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Die Plakate zur Bundestagswahl 2017

Bundestagswahl 2017 Wahlplakatkampagnen

Bundestagswahl 2017 Wahlplakatkampagnen

Nirgends wird so viel gelogen wie vor einer Wahl, sagt der Volksmund. Die Erfahrungen rund um den Brexit und US-Präsident Donald Trump scheinen ihm recht zu geben. Tatsächlich wurden in beiden Fällen mittlerweile zentrale Versprechen der Wahlsieger von der Realität einkassiert. Wasser auf die Mühlen der Politikverdrossenen. Und wie viel Realität steckt in den Wahlplakatkampagnen zur Bundestagswahl?

Sieben Wochen vor der Bundestagswahl hängen mittlerweile in allen Städten in Deutschland die Plakate an den Laternen und auf Stellwänden. Die „heiße Phase des Wahlkampfs“ hat sich in den letzten Jahren, wohl auch unter dem Einfluss vergangener US-Präsidentschaftswahlen, von wenigen Wochen auf mehrere Monate ausgedehnt. Fristen, die von Städten und Gemeinden in Bezug auf die Plakatierung gesetzt werden – üblich sind Zeiträume von 6 bis 8 Wochen –, werden immer häufiger von Parteien verletzt. Würden viele Politiker die Bedeutung des Digitalen erkennen, müsste ihnen ein Licht aufgehen, wie absurd der damit verbundene Kampf um den besten Standort für ein Plakat ist.

Immer größer wird der Aufwand, den Parteien in Sachen Wahlwerbung betreiben, was die Vermutung nahe legt, diese beeinflusse den Ausgang von Wahlen immer stärker. Das Gegenteil dürfte näher an der Wahrheit liegen, was im Umkehrschluss eine Bewertung von Wahlplakaten im Grunde überflüssig erscheinen lässt. Was sie dennoch interessant macht, ist neben ihrer Bedeutung als zeitgeschichtliches Dokument, das gesellschaftliche Themen abbildet vor allem der Umstand, dass Plakate über ihre visuelle Sprache Botschaften vermitteln, die über die reine Textaussage hinausgehen. Zwischen Textaussage und der visuellen Umsetzung knirscht es nämlich mitunter gewaltig. So bleibt vom selbsternannten Innovationsführer zuweilen nur mehr ein Bestandsverwalter. Wenn schon nicht eine Lüge, dafür eine Text-Bild-Schere, wie es im Fachjargon heißt.

Versprechen, die nicht eingehalten werden, gab es in der Werbung wie auch der Politik schon immer, nicht erst im sogenannten postfaktischen Zeitalter. „Täuschung, Lüge, Beschönigung oder Aufbauschung waren immer schon Mittel in der Hand der Mächtigen – mitunter übrigens auch der Ohnmächtigen“, wie es treffend in einer aktuellen Veranstaltungsankündigung der hFMA heißt. Dass Menschen es nicht (ausschließlich) auf den Inhalt ankommt, davon zeugen irrwitzige Produkte wie überteuerte Kaffeekapseln, halb leere Chipstüten oder Fertiggerichte, die über die Verpackung nur unzureichend beschreiben, welch breiige Masse sich darunter verbirgt. Wenn es für uns von Vorteil ist, wenn wir einen Nutzen erkennen, beispielsweise die schnelle Zubereitung, lassen wir uns allzu gerne verführen, um nicht zu sagen hinters Licht führen. Auszeit für unsere Vernunft.

Schauen wir uns also an, mit welchen Mitteln die Parteien die Menschen überzeugen möchten und, was entscheidend(er) ist, ob es den Parteien im Rahmen ihrer Kampagnen gelingt, die Menschen emotional anzusprechen. Wie wir wissen: Emotion schlägt Ratio. Je näher die Werbeaussage der Plakate am eigenen emotionalen Bedarf oder Bedürfnis liegt, desto größer ist die Chance, den Betrachter im Sinne des Kampagnenabsenders aktivieren zu können. Nachfolgend werden die Plakatkampagnen aller derzeit im Deutschen Bundestag sowie in Landesparlamenten vertretenen Parteien (die bundesweit antreten) vorgestellt: es sind dies CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, FDP und AfD.

Vorab von meiner Seite der Aufruf: Am 24. September 2017 wird der neue Bundestag gewählt. Mach Dich schlau! Nutze den Wahl-o-Mat (ab 30. August verfügbar). Und gib Deine Stimme ab!

Schnelleinstieg:

CDU

Bundestagswahl 2017 Plakat CDU

Bereits im Juni, und damit lange vor allen anderen Parteien, hatte die CDU die Kampagnen-Werbelinie präsentiert. Drei Monate vor dem Wahltermin. „Plakate gehören immer noch zu den wichtigsten Bausteinen eines Wahlkampfes“, wie CDU-Generalsekretär Peter Tauber im Rahmen der Vorstellung erklärte. Im Wahlkampf sagt man so etwas, wohl wissend, dass die Bespielung der digitalen Kanäle einschließlich sozialer Netzwerke mit Bannern, Tweets und Videos heutzutage auf einer ganz anderen Bedeutungsstufe steht als etwa noch 2005, als es Twitter noch nicht gab und Facebook ein hierzulande unbekanntes Studentenportal an der Harvard University gewesen ist. Es sind halt weniger die Wähler, die mit einer solchen Kampagnenpräsentation adressiert werden, als vielmehr die Parteikollegen vor Ort, die die Plakate aufhängen dürfen. Ein „Los gehts, jetzt bitte alle anpacken“-Aufruf also.

