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Die Plakate zur Landtagswahl 2016 in Baden-Württemberg

Im Vergleich dazu, wie sich US-Präsidentschaftskandidaten bereits seit Wochen mit markigen Worten gegenseitig zu übertrumpfen hoffen, ist das sogenannte „Streitgespräch“ zwischen Ministerpräsident Winfried Kretschmann und CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf ausgesprochen brav ausgefallen. Ob die Kampagnen der Parteien im Ländle von einer ähnlichen Gelassenheit und Sachlichkeit geprägt sind, soll die nachfolgende Wahlplakatanalyse zeigen.

Am 13. März wird in Baden-Württemberg ein neuer Landtag gewählt. Eine konkrete Wechselstimmung sei knapp sechs Wochen vor der Wahl nicht erkennbar, zu diesem Ergebnis jedenfalls kommt die Forschungsgruppe Wahlen im Rahmen des kürzlich veröffentlichten ZDF-Politbarometers. Die GRÜNEN wollen mit Kretschmann auch zukünftig den Ministerpräsidenten stellen. Die SPD wäre wohl gern weiterhin Juniorpartner. Die CDU möchte zurück in die Regierungsverantwortung. Ob die FDP ihr dabei behilflich sein kann, bezweifeln allerdings aufgrund fehlender Mehrheitsverhältnisse die Demoskopen.

Im dt werden die Plakatkampagnen von GRÜNEN, SPD, CDU, FDP und DIE LINKE vorgestellt, auch die der AfD. Dass die Kampagne der AfD hier thematisiert wird, obwohl sie weder im Bundestag noch im baden-württembergischen Landtag vertreten ist, was das entscheidende Auswahlkriterium für eine solche Betrachtung von Kampagnen ist, ist der in den letzten Tagen geführten Debatte über die Auseinandersetzung mit der „Alternative für Deutschland“ geschuldet, Stichwort Ausschluss von der SWR-Elefantenrunde. Da zudem mehrere Umfrageinstitute in den letzten beiden Wochen für die AfD zweistellige Werte ermittelt haben, halte ich es für wichtig, die Kampagne der AfD hier zum Thema zu machen, auch um aus der Perspektive des Kommunikationsdesigns heraus zu eruieren, ob beziehungsweise in wie weit sich die rechtsextremen Aussagen einiger AfD-Mitglieder wie etwa Björn Höcke in der Plakatkampagne wiederfinden. Design, das sollte klar sein, kann in solch einem Kontext nie unpolitisch sein. Insofern ist es sinnvoll, sich als Gestalter der damit verbundenen Verantwortung zu vergegenwärtigen.

Bevor wir in uns im Detail mit den Kampagnen der Parteien beschäftigen, noch zwei Hinweise: Die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) hat die Veröffentlichung des Wahl-O-Mat für die Landtagswahl in Baden-Württemberg 2016 für den Zeitraum 16. bis 19. Februar angekündigt. Hier bietet sich die Möglichkeit, die unter anderem über die Wahlwerbung kommunizierten Standpunkte der unterschiedlichen Parteien miteinander zu vergleichen wie auch mit der eigenen Meinung abzugleichen. Zeitgleich finden auch in Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt Landtagswahlen statt. Aus zeitlichen Gründen werden diese Kampagnen im dt nicht gesondert vorgestellt. Nichtsdestotrotz können dt-Leser entsprechende Plakate gegebenenfalls als Kommentar einbinden, um diese mit in die Diskussion einfließen zu lassen, so es denn sinnvoll erscheint.

Schnelleinstieg:

Bündnis 90/Die Grünen

Plakat zur Landtagswahl in Baden-Württemberg 2016 Bündnis90/Grüne – Winfried Kretschmann

Winfried Kretschmann erfüllt nicht gerade das Bild des typischen GRÜNEN-Politikers: katholisch, wertkonservativ und heimatverbunden, sehen viele Menschen in ihm einen gefühlten CDU-Ministerpräsidenten. Ebenso untypisch ist die Wahlplakatkampagne, mit der die GRÜNEN bei dieser Landtagswahl auf Stimmenfang geht. Dafür gibt es mehrere Gründe. Zunächst einmal gilt: je stärker ein Wahlkampf auf eine Person zugeschnitten ist, desto eigenständiger ist auch die Gestaltung der Plakate, desto stärker weicht diese vom Corporate Design der jeweiligen Partei ab. Umfragen belegen, dass der Zuspruch für den ersten grünen Landesvater während seiner Amtszeit sogar noch größer geworden ist. Dessen Popularität spiegelt sich auch in der Kampagne wieder, die ganz auf ihn zugeschnitten ist, auch in Bezug auf die Gestaltung der Plakate.

