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Affinity Photo ist da – Bildbearbeitung am Mac zum Einmalpreis

Affinity Photo Logo

Nach fünf Jahren Entwicklungszeit und einer fünf-monatigen Betaphase ist vor wenigen Tagen nun „Affinity Photo“ erschienen, das von vielen Kreativen geradezu sehnlichst erwartete Bildbearbeitungsprogramm für den Mac. Die vom englischen Unternehmen Serif produzierte Software ist mehr als eine Photoshop-Alternative. Als Bestandteil einer in der Entwicklung befindlichen Suite ist „Affinity Photo“ ein Gegenmodell zum Abonnement-Angebot von Adobe.

Die Nachfrage nach dem Photoshop-Konkurrenten ist enorm. In der Betaphase wurde die Software nach Firmenangaben 230.000 mal heruntergeladen. In zahlreichen App Stores, darunter in Deutschland, USA, Kanada, Großbritannien, Australien und auch Japan belegt Affinity Photo (AP) derzeit Rang 1 der meistverkauften Apps. Schenkt man den dortigen meist überschwänglichen Bewertungen Glauben, könnte Adobe Photoshop tatsächlich ein ebenbürtiges Pendant erwachsen sein. Um es vorweg zu nehmen: auch ich bin begeistert.

Fast jeder Gestalter nutzt Adobe Photoshop – das bestätigt auch die dt-Studie „Wie Designer arbeiten“. Allerdings nur jeder Fünfte nutzt Produkte der Creative Cloud (CC). Noch immer scheinen viele Designer und Fotografen, insbesondere die selbstständigen unter ihnen, die im April 2012 verkündete Umstellung auf den Cloud-basierten und an einen Abonnement-Vertrag gekoppelten Vertriebsweg Adobe nicht verwunden zu haben. Allerdings fehlt es im Markt nach wie vor an leistungsfähigen Softwarelösungen, die im Stande währen, an der Quasimonopolstellung Adobes zu rütteln. Dementsprechend erwartungsvoll verfolgt man die Entwicklungen an der von Serif produzierten Suite, in der AP als Bildbearbeitungsprogramm nun das zweite Produkt markiert. Ich habe mir angeschaut, was die Photoshop-Alternative in der ersten Release-Version 1.3.1 leistet.

Schon die Einführung des Vektorprogramms „Affinity Designer“ im vergangenen Herbst war für Serif ein großer Erfolg. Von Apple gabs dafür einen Design Award. Mit AP könnte Serif diesen Erfolg noch einmal toppen. Ich bin von der Leistungsfähigkeit überrascht und sehr angetan. In der Eurozone kostet die Software reguläre 49 €. Ein geradezu läppischer Betrag, zu dem es früher nicht einmal ein Photoshop-Update gab. Zur Markteinführung wird bis zum 23. Juli zudem ein Rabatt in Höhe von 20% gewährt, übrigens auch für Affinity Designer.

Affinity Photo

Ziel der AP-Entwickler kann es nicht sein, das Rad neu zu erfinden, sondern eine möglichst ebenbürtige Lösung zu Photoshop zu entwickeln, die nur wenig Eingewöhnungszeit erfordert und dabei überzeugende Ergebnisse auf Profi-Niveau liefert. Bereits das erste Release kommt diesem Ziel erstaunlich nahe. Ähnlichkeiten zwischen AP und Photoshop sind alles andere als Zufall. Viele Funktionen wurden von Photoshop übernommen. Und dennoch ist AP weit mehr als eine Kopie.

