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„Das Vorgehen der FH Trier unterminiert die Berufschancen der eigenen Absolventen“ – Ein Gespräch mit Prof. Axel Kolaschnik

In kurzer Zeit ist der Artikel „Offenes Schreiben an die Hochschulleitung der FH Trier“ zu einem der meistkommentierten und -getwitterten Artikeln hier im dt geworden, zwischenzeitlich war er auf rivva.de der Artikel mit den meisten Shares, Likes, etc, wohlgemerkt zwischen all den schwergewichtigen Nachrichtenangeboten wie Spiegel.de, Focus.de, Welt.de oder Sueddeutsche.de. Viele aus der Kreativbranche werten das Vorgehen der FH Trier als einen großen Fehler, als ein falsches Signal und äußern sich dementsprechend in Kommentaren und auch in E-Mails, die ich seit der Veröffentlichung erhalten habe. Eine Fakultät für Gestaltung, die den eigenen Professoren und Studierenden offenbar nicht zutraut, das Design für den eigenen Webauftritt zu entwickeln, sondern stattdessen das Webdesign als Projekt auf einem Crowdsourcing-Portal ausschreibt! Unfassbar.

Eine Stellungnahme bleibt die Leitung der Fachhochschule Trier rund um Präsident Prof. Dr. Jörg Wallmeier nach wie vor schuldig. Brief und E-Mail blieben unbeantwortet. Abtauchen, auf das der vermeintliche Sturm im Wasserglas schnell vorbei sein möge, könnte die Devise sein. Auf der Facebook-Fanpage der FH Trier ist das Thema keine Zeile wert. Die Tatsache, dass die Hochschulleitung trotz vorgebrachter Kritik an der Ausschreibung auf 12Designer festhält, spricht Bände. Für eine Einsicht, sich in diesem Fall falsch zu verhalten, spricht es nicht. Ob die Kopf-in-den-Sand-Haltung allerdings das richtige Signal an zukünftigen Designernachwuchs ist, muss bezweifelt werden. Je länger eine Antwort, eine Reaktion auf sich warten lässt, um so mehr bestärkt es die Entscheidung, das Schreiben gleich öffentlich gemacht zu haben. Jeder Tag, an dem die Ausschreibung auf 12Designer.com läuft, ist ein Tag zu viel.

Die von der FH Trier auf diese Weise zum Ausdruck gebrachte Geringschätzung von Design ist beschämend für eine Ausbildungsstätte für Designer und Gestalter. Die FH Trier beschädigt mit ihrem Vorgehen das Ansehen der gesamten Designerzunft, da suggeriert wird, Design könne Jeder, Kommunikation und der Dialog als wesentliche Komponente innerhalb eines Designprozesses, seien überflüssig und anspruchsvolle Kreativleistungen seien für einen Appel und ein Ei zu bekommen, in diesem Fall für 528 Euro.

Die Fachhochschule Trier betreibt Preisdumping. FH-Vizepräsident Professor Axel Kihm rechtfertigt diesen Schritt gegenüber der Lokalpresse mit den Worten, es ginge doch wirklich nur um die Ideen. Sehr geehrter Herr Kihm, Ideen sind genau das, wovon wir Designer leben! (Danke Christian – stellvertretend für viele andere Kommentierer – für Deinen Einwand, auch für die offizielle Stellungnahme des BDG in diesem Zusammenhang). Darüber hinaus offenbart Kihm mit seiner Einschätzung, 528 Euro seien ein marktüblicher Preis für die Erstellung eines Webdesigns, wie wenig Einblick er in die Kreativbranche hat.

Unverständnis bezüglich des Vorgehens der FH Trier äußert auch Prof. Axel Kolaschnik, Prodekan der Fakultät für Gestaltung an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Mannheim, der im Vorgehen der FH Trier die Berufschancen der eigenen Absolventen unterminiert sieht. Ich sprach mit ihm über Design-Crowdsourcing, den Wert von Design und tolldreiste Anfragen aus der Wirtschaft, der er sich zunehmend ausgesetzt sieht.

