Skip to content

Chance vertan. Warum der neue Markenauftritt von Wien nur Oberflächenkosmetik ist

Wien – Jetzt für immer

WienTourismus, die Tourismusmarke der österreichischen Hauptstadt, hat seit wenigen Tagen einen neuen Markenauftritt. Ziel des Redesigns sei es, den Anspruch als Premium-Destination zu stärken. Eine Stadt, die in Bezug auf ihre visuelle Identität derart zügellos agiert, kann allerdings kaum als Premiummarke wahrgenommen werden.

Im Fokus des neuen Markenauftritts stehe das Erleben persönlicher Genussmomente. So möchte man sich, wie es heißt, von einer „Must see“-Destination zum Sehnsuchtsort weiterentwickeln. Die Neupositionierung ist nach Einschätzung der Macher mehr Evolution denn Revolution.

Auszug der Pressemeldung:

„Wien ist eine starke und positiv besetzte Premiummarke im Städtetourismus – diese Stärke war zugleich große Herausforderung bei der Weiterentwicklung unseres neuen Auftritts. Er musste dem hohen Anspruch der Marke Wien gerecht werden, international, interkulturell und universell einsetzbar sein und dennoch klare Differenzierung zu unseren Mitbewerbern gewährleisten. Mit der Neupositionierung ging ein wesentlicher Perspektivenwechsel einher, die den Kundennutzen stärker denn je ins Zentrum rückt – weiter weg vom angebotszentrierten Aufbau der bisherigen Werbelinie“, so Wien Tourismusdirektor Norbert Kettner.

WienTourismus Logo – vorher und nachher

Wien Logo – vorher und nachher

Statt wie bisher mit dem Slogan „Wien – Jetzt oder nie“ wird fortan mit „Wien – Jetzt. Für immer“ geworben. WIEN NORD ist als Lead-Agentur strategischer Partner und verantwortlich für die Markenführung und Konzept-Entwicklung im Rahmen von Kampagnen. Für das neue Corporate Design zeichnet die Agentur seite zwei (Wien) verantwortlich.

Kommentar

Wie präsentiert sich Wien? Darauf gibt es eine einfache Antwort: uneinheitlich. DAS Wien gibt es nämlich nicht, wie die nachfolgenden Logos belegen (Abb unten). Wien präsentiert sich als Stadt mit vielen (Marken)Gesichtern. Das hat es mit vielen anderen Städten gemein. Nachvollziehbar ist das jedoch weder für Touristen, noch für Bürger. Wenn städtisches Marketing ein Eigenleben führt, ist es mit der Einheitlichkeit vorbei. Allzu umständlich werden dann mehrere Markenauftritte parallel geführt. Da kann man leicht den Überblick verlieren.

Stadt Wien und seine Logos

Ebenfalls unverständlich ist, dass die Stadt Wien Anno 2016 einen derart ungepflegten Twitter-Account sein eigen nennt. Der Eindruck, in Sachen digitale Präsenz den Anschluss verpasst zu haben, wiegt ungleich stärker als die Optik eines neuen Markenlogos. Statt Zeit und Geld in das Facelift der Tourismusmarke zu stecken, wäre die Harmonisierung des Gesamterscheinungsbildes der Stadt im Sinne eines ganzheitlichen Corporate-Design-Ansatzes der bessere Weg gewesen. Dafür allerdings muss man Strukturen verändern, nicht nur Oberflächen. Diese Chance hat man verpasst.

Bleibt zu hoffen, dass dieser Zustand nicht für immer so bleibt.

Mediengalerie

Weiterführende Links

Dieser Beitrag hat 28 Kommentare

  1. Zum Logo selbst: Naja, dass das i ein Ausrufezeichen sein soll, konnte ich auch nicht erkennen. Hierführ ist die Form des Punktes einfach zu undeutlich. Zu weit entfernt, zu klein und durch die Rautenform nicht als Solcher zu erkennen. Insgesamt kein Meisterwerk, was mich aber eher in meiner Meinung zu diesem heißen Thema bestärkt…

    Ich finde es auch nicht unbedingt von Vorteil, wenn eine Stadt (wie Wien) nur “eine Identität” hat. Ungeachtet, welches Logo nun besser oder schlechter aussieht, fände ich es sehr “einschränkend” wenn in sämtlichen Medien, Institutionen und Werbeauftritten auf den gleichen Stil zurückgegriffen wird.

