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NRW-Wirtschaftsministerium verschickt fragwürdige Logo-Ausschreibung

NRW ZIEL2 – fragwürdige Ausschreibung

Das Ministerium für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk des Landes Nordrhein-Westfalen schreibt derzeit ein Logo aus und erwartet von allen Bietern, dass sie mit Abgabe des Angebots auch gleich die entsprechenden Entwürfe einreicht. In der Ausschreibung heißt es: „Der Zuschlag wird auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt.“

Es ist ärgerlich genug, dass Agenturen sich in Pitchs immer dreisteren Anforderungen seitens Auftrag vergebender Unternehmen ausgesetzt sehen. Dass öffentliche Auftraggeber diese Entwicklung zudem noch verstärken, macht die Situation umso schlimmer. Wer am meisten im voraus leistet und dabei den geringsten Preis abgibt, der gewinnt. Auch in diesem Fall scheint dieses Motto zu gelten. Das NRW-Wirtschaftsministerium schreibt im Rahmen des sogenannten EFRE-Wirtschaftsförderungsprogramms die Kreation eines Logos sowie die damit in Verbindung stehende Bezeichnung aus. Das oben abgebildete „Ziel2“-Logo soll im Rahmen der nun anstehenden Förderperiode, die bis 2020 geht, durch ein neues Zeichen abgelöst werden.

In den Ausschreibungsunterlagen werden alle Bieter zur Abgabe eines Angebots aufgefordert. Allerdings sollen nicht nur der veranschlagte Arbeitsaufwand in Stunden sowie ein Preis für die Kreation eingereicht werden, auch der oder die entsprechenden Entwürfe sollen gleich mit in den Umschlag. Während in fairen Pitch-Verfahren auch diejenigen Agenturen ein „finanzielles Trostpflaster“ erhalten, die bei der Vergabe des Auftrags leer ausgehen, ist in diesem Fall, wie mir auf Nachfrage von Seiten der zentralen Vergabestelle im Ministerium bestätigt wurde, eine solche Aufwandsentschädigung nicht vorgesehen. De facto arbeiten also alle Bieter, bis auf den Sieger, für lau.

Ausschreibungen, bei denen die Gestaltung einiger weniger Elemente (z.B. Logo, Anzeige) im voraus „angefragt“ wird, und die, so man denn den Zuschlag erhält, die Beauftragung weiterer Leistungen nach sich ziehen (z.B. komplettes Corporate Design, Kampagne), sind weit verbreitet. Jede Agentur wägt in einem solch Pitch ab, ob sie sich auf diesen Pakt einlässt. Im Fall der Ausschreibung um das EFRE-Programmlogo ist allerdings mit Abgabe des Angebotes bereits die Hauptleistung erbracht! Im Bedarfsfall folgt lediglich noch die Reinzeichnung des Logos. Logoeinreichung mit Preisetikett. „Der Zuschlag wird auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt“, wie es in der Ausschreibung heißt. Streiche „wirtschaftlichste“ setzte „billigste“. Die Zuschlagskriterien sehen im Detail wie folgt aus: „Kreativität und Originalität der einzureichenden Entwürfe“ = 40%, „Erfüllungsgrad der unter dem Punkten 2.1 beschriebenen Anforderungen an das zu entwickelnde Logo“ = 30% (hier werden allgemeine Vorgaben definiert, etwa auch, dass das Logo in schwarzweiß druckfähig sein muss), Preis = 30%.

Gerade weil die Ausschreibung ausschließlich im Ausschreibungsportal des Wirtschaftsministeriums und lediglich den dort registrierten Nutzern einsehbar ist – ich habe über eine vom Ministerium angeschriebene Agentur davon erfahren –, darf ein solches Verfahren nicht stillschweigend hingenommen werden. Wenn Unternehmen und Behörden nach dem Motto verfahren: „Legt erst mal alles auf den Tisch, liebe Agenturen, und wir schauen dann später, wer von Euch Geld erhält“, dann kann die Empfehlung nur lauten, auf die Teilnahme am Bieterverfahren zu verzichten. Die Ausschreibung läuft noch wenige Tage und endet am 14.03.2014.

Das EFRE-Programm wird durch EU-Fördermittel realisiert. Es zielt insbesondere auf die regionale Entwicklung in den Bereichen Wirtschafts-, Struktur- und Beschäftigungspolitik ab. Im Ausschreibungstext wird die Landespolitik vollmundig angepriesen: „Die Politik der Landesregierung Nordrhein-Westfalens zielt auf ein ökonomisch leistungsfähiges, sozial gerechtes und ökologisch verträgliches Wirtschaften und auf wettbewerbsfähige und attraktive Standorte. Damit will sie gute und wettbewerbsfähige Arbeitsplätze schaffen und sichern helfen, die den Menschen ein Leben in Würde ohne staatliche Zuschüsse ermöglichen.“ Die Ausschreibung verdeutlicht: zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft eine gewaltige Lücke.