Die Fachhochschule Trier schreibt derzeit das Webdesign des eigenen Webauftritts aus, sowohl auf fh-trier.de wie auch extern auf einem Crowdsourcing-Portal. Im letztgenannten Fall stehen für dieses Projekt 528 Euro als Honorar zur Verfügung (600 Euro abzüglich 12% Provision). Wie bewerten Sie diesen Vorgang?

Kolaschnik: Wie jeder Designer weiß: am schwersten ist es, ein Logo, einen Auftritt für sein eigenes Designstudio zu entwickeln. Hochschulen mit Gestaltungsfakultäten geht es da nicht anders. Einen Designauftrag außer Haus zu geben, ist daher für Hochschulen nicht ungewöhnlich. Den Designauftrag allerdings über eine CrowdSourcing-Plattform wie designenlassen.de, 12designer.com oder 99designs.com abzuwickeln, ist ein schwerer Schlag gegen die eigene Fakultät. Insbesondere gegen die eigenen Design-Studierenden. Das Vorgehen der FH Trier unterminiert die Berufschancen der eigenen Absolventen.

Welche Einstellung haben Sie generell zum Thema Design-Crowdsourcing? Welche Erfahrungen haben Sie bislang mit Crowdsourcing gesammelt, eventuell ja auch über Ihre Studenten?

Kolaschnik: CrowdSourcing-Plattformen wie designenlassen.de, 12designer.com oder 99designs.com sind Realität. Eine Realität, die hunderttausendfach von Auftraggebern genutzt wird. Designer müssen sich mit dieser Art der Dienstleistung auseinandersetzen und eine Haltung dazu entwickeln: “Ich spiel da mit” vs. “never ever!”

Mir selbst ist gerade im letzten Winter ein Branding-Projekt aus dem Ruder gelaufen, da mein Klient überraschend meinte, wir hätten ja ein Erfolgshonorar für meine Leistungen vereinbart (was wir nicht hatten), welches nur fällig wäre, wenn er meinen Vorschlag auch realisieren würde. Ganz in der Logik der CrowdSourcing-Plattformen. Und er hätte sich auf der Basis unserer (seiner Meinung nach kostenlosen) strategischen, konzeptionellen Vorarbeit parallel auf 99designs.com alternative Logovorschläge machen lassen, von denen einer ihm nun ganz gut gefiele. Meine kurze Recherche ergab dies: “For just $310, they received 173 designs from 33 Designers.” Mein Klient schlug mir vor, ich solle doch, um mein Honorar zu erhalten, sein Lieblingslogo von 99designs.com zu einem tragfähigen CD ausbauen. Was ich ablehnte. Dieser Fall war nur durch aufwändige, unschöne Rekonstruktion sämtlicher Kommunikations- und Leistungsfakten sowie durch den massiven Einsatz von Anwälten zu klären.

Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass CrowdSourcing-Plattformen ein Dienstleistungsvariante geworden sind, mit der wir uns auseinander setzen müssen. Ich tue dies auch im Rahmen meiner Lehre.

Können Sie den Schritt der Hochschulleitung der FH Trier nachvollziehen, vielleicht aus finanzieller Sicht? Rechtfertigen aus Ihrer Sicht klamme Kassen ein solches Vorgehen?

Kolaschnik: Es gibt keine Rechtfertigung für dieses Vorgehen – es sei denn, Ignoranz gälte als Rechtfertigung.

Wenn solch ein Modell Schule machte, hieße dies verkürzt, dass mit Steuergeldern genau die Arbeitsplätze vernichtet werden, für die eine Einrichtung wie die FH Trier Nachwuchskräfte ausbildet. Mit einer offenbar unbedachten Maßnahme werden jahrzehntelange Bemühungen, den Wert von Design zu vermitteln, torpediert, was jeden engagierten Designer wütend machen sollte. Leistet die FH Trier aus Ihrer Sicht dem Design einen Bärendienst?

