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Die Plakate zur Bundestagswahl 2013 – Teil 2

Nachdem Teil 1 der Wahlplakatbesprechung bereits Ende Juli veröffentlicht wurde, folgt heute nun der zweite Teil mit den Plakaten der SPD, der CDU und der FDP. Viel wurde bereits vor allem über die SPD-Plakate mit Angela Merkel als „Testimonial“ geschrieben, also keine lange Vorrede. Ich werde versuchen, die Dinge aus der Perspektive der visuellen Kommunikation heraus zu sortieren. Für reichlich Gesprächsstoff ist gesorgt.

SPD

SPD Wahlplakat Bundestagswahl 2013

„Wir wollen den modernsten Wahlkampf aller Parteien in Deutschland machen“, so formulierte Generalsekretärin Andrea Nahles anlässlich der Vorstellung der Plakate in Berlin die an die Kampagne gerichteten Ziele. Offenbar ist die SPD-Spitze der Ansicht, Negative campaigning sei Ausdruck einer modernen Gesellschaft, und so schießt sich die SPD in drei Motiven der Bundestagswahlkampagne auf den politischen (Haupt)Gegner ein.

Kanzlerkandidat Peer Steinbrück möchte Angela Merkel mit Hilfe der Plakate „vorführen“, wie er im Rahmen der Presseveranstaltung die anwesenden Gäste unumwunden wissen ließ (siehe Video). Auch wenn es den Anschein erweckt, die Bemerkung sei Steinbrück (wieder einmal) nur rausgerutscht, erlaubt sie einen Einblick in die strategischen Überlegungen seitens der SPD-Kampagnenplaner. Steinbrück gibt vor, sich „auf Augenhöhe mit den Wählerinnen und Wählern bewegen“ zu wollen, gleichzeitig betreibt er mit seiner Partei „Bashing“. Das passt nicht zusammen. Dass Schlamm werfen alles andere als eine von den Menschen gern gesehene Wahlkampfdisziplin ist, sollte sich in Kreisen der Strategen eigentlich herumgesprochen haben.

Schon einmal wagte sich die SPD in den Bereich Negative campaigning vor, als sie mit angriffslustigen Plakatmotiven zur Europawahl 2009 den politischen Gegner aufs Korn nahm. Selbst bei Kreativen kam die in gestalterisch anspruchsvollen Illustrationen verpackte Provokation seinerzeit nicht sonderlich gut an. Wer sich einzig darauf konzentriert, Anderen Defizite und Versäumnisse zu unterstellen, muss sich immer den Vorwurf gefallen lassen, kein eigenes Thema zu haben. Während die genannte Europawahlkampagne noch von ihrer bissig-humorigen Diktion getragen wurde, wirkt der erneute Angriff doch eher zahnlos, einfallslos und bemüht. Ersten Umfragen in der Tagespresse zur Folge kommen die SPD-Merkel-Plakate bei den Bürgern nicht gut an, wenn die Bürger denn die Plakate als von der SPD stammend richtig deuten, was keinesfalls gesichert ist!

(Wahl)Plakate sollten keine Rätsel aufgeben, sondern möglichst schnell und unmissverständlich auf den Punkt kommen, woran die Merkel-Motive jedoch scheitern. Was hat das SPD-Logo neben Merkel verloren? So werden sich wohl viele Betrachter fragen und nach 3 Sekunden wieder den Blick abwenden. Rechtfertigen lässt sich die Merkel-Serie lediglich in der Medienwirksamkeit des Themas, denn natürlich nahmen zahlreiche Medienhäuser und Verlage die mutmaßliche Kanzlerin-Verhöhnung dankbar auf. Vermutlich wird keines der Merkel-Motive den 22. September von der Straßenlaterne hängend erleben, sondern bereits in wenigen Wochen im Zuge einer zweiten Welle ausgetauscht werden, wenn sie nicht bis dahin eh schon allesamt aufgeweicht und abgefallen sind.

Rein gestalterisch wissen die WIR-Motive, mit denen man gerade auch die traditionelle Anhängerschaft ansprechen möchte, zu gefallen. Purpurrot im Quadrat. Seit geraumer Zeit hat die Farbe Purpurrot das Signalrot bei der SPD als Hausfarbe abgelöst. Die Anzahl der auf jedem Plakat dargestellten Elemente ist denkbar gering. Parteilogo + Kampagnenmotto + politischer Leitspruch z.B. „Für bezahlbare Mieten“. Besser gehts nicht. Fotos und Gestaltungselemente sind gezielt auf einander abgestimmt. Als Fotograf wurde in diesem Fall Bodo Vitus (bodovitus.de)beauftragt. Insgesamt eine ansprechende Gestaltung der Plakate, die zudem in Sachen Wahrnehmung und Erfassbarkeit der „Werbebotschaft“ punkten dürften.