In Nationalfarben angelegte, halbtransparente Bahnen/Balken erstrecken sich diagonal über die gesamte Fläche. Auf diese Weise entsteht ein Spannungsfeld, das Dynamik erzeugt und die Motive lebendig wirken lässt. Auch Kanzlerin Angela Merkel „profitiert“ von der Gestaltung, lässt diese sie gleichfalls dynamisch und trotz statischer Pose aktiv erscheinen. Was die Gestaltung auszeichnet, geht den Texten gänzlich ab. Aussagen wie „Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben.“ oder „Für mehr Respekt vor Familien“ sind einfach nur bräsig. In der Gestaltung stilsicher und gekonnt – bei den Textbotschaften schlafen einem allerdings die Füße ein. Hier haben sich wohl die konservativsten aller Vorschläge durchgesetzt.

Die Kampagne der CDU entstand in Zusammenarbeit mit der Agentur Jung von Matt.

Update 07.08.2017, 23:00 Uhr: Die Galerie wurde um drei Großflächenplakate erweitert, die die CDU heute vorgestellt hat.

SPD

Bundestagswahl 2017 Plakat SPD, Martin Schulz

Die SPD will in den nächsten Wochen mit den Themen Familie, Bildung, Rente, Arbeit und Innovation punkten. Von der anfänglichen Euphorie, als Martin Schulz Anfang des Jahres zum Spitzenkandidaten gekürt wurde, ist schon länger nicht mehr viel übrig. Lag die SPD Ende Februar 2017 in Umfragen noch gleichauf mit der CDU bei rund 30 %, sehen sie aktuelle Befragungen bei nunmehr 22 % bis 25 % und damit bis zu 15 Punkte hinter der CDU. Es zähle der Sprint am Ende, wie SPD-Generalsekretär Hubertus Heil anlässlich der Vorstellung der Kampagne vor wenigen Tagen sagte, um sich und den eigenen Mitgliedern Mut zu machen.

Zur Gestaltung: Dass die SPD bis 2011 einmal einen Würfel als Logo genutzt hat, darf man als Modeerscheinung bewerten. In der Kampagne zur Bundestagswahl 2017 ist mehr Quadrat denn je. Textbotschaften werden, die quadratische Form des SPD-Logos aufnehmend, in einer roten Fläche platziert. „Bildung darf nichts kosten. Außer etwas Anstrengung.“ steht beispielsweise in einem solchen roten Quadrat. Eigentlich ein cleverer Zug: das Logo als Metapher für den politischen Inhalt. Als die SPD noch Purpur als Hausfarbe samt Verläufen nutzte, wirkte ein solches Konzept wie es bereits im Zuge der 2013er-Kampagne Anwendung fand, weniger starr. So jedoch sind die Motive, trotz professionellen Fotos mit sympathisch wirkenden Menschen und smarten Texten, doch eher statisch.

Die Kampagne entstand in Zusammenarbeit mit der Agentur KNSK (Hamburg).

Bündnis 90/Die Grünen

Bundestagswahl 2017 Plakat Bündnis 90/Die Grünen

Die Grünen freuen sich auf den Kampf um Platz drei, wie Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt im Rahmen der Kampagnenvorstellung in Berlin Ende Juli die versammelten Pressevertreter wissen ließ. Tatsächlich liegen Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE, AfD und FDP in aktuellen Umfragen jeweils bei 7-9 % und damit gleichauf.

Ihre Angriffslust bewiesen die Grünen zuletzt in mehreren Tweets, mit denen die Kampagnen des politischen Gegners – wohlwollend formuliert – auf den Arm genommen wurden. Für Christian Lindner von der FDP war das Verbreiten gefälschter FDP-Kampagnenmotive, initiiert von der Bundesgeschäftsstelle der Grünen, hingegen kein Spaß, sondern ein Foul, das der Selbstverpflichtung zur fairen Wahlkampfführung widerspreche. Auch die CDU war vor einer Guerilla-Aktion der Grünen nicht gefeit.

Anders als man es traditionell von den Grünen kennt, sind die Plakate zur Bundestagswahl vergleichsweise textlastig. Ein grüner Hintergrund plus ein freigestelltes, in Magenta getauchtes und mittig zentriertes Foto-Objekt, das zum jeweiligen Thema passt. Darüber in der Hausschrift Arvo Green gesetzte Wahlsprüche, die den Großteil der Plakatfläche in Anspruch nehmen. „Zukunft kann man wollen. Oder machen.“ liest man da beispielsweise. Die fetten Großbuchstaben der Slab-Serife erschweren die schnelle Erfassbarkeit. Eigentlich möchte man den Text gar nicht lesen. TEXTE IN VERSALSCHREIBUNG LASSEN SICH NUNEINMAL SCHLECHTER LESEN als Texte in gemischter Groß- und Kleinschreibung und Kleinschreibung, wie das im Mai im dt vorgestellt Projekt leserlich.info eindrücklich aufzeigt. Abgesehen von diesem typographischen Defizit jedoch wieder eine sehr eigenständige visuelle Bildsprache, die mit dieser Kampagne entwickelt wurde.

Die Kampagne von Bündnis 90/Die Grünen enstand in Kooperation mit der Agentur ZBA (Ziemlich Beste Antworten). ZBA ist, wie mir auf Anfrage mitgeteilt wurde, eine auf die Bedürfnisse des Bundestagswahlkampfes maßgeschneiderte Neugründung von grün-nahen Kommunikationsprofis, die ausschließlich für dieses Projekt existiert.

Dieser Beitrag hat 83 Kommentare

  1. Warum befinden sich die Wahlplakateanalysen jetzt hinter einer Bezahlschranke? Das war doch vorher nicht so

Kommentare sind geschlossen.

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