Kolaschnik: Druck ablassen oder wild um sich schlagen tut gut – hilft aber nicht weiter, solange 17.500 Designer (“Community Mitglieder”) bei designenlassen.de mitspielen, und über 21.300 bei 12designer.de. Zorn kann uns helfen, konstruktiv verändernd zu handeln. Was Sie auf und mit Ihrem Design Tagebuch ja tun. Sie haben einen Stein in’s Rollen gebracht. Die Diskussion läuft. Bleiben Sie dran – und danke dafür.

Als Professor und Prodekan der Fakultät für Gestaltung an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Mannheim erhalten Sie immer wieder auch Anfragen aus der Wirtschaft, in denen Unternehmen dazu einladen, die Gestaltung etwa für ein Corporate Design zu übernehmen. Wie sind hier Ihre Erfahrungen?

Kolaschnik: In schöner Regelmäßigkeit erreichen unsere Fakultät – wie sicher alle Gestaltungsfakultäten in Deutschland – Anfragen, mit der Bitte, unsere Kreativität für Kulturveranstaltungen wie die regionale Lange Nacht der Museen, für lokale Kultureinrichtungen oder für soziale Einrichtungen in der Umgebung sprudeln zu lassen. Je nach Komplexität der gestellten Aufgabe, nach der Möglichkeit der engen Kooperation mit dem Auftraggeber sowie dem vermuteten Praxiseinblick für die Studierenden unterstützen wir hier gern. Sofern es sich in unser Curriculum einbetten lässt und die Studierenden in einem “geschützten Bereich” agieren können und dabei nicht überfordert werden. Begleitet werden diese Projekte immer durch einen Professor, eine Professorin. In jedem Semester werden Projekte dieser Art – seien sie durch Anfragen seitens der Auftraggeber initiiert, oder seitens der Professoren – an unsere Fakultät durchgeführt. Ziel sind, neben dem Aspekt der Praxisrelevanz, auch Aspekte der Sichtbarkeit der Fakultät sowie die Vernetzung mit der Region.

„zeitgemäßes Design zum Nahezu-Null-Tarif“

Zunehmend – so erscheint es mir – wenden sich auch Unternehmen aus der Wirtschaft an uns. Möglicherweise “angelernt” aus der Tradition gemeinsamer Forschungsprojekte, die Industrie und Wirtschaft einerseits und (technische) Hochschulen andererseits seit langer Zeit erfolgreich praktizieren – und die mitunter in Public Private Partnerships zu beider Nutzen münden. Diese Art der Forschungsprojekte ist Gestaltungsfakultäten in der Regel fremd. Um sich also frischen kreativen Input zu holen, wenden sich Unternehmen an Gestaltungsfakultäten mit Worten wie diesen: “Das wäre doch mal ein nettes Projekt für Ihre Studenten – damit sie einen Einblick in die Praxis erhalten.”

Werden in derlei Anfragen Kreativleistungen fair und angemessen honoriert?

Kolaschnik: Im Auge haben Auftraggeber aus der Wirtschaft dabei natürlich eher “zeitgemäßes Design zum Nahezu-Null-Tarif” als “Praxisförderung von Designstudenten”. Es liegt dabei in der Verantwortung der begleitenden, das Projekt verantwortenden und steuernden (und dafür nicht gesondert honorierten) Professoren, eine Balance zwischen dem Nutzen für den Auftraggeber und dem für die Lehre wichtigen Aspekt der Praxisrelevanz herzustellen. Ich achte grundsätzlich bei Projekten, die ich für “echte Auftraggeber” durchführe, darauf, daß die Studierenden für Leistungen, die über im Curriculum verankerte Leistungen hinaus erbracht werden, auch honoriert werden. Das beinhaltet ein Anerkennungshonorar für alle projektbeteiligten Studierenden (das die bis vor kurzem in Baden Württemberg zu zahlenden Studiengebühren wieder einspielen sollte) sowie ein Honorar für die weitere Ausarbeitung des gewählten Entwurfs und die Übertragung der Nutzungsrechte. Bei den letztgenannten Leistungen, die über den im Rahmen des Kurses zu entwickelnden “Entwurf” und/oder “Kreativimpuls” hinaus gehen, vermittle ich zwischen den betreffenden Studierenden und dem Auftraggeber. Denn auch bei diesem – zumeist ersten – Schritt in die Praxis darf ich meine Studierenden nicht allein lassen.

