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Les Républicains – ein Zeichen für den Neuanfang

In den vergangenen Wochen wurde in den französischen Medien bereits über bevorstehende Veränderungen bei der UMP, der vom ehemaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy angeführten „Union pour un mouvement populaire“, spekuliert. In Paris erfindet sich die Partei derzeit neu. Viele sagen, dies sei ein genialer Schachzug, auch von Sarkozy, der sich damit bereits jetzt, zwei Jahre vor der nächsten Präsidentschaftswahl, in Stellung bringt, um sich und die neue Partei medienwirksam zu präsentieren. Durchaus gekonnt unterstreicht dabei das Erscheinungsbild der Partei den politischen Machtanspruch.

Dass man sich auf den Namen „les Républicains“ verständigt, stand bereits seit Anfang Mai fest. Schnell formierten sich darauf hin verschiedene Organisationen gegen die Vereinnahmung des Wortes „Republik“. Die Sammelklage wurde jedoch vor Gericht abgewiesen. Der Name, für den sich Parteimitglieder in einer Online-Befragung mit einer Mehrheit von 83 Prozent ausgesprochen hatten, sei rechtens. Jede Partei habe das Recht, ihren Namen frei zu wählen. Ein weiterer Sieg, auch für Sarkozy.

Vom Erfolg bei den letzten Départementswahlen in Frankreich im März angetrieben, will man nun den größten Umbruch in der Geschichte der vergleichsweise jungen Partei vollziehen. Erst 2002 wurde die UMD von Chirac ins Leben gerufen. Die Neugründung als „les Républicains“ beinhaltet ein völlig neues Erscheinungsbild samt Parteilogo – beides wird nun erstmals auf dem sogenannten Erneuerungsparteitag sichtbar.

Ein neues Logo, um sich von den Eskapaden der Vergangenheit reinzuwaschen. Bedeutungsschwanger wird es um das Versprechen nach Reform und wirtschaftlichem Wachstum aufgeladen. Interne Machtkämpfe, illegale Wahlkampffinanzierung, nicht enden wollende Verfahren vor Gericht – damit soll nun Schluss sein, so die Botschaft, die von der Partei sowohl verbal wie auch nonverbal über das durchweg ansprechende Design ausgegeben wird. Vom Baum als Symbol für Halt und Verlässlichkeit hat man sich verabschiedet. An dessen Stelle rückt der Großbuchstabe „R“, der in drei Segmente unterteilt ist und die Tricolore zitiert, wenn auch in dezenter Weise.

UMP Les Republicains Logo

Eine, wie ich meine, passende visuelle Entsprechung, auch weil der farbliche Dreiklang eng verwoben mit dem Wertekanon der Französischen Republik „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ ist. Mehr noch als die Vereinnahmung des Republik-Begriffs scheint es die Partei darauf abgesehen zu haben, zentrale Werte der französischen Gesellschaft zu besetzen. Auch visuell wird dieser Anspruch untermauert. Ein Clou, vielleicht sogar ein Geniestreich. Umfragen zufolge, wollen 70% der Franzosen Sarkozy kein zweites Mal als Präsidenten sehen, und doch könnte insbesondere er es sein, der von der Neuausrichtung profitiert.

Seit Obama wissen wir: wer Wahlen gewinnen will, muss heutzutage die Klaviatur der digitalen Medien spielen können. Republicains.fr, frisch gelauncht, ist kein sperriges Portal alter Machart, sondern die aufs Wesentliche reduzierte, zentrale Anlaufstelle digitaler Aktionen im Netz, in der auch Inhalte von Facebook & Co. einlaufen. Mit „Direct Citoyen“ lancierte die Partei zudem jüngst eine App, die direkte Bürgerbeteiligung möglich machen soll. Auch aus PR-Sicht macht sich ein solches Instrument, das Partizipation verheißt, sicherlich nicht schlecht. Insgesamt präsentieren sich die Republikaner auf der Höhe der Zeit, zumindest was die Optik und ihre Präsenz im Web betrifft.

Wenn in der Gestaltung, beispielsweise im Parteilogo, nationalistische Töne anklingen, dann passt auch dies in die Zeit, sind sie doch Ausdruck einer Entwicklung, die sich in vielen Ländern Europas vollzieht, in Polen, in Großbritannien, der Schweiz, Deutschland und auch in Frankreich. Gleichwohl gelingt es den Republikanern, indem sie Sinn für Ästhetik und Verständnis für Typographie vermitteln, sich von der Plumpheit beispielsweise einer Front National zu distanzieren. Anno 2015 als vergleichsweise große Institution eine Verdana im Webauftritt zu verwenden, wie es die FN unter Le Pen praktiziert, zeugt eben auch von Rückwärtsgewandtheit.

Ein Marken-Relaunch ist in der Politik kein Novum. Die FDP setzte Anfang des Jahres ebenfalls gezielt auf den Effekt, den ein Re-Branding erzeugt, um ihren Neuanfang nach außen wie nach innen darzustellen. Und auch die GRÜNEN ließen in jüngster Zeit ihr Corporate Design aufpolieren. Ein Trend sind derlei Maßnahmen keineswegs, sondern vielmehr Ausdruck gängiger Praxis. Denn tagtäglich ändern Unternehmen, Institutionen, Vereine, Städte und Marken ihr Erscheinungsbild, so auch Parteien. Mit einer Besonderheit kann hingegen die Wortmarke des neuen Logos aufwarten.

