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Evian, die Mogelpackung des Monats, und wie gutes Design am Preismodell scheitern kann

Evian Flaschendesign

Zwei Jahre hat es gedauert, eh das neue, zunächst für den nordamerikanischen Markt produzierte Flaschendesign von Evian auch hierzulande eingeführt wurde. Seit kurzem steht es nun in deutschen Supermärkten. Mit einer schlanken, eleganten und minimalistischen Form wollte man auch auf dem deutschen Markt punkten. Stattdessen droht ein Image-Schaden.

Das haben sich die Produktstrategen beim Konzern Danone Waters, zu dem die französische Wassermarke gehört, sicherlich etwas anders vorgestellt. Ausgerechnet jetzt, da der Name Evian aufgrund der EURO 2016 hierzulande ständig in aller Munde ist – die deutsche Nationalmannschaft hat ihr Quartier in Evian bezogen –, sorgt die neu designte Evian-Flasche für negative Schlagzeilen. In der offiziellen Pressemeldung werden die Vorteile des neuen Flaschendesigns wie folgt hervorgehoben:

Die neue Evian Premium-PET Flasche wurde basierend auf den Grundsätzen von Reinheit, Einfachheit und Schönheit entwickelt. Bewusst wurde auf Rillen oder Furchen verzichtet und dafür eine schlanke und glatte Form gewählt, die die Transparenz von Evian als natürliches Mineralwasser repräsentiert. Die Herkunft von Evian hingegen wird durch den Spiegeleffekt in der Flasche unterstrichen. Dort sind die französischen Alpen zu sehen, durch die jeder Tropfen Evian über 15 Jahre natürlich gefiltert und seit 1826 an der Quelle von Evian-Les-Bains abgefüllt wird. Evian Premium-PET ist ab April in den Formaten 0,5 l sowie 1 l und ab Juli in dem Format 1,25 l exklusiv erhältlich.

Das liest sich soweit ganz nett. Texte wie diese darf man bei einem solchen Package-Redesign von Seiten eines Herstellers erwarten. Im Vergleich zur bisherigen Verpackung wirkt die neue Aufmachung eleganter und wertiger, gerade auch, da auf den rosafarbenen Wirbel im Evian-Logo verzichtet wird. Wobei man sicherlich die nunmehr entstandene doppelte Bergsilhouette in Frage stellen darf, zumal das Flaschenprofil dieses ein drittes Mal abbildet. Seis drum. Denn den bislang entstandenen Image-Schaden kann auch das grundsätzlich ansprechende Design nicht beheben.

Evian Flasche – vorher und nachher

Das neue Flaschendesign von Evian, so die Hamburger Verbraucherzentrale (VZHH), sei eine besonders dreiste Mogelpackung. Statt wie bisher in einer 1,5 Liter-Flasche für 0,89 Euro wird das Mineralwasser jetzt in einer 1,25-Liter-Flasche zum Preis von 1,09 Euro angeboten, was einer Preiserhöhung von knapp 50 Prozent entspricht. Andere Medien wie Welt.de greifen den Beitrag der VZHH auf und berichten ausschließlich negativ über die Marke Evian. Ein veritabler Schaden für die Marke und ein PR-Gau zur Unzeit.

Die Kommunikationsabteilung bei Danone Waters hat offenbar soviel zu tun, dass meine Anfrage bislang unbeantwortet blieb. So konnte ich leider nicht in Erfahrung bringen, welche Agentur für das neue Design verantwortlich zeichnet. Auf Facebook ist die Social-Media-Managerin von Evian bemüht, die Wogen, die auch dort hochschlagen, zu glätten. Vergeblich. Es handele sich nicht um Betrug und natürlich werde niemand hinters Licht geführt, so die verantwortlich Facebook-Moderatorin namens Franziska gegenüber den empörten Nutzern. Denn schließlich sei die geänderte Mengenangabe deutlich auf der Flasche abzulesen. Ein kläglicher Versuch, die kaschierte Preiserhöhung wegmoderieren zu wollen. Dass sich Franziska für die Markenpositionierung und der damit verbundenen Preispolitik der Danone-Waters-Manager entschuldigen wird, damit ist bei einem solchen Spiel nicht zu rechnen. Denn das Spiel heißt in diesem Fall: Neupositionierung als Premium-Marke.

Um als Premium-Marke wahrgenommen zu werden, braucht es mindestens zweierlei: ein hochwertiges Design, das Wertigkeit vermittelt, sowie einen dementsprechenden Preis, mit dem sich die Marke zusätzlich von Billiganbietern und günstigen Handelsmarken absetzt.