Wettbewerbsfähige Arbeitsplätze schaffen, indem man von kreativen Dienstleistern verlangt, Arbeiten unentgeltlich zu verrichten!? Aha. Auf diesen Widerspruch hin angesprochen, ließ man bei der zentralen Vergabestelle des Ministeriums durchblicken, dass man diesen Missstand anerkenne. Mir wurde telefonisch mitgeteilt, dass die Ausschreibung überprüft würde. Wie man mir allerdings auch gleich zu Verstehen gab, sähe man keine andere Möglichkeit, als so zu verfahren. Begründung: weil es ansonsten keine Chance gäbe, die Entwürfe vorab zu sichten. Eine Logik, die sich nur vor dem Hintergrund einem durch zunehmend unfaire Pitchs und inakzeptablen Crowdsourcing-Wettbewerben verdorbenen Markt erklärt. Das ist, als würde man bei 100 Bringdiensten bestellen und nur die Pizza bezahlen, die einem schmeckt. 99 Bestellungen landen in der Tonne.

Immer wieder erschreckend, wie wenig sensibilisiert (nicht nur) öffentliche Auftraggeber augenscheinlich sind, wenn es darum geht Kreativleistungen fair auszuschreiben. Indem das NRW-Wirtschaftsministerium von Designagenturen verlangt, ohne jegliche Entlohnung Entwürfe einzureichen, fordert sie diese indirekt dazu auf, gegen ihre Interessen und unwirtschaftlich zu handeln. Ein absurde Vorstellung von Wirtschaftsförderung, die die NRW-Landesregierung verfolgt. Offensichtlich wurde beim Aufsetzen der Ausschreibung in der Fülle an Vorgaben, Richtlinien und im Befolgen von Paragraphen aus den Augen verloren, wer eigentlich Ziel einer regionalen Wirtschaftsförderung ist.

Dieser Beitrag hat 84 Kommentare

  1. @ Achim: bitte versteh mich nicht falsch, ich finde es sehr wertvoll, dass du deine Stimme hier gegen unfaire Ausschreibungen erhebst und hartnäckig Fragen stellst. Die Wirkung bleibt ja auch nicht aus, wie man sieht. Die Mitarbeiter in den Behörden werden allerdings niemals die Regeln zu Gunsten der Designer interpretieren, wenn es für sie a) ein erheblicher argumentativer Mehraufwand ist und b) disziplinarische Folgen haben kann.

    Will man Einfluss auf die Vergaberichtlinien nehmen, braucht man die richtigen politischen Kanäle. Der BDG ist über den Designertag im Kulturrat. Dort werden Apsekte wie Vergaberichtlinien permanent verhandelt und als Empfehlung oder Leitlinie an die Ministerien gegeben. So sehr der einzelne Mitarbeiter im Landesministerium auf der Seite der Designer stehen mag – erst wenn die Richtlinien ihm den Rücken stärken, kann er aktiv werden. Dicke Bretter zu bohren.

  2. Christian, eben weil, wie Du sagst, der BDG über den Designertag im Kulturrat mit am Tisch sitzt, und das ja nicht erst seit gestern, wie ich annehme, könnte man erwarten, dass nur solche Vergaberichtlinien verabschiedet werden, die auch das Einverständnis von Verbänden einschließt.

  3. Warum ist es eigentlich ein argumentativer Mehraufwand, zu argumentieren, dass die Regeln sinnvoller gestaltet werden sollen? Sinnvoller im Sinn von: zugunsten besserer Design-Ergebnisse.
    Wie viel Schilda sitzt denn bitte in solchen verschnarchten Gremien?

    Es kann doch nicht sein, dass man brieflinglose Einsendungen für die Wurzel fachlich guter Ergebnisse hält? Welcher Designrat hat diesen gravierenden Regel-Unsinn verabschiedet? //kopfschüttel

    Um herauszufinden, welches Potenzial ein Designbüro hat, schaue man sich seine bisherigen Werkleistungen und auch freien Arbeiten an. Das Einfordern von Vorableistung ohne jedes Briefing zeigt doch nur Eines auf: komplette Unfähigkeit, fachliches Können im Designbereich zu beurteilen. Wann versteht man endlich, dass auf der Ausschreiberseite dafür kompetente Person(en) zu sitzen haben? Dann hört zumindest mal auf Seiten der ehrbaren, angeblich stockregelkonformen Behörden der auf dem freien Markt wegen genau diesen Fehlens von Designkompetenz verbreitete und blühende spec-work-Unsinn auf.

    Für Unsinn fallen mir noch andere Wörter ein, die leider unveröffentlichbar sind.

