Skip to content

Neues Erscheinungsbild für Johann Jacobs Museum

Johann Jacobs Museum – Logo
Johann Jacobs Museum – Logo

Das Johann Jacobs Museum in Zürich, ehemals auf die Kulturgeschichte des Kaffees ausgerichtet und unter neuer Leitung nun allgemeiner die Geschichte und Gegenwart der globalen Handelsweges beleuchtend, hat kürzlich ein Redesign vollzogen. Gegründet 1984, wurde es Anfang September 2013 unter der Direktion des ehemaligen documenta-Leiters Roger M. Buergel neu eröffnet, was sogleich im unkonventionellen Design Ausdruck findet.

Bevor die ersten dt-Leser in Kommentaren schreiben, das neue Logo sei kaputt, will ich in diesem Fall gleich eingangs die verantwortliche Agentur nennen, weil dann nämlich der Groschen gefallen sein sollte: Vier5. Stammlesern wird der Name vertraut klingen, denn auch für das frühere Logo des Museum Angewandte Kunst Frankfurt zeichnet Vier5 verantwortlich, was unschwer zu sehen ist.

Kaputt ist die Schrift im Logo des Johann Jacobs Museums also auch in diesem Fall keinesfalls – sie ist Teil des Konzepts. Ein Konzept, das verstörend wirkt, zumindest, wenn man gängige Kommunikationsdesignlehre als alleinigen Maßstab für die Beurteilung der Gestaltung heranzieht. Offensichtlich konnten sich Buergel und die Agentur davon frei machen.

Herausgekommen ist eine Gestaltung, die grob und hölzern wirkt, eine Typo, die an germanische Runen erinnert und den Eindruck vermittelt, sie sei unfertig. Nicht die schlechteste Assoziation, die im Zusammenhang mit einem Museum geweckt werden könnte, denn schließlich verändert sich ein Museum kontinuierlich, zumindest die meisten von ihnen tun es. Das für den Druck verwendete Papier unterstreicht diesen Eindruck. Die Oberfläche ist rau, man spürt das Holz in den Fingern. Kein Klarlack, sondern eine Materialität, die das Museum auch zu einem haptischen Erlebnis werden lässt.

Johann Jacobs Museum – Logo vorher und nachher

Welch ein Bruch mit dem Vorgängersignet, das sich bislang an dem Corporate Design der Johann Jacobs Foundation orientierte. Farben, Formen, Typographie und Gestaltung unterscheiden sich gravierend vom bisherigen Erscheinungsbild. Zumindest visuell wird das Museum eigenständig.

Die spannende Frage ist: darf man Kommunikationsdesign und Kunst in dieser Weise mischen? Kann man Kunst dort einsetzen, wo eigentlich Design erforderlich wäre? Das Erscheinungsbild bricht mit zahlreichen Gestaltungsregeln, etwa in Bezug auf die Lesbarkeit und Erfassbarkeit. Selbst direkt vor einem Plakat stehend hat man Mühe, die darauf befindliche Information zu erfassen. Aus einigen Metern Entfernung gelingt dies schon gar nicht (Abb. unten).

Eine andere Frage ist die der Ästhetik. Zweifelsohne muss eine Gestaltung nicht schön sein, um zu funktionieren. Nicht alles gefällt uns, was wir tagtäglich vor die Linse bekommen, und doch erinnern wir uns daran. Ästhetik ist überbewertet, denn natürlich gibt es eine Formgebung außerhalb des goldenen Schnitts und der Symmetrie.

Sicher… wenn es nur darum ginge, zu gefallen, dann würde man womöglich auf den Einsatz von Komplementärfarben verzichten und eine Typographie wählen, die dem Auge schmeichelt. Was jedoch, wenn man übereinkommt, dass dies gar keine Priorität hat, sondern etwa Originalität und Wiedererkennbarkeit die Ziele sind? Otl Aicher schrieb mal: „man muss sich daneben benehmen können“, was seine Antwort auf die eingangs gestellte ist, ob man so etwas machen dürfe. „Nur das fällt auf, was anders ist.“ Auch diese Ansicht vertrat Aicher, wobei wiederum zu ergänzen wäre, dass Andersartigkeit alleine noch kein Corporate Design macht.

