einem Wahlerfolg (oder eben Misserfolg). Wie wäre diese Wahl ausgegangen, hätte man auf jegliche Form der visuellen Werbung verzichtet? Wahrscheinlich wäre sie nicht anders verlaufen.

    Wir Designer neigen dazu, Design generell einen großen Stellenwert einzuräumen. Den hat es in ganz vielen Bereichen unseres Lebens auch. In der politischen Landschaft greifen die Marketing-Instrumente, wenn überhaupt, nur bedingt. Design spielt hier kaum eine Rolle. Warum ist das so? Weil der Wahlentscheid bei ganz vielen Menschen eine Herzensangelegenheit ist, so glaube ich jedenfalls, mal abgesehen von der Gruppe der Unentschlossenen. Das wäre, als wolle man mit Hilfe einer Kampagne einen Schalke-Fan dazu bringen, nun die Mannschaft aus Dortmund anzufeuern, um es mal etwas platt zu formulieren. Es gibt Bereiche, in der auch die beste Werbung und das ausgefeilteste Design wirkungslos verpuffen. Glaubt denn jemand, eine clevere Kampagne hätte die FDP vor dieser Niederlage bewahrt? Nicht wirklich.

    Werbung für eine Partei sind in erster Linie die Themen selbst, für die die Parteien einstehen. Und natürlich spielt auch ein Rolle, welche Repräsentanten, welches Personal mal vorzuweisen hat. „Die mag ich“ oder „den mag ich“ hört man des öfteren, wenn Menschen in Fußgängerzonen befragt werden. Sympathie spielt eine große Rolle, Sprache und Auftreten der Kandidaten ebenso. Welcher Kandidat erscheint einem als Landesvater respektive -mutter geeigneter? Wem traue ich zu, das Land, in dem ich lebe, zu repräsentieren? Das sind die Fragen, mit denen sich Wähler beschäftigen.

    Wenn Gestaltung in diesem Kontext irrelevant ist, oder sagen wir lieber irrelevant erscheint, denn bis heute gibt es keine Studie, die solch eine Einschätzung bestätigt, warum beschäftige ich mich dann immer wieder aufs Neue mit der Gestaltung von Wahlplakaten? Wahlwerbung ist, wie auch Werbung allgemein, Spiegel unserer Gesellschaft. Faszinierend dabei ist, dass sich die Themen über die Jahrzehnte hinweg kaum verändern (Arbeit, Bildung, Sicherheit, Umwelt…), die Gestaltung jedoch sehr wohl. Wenn man so will, werden die Themen immer wieder neu interpretiert, visuell wie auch sprachlich. Dabei ist Wahlwerbung ebenso schönfärbend wie Werbung für ein Waschmittel. Wenigstens eine Gemeinsamkeit gibt es also. “(Nur) wir schaffen Arbeitsplätze und (nur) mit uns haben Ihre Kinder aufgrund idealer Bildungsangebote eine erfolgversprechende Zukunft.” Die Parteien werden auch in den nächsten Jahrzehnten auf diese Art der Inszenierung nicht freiwillig verzichten. Wir dürfen uns also auch weiterhin zu Wahlkampfzeiten auf plakat-beschmückte Straßenzüge “freuen”… und auf Diskussionen hier im dt auch :-)

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