Bewusst wurde bei den Themenplakaten keine Models verpflichtet, sondern Menschen in ihrem realen Umfeld abgelichtet. Auf den Plakaten dargestellt werden soll, „was die Menschen bewegt“, so Nahles. Die Themenauswahl sei das Ergebnis des Dialoges mit den Bürgern. Was den Grünen ihr „UND DU?“ ist der SPD ihr „WIR“. „DAS WIR ENTSCHEIDET“, so das Kampagnenmotto, das wie eine Fortsetzung des Slogans „Das Wir gewinnt“ der „Aktion Mensch“ klingt. Letzterer Spruch ist unter der Registernummer: 30316454 markenrechtlich geschützt, und so verbat sich die Verwendung. Es hätte so schön gepasst.

In besagter zweiter Welle wird man später auch Steinbrück verstärkt als Motiv sehen. Man darf gespannt sein. Neben der Plakatkampagne setzt die SPD auf den Tür-zu-Tür-Wahlkampf als Wahlkampfinstrument, sowie auf das Internet. Sichtlich stolz bemerkte Nahles, die Facebook-Fanpage der SPD sei die „meist-gelikete“ aller deutschen Parteien, worin sie allerdings irrt, denn die AfD, die Alternative für Deutschland, verfügt über ein paar Hundert „Likes“ mehr. Aber egal. Noch wird nicht auf Facebook, sondern in Wahlkabinen gewählt.

Verantwortlich für die Gestaltung der SPD-Plakate zeichnet die Agentur Super J+K aus Berlin.

Fazit

Ein schmaler Grat, auf dem die SPD wandert – einerseits möchte sie, indem sie sich auf den politischen Gegner einschießt, ihre Angriffslust unter Beweis stellen, gleichzeitig bemüht sie sich um Bodenhaftung, wie sie innerhalb der WIR-Kampagnenmotive zum Ausdruck kommt. Ohne Merkel-Bashing wäre die Kampagne fraglos sympathischer.

Alle Plakate der SPD finden sich unter:
https://www.spd.de/wahl2013/105376/plakatmotive.html

CDU

CDU Wahlplakat Bundestagswahl 2013

Als hätten es die Kampagnenplaner geahnt, dass die SPD Angela Merkel so in den Mittelpunkt ihrer Auftaktkampagne rückt, verzichtet die CDU darauf, die Kanzlerin auf Großflächenplakaten abzubilden, zumindest vorerst. Die hier gezeigten Motive gehören zur ersten von insgesamt drei Plakatserien. Glaubt man den Umfragen, erreicht kein Spitzenpolitiker hierzulande bessere Noten. Wozu Merkel also noch auf Plakaten zeigen? Könnte man sich gedacht haben. Und so zeigt die CDU auf ihren Plakaten lieber unbekannte Protagonisten, die exemplarische Lebenswelten (Familie, Arbeit) abbilden sollen.

„Fröhliche Menschen“, wie sie CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe auf den Plakaten der SPD vermisst und sogleich dem politischen Gegner unterstellt, ein „Jammertal“ abbilden zu wollen, findet man auf den Plakaten der Christdemokraten zur Genüge. Tatsächlich lacht oder lächelt jede einzelne auf den CDU-Plakaten abgelichtete Person. Die CDU lobt die Spaßgesellschaft aus. Friede, Freude, Eierkuchen.

Bei den auf den Plakaten abgebildeten Menschen handelt es sich um Models, die für dieses Foto-Shooting zum Paar, zur Familie, zu Kollegen und zu Oma und Enkelin von den kreativen Profis zusammengestellt wurden. Eine Inszenierung. Verwerflich ist dies keineswegs, aber doch unterscheidet sich die Kampagne der CDU in diesem Punkt signifikant etwa von der der SPD, in der keine Models, sondern Menschen in ihrem realen Umfeld zu sehen sind.

Im Vergleich zu den CDU-Plakaten aus dem letzten Bundestagswahlkampf gibt es eine auffällige Verschiebung in Richtung der Farbe Orange. „CDU-Orange“ ist im CD-Manual fest verankert, Blau sorgt für Vertrauen und darf nicht fehlen, Grün verleiht den Motiven in diesem Jahr den gewünschten ökologischen Touch. „Wunderschöne Farben“ wie es Gröhe während der Vorstellung der Plakate formuliert, als sei willkürlich jedes der Plakate in den Farben-Vierklang Orange-Blau-Beige-Grün getaucht und als trüge rein zufällig jeweils eine Person einen blauen Pullover.

