Skip to content

Kaiserslauterns neues Stadtportal soll Modernität ausstrahlen, signalisiert aber das genaue Gegenteil

Kaiserslautern.de ab 09/2014

„Kaiserslautern ist eine Stadt mit technisch moderner Infrastruktur. Auch die Stadtverwaltung zeigt sich deshalb von ihrer modernen und serviceorientierten Seite.“ so die zugehörige Pressmeldung zum vor wenigen Tagen erfolgten Relaunch des Stadtportals. Zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft in diesem Fall eine große Kluft.

Eine „bessere Navigations- und Suchfunktion“ würden die Besucher nun vorfinden, lässt sich Oberbürgermeister Dr. Klaus Weichel zitieren. Tatsächlich sehen sich Nutzer nun mit wenig sprechenden Navigationspunkten wie „KL.Informativ“ konfrontiert, die von üblichen semantischen Konventionen abweichen und dadurch das Zurechtfinden unnötig erschweren. Gerade bei einem Angebot wie einem Stadtportal, bei dem Niedrigschwelligkeit als Ziel gegeben sein sollte, verbieten sich eigentlich derlei verkopfte Wortkonstruktionen.

Da weder Responsivität vorhanden ist, noch eine für Tablets separate Oberfläche vorgehalten wird, fehlt eine Endgerät-spezifische Darstellungsoptimierung, sodass auf Tablets alle Textelemente zu klein erscheinen. Buttons, mit denen Nutzer die Größe des Textes skalieren können, sind eine aussterbende Spezies, die dank moderner Browser und nicht zuletzt dank Responsive Design ihre Daseinsberechtigung verloren haben.

Insbesondere auf dem iPad ist die User Experience ernüchternd. Ohne Zoom-Gesten geht fast nichts. Unterpunkte der Hauptnavigation lassen sich nicht ansteuern, da gleich beim ersten „Touch“ die übergeordnete Seite aufgerufen wird. Hier wurde bei der Entwicklung offensichtlich vergessen, dass Tablets keine Rollover-Aktionen unterstützen, wie sie bei der Nutzung in der Desktop-Umgebung möglich sind. Auf die fehlende Unterstützung von Tablets angesprochen, zeigte man sich bei der Pressestelle verwundert. Man werde diese Info gleich an den Webmaster weitergeben, hieß es.

Während der bisherige Webauftritt zumindest auf Basis des bestehenden Corporate Designs fußte, bleibt nach dem Relaunch auch das einheitliche Erscheinungsbild auf der Strecke. „Look and Feel“ versprühen Spät-90er-Jahre-Flair. Die Attraktivität digitaler Angebote steht und fällt jedoch mit dem Design und hier macht Kaiserslautern.de sogar noch einen Rückschritt. Die Arial ist sicherlich ein toller Screen-Font – Anno 2014 darf man es aber auch gerne mal mit Webfonts versuchen.

Auch im Bereich eGovernment verschläft Kaiserslautern den Anschluss an aktuellen Entwicklungen. „Die meisten Anträge können online ausgefüllt und ausgedruckt oder bereits direkt digital übermittelt werden.“ heißt es in der Pressemeldung. Das ist schlichtweg falsch. Die meisten Formulare werden nämlich ganz klassisch und wenig fortschrittlich als PDF vorgehalten, einige falsch deklarierte Excel-Dateien sind auch mit dabei. Auf den eigenen Rechner geladen und mit einem Kugelschreiber ausgefüllt darf man sie dann als Fax oder Brief auf den Weg bringen. eGovernment 0.1. Wie eGovernment heutzutage wirklich geht, kann man sich am Beispiel Stockholm anschauen, wo tatsächlich die meisten Formulare und Dienste als Onlineanwendung vorgehalten werden.

Als web-affiner Bürger darf man sich in Kaiserslautern eigentlich nur über das neu eingerichtete öffentliche WLAN in der Innenstadt freuen, zumindest 30 Minuten lang. Immerhin hält die Freude daran länger als die am frisch relaunchten, wenig geglückten Stadtportal.