Gehen Sie auch auf Unternehmen zu, wenn Anfragen aus Ihrer Sicht allzu forsch und fordernd formuliert sind oder Ihnen die Bedingungen inakzeptabel erscheinen?

Kolaschnik: Ich fühle mich, als Professor, der das Privileg weitestgehender finanzieller Unabhängigkeit gegenüber Auftraggebern aus der Wirtschaft geniesst, allen Ernstes geradezu verpflichtet, als Erster den Mund aufzumachen, wenn Anfragen an mich gestellt werden, die ich für unanständig oder gar unlauter halte. Ein taufrisches Beispiel ist die Anfrage eines der führenden Recyclinunternehmen Deutschlands. Dieses Unternehmen wandte sich “nach diversen Versuchen, den herkömmlichen Weg über Agenturen zu gehen” an mich als Professor, um so auch meine Studenten aufzufordern, ein Signet zu entwerfen. Als Gegenleistung sollte unter allen deutschlandweit teilnehmenden Kreativen drei iPads verlost werden. Falls ein Entwurf umgesetzt werden würde, würde der/die Einreichende dafür 2.500,- erhalten. Inclusive Übertragung aller Nutzungsrechte. Ich empfahl der Senior Marketing Managerin des Unternehmens, Ihre Ausschreibung zurückzuziehen. Zudem schrieb ich: “Ihre Anfrage ist unangemessen und einem der “führenden europäischen Umweltdienstleister und Rohstoffanbieter” mit einem jährlichen Umsatzvolumen von “2,73 Milliarden Euro und über 9.000 Mitarbeitern in rund 200 Tochter- und Beteiligungsunternehmen in Deutschland und weiteren zwölf europäischen Ländern sowie in Asien und den USA” (Eigenwerbung) absolut nicht würdig.” Getoppt wurde die Vermessenheit der Anfrage durch diesen Satz: “An dem Wettbewerb können sich Fachleute und Laien…beteiligen.”

Ich freue mich insbesondere, dass inzwischen einige meiner MasterStudenten – denen ich ja geradezu predige, dass gutes Design letztendlich eine Frage der Haltung ist – da mitziehen, und von sich aus gegen derartige Anfragen aktiv werden.

Es ist allerdings auch an der Zeit, dass sich Designprofessoren deutscher Gestaltungsfakultäten auf eine Art “Code auf Conduct” verständigen, wie mit Anfragen aus dem “richtigen Leben da draussen”, insbesondere aus der Industrie und Wirtschaft umzugehen ist. Mit einigen Kollegen – von Berlin über Dessau bis Konstanz – sprach ich bereits darüber. Ich freue mich, dass Sie mit dem designtagebuch de (herzlichen Glückwunsch zum 6. Geburtstag!) die Initiative ergreifen und eine Plattform bieten wollen.

Ist in der Wirtschaft, Ihrer Meinung nach, der Eindruck entstanden ist, Kreativleistungen seien an Hochschuleinrichtungen besonders günstig einzukaufen?

Kolaschnik: Die immer noch erschreckend weit verbreitete Haltung seitens Auftraggebern aus der Industrie und Wirtschaft ist – in Abstufungen – die Formel: Kommunikationsdesign = bunt machen. Und besonders billig machen es lustige junge Studenten bunt. Insofern betrachte ich meine Designprojekte, die ich mit meinen Studierenden für kulturelle Einrichtungen, NGO’s und wirtschaftlich aufgestellte Unternehmen durchführe, immer auch als eine Schulung der Auftraggeber. Als Prof. darf ich das. Ich muss es sogar: das dabei auf Auftraggeberseite entwickelte Design- und Designprozessverständnis könnte später einmal meinen Absolventen als freien Designern oder Leitern von Designstudios die Abstimmung mit ihren Auftraggebern erleichtern.