Nachdem man das vergleichsweise schlanke Datenpaket (195 MB) auf den Rechner geladen und installiert hat, bekommt man es mit einem aufgeräumten und sinnvoll strukturierten Interface zu tun. Anders als bei Photoshop lässt sich die AP-Benutzeroberfläche nicht hellgrau einstellen, sondern lediglich mit Hilfe eines Gammakurven-Schiebereglers ein dunkler Grauwert auswählen. Wem die Werkzeuge zu bunt erscheinen, kann diese auf eine monochrome Version umstellen. Ein großes Plus: In AP kann man die Werkzeugleiste individuell bestücken (siehe Abb. unten).

farbig oder monochrom – die Werkzeugleiste von Affinity Photo
farbig oder monochrom – die Werkzeugleiste von Affinity Photo

Die aktuell ausgewählte Farbe sucht man in der Werkzeugleiste vergeblich. Diese lässt sich in AP nicht hier, sondern ausschließlich im „Farbe“-Fenster einstellen, weshalb dieses Fenster im Grunde immer geöffnet bleiben muss. Zusätzlich in der Werkzeug- oder der oberen Symbolleiste untergebracht, wäre schon sinnvoll.

Fenster lassen sich erwartungsgemäß nach persönlichen Vorlieben positionieren und anordnen. In der Standard-Ansicht werden Dateien jeweils in Tabs dargestellt, während diese im sogenannten modularen Modus in separaten Fenstern angezeigt werden. Anders als in Photoshop funktioniert hier der Austausch zwischen zwei Dateifenstern per Drag-and-Drop noch nicht. So bleibt nur der Weg über die Zwischenablage.

Im Gegensatz zu Affinity Designer und anders noch als in der Betafassung startet AP gleich mit vier Sprachversionen (Englisch, Deutsch, Französisch, Spanisch). Auch wenn in AP bereits viele von Photoshop bekannte Funktionen implementiert sind, braucht es aufgrund unterschiedlicher Bezeichnungen ein wenig Zeit, eh man diese entdeckt. Die folgende Auswahl zeigt einige Unterschiede auf.

Bezeichnungen in Affinity Designer versus Photoshop

Affinity Photo Adobe Photoshop
Dokument Bild
Farbformat Modus
Leinwand Arbeitsfläche
Vorlagen Vorgaben
Abwärts zusammenlegen Mit darunter liegender auf eine Ebene reduzieren
In Kurven umwandeln In Form umwandeln
Studio Arbeitsbereich
Maskierungsebene Ebenenmaske
Exportieren Für Web speichern
Schatten/Lichter Tiefen/Lichter

Unzählige Funktionen, wie man sie von Photoshop kennt, finden sich auch in AP, manche wurden sogar weiterentwickelt. So werden etwa beim Umwandeln eines Schriftzugs in Kurven die jeweiligen Buchstaben auf einzelne Ebenen verteilt. Richtig gut gefällt mir auch die Aufbereitung des Ausleuchtungs-Filters, der sich nicht nur intuitiv bedienen lässt, sondern zudem über üppige Justierfunktionen verfügt.

Überhaupt ist das Angebot an Ebeneneffekten, Pinselspitzen und Texturen riesig. Bereits in der ersten öffentlichen Version wurden viele Wünsche berücksichtigt. Wem das zu wenig ist, kann zusätzlich Photoshop-Plugins verwenden, zumindest ist es so vorgesehen. Das von mir genutzte „Neat Image“-Plugin wird zwar im Menü erkannt, verweigert allerdings seinen Dienst.

Keine Abstriche hingegen muss man in Sachen Performance machen. Viele hundert Ebenen umfassende Dokumente werden zeitnah geöffnet und auch komplexe Pinselspitzen bringen quasi in Echtzeit Farbe auf den Bildschirm. Tatsächlich war dies auch ein Schwerpunkt in der Entwicklung. „The performance of the product is what we are most proud of. We take full advantage of all the latest Apple technologies like OpenGL, Grand Central Dispatch and Core Graphics.” so Tony Brightman, Head of Affinity development.

Noch ist AP nicht dort, wo es sich viele Anwender und wohl auch die Macher wünschen. So fehlt derzeit etwa noch die Möglichkeit, eigene Kurzbefehle anlegen zu können. Eine Funktionen, auf die man nicht lange wird warten müssen, wie die Feature Roadmap verspricht. Gif-Animationen wird man demnach allerdings auch in naher Zukunft nicht mit AP erstellen können.