Das für GRÜNEN-Plakate typisch Bunte, Illustrative, zuweilen Schrille fehlt hier gänzlich. Stilistische Mittel wie Scherenschnitt, Airbrush oder Collage-Techniken, wie sie bei den GRÜNEN sonst gerne zur Anwendung kommen, wären in diesem Fall unpassend. Anders als bei der Landtagswahl 2011 geht es den GRÜNEN nicht mehr um den Politikwechsel, sondern um den Erhalt der Macht, um das Bewahren der Regierungsgewalt. Dementsprechend gesetzt und farblich gedeckt sind die Plakatmotive, nicht nur die, auf denen Kretschmann zu sehen ist. Der Souverän gekonnt in Szene gesetzt – mal nach links, mal nach rechts und mal in die Kamera schauend. Die Botschaft: ich habe alles im Blick! Ebenfalls Ausdruck hoheitlicher Macht ist die Verwendung des dem Landeswappen entnommenen Löwen, der, rechtsseitig platziert, neben dem Parteilogo das einzige grafische Element innerhalb der Plakatserie ist. Einziger Bezug zu dem im Mai 2015 eingeführte Corporate Design der GRÜNEN ist die Slab-Serife Arvo Green, die in normal und fett zum Einsatz kommt.

Von der ehemals kleinen Protestpartei ist, bezogen auf die Gestaltung der Plakate, rein gar nichts mehr geblieben. Aus der Regierungsverantwortung leitet sich ein Design ab, das, anders als etwa bei der FDP, jegliche schrille Töne vermeidet. Auf Realpolitik folgt Realdesign, könnte man sagen. Aufgrund der Verwendung durchweg gedeckter, erdiger Farbtöne fehlt den Motiven die Frische früherer Kampagnen. Auch der Umstand, dass fast alle abgelichteten Personen nicht in die Kamera schauen, trägt dazu bei, dass die Plakate vergleichsweise nüchtern wirken. Der emotionale Funke will so recht nicht überspringen.

Für die Kampagne verantwortlich ist die Agentur wigwam.

SPD

SPD Nils Schmid – Plakat zur Landtagswahl in Baden-Württemberg 2016

„15 Prozent in den Umfragen sind einfach scheiße“, so entfuhr es der stellvertretenden Landesvorsitzende Leni Breymaier auf dem Landesparteitag der SPD in Stuttgart. Seit September 2015 liegt die SPD in Umfragen unterhalb der 20-Prozentmarke. Nils Schmid, SPD-Landeschef und Landesminister für Finanzen und Wirtschaft, appellierte in seiner Rede an den Kampfgeist. Die Sozialdemokratie in Baden-Württemberg werde sich nicht einfach vom Hof jagen lassen. Dass eine Regierungspartei sich derart kämpferisch zeigt, unterstreicht die Bedeutung, die die Wahl für die SPD hat.

Von derlei kämpferischen Ansagen ist innerhalb der Plakatkampagne allerdings nichts zu sehen. Mit einer cross-medialen Wahlkampagne möchte die SPD unter dem Motto „Baden-Württemberg leben“ nicht nur Standpunkte verkünden, sondern auch Bürger zum Mitmachen animieren. Selbstredend sind alle auf der Kampagne-Website bw-leben.de veröffentlichen Beiträge selektiert – ein moderierter, gefilterter, der eigenen Sache dienlicher „Content“, der in diesem Webmagazin-Format von der Idee echter Partizipation weit entfernt ist. Immerhin – eine Wahlkampagne nicht nur in Papier gedacht, sondern auch digital.

„LEBEN“ ist die zentrale, ja einzige Textaussage auf den Großflächenplakaten. Eine solche Reduzierung auf nur wenige Buchstaben/Wörter wird vom politischen Gegner gerne als mutmaßlich inhaltsleer auf die Hörner genommen. Dazu sollte man wissen: um in die Köpfe der Menschen zu kommen, ist eine Reduzierung auf das Wesentliche unerlässlich. Plakate müssen keine Standpunkte erklären. Ein Wahlplakat ist vielmehr als visueller Weckruf zu verstehen, der verkündet: Wir treten an! Ein Wahlplakat ist zudem Branding, mit dem man Gesicht zeigt: Das sind wir! Zudem ist ein Wahlplakat eine Einladung, sich mit den Standpunkten einer Partei näher zu beschäftigen. Mehr denn je ist es heutzutage wichtig, im Leitmedium Internet für politische Standpunkte zu werben, nicht nur auf antiquiert wirkenden Papierplakaten. Erst dann taugt die auf diese Weise demonstrierte Medienkompetenz als Argument.