Design hat in den letzten 10 bis 20 Jahren enorm an Bedeutung zugenommen. Eine Marke wie Apple definiert sich zu einem großen Teil über das Design seiner Produkte. Viele Unternehmen haben Design auch als Wirtschaftsfaktor erkannt, so zumindest mein Eindruck. Spüren Sie im Dialog mit Unternehmen, dass die gestiegene Bedeutung mit einer gleichfalls verbesserten Anerkennung (auch finanziell) der Kreativleistungen einhergeht?

Kolaschnik: Ein Frage, die einer komplexen Antwort bedarf. Um es kurz zu machen: Unternehmen, die Design als strategisches Mittel verstehen, werden sich Wettbewerbsvorteile sichern. Designer, die den strategischen Part ihres Designschaffens erkennen und gezielt einsetzen, werden nicht durch Dienstleistungen von CrowdSourcing-Plattformen ersetzt werden.

Von Designwettbewerben profitieren aus finanzieller Sicht nur ganz wenige, auf Crowdsourcing-Portalen gar oftmals nur ein einzelner Gestalter. Könnten Sie vielleicht einmal aufzeigen, was konkret es bedeutet, wenn 100 Designer gleichzeitig um ein einziges Honorar buhlen?

Kolaschnik: Als Beispiel greife ich noch einmal auf die bereits beschriebene Anfrage des Recycling-Unternehmens zurück. Ich rechnete der Senior Marketing Managerin folgendes vor: “Sie beabsichtigen, mit Ihrem Wettbewerb die kreative Leistung einer nicht definierten, nicht eingegrenzten Anzahl von Kreativen abzurufen und diese Leistungen in ihrer Gesamtheit mit 3iPads (Wert á 479 – 799€) sowie einem (EINEM) Preisgeld für den Siegerentwurf in Höhe von 2.500€ incl. sämtlicher Nutzungrechte zu vergüten. Das macht insgesamt maximal ca. 5.000€ für die Vergütung aller (ALLER) Kreativleistungen.

Hierzu ein kleines Rechenbeispiel:
_angenommen, es beteiligen sich (nur) 100 Kreative
_und jeder Kreative investiert (nur) 2 Arbeitstage á 8 Stunden
so wären dies 1.600 Arbeitsstunden.

Ihre Vergütung entspräche somit einem gerundeten Stundenlohn von 3,13€ Die Interessengemeinschaft der Designer AGD empfiehlt hingegen einen Stundenlohn von ca. 75€ Sie sehen die Diskrepanz.

Diese Haltung versuche ich, meinen Studierenden zu vermitteln. Schon, indem ich sie konsequent vorlebe.

Ich selbst bin dankbar, zu Studienzeiten (94–99) auch Projekte realisiert zu haben, die aus der Wirtschaft kamen und an die FH Hannover gerichtet worden sind. Die Honorierung seinerzeit, etwa für die Konzeption und Kreation einer Ausstellung, würde ich als angemessen bezeichnen. Wie sollte ein Projekt Ihrer Meinung nach aussehen, von dem alle Beteiligten, das Unternehmen, die Studierenden und die Hochschule gleichermaßen, profitieren?

Kolaschnik: Ziel der Projekte für “echte Auftraggeber” muss es immer sein, Design-Studierenden in einem geschützten Umfeld erste konkrete – theoretisch flankierte – Erfahrungen in Designprozessen sammeln zu lassen:
_Wie funktioniert das mit dem Briefing? Warum sollte ich auf einen Re-Briefing-Termin bestehen?
_In welchen sinnvoll aufeinander aufbauen Phasen verläuft eigentlich so ein Designprozess?
_Wie entscheidend ist die richtige “Aufhängung” des Projektes auf Kundenseite
_Wie eng muss ich mich im laufenden Projekt mit dem Kunden abstimmen?
_Wie steuere ich die unterschiedlichen Interessen, Denkweisen und Kompetenzen?
_Welche Auswirkungen haben zeitliche und finanzielle Restriktionen auf die Qualität meines Designs?
…bis hin zu der Frage “Darf ich meinen Kunden einfach doof finden, wenn er sich nicht für meinen tollen Entwurf entscheidet, sondern den Entwurf eines Anderen umsetzen will?