Entwickelt wurde das Projekt ohne Beteiligung von Agenturen hausintern.

Dieser Beitrag hat 37 Kommentare

  1. Und dafür hat sicher ein Haufen Beamter wochenlang die Steuergelder förmlich verschwendet. Hätte man auch sein lassen können.
    Traurig sowas, würde mich als Bürger ja schämen.

  2. Naja, wer weiß wie lange die hausinterne Entwicklung gedauert hat – evtl. war zu Projektbeginn ja alles tatsächlich noch sehr fortschrittlich … ;)

    Mich wundert ja, warum es nicht von staatlicher Seite so etwas wie ein Basistemplate für Gemeinden gibt, welches bereits alle Anforderungen auf plattformübergreifende Barrierefreiheit etc. beinhaltet.
    Am besten noch mit einzeln zuwählbaren Modulen für Formularbaukästen, besondere Einrichtungen etc.
    Dann bräuchte auf längere Sicht nur einmal richtig geplant und gebaut werden und nicht in jeder Gemeinde immer wieder von vorne.
    Die jeweilige Gemeinde wählt dann nur noch ihre Warbwelt und ein paar grafische Besonderheiten und das wars. Wäre sowohl für die Gemeinden, als auch für die Bürger (die ja doch hin und wieder mal in eine andere Stadt ziehen) sehr viel einfacher.
    Schließlich geht es hier hauptsächlich um Bürgerservice – auf den Fremdenverkehrsseiten kann sich die Gemeinde ja weiterhin austoben.
    Natürlich würde das zunächst nur die Basisbedürfnisse abdecken, aber entsprechend aufgebaut und dokumentiert könnten Erweiterungen dann auch individuell erstellt werden. Da dann wiederum so, dass die neuen, individuellen Module auch anderen Gemeinden zugänglich gemacht werden könnten …
    und so weiter … naja, man darf ja noch träumen …

    1. Grundsätzlich eine gute, smarte Idee! Da müsste man doch. Jedesmal das Rad neu erfinden, ist wirklich doof, einverstanden.

      Ein Basis-Template vom Staat für Kommunen, da würde man vermutlich lange darauf warten, bis da von staatlicher Seite was käme … . Der Staat hat seine Budget-Töpfe, die Kommunen haben ihre Budget-Töpfe. Freiwillig dem anderen was geben ohne dass es dazu Gesetzesvorgaben* gibt, uiui … ; -)

      *Straßenbau: da wird mischfinanziert, Bund, Land, Kommune; hängt aber auch von der Art der Straße ab und der Nutzung.

      Das wäre eine Geschäftsidee für Webentwickler. (Gibbet ja auch welche, die sich auf Zahnarzt-Seiten – Zahnärzte sind ja auch manchmal eine mühsame Klientel^^ oder cleverer: ganz auf Online-Medizin-Marketing spezalisiert haben.)

      Befürchte nur, dass Webentwickler für Basis-Portale diese Kundschaft als nicht besonders lukrativ einstufen würden. (Beratungsaufwendig bei geringem Ertrag – Kommunen müssen sparen; zu wenig Masse = zu wenig Gefühl der Kommunen für tatsächlichen Bedarf. Objektiven Bedarf selbst gäbe es, haben wir gerade gesehen^^)

      Aber ich lasse mich gerne Marketing-technisch eines Besseren belehren.