In Bezug auf den cross-medialen Ansatz sticht die SPD mit ihrem Konzept hervor. Neben den Großflächenplakaten zeichnen sich auch die hochformatigen Themenplakate durch ein reduziertes Kommunikationsdesign aus. „Vieles ist Luxus. Wohnen nicht.“ ist mit nur fünf Wörtern auf den hier vorgestellten Plakaten gar der längste Wahlspruch. Ähnlich wie beim aktuellen Koalitionspartner setzt auch die SPD auf die Verwendung des Löwen, um sowohl Heimatverbundenheit wie auch Machtanspruch zu signalisieren. Innerhalb der gezeigten Fotografien werden die in Wahlwerbung üblichen Profile abgebildet, um möglichst viele Wähler anzusprechen: Frauen, Männer, Senioren, junge Erwachsene, Menschen mit Migrationshintergrund, Familien und Kinder. Immer wieder interessant zu sehen, wie sich Parteien einen solchen Querschnitt der Gesellschaft vorstellen. Bei der SPD stehen Kinder offenkundig im Mittelpunkt – auf drei der vier Motiven sind sie abgebildet. Hingegen nur im Hintergrund zu sehen ist auf einem der Großflächenplakate der SPD-Landeschef, was metaphorisch betrachtet nicht zwangsläufig negativ ausgelegt werden muss, da bekanntermaßen im Hintergrund die Strippen gezogen werden. Insgesamt präsentiert sich die aktuelle Kampagne der SPD visuell ansprechender und zudem prägnanter als, womit sie bei der Landtagswahl 2011 auf Stimmenfang ging.

Verantwortliche Agentur für die Kampagne der SPD BW ist die Agentur NWMD (nwmd.de).

CDU

Landtagswahl Baden-Württemberg 2016 – Großflächenplakat CDU

Der Kanzlerin versprach Guido Wolf jüngst auf dem CDU-Parteitag in Karlsruhe, Baden-Württemberg zum „Wolfserwartungsland“ zu machen, was immer das auch sein soll. Umfragen zufolge ist von dem CDU-Spitzenkandidaten wenig zu erwarten, sehen diese doch, und das hat die CDU mit der SPD gemein, den niedrigsten Wert, der jemals im Vorfeld einer Landtagswahl in Baden-Württemberg für die Partei ermittelt worden ist. 34 Prozent – was für die SPD einem Triumph gleich käme, wäre für die CDU in Baden-Württemberg, das traditionell als CDU-Land gilt, nach dem Verlust der Regierungsgewalt 2011 ein weiterer Dämpfer.

In einer Direktwahl bekäme der Herausforderer Wolf, der von 2011 bis 2015 die Position des baden-württembergischen Landtagspräsidenten innehatte, 40 Prozentpunkte weniger als Kretschmann; diesen wünschen sich 57 Prozent der Befragten als Ministerpräsidenten. Die Zahlen verdeutlichen, vor welch großer Herausforderung die CDU steht. Umso überzeugender müssten Wahlwerbung und Plakatkampagne sein, mit der die CDU den Wahlkampf bestreitet. Gestalterisch ist davon jedoch nichts zu sehen.

Anders als beispielsweise die GRÜNEN hält man sich bei der CDU streng an die im Corporate Design definierten Vorgaben: Die Hausschrift CDU-Skopex auf Standard-Hintergrund gesetzt sind ebenso CD-konform wie die Position des Logos. Alles akkurat, alles brav. In ähnlicher Form hat man das schon x-fach gesehen. Eine eigene Handschrift ist nicht zu erkennen. Fotos kommen in freigestellter Form zum Einsatz, was Motiven eine Art Mashup-Ästhetik verleiht, wie man sie in selbstgebastelten Grafiken von Twitter- und Facebook-Nutzern findet. Der so generierte „copy and paste“-Look des Autobahn-Teppich-Motivs lässt den CDU-Spitzenkandidaten unfreiwillig komisch wirken. „Lust auf Zukunft“, so das Motto der CDU BW, verbreiten die Motive jedenfalls nicht.

Sehr gut gelöst ist hingegen der Brückenschlag hinüber zu den digitalen Medien, der mittels QR-Code geschieht. Hier wird auf dem Smartphone nach Scannen des Codes nicht nur, wie leider so oft , lediglich die Startseite aufgerufen, sondern es folgt die Vorstellung des jeweiligen Themenschwerpunkts als YouTube-Video. Ein Format, mit dem sich junge Wählergruppen heutzutage leichter, schneller und gezielter adressieren lassen als via TV-Spot und Plakat. Davon abgesehen darf man die CDU-Kampagne als solide und ausgesprochen konventionell bezeichnen.

Die für die Kampagne verantwortliche Agentur ist Panama.

Dieser Beitrag hat 52 Kommentare

  1. all die etablierten hängen nur an ihren Pfründen, diese verantwortungslose, realitätferne Politik, wird bald gigantische chaos mit sich bringen, bürger geht zur Wahl, und zeigt ihnen die rote karte.

  2. Die Plakate sind größtenteils inhaltsleer und langweilig. Schlagworte, die jedes Jahr einfach so benutzt werden, sind vollkommen überflüssig. Die Grünen zeigen ihren Star, was bei den Umfragewerte verständlich ist. Die AFD versteht es als einzige Partei, die aktuellen Probleme darzustellen. Dies wird emotionalisierend wirken, so dass Zweifler dann – trotz Dauerbashing – diese Partei wählen. Und blau ist für viele die Farbe der Hoffnung.

    Wozu Plakate, wenn eine heile Welt suggeriert wird ? Die Menschen sind beunruhigt und sind offen bereit für eine klare Kante !

Kommentare sind geschlossen.

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