Hinzu kommt, dass komplexe, im Team und unter Berücksichtigung von Kundeninteressen entwickelte Lösungen mit “in echt” realisierten Umsetzungen einen höheren Stellenwert in einer Mappe haben, als Entwürfe für fiktive Organisationen oder Unternehmen, die der Studierenden unter Ausschluss störender Rahmenbedingungen entworfen hat.

Diese beiden Faktoren sind die Basis. Um diese zu erreichen, müssen “echte Auftraggeber” bereit sein, sich auf einen definierten Designprozess einzulassen. Das beinhaltet ein persönliches Briefing mit der Geschäftsführung des Unternehmens, die Bereitstellung von Materialien, mindestens eine Betriebsbesichtigung, ein Re-Briefing-Gespräch oder Workshop, einen permanenten Ansprechpartner auf Auftraggeberseite, Feedback auf Zwischenergebnisse bis hin zu einer Abschlusspräsentation in würdigem Rahmen. Und möglichst als Sahnehäubchen noch eine Abschlussfeier.

Auftraggeber haben dabei die anfallenden Fahrtkosten, Recherche- und Materialkosten zu tragen, sowie die Kosten einer Dokumentation des Projektes. Die Art und Höhe einer finanziellen Honorierung kann nur abgestimmt auf die Wirtschaftskraft des Auftraggebers sowie auf den vermuteten Nutzen des Projektes erfolgen. In der Regel enden die Projekte, die ich mit meinen Studierenden für “echte Auftraggeber” durchführe, mit der Präsentation der strategischen Brand Identity bzw. der CI, der Konzeption einer Kommunikationskampagne und/oder dem Entwurf eines Designsystems (Brand Design, Coorporate Design, Kampagnendesign). Wir wollen zunächst einen kreativen Impuls setzen – entwickelt im gestalterischen Experiment – der umgesetzt werden kann, aber nicht muss. Diesen Grundgedanken vereinbare ich mit dem interessierten, potentiellen Auftraggeber bereits bei der Definition der Ziele unseres Projektes. Kommt es zur Realisation des Projektes, so müssen zumeist etablierte Kreativdienstleister und Agenturen hinzugezogen werden. Ich achte dabei darauf, daß die beteiligten Studenten – sofern sie daran interessiert sind – in die Realisationsphase, die dann außerhalb meiner Hochschule durchgeführt wird, eingebunden und honoriert werden. Und so richtig rund wird ein Projekt, wenn die realisierten Ergebnisse im nachfolgenden Semester allen einstmals Beteiligten präsentiert werden.

Was wäre im konkreten Webdesign-Projekt der FH Trier aus Ihrer Sicht das bessere Vorgehen gewesen?

Kolaschnik: Man hätte sich in Stufen einer sinnvollen Lösung nähern können. Auch wenn der Recherche- und Kommunikationsaufwand etwas Zeit kosten würde. “Zeit” dürfte an einer Hochschule jedoch nicht der kritischste aller Faktoren sein.

Stufe 1
Die Professoren der Fakultät fragen, ob Sie das in die Hand nehmen wollen – gemeinsam mit geeigneten Studierenden. Dabei sollte das Projekt – auch wenn es intern entwickelt wird – mit einem angemessenen Budget unterfüttert sein.

Stufe 2
Die Professoren der Designfakultät könnten projektberatend tätig werden:
_Definition der Ziele, Anforderungen, Rahmenbedingungen
_Aufsetzen eines geeigneten Designprozesses
_Auswahl der Agentur, des Dienstleisters
Die Professoren könnten dabei Absolventen empfehlen, die sich auf das betreffende Designgebiet spezialisiert haben. Auch könnten sie ihnen bekannte Agenturen empfehlen.

Stufe 3
Bundesweite Ausschreibung. Dabei könnte die Hochschule Trier durchaus transdisziplinär vorgehen – so hat sie zum Beispiel einen Professor, der das Thema “Vergaberecht” lehrt.