Ich vermisse zudem die Option, beim Erstellen einer Auswahl – analog zu Photoshop via Alt-Taste –, eine zentrische Erweiterung ausführen zu können. Auch erkennt AP die Größe eines in der Zwischenablage befindlichen Dokumentes nicht. Stets wird deshalb beim Anlegen eines neuen Dokumentes eine vordefinierte Standardgröße verwendet, anstatt die jeweilige Bildgröße der Zwischenablage zu übernehmen. So dürfte es wohl vielen Anwendern gehen. Hier und da vermisst man eine Funktion, eine Option oder einen Regler. Bei einer Software, für die man 1.000 Euro und mehr hinblättert, müsste man dies beklagen. Bei Affinity Photo hingegen überwiegt das Erstaunen über das Leistungsvermögen eines Programms, das nicht einmal 50 Euro kostet.

Fazit

Affinity Photo ist eine durchweg überzeugende Software, zumal zu diesem Preis! Man darf nicht vergessen, dass Adobe mehr als 25 Jahre benötigt hat, um aus Photoshop das zum machen, was es heute ist. Die Ausrichtung auf Mac-Anwender schmeichelt der Kreativen-Community, die eine solche Vorzugsbehandlung lediglich aus (ganz) frühen Tagen kennt. Lange hat es gedauert, bis eine solch leistungsfähige Alternative zu Photoshop auf den Markt gekommen ist. Nun ist sie da und mit ihr der Wettbewerb. Als Anwender kann man beides nur begrüßen. An die Dateiendung „.afphoto“ wird man sich freilich noch gewöhnen müssen.

Update 27.08.2015: Ab sofort gibt es Affinity Photo auch als 10-tägige Trial-Version: https://affinity.serif.com/de/photo/

Dieser Beitrag hat 44 Kommentare

  1. Hallo,

    warum wird eigentlich PhotoLine (www.pl32.de) so konsequent von allen Journalisten, Fachleuten und Zeitschriften (außer der c’t!) unterschlagen?
    Ich arbeite seit 10 Jahren unter OS X und Windows damit und PhotoLine hat zum kleinen Preis
    teilweise mehr als Photoshop zu bieten…

    Kopfschüttelnd

    1. Hallo Liegeradler,
      um etwas unterschlagen zu können, muss man es kennen ;-)
      Tatsächlich war mir bis heute PhotoLine kein Begriff. Was kann PhotoLine denn, was Photoshop nicht leistet?
      Grüße

  2. Hab mir gestern Affinity Photo gekauft, um eine ernsthafte Bildbearbeitung zu haben. Bis gestern und gelegentlich auch weiterhin war/ist meine Foto-App Pixelmator, mit der ich eigentlich im Großen und Ganzen zufrieden bin. Mal schnell einen Freisteller machen und die Farben anpassen, das geht auch mit Pixelmator flott von der Hand, allerdings ist die App meilenweit von einer Profi-Anwendung entfernt und man merkt das an allen Ecken und Enden. Im Job hatte ich viel mit Photoshop zu tun und gerade deshalb merkt man, was wirklich fehlt.

    Von Affinity Photo bin ich voll begeistert. Zum einem, weil es gestern noch zum Vorzugspreis von € 39,- verfügbar war und zum anderen, weil es in jeder Weise eine professionelle App ist. Was bei Pixelmator fehl, ist hier einfach vorhanden. Es wird zwar noch etwas Einarbeitungszeit erfordern und an verschiedenen Stellen wird Serif Labs sicher noch nachbessern, zum Beispiel bei den, mit Photoshop exzessiv genutzten Kanaloperation zum Freistellen und späteren umfärben von gescannten Zeichnungen. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.

    Endlich gibt es einen Mitbewerber zum Platzhirschen Photoshop!

  3. was im Text bezüglich der Farbauswahl steht ist nicht ganz korrekt. wenn man die Werkzeugleiste auf 2 Spalten einstellt taucht auch die Vordergrund / Hintergrundfarbe (genau wie in PS) auf.

Kommentare sind geschlossen.

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