Zum Spiel gehört auch, dass Design im Zuge einer solchen Markenstrategie gewissermaßen als Steigbügel für die Preiserhöhung fungiert. Erst die von Designern geschaffene minimalistische Optik ermöglicht eine Positionierung als Premium-Marke. Als Designagentur Einfluss auf die Preispolitik auf Seiten des Auftraggebers nehmen zu wollen, ist illusionär. Dennoch sollten Kreative sich nicht damit herausreden, sie hätten lediglich das Design beigesteuert, den Preis des gestalteten Produktes bestimme schließlich der Auftraggeber.

Dass selbst hervorragendes Design am falschen Preismodell scheitern kann, dafür gibt es viele Beispiele. Das bekannteste dürfte der Apple Macintosh sein, der unter der Hochpreispolitik eines John Sculley kurz davor war, vom Markt zu verschwinden. Auf der anderen Seite kann auch eine zu aggressive Tiefpreisstrategie ins Desaster führen, wie das Beispiel der Baumarktkette Praktiker gezeigt hat. Preisstrategie und Design sind wesentliche Bausteine jeder Markenpositionierung.

Bei Evian ist Design offenkundig Mittel zum Zweck, ein Vorwand, um eine neue Preisstruktur einzuführen. Es ist dies wohlgemerkt ein gestiegener Preis bei einem ansonsten unveränderten Produkt, wie die VZHH treffend bemerkt. Da nützt es wenig, wenn das Design der Evian-Flasche einen Designaward wie den Pentaward erhält, wodurch nur deutlich wird, wie eindimensional Designpreise zuweilen strukturiert sind. Als sei Design nur Ästhetik.

Was bleibt, ist ein fahler Beigeschmack und der Eindruck, schlechtes Design in den Händen zu halten, nicht nur unter ökologischen Gesichtspunkten. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) weist darauf hin, dass Polyethylenterephthalat (PET) gesundheitsschädigendes Acetaldehyd und Antimontrioxid in die Flüssigkeit abgibt. Erwiesenermaßen verändert sich der Geschmack des Wasser, wenn es in PET-Flaschen gelagert wird. Was den Kauf derlei PET-Flaschen anbelangt, dürfen somit alle Konsumenten ihr Kaufverhalten hinterfragen, auch diejenigen, die Mineralwasser von Evian bisher in PET-Flaschen gekauft haben, nun jedoch die Marke aufgrund des Preisanstiegs in den sogenannten sozialen Netzwerken verdammen.

[Update: 10:32 Uhr
Wie mir Seitens Danone Waters soeben mitgeteilt wurde, zeichnet für das Redesign die Agentur Grand Angle (Neuilly-sur-Seine, Frankreich) verantwortlich.]

Dieser Beitrag hat 53 Kommentare

    1. Um Missverständnissen vorzubeugen: Natürlich ist Design immer mit einer Funktion verknüpft. Design dient einem Zweck, beispielsweise der komfortablen Sitzposition, der leichten Bedienung eines Werkzeugs oder dem Auffinden von Informationen. Design ist immer zweckgebunden und niemals Selbstzweck. Der Zweck respektive die Funktion ist es, die Design von der Kunst unterscheidet. “Mittel zum Zweck” meint in diesem Zusammenhang den Eindruck, dass die Gestaltung eher der Inszenierung dient, als dass sie, getragen von einer entsprechenden Unternehmenskultur, die visuelle Entsprechung die Identität wäre.

    1. Sehr sinnbefreit, mit Verlaub. Jeden einzelnen der beiden Sätze könnte man unter jede Diskussion pappen. Jede. Beide auch gen. Passen immer, es wackelt und halt Luft.

  1. Wirklich romantisch hier. Das Etablieren einer Unternehmenskultur dient wie alles andere im Unternehmen dem Erzielen von Gewinnen. In dem Sinne kann ich keinen Unterschied erkennen zwischen der Bedeutung von Design für das IPhone und für das Packaging von Evian (Vgl. Beispiele von Achim weiter oben). Es geht um Kundenbindung und die Erhöhung der Marge.

    1. @ Joachim Tillessen

      Jein.*

      Es gibt einfach nur zweierlei Arten von Auftraggebern, das ist die Realität:

      Die einen betrachten Design als ihrem Marketing untergeordnet. Pastabasta.

      Die anderen – die erfolgreicheren – betrachten Design als Wert an sich, der erst das Produkt auf allen Ebenen erfahrbar macht.

      Diese anderen sind die Erfolgreicheren.

      Die ersten sind jedoch die mehreren. Warum auch immer. Vielleicht weil sie einfach nur dumme** BWL-er im Boot haben und sich keine gescheiten leisten können? (Achtung rhetorische Frage, will da gar keine Antwort …)

      Auf das Siegertreppchen im Sport passen eben auch nur drei.