    2. Das mit den Baukästen ist zwar theoretisch eine gute Idee, ließe sich mit den richtigen Ideen auch sehr lean und technisch einwandfrei aufsetzen – aber wie alle guten Ideen, sie funktionieren in der Praxis leider nicht. Da muss man sich nur mal das Desaster mit dem GSB (“Government-Site-Builder”) der Bundesregierung ansehen. Die Anwender sind mehrheitlich unzufrieden, weil die wollen lieber was Individuelles. Die sauteure Technik (es musste ja unbedingt ein Enterprise-CMS sein) auf dem Stand von vor Jahren, optimieren kann man es nicht, weil es ein völlig unübersichtliches Monster geworden ist, das sich seinen Code wahrscheinlich schon selbst schreibt… nein, nein, das will man nicht. Und schon gar nicht im kommunalen Umfeld, die sich untereinander eh alle nicht grün sind, dagegen aber mit maximaler Beratungsresistenz und völlig leergefegten Kassen glänzen. Bei gleichzeitig allerhöchsten Ansprüchen und Personal, das je nach Gutdünken mal von der einen in die andere Abteilung wechselt und schließlich irgendwann in der IT landet. Natürlich ohne jede Ahnung, aber mit irren Ideen, die sie auf irgendwelchen Konferenzen und Anwendertagen der CMS-Hersteller aufschnappen. Die Agenturen, die sich auf kommunale Projekte einlassen sind meiner Ansicht nach komplett wahnsinnig. Ich bin der Meinung, dass jeder genau die Website bekommt, die er verdient. Gut, hier haben wir es mit einem besonders krassen Beispiel zu tun, aber das Leben ist nun mal kein Ponyhof. Und in Kaiserslautern sowieso nicht.

  3. na wenn der “Webmaster” informiert wurde, kann ja nichts mehr schief gehen. Was für ne lausige Seite. Aber hier ist mal wieder das generelle Problem zu sehen: jeder, der weiss, wie ein Seitengenerator schubsen lässt ( hier IMPERIA), nennt sich “Webmaster” und hat auch gleich Ahnung von Grafik, Aufbau und Ästhetik.

    1. so ein “Webmaster” muss ja auch gar kein Ästhet sein. Aber bitteschön mit einem guten Grafiker zusammenarbeiten :-)

  4. Was ist an der Arial verkehrt? Man muss doch nicht auf “fancy Webfonts” umsteigen, nur weil das gerade “in” ist…

    1. … ist ja nur ein Detail von vielen. Die Form der Schrift sagt auch etwas aus – wenn ein spröder Charme gewünscht ist, kann es sehr passend sein die Arial einzusetzen. Städte wollen sich im Idealfall aber nicht unbedingt so präsentieren. Sonderm : J U N G und dyyyynamisch und InTeRessaNt und SCHLAU! und funktionierend und _modern_ und wasweißich…

  5. Rockt jetzt nicht wirklich. Aber ob da eine Agentur wirklich geholfen hätte? Die Agenturen die sich Verwaltungen andienen, Ausschreibungen gewinnen usw. haben sich in der Vergangenheit schon des öfteren auch nicht unbedingt als Optimum erwiesen.

    Hier ist das große Problem halt, dass offensichtlich ein paar Jahre gepennt wurde, und viele Entwicklungen – gerade die Entwicklung bei den Endgeräten in den letzten Jahren ging rasant von statten – ignoriert wurden die den Unterschied zwischen einem Relaunch um des Relaunchs willen und einem Relaunch der die Seite auf den Stand der Technik bringt ausmachen.

    1. Ja, aber waren sie nicht das Optimum, weil sie es nicht draufhaben oder weil sie direkt wieder 1000 schwachsinnige Vorgaben bekommen haben, die von Leuten ohne Sinn für Gestaltung vorgegeben wurden, an die sie sich aber auch gefälligst halten sollen? ;)

  6. Ausgerechnet Kaiserslautern, das sich gerne als aufstrebender Forschungs- und IT-Standort präsentiert, kommt mit so einem Relaunch im Jahre 2014 daher. Ist das deren Ernst?

  7. Offtopic: Kleiner Tippfehler: Press*e*meldung.

    Und geht’s nur mir so, oder ist der Kontrast der Kommentareingabefeld-Konturen etwas zu gering? Auf meinem Consumer-Bildschirm seh ich gar nicht, wo ich reinklicken kann.

Kommentare sind geschlossen.

An den Anfang scrollen