Wortmarke „les Républicains“

Les Republicains Wortmarke

Es gibt schlimmeres, als wenn bei einem Frühjahrsputz ein Schriftenkonzept bestehend aus Gentona, Gotham und Rotis Semi Serif zutage befördert wird. Aber dass Otl Aicher mit der von ihm geschaffenen umstrittenen Rotis die Wortmarke der französischen Republikaner ermöglicht, muss man schon als bizarr bezeichnen. Ausgerechnet Aicher, der ein in höchstem Maße politischer Mensch gewesen ist und dem jede noch so flüchtige Andeutung von Nationaltümelei zu wider war – ausgerechnet Aicher! Und ausgerechnet die Rotis, die Streitschrift! Charakteristisch für die Rotis Semi Serif sind ihre einseitig zur Linken(!) weisenden Serifen.

Mediengalerie

Dieser Beitrag hat 16 Kommentare

  1. Kluger Schachzug – und der Name nimmt den Rechten auch wieder ein Stück vom Kuchen. Das ist so verkehrt nicht. Die Rotis ist das reine Grauen, ich konnte diese Exalthiertheit noch nie leiden. Aber vielleicht passt sie ja gerade deshalb zu dieser Art Bourgeois, die diese Partei auch wählt. Jetzt haben die Franzosen selbst so viele herausragende Schriftgestalter und Gestaltungsbüros, da fragt man sich schon, warum eine in die Jahre gekommene, deutsche Type verwendet wird.

    1. Bild auf/ab geht auch, aber wegen ~20 Pixel “verschenkter” Breite ein wichtiges UI-Element zu verstecken muss meiner Meinung nach eigentlich nicht sein.

      1. Die Leute die keine Computerspezialisten sind und sich nicht so gut mit dem Internet auskennen, also grob geschätzt 90 Prozent der UMP-Wähler.. Glaubt ihr, die verstehen, dass man da rnterscrollen muss bzw. Pfeiltasten oder geht das an denen vorbei? Meiner Meinung nach ist das absolut benutzerfindlich, es verstehen nur Experten. Vielleicht wird dieses Feature mal überdacht, ich würd es mir wünschen. Es ist nett gemeint aber unktioniert nicht.

  2. Ich verstehe nicht ganz, was der verlängerte rote Balken bezwecken soll. Weder als Achse des “R” noch für das Zitat der französischen Flagge ist er notwendig.

    1. Das habe ich mich auch gefragt.: Warum ist der Strich länger? Wenn man die einfarbige Variante (weiß auf blauer Tasche) sieht, würde ein “normal” langer Strich recht bedeutungslos wirken. So ergibt es eine neue reizvolle Form, von der ich noch nicht weiß, ob sie mir gefällt. Das R sieht ein wenig zugepappt aus. Vielleicht ist dies aber auch noch eine abstrakte Homage an den verworfenen Baum, eine sehr abstrakte.

    2. In meinen Augen steht der rote Balken durch die Verlängerung im Vordergrund, und das R versteckt sich, oder tritt dahinter hervor:

      scnr

  3. Die vereinnahmung des wortes Republik gab es schon mal 1976 bis 2002 im RPR (Rassemblement pour la République) sowie zu den parallel bestehenden Républicains indépendants, die dann zum Parti républicain wurden, der schließlich in der Démocratie libérale aufging. Dann gab es noch die UDF … RPR, UDF und DL haben das UMP gegründet. Das bürgerliche parteienspektrum war in Frankreich vielen umbenennungen, spaltungen und zusammenführungen unterworfen, und das wird wohl nicht das letzte rebranding gewesen sein.

    1. Danke sehr für die Erklärungen zur Parteigeschichte, tbk.
      Und danke auch für den Blick über den Rhein, Achim.

  4. “Nationaltümelei” kann man den Franzosen kaum vorwerfen, sie meinen es ernst. Die Rotis ist grandios gewählt, die Schrift wirkt wie das Wehen der Tricolore selbst. Im Kern zeichnen sich französische Bürger eben durch ihre Revolutionsverbundenheit aus. ;-)
    Der rote Strich hätte meines Erachtens die Länge des “l” haben können, das Logo hat schon genug Dynamik. Anyway, der Relaunch ist Welten besser, als der der FDP.
    Danke für den schönen Beitrag!

  5. Die charakteristische Länge der Balken könnte, wenngleich um 90° gedreht, ein historisches Zitat sein: Charles de Gaulle gründete im 2. Weltkrieg die “Forces françaises libres” und nutzte als Signet ein Patriarchenkreuz (Lateinisches Kreuz mit zwei ungleichen Querarmen oberhalb der Mitte). Dieses Gestaltungselement wurde nach Kriegsende sowohl von de Gaulle für die Partei “Rassemblement du Peuple Français” genutzt, wie – freilich in abgewandelter Form – von Jacques Chirac für den 1976 gegründeten ideologischen Nachfolger “Rassemblement pour la République”. Deren Vorsitzender war 1999: Nicolas Sarkozy.

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