  4. Änderungen im Vergaberecht bedürfen immer einer Anpassung der rechtlichen Vorgaben und können daher nicht singulär oder ad hoc umgesetzt werden. Unabhängig davon nehmen wir die Kritikpunkte an der Logo-Ausschreibung ernst und werden Lösungsmöglichkeiten diskutieren. Hierbei werden wir auch die Kompetenzen des Clusters Kultur- und Kreativwirtschaft mit einbeziehen. Zielstellung muss es sein, Missbrauchsmöglichkeiten entgegenzuwirken, aber auch den Wettbewerb um die beste Idee zu ermöglichen.

    Richtig, Änderungen brauchen einen geordneten Prozess, bestenfalls sogar Mitsprache. Es freut mich, dass die Mitarbeiter im Ministerium die geäußerte Kritik ernst nehmen und auf die Kompetenzen des Clusters Kultur- und Kreativwirtschaft zurückgreifen möchten. Ich möchte darüber hinaus anregen, nicht nur staatlich initiierte Strukturen zu konsultieren, sondern auch die Strukturen, die aus der Designbranche selbst heraus entstanden sind, zum Beispiel den Berufsverband, gerne auch in Kooperation mit anderen Engagierten. Ich denke, dass die Designer selbst ihre Interessen am besten vertreten können und dann von den staatlich bestellten Vertretern des Clusters bei den Verhandlungen unterstützt werden. Das Angebot steht.

    Es geht übrigens nicht um Missbrauch, sei es durch die Behörde oder durch die Designer. Es geht darum, den Designeinkauf professionell zu handhaben. Der Einkauf von Design ist signifikant anders als der von Architektur und braucht Profis auf beiden Seiten.

  5. Nachtrag: Die Ausschreibung ist jetzt auf dem offiziellen Vergabemarktplatz NRW zu finden. Vermutlich ist es die veränderte Version. Es wird nämlich ausdrücklich darauf hingewiesen, das der Logo-Entwurf als bewertbare Skizze abgegeben werden soll … was immer das jetzt heisst. Warum die Referenzen eines Bieters zur Beurteilung seiner Qualität nicht ausreichen soll, bleibt mir unverständlich. Auch die Qualität einer Lösung, die ohne Feedbackgespräche und Auswahlprozesse mit dem Auftraggeber vorab im „stillen Kämmerlein“ entstanden ist, bleibt fragwürdig.

  6. Sehr richtig ist die Aussage, dass der Einkauf von Designleistungen Profis auf beiden Seiten braucht. Bei dieser Ausschreibung ist das sicher nicht der Fall. Es sollte ein Logo entwickelt werden, ohne dass überhaupt der Name des Projekts benannt wurde, für das das Logos entwickelt werden sollte. Ein Bieter hatte richtigerweise danach gefragt. Daraufhin wurde eine recht unverständliche Antwort veröffentlicht. Eigentlich hätte also (quasi nebenbei) noch ein Name (neben dem abgefragten Claim) entwickelt werden müssen, um eine sinnvolle Logoskizze zu entwerfen. Eine Namensentwicklung wurde aber gar nicht ausgeschrieben und kam auch im Preisblatt nicht vor. Wir hatten uns daraufhin entschieden, an diesem Pitch gar nicht zu teilzunehmen. Das ganze Verfahren teilt Designern mit, dass ihre Arbeit nicht wert geschätzt bzw. nicht einmal im Ansatz verstanden wird. Das ist keine Basis für eine Zusammenarbeit. Sehr traurig, dass so viel Unverständnis in einem Bereich zu finden ist, der eigentlich Wirtschaft fördern möchte. Langsam sind wir ratlos, wie hier mehr aufgeklärt oder sensibilisiert werden kann. Sicher ist, dass für solche Ausschreibungen Steuergelder vergeudet werden. Und um einen Wettbewerb der besten Idee kann es hier gar nicht mehr gehen. Dazu müsste dem Kunden erst einmal klar sein, was er überhaupt braucht.

  7. @ Silke
    So ist es. Gute Zusammenfassung.
    Der letzte Satz hat eine besondere Wahrheit.
    Manchmal verbringt man gefühlt mehr Zeit mit Auftragsklärung als mit der Kreation selbst.
    Bei einer solchen Ausschreibung ist nicht einmal vernünftige Auftragsklärung möglich, da das Verfahren das gar nicht zulässt.

    -/-
    Da ich weiß, dass auch viele Nichtgrafiker mitlesen: “Auftrag Logo!” ist noch keine ausreichende, stichhaltige Auftragsformulierung. Da muss noch ordentlich Butter bei die Fisch, damit ein gutes Ergebnis erzielt werden kann. Wer das als Grafiker ignoriert, bewegt sich in der Clipart-Pennystock-Fraktion und gehört auch als solcher bezahlt.

  8. Willkommen in Deutschland! Ich kann die Aufregung nicht ganz nachvollziehen, weil diese Praxis bei Ausschreibungen in anderen Branchen gängige Praxis ist. Den Zuschlag erhält, wer vorher mal ein wenig in den bereits eingereichten Angeboten geschnuppert und schließlich knapp unterboten hat.

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