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Der neue deutsche Reisepass … ist so furchtbar hässlich

Seit heute nun wird der neue deutsche Reisepass in einer modernisierten Version ausgegeben. Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière und der Vorsitzende der Geschäftsführung der Bundesdruckerei GmbH, Ulrich Hamann, preisen in Medienberichten die Vorzüge des Dokumentes. Insbesondere die neuen Sicherheitsmerkmale würden das hohe internationale Ansehen des deutschen Reisepasses auch in den kommenden zehn Jahren sichern, so heißt es aus dem Ministerium des Inneren. Das Thema Sicherheit scheint in diesen Tagen alles zu überlagern. Etwas ganz Wesentliches haben die Verantwortlichen beim Reisepass nämlich vergessen. Ein Kommentar.

Größtmögliche Fälschungssicherheit ist bei einem solchen ID-Dokument fraglos von zentraler Bedeutung. Das Schwelgen über die Materialbeschaffenheit des Passes samt Polycarbonat-Passkarte mit eingebettetem Sicherheitsfaden und hochwertigem Sicherheitspapier mit Halbton-Wasserzeichen sei den Ingenieuren und Druckprofis gegönnt. Der neue Pass ist womöglich tatsächlich ein Wunderwerk der Technik.

Ein nationaler Reisepass, das haben die Norweger auf beeindruckende Weise bewiesen, als sie vor drei Jahren ebenfalls einen neuen Reisepass eingeführt haben, ist mehr als bloß ein amtlicher Ausweis, der grenzüberschreitendes Reisen ermöglicht. Ein Reisepass ist immer auch Teil der eigenen Identität. Er transportiert, bewusst und auch unbewusst, Merkmale und die Kultur des jeweiligen Landes. Die hanebüchene Gestaltung, die der neue deutsche Reisepass unter UV-Licht offenbart, zeichnet diesbezüglich ein düsteres Bild von Deutschland.

Der Bundesadler wird im neuen Reisepass ziemlich rüde geköpft. Auf Innenseiten wird das Wappentier, das in diesem Fall als sogenanntes „Kleines Bundessiegel“ Anwendung findet, zweifach abgebildet, in beiden Fällen in angeschnittener Form. Die Souveränität des Adlers, seit 1949 Staatssymbol der Bundesrepublik, ist dahin. In den bis gestern ausgegebenen Pässen, die nach wie vor ihre Gültigkeit behalten, befindet sich der Bundesadler auf Innenseiten mittig. Die Zentrierung verleiht dem Dokument eine gewisse Klasse und sie wird auch dem Wappentier gerecht. Klasse und Anspruch in Bezug auf Design lässt der neue Reisepass jedoch an jeder Stelle vermissen.

Das, was da unter UV-Licht zum Vorschein kommt, als lieblos gestaltet zu beschreiben, ist noch milde formuliert. Die Halli-Galli-Kirmes-Optik des Reisepasses entbehrt jedem Ästhetik- und Designverständnis. Das Brandenburger Tor, der Bundesadler darüber geklascht und oben drauf noch eine als Fähnchen angelegte Seitenzahl. Wahrlich ein Ebenenset des Grauens. Bunt wie das Poster eines Reggae-Festivals obendrein. Man fragt sich, was die Beamten geraucht haben, als sie diesen Entwurf schufen. Der Schriftzug „BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND“ sowie unzählige Sterne werden an Kurven ausgerichtet, die völlig unmotiviert über die ersten beiden Innenseiten verlaufen. Sterne, Sterne, überall Sterne. Und Bundesadler wohin man schaut. Selbst mitten auf dem Gesicht wurde ein Bundesadler platziert (Abb. links oben). Gespenstisch.

Die Chance, ein Konzept zu implementieren, das einerseits sicherheitsrelevanten Anforderungen genügt und gleichzeitig einen gewissen Anspruch hinsichtlich auch der Ästhetik eines solchen behördlichen Ausweises dokumentiert, wie es die Norweger vorgemacht haben, hat das Ministerium des Inneren verpasst. Im Gewöhnlichen das Außergewöhnliche erkennen – dafür braucht es keine UV-Leuchte. Was eine solch verunglückte Gestaltung über die „Kulturnation Deutschland“ aussagt, mag sich ein jeder selbst denken. Zur Steigerung des internationale Ansehens in Bezug auf das Designverständnis von uns Deutschen ist dieser Reisepass jedenfalls denkbar ungeeignet.

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Dieser Beitrag hat 76 Kommentare

  1. OH GOTTT!!!!!!! DAS ABENDLAND GEHT UNTER! ICH KANN NICHT MEHR ALS ÄSTHET AUF REISEN GEHEN. Was sollen die Syrer denken, und was die Afghanen. Und was die Kongolesen und Burmesen und Sudanesen, wenn ich am Flughafen an ihnen vorbei, zur fast lane “EU” gehe. Werden sie denken, “dieser Typ, der einfach überall einreisen kann, hat keinerlei Geschmack!”??!?
    Ich schäme mich schon jetzt, bald diesen “Reisepass” in Händen halten zu müssen.

  2. …………Und dann könnte man noch sagen, viel wichtiger als das Aussehen des Passes ist doch seine Haltbarkeit. Hier gab es ja für den Vorgänger speziell von Vielreisenden doch so manche Kritik zu lesen dass der Pass bei Vielnutzung schnell oder relativ schnell “auseinandergefallen” sei. Wenn das beim Nachfolger jetzt nicht mehr so ist, immerhin hat man ja die Materialien auch deshalb geändert um den Pass “nutzerfreundlicher” zu machen………….