      Es kann ja auch immer nur wenige Erfolgreiche geben, das ist die Realität.

      Erfolgreich auf dem Markt kann man beispielsweise sein, indem man einen gnadenlosen Verdrängungswettbewerb vom Zaun bricht (wie z.B. Zalando), oder/und indem man den Verbraucher verärmelt. Oder indem man nicht nur ein ordentliches Produkt macht, sondern eins ohne Beschiss in Form, innerer Gestalt und Kommunikation.
      Das die Kunden wirklich lieben jenseits vom kurzlebigen Trend-Geäffel. Wer das Romantik nennt, gern geschehen, jedoch trifft das nicht den Punkt. Es ist nicht Romantik, sondern Haltung. Haltung der Firma.

      Es gibt wenig Firmen, die Haltung haben. Die meisten – mögen sie alle untergehen mit ihren Trickserein, die irgendwann alle aufliegen (Achtung Aufwachen liebe Firmen, Tricksen hält nicht lang, es gibt jetzt das Internet) – begnügen sich mit tolldreistem CSR-Geäffel (Whitewashing) /Greenwashing in ihrer Lügen-PR und mit dem Drangsalieren ihrer house-eigenen oder eingekauften Kreativen.

      **Dumme BWL-er im Sinn von: Leute, die die Erfahrbarkeit eines Produkts auf mehreren Ebenen jenseits geschleckter Eye-Candy-Oberfläche nicht geschnallt haben und die oberflächlich den Designer als Erfüllungsgehilfen für ihre Sales-Ideen betrachten. Und auch sonst schon bereits als Massenabgänger in der Uni von ihren zynischen Professoren darauf getrimmt sind, Kreative grundsätzlich als Deppen zu betrachten und sie über den Tisch zu ziehen.

      Meine Erfahrung war innerhalb 12 Jahren Zusamemnarbeit mit BWL-ern. Von 10 sind 8 dumm. So richtig verhaltensoriginelle, dumme Bratzn, dass es weh tut.

      * Es geht um Kundenbindung und die Erhöhung der Marge.

  2. Mir fällt auf, dass hier in letzter Zeit viel mehr über das drumherum diskutiert wird, als um das Design ansich. Dass Firmen die Preise erhöhen und dies meist verstecken, z.B. durch abgeänderte Füllmengen, ist doch überall gängige Praxis… Wenn es mir auffällt, kann ich mich aufregen und nichts mehr davon kaufen, oder sagen, mir gefällt das Design so gut, dass es mir den höheren Preis wert ist…
    Zudem werden Begriffe auf die Goldwaage gelegt und darum gestritten, wie diese auszulegen sind. Natürlich kann dies jeder für sich anders verstehen. Vielleicht mag der Ein oder Andere einfach nicht mehr nur den englischen Begriff “Designer” für sich verwenden. Was spricht dagegen, sich als “Gestalter” zu bezeichnen? Eine konkrete Wertung, welcher Begriff “höher gestellt” ist, wage ich nicht abzugeben.

    Würde mich freuen, einmal wieder mehr über die handwerklichen und gestalterischen Meinungen und Idee lesen zu können. Dass es dort auch Uneinigkeit gibt ist natürlich klar, jedoch auf designtechnischem Niveau. ;-)

    1. @ Paddy S.
      Den Wunsch kann ich verstehen.

      Jedoch auch ich kann wünschen, was ich will, egal: Die Diskussion und wie sie läuft muss ich respektieren. Wenn sie nur handwerklich verliefe, würde ich mir innerlich dringend wünschen, dass Meta-Aspekte berücksichtigt würden. Verliefe sie nur im Meta-Mode, wäre es mir vielleicht auch nicht Recht.

      Aber wie es kütt, so kütt es.
      Bildet es doch einen Zustand ab, den ich egal wie er ist interessant finde: Jenseits meiner eignenen Wünsche kann ich entdecken, was zur Zeit anderen mehr auf der Zunge brennt – und dazu lernen.

    2. Und was ist denn des Paddys Meinung zum designtechnischen Nivau der Flaschengestaltung?

      (Meine Meinung habe ich längst abgegeben:
      Das neue Design taugt mir genausowenig wie das alte. Was soll diese puritistisch tuende Deko-Wiederholung.)

    3. Mir fällt auf, dass hier in letzter Zeit viel mehr über das drumherum diskutiert wird, als um das Design ansich.

      Was Du als “drumherum” bezeichnest, ist aber doch das viel wesentlichere als die bloße Optik, meinst Du nicht? Ließe man grundsätzliche Fragestellungen außen vor, wäre die Diskussion ziemlich schnell sehr einseitig, eindimensional und praxisfern. Nur über Oberflächen zu sprechen, halte ich für wenig ergiebig.