Es wäre an dieser Stelle interessant, den von der FH Trier beschrittenen Weg aus rechtlicher Perspektive auf seine Übereinstimmung mit dem Vergaberecht, dem die Hochschule unterliegt, zu betrachten.

Herzlichen Dank für das Gespräch
Die Fragen stellte Achim Schaffrinna

Zur Person: Axel Kolaschnik ist Prodekan der Fakultät für Gestaltung der Hochschule Mannheim und Professor für Corporate Identity, Corporate Design und Markenbildung/-kommunikation. Er ist Leiter des Instituts für Marke und Design IMD, war Vorstand des Internationalen Designzentrum Berlin IDZ, e.V. (2002 – 2010), Beirat des Designzentrum Rhein-Neckar und hat als Designer unter anderem namhafte Kunden wie Adidas, Schering, Volkswagen oder die UNO Flüchtlingshilfe betreut. Regelmäßig hält er Vorträge, in denen er etwa „Perspektiven für die Ausbildung und Qualifizierung von Selbständigen, Führungskräften und Unternehmern in der Kreativwirtschaft“ aufzeigt (IHK-Rhein-Neckar, Veranstaltung „Kreativwirtschaft im Dialog“).

 

Dieser Beitrag hat 40 Kommentare

  1. “(…) es ginge doch wirklich nur um die Ideen.”

    eine website ist eine fusion aus corporate design und content. dazu kommt navigation und programmierung.

    was soll man da für “ideen” haben?

  2. @ Philipp,
    die Sprache verrät es im Grunde schon: “Käufer” versus “Auftraggeber”.
    Der eine ist Kunde = Käufer. Er kauft. Fertiges, schnell, viel Auswahl für wenig Geld.
    Der andere ist Auftraggeber. Er lässt machen.

    Wer in unserem Berufsstand seine Auftraggeber “Kunden” nennt, muss sich nicht wirklich wundern, wenn diese sich auch so verhalten.

    @ Achim
    Danke für den Zwischenstand.

    Auch hier: 5 Entwürfe sind denen vermutlich zu wenig (?), in der Praxis aber fast schon zu viel.

    Das Dilemma in der Praxis kommt nämlich erst noch.

    Was machen sie, wenn sie z. B. wirklich 20-30 Entwürfe haben? Sie werden sich nicht entscheiden können. Vor allem in Gremien wird es dann wirklich lustig, so sind viele Dinge wegen Unbeweglichkeit schon versackt. Sie sind wie Käufer vorm Margarineregal, 500 Sorten, welche nehmen.

    Aber da sie sich wie Käufer fühlen, wollen sie mehr, mehr. Und scheitern dann, wenn es mehr gibt. Philosophisches Paradoxon und psychologische Falle gleichzeitig.

    So wird es vermutlich laufen.

    So ist es zumindest bei zwei Fast-Auftraggebern von mir jedenfalls gelaufen. Die dann zu einem Portal sind, weil ich zu teuer und zu anspruchsvoll war (wollte nicht grundlos angezickt werden, ich verlange eine gewisse menschliche Grundqualität in der Auftragsbeziehung und schmiss sie raus):

    Sie konnten sich auf dem Portal nicht entscheiden. Es waren zu viele Entwürfe.

    Beide haben dann irgendein Logo genommen, weil in ihrem Portal-Projektvertrag stand, dass man halt eins auswählen muss. Damit draußen auftreten tun sie nicht: sie konnten sich bis heute nicht entscheiden. Nein, als Auftraggeber würde ich sie nicht wieder nehmen, denn sie haben mir gezeigt, dass sie bereits im Briefing keinen Plan haben und danach ebenfalls eine Plage der Menschheit sind.

    Ich lass mich aber gerne eines Besseren belehren, was den hochnoblen Auftraggeber FH Trier betrifft.Der Blödsinn fängt damit an, dass das Briefing der FH in meinen Augen nichts taugt. Alte Binsenweisheit in der IT: Garbage in – garbage out!