    Man sollte sehr wohl erkennen, dass hier mehrere Leute bzw. “Designer” ihre Finger im Spiel haben. Ich mag den Gedanken nicht, dass nur eine Agentur “gewinnt” und dann in sämtlichen öffentlichen Einrichtungen “ihr Ding” durchzieht. Dies kann (bzw. sollte) man bei einer kleineren Stadt oder natürlich einer Firma umsetzen, die ihre Identität festigen will bzw. muss, um wiedererkannt zu werden. Vielfalt dagegen spiegelt genau eine “kunterbunte” Stadt wie Wien wieder. Verschiedene Menschen und Geschmäcker; warum darf sich nicht jeder mit einem der Logos identifizieren, welches ihm persönlich am Besten gefällt…

    Noch ein Satz zum Schluss: Mir persönlich sind bei meinem Wien-Besuch im Sommer keine bestimmten aktuellen Designs in Erinnerung geblieben, sicherlich noch das Logo von “Stadt Wien” oder vielleicht noch vom Museumsquartier. Zudem prägten sich alte Symbole ein, wie von den Wiener Stadtwerken, welche einem z.B. bei den öffentlichen Verkehrsmitteln immer wieder begegnen. Diese Vielfalt zu entdecken machte mehr Spaß, als ständig bei Werbeanzeigen zu denken: “ja, schonwieder das Gleiche, kenne ich mittlerweile schon…”

  2. Ich lebe als Grafikdesigner mit deutschem Migrationshintergrund nun schon seit über 12 Jahren in Wien und kenne die Stadt und ihre kreativen Stilblüten recht gut. Wien hinkt in Sachen Werbung und Grafikdesign dem Zeitgeist um etwa 20 bis 30 Jahre hinterher. Das visualisiert sich im StadtWien-Logo mit seinem infantilen 80er-Jahre-Typo-Kuddelmuddel oder in Werbe-Headlines, die hier offenbar nur verstanden werden, wenn sie in urtümlichem Helmut-Qualtinger-Deutsch verfasst sind. Die Logos, die mir regelmäßig Übelkeit bereiten, sind das SS-Bahn-Symbol (nein, das war jetzt kein Verschreiber) und der Schriftzug der Wiener Linien mit seiner runenhaften Dilettanten-Typo.

    Ein Logo ist immer nur so gut wie das Gremium, das darüber zu entscheiden hatte. Dieser Satz gilt ganz besonders für österreichische Städte-Logos. Leider sitzen hier noch immer urkonservative Bürokraten auf Lebenszeit an den Entscheidungshebeln. Gefälliges, leicht Verdauliches mit etwas Schlagobers scheint hier das Maß für Kreativität und Originalität zu sein.

    Im Vergleich dazu wirkt der hier vorgestellte Markenauftritt richtig ultra-modern …für Wiener Verhältnisse fast wie von einem anderen Stern.
    Tatsächlich ist er das aber nicht. Auch ich finde ihn viel zu zaghaft, unentschlossen und irgendwie eingebremst. Und hätte Christoph nicht das versteckte Ausrufezeichen erwähnt, dieser Gag wäre mir im Leben nicht aufgefallen. Aber der Wiener erwartet ja auch keine großen, genialen Würfe.

    Hauptsache die Melange wird heiß und mit einem Glas Wasser serviert und die Sonne scheint durch’s Kaffeehaus-Fenster, damit man die Kronenzeitung besser lesen kann.

    1. Lieber A.Karl, für einen “Wahl-Wiener” (seit 12 Jahren!) stehen Sie aber der Stadt und dem dort lebenden Volk ziemlich kritisch gegenüber. Zumindest schwingt hier doch etwas Abneigung mit. Ich hoffe, Sie haben trotzdem Freude, in dieser schönen Stadt zu leben. ;-) Als Designer, der sich zeitgemäßen frischen Wind wünscht, hat man es sicherlich nicht so leicht.
      Für mein Verständnis ist aber genau diese Kultur das, was sowohl der Alteinsässige, als auch der Tourist von Wien erwartet. Ultra-modernes Design passt dann wohl eher zu Industriestädten wie Linz.

      1. Lieber bzw. liebe Paddy S.!
        Wer sagt, dass man einer Stadt und seinen Bewohnern nicht kritisch gegenüberstehen darf?
        Und wer sagt, dass ultramodernes Design nicht in eine Weltstadt wie Wien passt? Ich denke, die Mischung macht den Reiz aus.

        1. Lieber A. Karl,
          bin männlicher Natur. ;-) Sicher ist Kritik gerade da sinnvoll, wo sich nichts oder nur wenig vorwärts bewegt. Vielleicht war es nicht so gemeint, aber es klang gerade so, als wäre es jeden Tag eine Überwindung, ja geradezu eine Zumutung, auf die Straße zu gehen und dem eingeborenen Wiener gegenüber zu treten. In diesem Fall hätte ich gesagt: “Hau di über die Häser!” ;-)

          Wenn nun wer ein ultramodernes und passendes Design entwickeln würde, hätte ich sicher nichts dagegen. Allerdings ist es sicher äußerst schwer, den Spagat zwischen der klassischen “Romantik” der Stadt und etwas sehr modernem zu schaffen. Bevor es dann nur erzwungen künstlich modern rüberkommt, würde ich den “Alt-Wiener Look” vorziehen.