    Sicher hätte man auf den Innenseiten für die Visa als Hintergrundbild für Deutschland charakteristische Landschaften oder Bauten zeigen können. Aber irgendwo handelt es sich bei dem Dokument doch um einen REISEPASS und nicht um ein BILDERBUCH……….. :-)

    1. Ein Problem dabei ist ja:

      wir alle sind furchtbar davon überzeugt, genau zu wissen, was “typisch deutsch” sei, meistens wird das in negativem Kontext zum Nörgeln verwendet, aber was ist denn tatsächlich “typisch deutsch” im Sinne einer für Deutschland charakteristischen Landschaft?
      Die Antwort dürfte nicht nur im Vergleich Bayern und Schleswig-Holstein extrem unterschiedlich ausfallen, was da jeweils für “typisch” oder “charakteristisch” erachtet wird. Da hat es ein Staat wie Norwegen, für den tatsächlich durchgängig ein gewisser Landschaftstyp charakteristisch ist, natürlich deutlich einfacher. Und so extrem gegensätzlich wie Voralpenland und Wattenmeer sind die im Detail natürlich durchaus vielfältigen Naturräume dort auch nicht.

      Ein ähnliches Problem hatten wir ja schon mit der Gestaltung der Euronoten. Was wurde da gemeckert, dass es keine “Köpfe” und keine konkreten Orte oder Bauwerke auf die Scheine geschafft haben. Aber was ist denn schon charakteristisch für Europa, ohne, dass mit Fug und Recht, ein großer Teil Europas hätte sagen können “also für uns ist das ganz und gar nicht typisch!”. Also hat man es bei sehr abstrakter Fantasie-Architektur belassen und die europäischen Symbole verwendet, die Europa und die Sterne.

      Ganz ähnlich ist es doch mit dem Pass für die Staatsangehörigen der 16 deutschen Länder. Und darüber noch die Einordnung in Europa als tragendes Element. Und das sicherlich mit den geschwungenen Linien und der fehlenden Strenge und Reduziertheit ein ganz beabsichtigtes Statement gegen staatstragende Schwülstigkeit. Beschwingt und europäisch, so sieht sich die moderne Bundesrepublik Deutschland gerne selbst. Und das kommt durchaus gut über den neuen Reisepass rüber.

      Mir gefällt er!

  3. Ich besitze diesen Pass inzwischen und muss sagen, gut, er ist jetzt kein Design-Highlight. Aber er wirkt edel und wertvoll. Ist ein seriöses, klares Reisedokument geworden………… Nur was die “Konstruktion” mit dieser Polycarbonat-Passkarte angeht bin ich skeptisch hinsichtlich Lebensdauer. Aber das wird man sehen. Die werden sich da schon Gedanken zu gemacht haben und wissen, dass ein Reisepass schon mal was aushalten muss……. Hoffentlich.

  4. Naja, immerhin enthält der neue Reisepass (auf die Titelseite der Passkarte aus Polycarbonat) aufgraviert die erste Zeile der deutschen Nationalhymne samt der Musiknoten

    sowie an den Außenrändern der Innenseiten winzig kleine Deutschland-Flaggen. Die kann man sehen wenn man die Seiten gegen das Licht hält.

    Aber der UV-Druck der bleibt leider etwas langweilig. Trotz buntem Brandenburger Tor……. Hier hätte man wirklich mehr machen können. Selbst dann wenn die meisten das nie sehen.

  5. In der Welt nationaler Dokumente wird die Beständigkeit des Designs nun mal ganz gross geschrieben, und anscheinend ist das speziell so in Deutschland.
    Trotzdem wäre es nicht zu früh gewesen sich an, was die Reisepässe angeht, nun mal progressiveren Ländern wie Belgien, Portugal, Schweden oder Frankreich zu orientieren.
    Erstere beweisen uns das ein oder zwei klar gesetzte Linien auf dem Cover, intelligent angewandt, wie kunstvolle Feuerwerke wirken können. Auch Blindprägungen kämen in diesem Zusammenhang für den Cover mehr in Frage. Und weshalb denn nicht, wenn zumindest im Süden des Landes ein Haufen Barock liegt, den man ja auch endlich in den Reisepässen hätte verwenden können?
    Schon auf Grund der deutschen Geschichte wäre so was heftig angebracht. Es täte viel dazu den schrecklichen Adler, der doch sehr aussieht als habe er als letzte Fratze des Quetzalcoatls gerade einen Hasen zerpflückt, bzw. alternativ an jedem Galgen der Nürnberger Prozesse simultan gehangen, doch wieder in ein freundlicher gelauntes Nutz(Wappen)tier umzuwandeln.
    Ganz klar ist auch dass man mit dieser langweiligen Blockschrift die wir seit 70 Jahren vorfinden, wohl keine dem Verkauf bedachte Cola-Dose beschriften würde. Höchste Zeit also zur Verwendung einer erfrischenderen Serif-Schrift, nachhaltig und elegant.
    Es kann doch nicht sooo schwer sein dass man da was Annehmbares auf die Beine kriegt. Beim Briefmarken-Design funktionierts doch auch! Doch wenn Berliner Bürokraten und Politiker um ihre Ämtchen bangen… …

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