      Ich kann Moritz nur beipflichten. Manch einer findet Metathemen spannender, andere wiederum, wenn die Gestaltung an sich im Mittelpunkt steht. Praktischerweise kommen im dt beide Aspekte nicht zu kurz. Und was mich besonders freut, ist, dass in beiden Fällen jeweils interessierte Leser die Diskussion bereichern. Kontrovers und dabei fair. Herzlichen Dank an alle, die sich in diesem Sinne einbringen!

      1. @Achim & Moritz: Danke für Euere Reaktionen. Wie mein oben hervorgehobenes Zitat bereits aussagt, war mir in letzter Zeit der ANTEIL an “handwerklichen Diskussionen” im Vergleich zum “drumherum” etwas zu gering. Ich habe nicht gemeint, dass darüber gar nicht gesprochen werden sollte. Ich finde es auch nicht unpassend, vielmehr macht eine ausgewogene Mischung aus Beidem jedes Thema sicherlich spannender.

        Und Moritz, Du hast recht, auch ich habe mich nicht zum Handwerk geäußert. ;-) Ich finde – ungeachtet der Preismasche oder Firmenstrategie – dass die Schrift nun schöner zur Geltung kommt, die Zeichenabstände sind verbessert worden. Rosa Schweif und Hintergrund wurden entfernt, was auch positiv ist. Sieht insgesamt doch hochwertiger aus. Was ich nicht ganz verstehe ist, warum die drei Berggipfel des Logos nochmals mit einer 3D-Variante hinterlegt sein müssen. War es ihnen dann doch wieder zu Flat? – Unterm Strich gefällt es mir aber deutlich besser.
        Kaufen werde ich es dennoch nach-wie-vor nicht. Versuche mich auch von Kunststoffflaschen zu distanzieren und lieber regionales Wasser zu trinken. ;-)

  3. Mir hat ein Kunde mal sinngemäß gesagt:
    “Ich beneide euch Designer manchmal: Ihr habt die Möglichkeit, das große Ganze zu hinterfragen.”

  4. Ich kann Achim’s Standpunkt gut nachvollziehen. Die Tatsache, dass das Design hier als (alleiniger) Preistreiber fungiert, hinterlässt bei mir auch keinen guten Eindruck. Davon mal abgesehen, dass ich das neue Flaschendesign nicht sonderlich gelungen finde, ist bisher fraglich, ob die anvisierte Preisgestaltung gegenüber der Designagentur überhaupt kommuniziert wurde. Ich kenne das Kundenbriefing nicht, daher mache ich der Agentur erstmal keinen Vorwurf.

    Auch für mich geht Design über die reine Gestaltung hinaus. Es kann vieles sein und jeder Designer interpretiert es anders, aber grundsätzlich soll es für den Menschen Relevanz und ein über den Kaufpreis hinaus gehenden Wert haben. Hier darüber zu diskutieren und seine Meinung zu äußern, halte ich für richtig und wichtig, das hat dann auch nichts mit Bashing und dergleichen zu tun. Schön zu sehen, dass sich der neue Beitrag an diese Diskussion hier nahtlos anknüpft.

    Hier gibt es übrigens auch ein paar Gründe, nein zum Kunden zu sagen: Nein zum Kunden

    LG Robert

  5. Ich finde diese Gutmenschen-Diskussion echt interessant!
    Ich könnte mir schon vorstellen, dass es bezüglich der Positionierung der Marke mittels Gestaltung/Design schon eine Beratung durch die Agentur gab. Und die haben alles richtig gemacht. Die neue Flasche wirkt hochwertiger und damit hat das neue Design seinen Zweck erfüllt (auch wenn es keine Glasflasche ist).
    Sicherlich kann und sollte man als Agentur sich seine Auftraggeber anschauen (Stichwort Rüstungsindustrie), aber eine Einmischung in die Preispolitik sollte eine Agentur vermeiden.

  6. Was mich an der Gestaltung tatsächlich stört sind die vielen Berge:
    Im Vordergrund die silbernen drei Bergspitzen,
    dahinter nochmal die selben als naturalistische Darstellung
    und über allem dann nochmal um die ganze Flasche herum als Ausformung der Flasche selbst …
    und alle sitzen irgendwie schief zu einander.
    Abgesehen davon erinnert mich die Flaschenform mit dem Zickzack und der daraus hervor ragenden Wölbung eher an ein halbgeschältes Frühstücksei.

    Die Überarbeitung /Säuberung des Logos finde ich hingegen recht gelungen.
    Sie wird vielen Verbrauchern vermutlich gar nicht auffallen, ist aber einfach etwas harmonischer.

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