Johann Jacobs Museum – Fotos

Mediengalerie

Dieser Beitrag hat 31 Kommentare

  1. Ich finde, man tut der Kunst unrecht, wenn man diese Gestaltung als „Kunst“ deklariert. Eine Meisterleistung des Kommunikationsdesign ist das allerdings auch nicht… Und Provokation um der Provokation willen ist bäh!
    Die Zeiten der Publikumsbeschimpfungen sind doch längst vorbei …
    Mich würde aber interessieren, wie das Briefing ausschaute… denn obwohl das Ergebnis – meiner Meinung nach – schrecklich anzuschauen und unterirdisch gestaltet ist und sich jeglichen Informationsansprüchen widersetzt, so muss das doch irgendjemand für gut befunden haben.
    Ich bin übrigens nicht grundsätzlich gegen experimentelle Gestaltung und Innovationen gegenüber durchaus aufgeschlossen, dennoch sollte ein inhaltlicher und gestalterischer Bezug zum jeweiligen Projekt/Auftraggeber bestehen. Wenn man denn schon unbedingt Regeln brechen will, was sicher ab und zu notwendig ist, dann doch vorzugsweise mit Sinn und Verstand …

  2. @Veronika Hab ja nicht geschrieben, dass die Typo auf Runen basiert, sondern an selbige erinnert, zumindest mich.

    Dabei fällt mir auf… im neuen Jahr den Spitznamen abgelegt? Nur gut, dass Du die scharfe Klinge/Schreibe nicht ebenfalls niedergelegt hast.

  3. Stimmt.
    Der Kurzform Vroni ist jetzt wirklich nur privat.
    [Seit ich einen Artikel über die Urteile über Vornamen gelesen habe, kam mir der Gedanke, den edlen Namen wieder voll auszuschreiben. Schaun mer mal.]

  4. omG… Die Säulen der Akropolis in ihrer verstörendsten Wirkung…
    Das schlimmste, was ich seit Langem sah.
    Ich hätte definitiv keine Lust, dieses Musum zu besuchen.
    Jámas!

  5. Was mich viel mehr irritiert als der Logoentwurf ist die Uneinheitlichkeit in der restlichen Gestaltung (oder ist das auch Teil des Konzepts?). Das Logo ist ohne Frage eine Provokation (die ich nicht verstehe), das Plakat schlichtweg nicht medienadäquat (weil kaum zu lesen), die Printmaterialien finde ich im Vergleich dazu ziemlich lahm. Wenn brachial, dann richtig.

    Zum Vergleich: Die Gestaltung von strickpunkt für die Ruhrtriennale war auch roh und kantig, hat aber in den jeweiligen Medien super funktioniert und war als Gesamtkonzept total schlüssig. Schräges Design, nur um aufzufallen, nervt mich genauso wie ein Kind, dass sich grundlos bei IKEA auf den Boden schmeisst und schreit.

  6. Wie schon erwähnt, weniger Kaffee- als Kunstmuseum! Aber abgesehen davon mag ich’s irgendwie!

    BTW: Musste irgendwie an Eike König bzw. das Hort-Design denken!

  7. Mmmh; nur weil “schräg und ungewöhnlich” gleich gut sein soll?
    Verstehe ich nicht!

    “schräg und ungewöhnlich” waren auch die Fotos zur Kampagne von Toscani (Fotos von Aids_Kranken für benetton). Die Kampagne war gerade deshalb Schrott. Nur der Aufmerksamkeitswillen “Tabus” zu brechen…. Ne, das ists nicht.

Kommentare sind geschlossen.

An den Anfang scrollen