    Wie geht aber jemand vor, der wirklich Ahnung von der Materie hat. Hier ein Beispiel:
    Ein Webdesigner schreibt in seinem Aufsatz
    “Clients from Hell oder Warum Design klare Prozesse braucht”
    zur idealen Vorgehensweise eines Projekts, dass es Unfug ist, ausgerechnet mit dem Screendesign (und schön brav in Photoshop-Ebenen für die Fleißschüler, gelle) zu beginnen. (Quelle: https://die-netzialisten.de/webdesign/clients-from-hell-oder-warum-design-klare-prozesse-braucht/ )

    Als Designer bringe ich eine Vorstellung davon mit, wie das Projekt ablaufen soll. Dazu gehören zunächst die Kernpunkte unserer Arbeit: Wie gehen wir vor, wie arbeiten wir?

    Content First: Wir beginnen mit den Inhalten (Content-Strategy)
    Aus den Inhalten erarbeiten wir die Struktur der Website
    Anschließend übertragen wir Inhalte und Struktur auf das Design

    Dieser Ablauf ist ein anderer als der, dem wir noch vor fünf Jahren gefolgt sind. Damals begann ein Projekt mit einem groben Strukturdiagramm – das immer irgendwie ähnlich aussah – und mehreren Designvorschlägen. Die gesamte Kommunikation mit dem Auftraggeber drehte sich anschließend um das Design. Die Folge war, dass sehr viel Zeit in fruchtlose Diskussionen um Geschmacksfragen geflossen ist. Erst kurz vor dem Launch bekamen wir die Inhalt, die sich nur mühsam in das Design integrieren ließen.

  3. Zwischenzeitlich völlig “sinnfreie” Diskussion die zu Nichts führt und völlig ins Leere läuft. Sie wirkt nur noch gequält, spekulativ und einseitig. Mit reinen Mutmaßungen “arbeitet es sich schlecht”. Reine Beschäftigungstherapie. Grundsätzlich: Es wurde von Anfang an versäumt, den Gegenüber in einen Dialog “einzuladen” und ihn dabei “mitzunehmen”. Mit der Maßgabe, ihm auch die Möglichkeit zu geben, “das Gesicht zu wahren”. Stattdessen wurde gleich die berühmt berüchtigte verbale “Kavallerie” durchs Dorf gejagt- da würde ich mich auch verweigern. Tja Achim wie Du siehst, ist Deine Sozialkompetenz noch ausbaufähig…

  4. @ Christian Hettix:

    Kann man so sehen, muss man aber nicht so sehen. Die Reaktion von Achim mag lauter gewesen sein, als du das vielleicht getan hättest. Aber die Möglichkeit, Rückgrat zu zeigen bestand die ganze Zeit über. Und dennoch gab es keine adäquate Reaktion seitens der FH. Die Parole:

    Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen. Und alles wird gut…

    Da darf man als (indirekt) Betroffener auch gerne mal lauter werden.

    Es ist doch nicht so schwer, einen Fehler zuzugeben! Ich darf/muss das im Arbeitsalltag ab und an auch tun. Wer das mit hoch erhobenem Haupt kann, erspart sich einiges an Bauchschmerzen, wahrt dabei sein Gesicht und erntet – wenn man die Entschuldigung ernst meint – immer positive Reaktionen.

    Nichts davon hat hier stattgefunden. Wenn’s nach mir geht, darf dieser Themenkomplex gerne zu einer wöchentlichen Kolumne ausgebaut werden. Es ist ja nicht nur die FH Trier, die mit dieser Einstellung Gestaltern gegenüber auftritt, sondern ein sich durch alle Branchen und Gesellschaftsschichten ziehender Status quo. Und dieser Zustand wird für etliche immer existenzbedrohender.

  5. @Christian Hettix: Typen wie du machen mich derart wütend. Meine Frage, die du neulich nicht beantwortet hast: Bist du Designer? Wenn ja, möchte ich gerne eine Auslese deiner Arbeiten sehen.

    @Stefan #34: Danke, genau meine Meinung.

  6. Papier ist geduldig. In einem Gespräch mit dem Präsidialbüro versicherte man mir eben, eine Antwort auf mein Schreiben sei in Bearbeitung und würde mir bis spätestens Anfang kommender Woche zugehen.

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