Abgerundete Störer, die ähnlich wie Sprechblasen funktionieren, beinhalten den jeweiligen politischen Leitspruch. „Jede Familie ist anders. Und uns besonders wichtig.“ heißt es da etwa. Fragwürdig ist bei jedem Leitspruch die Interpunktion. Warum werden Haupt- und Nebensatz mit einem Punkt getrennt? Eher unharmonisch wirkt zudem das Zusammenspiel aus Typographie, Abrundung und eckigem Parteilogo, das sich jeweils am rechten Bildrand befindet. Die CDU ist (bislang) die einzige der hier im dt vorgestellten Parteien, die im Zuge des Bundestagswahlkampf die Nationalfarben auf ihren Plakaten abbildet.

Erstmals kommt die Anfang des Jahres vorgestellte, neue Werbelinie (PDF) zum Einsatz, die unter anderem auch den Verzicht auf die CDU-Helvetica innerhalb von Überschriften vorsieht. Gestalterisch anspruchsvoller werden die Plakate mit der neuen, eher unruhigen Schrift namens Skopex nicht. Auch der verstärkte Einsatz von Orange lässt die Gestaltung weniger wertig erscheinen. Vom Duktus her könnte das auch Produktwerbung eines Supermarktes sein. Geradezu edel wirkt im Vergleich hierzu das Zusammenspiel aus schlanker und fetter Helvetica, wie es für die 2009er-Gestaltungslinie charakteristisch ist.

Verantwortlich für die Gestaltung der CDU-Plakate wie auch für die Entwicklung der neuen Werbelinie zeichnet die Agentur Blumberry aus Berlin. Als Fotograf wurde Dominik Butzmann verpflichtet.

Fazit
Im Vergleich zur 2009er-Serie wirken die aktuellen Plakate weniger harmonisch, die Formensprache weniger ausgefeilt und die Typographie weniger präzise. Rein gestalterisch ein Abstieg.

Alle Plakate der CDU finden sich unter: https://www.cdu.de/plakate

FDP

FDP Wahlplakat Bundestagswahl 2013

Mit Spitzenkandidat Rainer Brüderle geht die FDP in den diesjährigen Bundestagswahlkampf. Zu verdanken hat der 68-Jährige diese Position seinem Parteivorsitzenden Philipp Rösler, der ihn in einem geschickten Schachzug Anfang des Jahres an die vorderste Front des Wahlkampfs manövriert hatte. Noch muss die FDP auf ihren „Einpeitscher der Besserverdiener“ warten, wie in die Wirtschaftswoche betitelte. Während die Wesselmanntafeln einen sichtlich vergnügten Spitzenkandidaten zeigen (Abb. oben), scheint selbiger zum Zuschauen verdonnert, muss er doch das Einpeitschen noch vom Krankenbett aus erledigen.

Brüderle, im dunkelblauen Anzug mit gelber Krawatte, trägt die Hausfarben der FDP auf. In der Tradition Genschers erfüllt er als einziger der drei Abgelichteten vollauf das FDP’sche Modeklischee. Auch die Wahl der Hintergrundfarbe dürfte kein Zufall sein. Geschickt kaschieren nämlich die hier enthaltenen hellen, hautfarbenen Töne das lichte, graue Haar Brüderles. Ein durchaus vorteilhaftes Foto-Sujet, weitestgehend ohne Photoshop-Retusche, zumindest ohne offensichtliche Patzer.

Brüderles Blick gilt einem Statisten, der den Anschein erwecken soll, Brüderle sei in ein Gespräch mit einem Menschen auf der Straße verwickelt. Die Blickrichtung Brüderles weist zugleich auf die in der rechten unteren Ecke befindlichen Textbotschaften: „Damit Deutschland stark bleibt“ sowie das bundesweite Motto der FDP „Nur mit uns“, das jedes der Plakate ziert. Offensichtlich verbindet die FDP und die Linke doch mehr als gedacht, denn auch die Linke warb zuletzt auf den Plakaten zur Landtagswahl in NRW mit eben diesem Spruch. Zumindest eint sie der Wunsch, unverzichtbar zu sein.