    2. Ich denke, Du hast Recht mit Deiner Einschätzung. Die Entscheidung ist wohl auf ein fachlich schlecht besetztes Auswahlgremium zurückzuführen. Der Wiener würde wohl sagen “Von Gschissn auf Oasch”. Eine wirkliche Verbesserung kann ich hier beim besten Willen nicht erkennen.

  3. Leider sind in Sachen einheitlichem Design Designer häufig eher das Problem als die Lösung. Einheitlichkeit ist nur dann toll, wenn man die Arbeit von Kollegen kritisieren kann oder den Zuschlag für den Gesamtetat erhält. Geht es darum sich bestehender Entwürfe unterzuordnen, brechen viele Designer schnell aus und raten dem Kunden schnell zu individuellen Lösungen.

    Ich kenne das auch bei einem städtischen Corporate Design. Da wollen nicht nur die einzelnen städt. Abteilungen, Verwaltungen und Firmen keine Individualität abgeben und die Stadt einheitlicher präsentieren, sie werden auch von ihren Designern dahingehend beraten.

    Und selbst da, wo tatsächlich das Corporate Design umzusetzen ist, wird ständig dagegen verstoßen, um sich als Designer besser von den Kollegen abheben zu können.

  4. Ist müßig sich darüber zu äußern. Haben wir doch alle schon so oft gesehen. Von Agenturseite die Notwendigkeit solch radikaler Schritte aufzuzeigen, wie den gewachsenen Markenfilz abzuschneiden kommt einem Selbstmord gleich. Das hat nichts mit Kleingeistigkeit der Auftraggeber zu tun. Denen ist das oft selbst bewusst. Aber es ist nur mit einem Aufwand lösbar, der die Prozessestränge vervielfacht, damit die Budgetplanung zerlegt und das Risiko es zu einem Desaster werden zu lassen deutlich erhöht. Zudem hängen da eine Tonne “Befindlichkeiten” dran, denn irgendwer findet diesen Markenschrott ja gut und verantwortet das. Wenn du Agenturchef bist, Angestellte und Leasingverträge zu bezahlen hast, welche Entscheidung wirst du dann wohl treffen?

    1. Müßig schon, ja.
      Der Markenschrott hört nur dann auf, wenn ein ganz “Oberer” auf Auftrageberseite die Bereinigung deutlich will und für seine ganzen Abteilungen ansagt.

      Und wenn ein Büro deutlich ausschließlich als beratendes Büro gegen den Markenschrott engagiert wird, für seine Beratung als Consultant auch bezahlt wird und Überzeugungsarbeit leisten darf.

      Dieses unerbetene Vermischen aber von Consulting und Designen als angebliche “Haltung” ist in meinen Augen das Übel.
      (Weil es immer heißt, man solle doch einen Designkunden auch ehrlich beraten, nicht nur designen.)

      Das ist jedoch falsch, Blödsinn.

      Was heißt denn ehrlich. Ehrlich heißt ergebnisoffen beraten, das heißt, das Eigeninteresse draußen lassen, sein Design auf jeden Fall mit gutem Ertrag “verkaufen” zu dürfen. Denn das ergibt a) immer einen Interessenskonflikt gegen sich selbst und kommt auch oft bei Auftraggebern nicht gut an, die dieses Verhalten als unerbetene Besserwisserei auffassen.

      (Leider benötigen eigentlich sehr viele Auftrageber ehrliche Beratung. Aber was will man machen, wenn sie das nicht einsehen.)

      Wer von solchen lediglich fürs Designen beauftragt wird aber anfängt, zu consulten, der kreigt vielelicht zwar Applaus von der AGD udn dem BDG, der sitzt aber auf einem Schleudersitz.

      Ich pfeife auf diesen Applaus von ansonsten schwachen Interessensvertretungen aristokratischen Besserdesigns.
      Ich berate nur noch, wenn man das als Kostenposition wünscht. Sonst halte ich die Klappe.
      Habe schon zu viele Aufträge gar nicht erst bekommen, weil ich ehrlich war. Ob jetzt bei Kommunen oder kommerziellen Auftraggebern, völlig egal.

  5. Hübsche Typografie, nette Spielerei mit dem Ausrufezeichen. Aber für meinen Geschmack einfach zu emotionslos. So habe ich Wien nicht kennengelernt; zu glatt, zu spießig und zu starr. Das versuchen zwar die Bildmotive und die Layouts aufzubrechen, verfangen sich aber mit dem ganzen Weißraum in einem zu geradlinigen Raster. Schade…

Kommentare sind geschlossen.

An den Anfang scrollen