Nüchtern und neutral wie auf einem Passfoto schauend wurden Rösler und Westerwelle abgelichtet. Die aktuellen Sympathiewerte des Parteivorsitzenden und des Bundesaußenministers nach oben schrauben, dazu taugen die Plakate wohl eher nicht. In Zeiten, in denen eine Krise die nächste Affäre jagt, erscheint Nicht-auffallen bereits als Maximalziel. Plakate hingegen, die nicht auffallen, verfehlen ihr Ziel. Die an Wahlplakate gerichtete Funktion, visueller Weckruf zu sein, erfüllen jedoch beide Plakate. Zu viel mehr sind Wahlplakate auch nicht in der Lage.

In der Vergangenheit wurden FDP-Spitzenkandidaten meist vor schrill gelbem Hintergrund in freigestellter Form plakatiert, wodurch die dargestellten Köpfe oftmals sehr unvorteilhaft wirkten. Im Zuge der Landtagswahl in NRW (2012) wurde für Christian Lindner die FDP’sche Farbenlehre umgekehrt – Blau wurde hier zu Primärfarbe. Zumindest Rösler und Westerwelle reiten auf dieser Gestaltungswelle ein Stück weit mit. Die Umfärbung könnte man als vertrauensbildende Maßnahme bezeichnen, wissen wir doch alle um die Farbwirkung von Blau » Sicherheit, Zuverlässigkeit, Vertrauen. Nicht umsonst nutzen Allianz, die Deutsche Bank, AXA und viele andere Banken und Versicherungen Blau als Hausfarbe.

Die gelben Themenplakate sind ein Minimum an Plakatgestaltung. Auch die schräg verlaufende Schrift vermag den Themenplakaten keine Dynamik zu entlocken. Vor Kreativität sprühen sie nicht eben. Texte wie „Schluss mit Schulden.“ konnte man bereits auf Plakaten zur Landtagswahl in Niedersachsen lesen und auch „Bürgerrechte stärken“ ist gewissermaßen ein Wahlspruch-Evergreen bei der FDP.

Fazit

Simpel. Keine nennenswerten Schwächen, dafür aber auch keine Besonderheiten, die die Plakate zum Hingucker werden lassen.

Gesamtfazit

(in alphabetischer Reihenfolge)

Partei Begründung
CDU Weniger ausgefeilt als die 2009er-Kampagne, die in vielerlei Hinsicht Benchmark-Charakter besitzt. Die Fröhlichkeit der Menschen wirkt gespielt. Das Zusammenspiel der unterschiedlichen Gestaltungselemente will nicht so recht gelingen.
DIE GRÜNEN Was viele Werber und Gestalter empfehlen, wird beherzigt: Weniger Logo, mehr Marke. Fotografisch anders und deshalb auffällig. Von einigen kleinen Schwächen abgesehen stark.
DIE LINKE Offenbar auf Effizienz in Sachen Erfassbarkeit getrimmt dabei allerdings gestalterisch einfallslos und bieder.
FDP Die größte Stärke der Kampagne ist es, keine offensichtlichen Schwächen zu haben. Gestalterisch solide, allerdings nicht gerade ein Hingucker.
PIRATENPARTEI Auf dem Weg zu einer eigenen visuellen Identität. Fotografisch teilweise bizarr. Textlich unausgewogen.
SPD Merkel-Bashing versus Bodenständigkeit. Zwischen diesen Polen bewegt sich die SPD-Kampagne. Während die WIR-Motive durchweg stimmig sind, darf bezweifelt werden, ob die Merkel-Plakate zur Wählermobilisierung taugen.

 

Hier gehts zum Teil 1 der Wahlplakatbesprechung zur Bundestagswahl 2013.

Dieser Beitrag hat 39 Kommentare

  1. Erst die Klage über vermeintliches „bashing“, jetzt plötzlich „Wohlfühlplakate“ … ?
    Und die FAZ (und diejenigen, die ihr zustimmen) sollte vieleicht sich mal die Plakate aller Parteien anschaun, nicht nur die der eigenen Klientel. Letztere sind nun wahrlich beliebig und austauschbar.
    Ich les da aber auch was von „für den gesetzlichen Mindestlohn“ oder „teilen macht Spaß: Millionärsteuer“. Ich hab schon gelesen „Waffenexporte verbieten! Auslanseinsätze beenden“. Für mich sind das „relevante Informationen“ (unabhängig davon, ob ich zustimme oder nicht). Und der Herr Oliver Klein sollt sich dann mal an der eigenen Nase fassen solang er Sachen wie „visuelle Umweltverschmutzung“ durch die Gegend floskelt.

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